Der Balkan. Das stand für mich immer für heruntergekommene, grafittiverseuchte Eisenbahnen, Streckenstillegungen, Zugstreichungen – aber auch Eisenbahn wie vor 20 Jahren in Deutschland. Nachdem der „Lisinski“ ja im Dezember doch noch mal dem Tod (oder besser der Einstellung) von der Schippe gesprungen ist, stand für ChristianMUC und mich fest: Dieses Jahr soll es auf den Balkan gehen. Nur wo hin? Montenegro stand als Ziel relativ schnell fest – inspiriert von Heikos Reisebericht aus dem letzten Jahr. Relativ saubere Fahrzeuge und ein recht dichtes Zugangebot lockten. Schnell nahmen die Pläne wahnsinnige Ausmaße an – in der schlimmsten Planungsphase wollten wir allen ex-jugoslawischen Staaten mit Ausnahme Mazedoniens und außerdem Albanien einen Besuch abstatten. Nun, es kam, wie es kommen musste. Slowenien und BiH (Scheiß Korridorabschnitt an der Belgrad-Bar-Bahn :D) wurden zu reinen Durchfahrtländern degradiert, das Kosovo gleich ganz gestrichen – blieben je 1 Tag in Zagreb, Belgrad und Albanien, sowie 4 Tage Montenegro. Wie gesagt: Der Lisinski war gesetzt, außerdem gibt’s zwischen Zagreb und Belgrad ja soooooooooooo viele Züge. Dieser Teil der Reise stand also bald fest. Als weitere „Rahmenbedingung“ stand eigentlich nur fest, dass wir Belgrad-Bar (bzw. Bijelo Polje-Podgorica) in eine Richtung per Tagzug befahren wollten (und aus Zeitersparnisgründen dann die andere Richtung per Nachtzug – die Strecke zieht sich ja doch ziemlich…) Irgendwann kam dann noch Armin dazu und wollte auch mit – so starteten wir zu dritt die Reise.
Nun – die Fahrkarten waren dank zweier kompetenter Bahnagenturen (ich kenn einfach zu viele – Danke an dieser Stelle an beide für den freundlichen Service und die Geduld mit meinen Wünschen!). Die Reise konnte also losgehen.
Relativ kurzfristig musste ich dann noch beruflich nach München, sodass noch 4 Tage München davor angehängt wurden. Vorallem darum geht’s in diesem Teil des Reiseberichts. Aufgrund der eher beschränkten Zeit gibt’s zwar einige Bilderchen, das ganze wird aber doch eher Tram-lastig.

2.6.2013
Schreckensnachrichten (nicht nur) aus Bayern. Passau steht unter Wasser, die Hochwassermeldestufe 4 ist seit der Nacht erreicht. Seit Mittag wird evakuiert, gegen 20 Uhr in Bayern Katastropenalarm ausgelöst. Irgendwann die Meldung, Salzburg-München ist unpassierbar und wird das auch erstmal bleiben. Mist. Was tun. Naja, erstmal zum Bahnhof. Die Anzeigetafel verheißt nichts Gutes – jedoch wird bereits hier in Stuttgart auf die Hochwasserschäden aufmerksam gemacht. Daher schicke ich gleich mal ein paar Italiener zum Servicepoint, die mit meinem IC bis München, und dann per CNL weiter Richtung Heimat fahren möchten.

Stuttgart Hbf 20:53 (+7) – IC 2269 – 23:16 (+0) München Hbf

Der Zug ist mäßig besetzt – und hat sogar einen Bpmmz, also einen Redesign-Wagen dabei. Das macht die Fahrt doch gleich erträglicher. Hinter Günzburg mal ein kurzer Blick auf die Donau – allzuviel hätte nicht mehr gefehlt bis zum Überlauf… Doch der Zug holt seine Verspätung sogar noch auf und erreicht pünktlich München. Die Zugbegleiterin verkündet zuerst den Anschluss Richtung Budapest, Zagreb und Venedig, um hinterher darauf hinzuweisen, dass derzeit kein Zugverkehr Richtung Österreich und Italien stattfände.
Da meine S-Bahn eh grade weg war und ich natürlich genau in die 40-Minuten-Taktlücke geraten bin, hatte ich noch etwas Zeit, mich umzuschauen. (Mangels Stativ sind die folgenden Bilder nicht wirklich gut geworden – ich halte Sie aber aus dokumentarischen Gründen und im Kontext des Reiseberichtes für durchaus zeigenswert).
Auf Gleis 35 stand eine Garnitur des München-Salzburg-Expresses als „Aufenthaltszug“ bereit – der Zug stand aber wohl zu weit Abseits, um wirklich genutzt zu werden. Schließlich wurde auf Gleis 12 der EN/CNL "Kalman Imre"/"Lisinski"/"Pictor" bereitgestellt – als "Hotelzug zur Übernachtung". Selbiges war wohl vorher auch schon mit Lu- und Apus im Holzkirchner Bahnhof passiert. 101 069 sorgte für den nötigen Strom - mit dieser Fuhre wollten wir dann am Donnerstag gen Balkan starten (ok - nachdem der bekanntlich hinter Ulm beginnt, bin ich ja schon mitten aufm Balkan ;) ).



