Hallo,
wie bereits im Auslandsforum angekündigt, werde ich hier in nächster Zeit einige Bildbeiträge von meiner zweiwöchigen Tour zeigen, die mich unter anderem durch Budapest, Beograd und Zagreb geführt hat. Beginnen möchte ich dabei mit Beograd. Hier hatte ich den längsten Aufenthalt, es hat mir insgesamt am besten gefallen und ich habe natürlich auch die meisten Bilder gemacht. Bevor ich zu den Bildern komme, möchte ich allerdings noch ein paar Worte vorweg schicken:
Beograd war früher die Hauptstadt Jugoslawiens und ist derzeit die Hauptstadt Serbiens. Insgesamt leben in der Stadt 1,5 Millionen Menschen, was man dem ÖPNV allerdings kaum anmerkt, dem Individualverkehr dafür umso mehr. Der städtische Verkehrsbetrieb „Gradsko Saobracajno Preduzece Beograd“ betreibt insgesamt 10 Straßenbahn-und 8 Trolleybuslinien, auf letztere werde ich jedoch nicht weiter eingehen. Das Straßenbahnnetz ist insgesamt nur 42km lang, jedoch werden die meisten Äste von mehreren Linien bedient. Ansonsten war der Betriebsablauf für mich sehr interessant, da er völlig anderes geregelt war als in allen west-und mitteleuropäischen Städten die ich bisher besucht habe: Es gibt für die einzelnen Linien keine Fahrpläne. An den Endstationen stellen sich meist 1-2 Züge jeder dort beginnenden Linie auf, und alle Bahnen fahren dann halbwegs gleichzeitig hintereinander los. So ergibt sich meist eine Schlange aus bis zu fünf Zügen, die dann bis ins Stadtzentrum gemeinsam unterwegs sind, und von dort aus dann alle in eine andere Richtung fahren. Ein bestimmtes Taktinterval konnte ich dabei auch nicht ausmachen, die Bahnen fahren meistens alle 5-15 Minuten an den Wendeschleifen los. Diese geben einen anderen Betriebsablauf auch gar nicht her, da viele kein Überholgleis oder ähnliches besitzen. Die Endpunkte der Linien werden auch nicht so eng gesehen. Gerade auf den Linien 7 und 9 gibt es zahlreiche Kurzfahrten, die an einer der Zwischenendstellen wie z.B. dem Slavija-Platz enden. Alle Wagen, die irgendwie vom Linienverlauf abweichen, sind aber mit einem „L“ hinter der Liniennummer gekennzeichnet, die Linie „7L“ ist sogar in den Fahrplänen wiederzufinden. Andere „L“-Linien existieren z.B. auch wegen baustellenbedingter Umleitungen. Öfter kommt es auch vor, dass zwei oder gar drei Wagen einer Linie hintereinander unterwegs sind. Dies kommt häufiger auf der Linie 7 vor, da diese immer sehr gut ausgelastet ist und die ca. 30 modernisierten und nun traktionsfähigen KT4 nicht ausreichen, um alle Kurse der gut ausgelasteten Linien 7 und 9 abzudecken und die 20 ebenfalls traktionsfähigen KT4 des Baujahres 1997 derzeit nicht verfügbar sind.
Der Wagenpark besteht aus den eben genannten Fahrzeugen sowie zusätzlich dazu noch aus ca. 100 unmodernisierten KT4YU und ca. 50 GT6, die zusammen mit einigen drei-und vierachsigen Beiwagen aus Basel übernommen wurden. Zudem sind noch einige Fahrzeuge vorhanden, die nur betriebsinternen Zwecken dienen, wie ein T4D aus Halle und ein Be4/4 aus Basel. Alle Fahrzeuge sind in einem technisch guten bis annehmbaren Zustand. Das Äußere zeigt sich oft etwas in Mitleidenschaft gezogen. Im Innenraum wurden bei vielen KT4 besonders verschlissene Teile wie Türen und Türtritte durch neue ersetzt.