101 069 vor dem Hotelzug...


...und der Hotelzug von hinten mit dem MAV-WL.

Nun kam dann auch meine S-Bahn und nach „Kofferabwurf“ gings noch kurz im Metrobus an die Isar:




Die Isar zeigt in der Nacht vom 2. auf den 3.6.2013 als reißender Strom. Aufgenommen kurz nach Mitternacht von der Brudermühlbrücke aus.

3.+4.6.2013
Diese 2 Tage waren Bahntechnisch (von ein paar S-Bahn-Fahrten abgesehen) recht ereignislos – fallen daher aus dem Bericht raus.

5.6.2013
Heute hat mich die Arbeit um 13 Uhr entlassen, sodass eigentlich eine Fahrt zur Mast-urbation an die Strecke Murnau-Oberammergau (hier werden in diesen Tagen diverse alte Masten gegen neue ausgetauscht) geplant – das schlechte angekündigte Wetter hielt mich dann aber doch davon ab. So wurde sich etwas der Straßenbahn gewidmet – schließlich kommen in München noch die P-Wagen aus den 60er-Jahren zur Einsatz. Dummerweise kam dann aber eine Betriebsstörung dazwischen (nachdem einer gleich vor mir davongefahren ist), sodass das Licht dann schon rum war, als einer kam :-(
Ersatzweise gabs aber natürlich ein paar Niederflurwagen:


GT8N2 (in München R3.3 genannt) Nummero 2205 am Botanischen Garten


GT6N (in München: R2.2 - hier die modernisierte Variante) 2133 (steht doch drauf) ebenfalls dort


Und zu guter Letzt das eigentliche Objekt der Begierde: Der P-Wagen 2031 mit Anhängsel.

6.6.2013
Heute soll es also richtig losgehen. Laut DB sollte der Lisinski immer noch ausfallen, laut ÖBB aber fahren – also das übliche Informationschaos. Die Strecke Rosenheim-Freilassing war wegen einer weggeschwemmten Brücke bei Übersee allerdings immer gesperrt, wir wollten uns also via Mühldorf durchschlagen. Also kurz am Harras ins Reisezentrum (für den Schalter eigentlich übertrieben – aber seis drum) und mir einen Stempel geholt. Gültig zur Fahrt über Mühldorf – alles in Ordnung. Der Mitarbeiter wollte mir sogar noch die Verbindung raussuchen - die wusste ich aber schon :)



In der Mittagspause gings dann noch kurz zum Heimeranplatz – so entstanden die ersten „richtigen“ Bahnbilder dieses Urlaubs (zumindest halbwegs herzeigbar…):


GT6N 2118 (Unmodernisiert) an der Nordendstraße


440 203 passiert Lt 71284 (Steinhausen - Laim) den Heimeranplatz


In den Diensten von TXL steht 189 926. Hier zieht sie den DGS 43108 in den hohen Norden, nach Hannover.

Nach Feierabend und einer kleinen Stärkung gings dann zum Bahnhof und erstmal auf eine kleine Erfrischung in die Lounge, wo ich auf Armin traf. Er hatte sich bereits in Berlin die Zugbindung aufheben lassen und war dann ein paar ICE früher gefahren, während Christian noch am Servicepoint seinen Globalpreis via Mühldorf gültig schreiben lassen wollte (hat aber nicht geklappt – schließlich hatte die DB einen Bus organisiert, der die Reisenden für den Lisinski nach Salzburg bringen sollte). In Anbetracht der erwarteten Ankunftszeit des Busses (23:40 ab München Hbf, Fahrzeit per Auto ca. 1:40, per Bus wohl eher 2 Stunden, also frühestens 1:40 an Salzburg) entschieden wir uns aber für den Umweg über Mühldorf.