Das Streckennetz wurde und wird seit einigen Jahren erheblich modernisiert. Man merkt an einigen Stellen, dass man wohl 30 Jahre gar nichts gemacht hat, und jetzt im Zugzwang ist. Aber die Erneuerung der Schienen schreitet mit großen Schritten voran und insbesondere der längste Ast des Netzes, nämlich die Strecke in Novi Beograd zur Endstelle Blok 45 (MZ „Sava“) wurde so gut wie komplett saniert.
Zum Benutzen des ÖPNV gibt es für Touristen ausschließlich Einzelfahrkarten zum Preis von ungefähr 45 Cent. Weil ich gerade beim Thema Touristen bin: Es ist zu empfehlen, ein paar Worte Serbisch zu beherrschen, weil nur mit Englisch und Deutsch wird man wohl schon Probleme haben, an seine Fahrkarten zu kommen. Außerdem ist es ratsam, im Vorfeld das serbisch-kyrillische Alphabet zu studieren, denn auch wenn die eine oder andere Werbung oder Beschriftung in lateinischen Buchstaben gehalten ist, gilt das Serbisch-Kyrillische als offizielle Schriftsprache und ist dementsprechend überall präsent.
Dieses Bild beschreibt, trotzdem ich es nicht unbedingt als Kunstwerk bezeichnen würde, eigentlich am besten von allen den Charakter der Stadt und die Situation, vor die man als Straßenbahnfotograf gestellt wird. Doch wenn man ein paar Dinge berücksichtigt, kann man trotzdem zu ziemlich schönen Bildern gelangen.
Ebenfalls gut sichtbar, neben den ganzen Autos, ist der Dunst, der die Stadt Montag bis Freitag in seiner Gewalt hat. Als Luftkurort ist Beograd also keineswegs zu empfehlen...
Das Bild ist übrigens das erste aus Beograd überhaupt. Es entstand auf der Fahrt zur Wendeschleife Ustanicka, wo ich jedoch mit meiner ersten Bahn, einer modernisierten KT4-Traktion, nie ankam. Nach der vierten Haltestelle trat eine Türstörung auf, die Türen ließen sich leider nicht mehr schließen. Daher mussten die Fahrgäste die Bahn verlassen, der Fahrer schloss alle Türen von Hand und fuhr dann leer zum Depot.
So, nach der Fahrt mit Hindernissen kam ich dann doch noch bis zur Ustanicka. Hier sieht man KT4YU 374 bei der Ausfahrt.
KT4YU 209 auf der Linie 14.
Be4/6, oder zu Deutsch: GT6, 625 beim wenden an der Endstelle Blok 45 (MZ „Sava“). Man staune, diese Endstelle besitzt ein Überholgleis und sogar ein Stumpfgleis, wo auch manchmal einige Fahrer ihre Wendezeit um ein paar Minuten verlängern.
Ziemlich lange scheint die letzte Lackierung von Tw 297 her zu sein. Er war eines von zwei Negativbeispielen, die ich bemerkte, bei denen das blau der Lackierung einem dreckigen schwarz gewichen war. Positiv ist jedoch anzumerken, dass kein Wagen mehr in der originalen CKD-Lackierung rot-beige existiert, mittlerweile sind alle Wagen umlackiert.
Sehr schön sieht hingegen KT4 343 noch aus. Hier an der Haltestelle Blok 21 in Novi Beograd.
Weltuntergangsstimmung: Diese tritt in Beograd täglich außer an Wochenenden pünktlich gegen 17 Uhr auf. Man sieht den modernisierten Tw 320 beim Verlassen der Endstation Baljica II auf dem Weg in Richtung Blok 45.
KT4-Traktion mit Tw 351 kurz vor Erreichen der Haltestelle Sava-Centar.
KT4 334 nach dem Verlassen der Haltestelle Bahnhof Novi Beograd.
Eines der Dienstfahrzeuge konnte ich auch fotografieren. Hier T4D 1004 aus Halle, ebenfalls in Novi Beograd.
KT4 374 am Fuß der alten Festung Kalemegdan.
Auf der Linie 14 ist Wagen 349 unterwegs.
Die im Hintergrund sichtbare Altstadt wird von Tw 393 ebenfalls auf Linie 14 verlassen...
...während 284 dieser gerade entgegenfährt.
Parallel zu meinem Besuch fand in Beograd die 25. Universiade statt, eine große Sportveranstaltung für Studenten. Das Uni-Viertel war daher mit vielen Fahnen versehen und wurde von zahlreichen zusätzlichen Buslinien bedient.
Tw 217 wirbt für, oder besser gesagt gegen, Zigaretten. Nur verständlich, da viele Serben eine Zigarette nach der anderen rauchen. Manchmal kommen da Zweifel auf, ob der Dunst über der Stadt wirklich nur von den Autos verursacht wird ;-)
Gleich noch eine 7L an ähnlicher Stelle. Die modernisierten Traktionen machen wirklich was her.
Und weils so schön war auch noch 355 auf Linie 11L dort.
Eindrucksvoll ist auch die lange Brücke über die Sava, welche hauptsächlich der Straßenbahn dient und Beograd mit Novi Beograd verbindet. Hier mit Tw 369 auf der Linie 7.
Am Busbahnhof sieht man hier KT4 365.
Solo sieht man die modernisierten KT4 selten. Trotzdem hat sich Tw 350 mal auf die Linie 12L verirrt, hier vor dem Bahnhof.
Am Slavija-Platz treffen drei Straßenbahnstrecken auf einem Kreisverkehr zusammen. Schön mit anzusehen ist immer, wie Auto-und Straßenbahnfahrer trotz des oft mehr als dichten Verkehrs aufeinander Rücksicht nehmen und nicht die Straßenbahnfahrer meinen, sie seien die größten und können allen anderen die Vorfahrt nehmen. Hier kommen übrigens zusätzlich noch mehrere Obuslinien vorbei, was die Situation nicht gerade erleichtert.
Nochmal vor dem Bahnhof, diesmal Tw 351. Im Hintergrund sichtbar sind die Ruinen des Hauptquartiers der jugoslawischen Streitkräfte, welches 1999 zerstört wurde und seitdem wie ein Mahnmal an der Kreuzung zweier Hauptstraßen Beograds steht.
Nochmals am Slavija-Platz. Herrlich ist immer, wie sich KT4-Traktionen auf der Mischung aus Kurven, Geraden und Weichen verbiegen. Weichen werden in Beograd übrigens per Oberleitungskontakt gestellt. Will man geradeaus fahren, wird vor der Weiche der Strom abgeschaltet, will man Abbiegen, wird vor der Weiche beschleunigt, was zu einem Lichtbogen am Oberleitungskontakt führt (ähnlich einer Trennerdurchfahrt bei gleichzeitigem Anfahren/ Bremsen).
Noch ein Innenraumfoto eines umgebauten KT4. Neben den außen sichtbaren Veränderungen wurde zusätzlich eine TV Progress-Steuerung verbaut, welche den alten Beschleuniger ersetzt hat.
Und zum Schluss Tw 620 am Busbahnhof.
Das war es dann auch schon wieder. Für Hinweise und Kommentare bin ich selbstverständlich offen, auch weitere Fragen beantworte ich gerne. Entschuldigen möchte ich mich noch für die teils mangelnde Tiefenschärfe...hab ein neues Programm zur Bildbearbeitung benutzt und den Komprimierungsfaktor etwas falsch gewählt. Naja, fiel mir erst beim Schreiben auf, da waren aber schon alle Bilder "versaut". Da die aber alle gedreht und zurechtgeschnitten sind, wollte ich mir die Arbeit nicht nochmal machen. Wer jedoch einzelne Bilder nochmal besser sehen möchte, kann selbstverständlich was sagen.
Demnächst folgt dann ein Bericht aus Zagreb.
Viele Grüße,
Vincent