München Hbf 20:28 (+0) – RB 27073 – 21:39 (+3) Mühldorf (Oberbay)

Die Fahrt verlief recht ereignislos, Platz war genug. Die (wirklich nette) Zugbegleiterin erkundigte sich noch, wo eigentlich Tovarnik ist, und sowas würde sie hier ja sonst nie zu sehen bekommen…
Folgende Werbung hing dumm rum (Wir erinnern uns: Passau steht unter Wasser und es herrscht Katastrophenalarm…)



Kurzer Umstieg in Mühldorf in den recht vollen 628 nach Salzburg.
Mühldorf (Oberbay) 21:46 (+0) – RB 27097 – 22:48 (+0) Salzburg Hbf
Sehr internationales Publikum im Zug – auch das dürfte bei der SüdOstBauernBayernBahn eher Seltenheitswert haben… Man merkt, dass die Grenze teilweise in unmittelbarer Nähe der Bahn verläuft, teilweise geht nur österreichisches Handynetz...
Pünktlich wurde Salzburg erreicht, und im Spar im Bahnhof (hat bis 23 Uhr geöffnet) noch schnell die Vorräte um Almdudler, Eistee und Bananentraum ergänzt. Wir rechneten damit, dass unsere Schlafwagen mit dem OIC 944 "Vienna-Venezia-Express" um 23:48 aus Wien ankommen. Die Zeit bis zur Ankunft des Zuges (leider dann knapp 50 Minuten verspätet) vertrieben wir uns dann mit Knipsen von Stangerlbussen und Lokalbahnen sowie im bewundern des (wirklich schick gewordenen) sanierten Bahnhofs.


Neu (Solaris Trollino 18)...


...und alt (MAN/Gräf&Stift NGT 204 M 16) vor dem Salzburger Hbf


Te 43 der Lokalbahn als S1 79 im Lokalbahnhof.

Irgendwann kam dann der OIC - nur leider ohne Wagen nach Zagreb. Die (offenbar ostdeutsche) Zugbegleiterin in Diensten von Newrest-Wagons Lits Österreich meinte, wir sollten uns zum Bahnsteig 2 begeben, dort würden die Wagen dann beigestellt. Natürlich wurden sie doch erstmal auf die Schlaf- und Liegewagen des Vienna-Venezia-Express gestellt, um dann gesammelt zu Bahnsteig 2 verschoben zu werden... Naja, seis drum. Der freundliche kroatische Schlafwagenbetreuer war dann wohl etwas überrascht, um die Zeit schon auf Gäste zu treffen, ließ uns aber problemlos rein. Ich bin relativ schnell eingeschlafen, gegen 2 gab es dann nochmal etwas Radau (während des Stillstands in Salzburg - da war also offenbar der Bus da), los ging es dann mit rund 30 Minuten Verspätung...

Im nächsten Teil kommen wir dann "wirklich" auf den Balkan - ich hoffe mal, dass die Einordnung ins Auslandsforum (und nicht Sichtungs- oder Alpenlandsforum) auch für diesen Beitrag in Ordnung geht.

Weiter gehts hier: [www.drehscheibe-foren.de]

Alle Teile dieses Reiseberichts:

Teil 1 (dieser hier) (Prolog): [www.drehscheibe-foren.de]
Teil 2 (Zagreb und Belgrad): [www.drehscheibe-foren.de]
Teil 3 (Ins Land der Schwarzen Berge): [www.drehscheibe-foren.de]
Teil 4 (Sonnenpech und Hummelflug): [www.drehscheibe-foren.de]
Teil 5 (Berge und Meer): [www.drehscheibe-foren.de]
Teil 6 (Abschluss): [www.drehscheibe-foren.de]





5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:11:02:17:38:58.

Interessanter Beginn. Freue mich auf die Fortsetzung.

Interessanter Bericht.
Nur: wie macht man solche Bilder um Mitternacht, die dann so schön hell aussehen, daß man alles erkennt???

tokkyuu schrieb:
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> Nur: wie macht man solche Bilder um Mitternacht,
> die dann so schön hell aussehen, daß man alles
> erkennt???


Die aus Salzburg: Bildstabilisator und Anlehnen, die vom Münchner Hbf sind Freihand "nur" mit Stabi (und die von der Isar schlicht aufs Brückengeländer aufgelegt) ;)

Guten Morgen,

ja besten Dank für den Teil 0, freuen uns auf 1 mit Fortsetzung ... !

D461

"während Christian noch am Servicepoint seinen Globalpreis via Mühldorf gültig schreiben lassen wollte (hat aber nicht geklappt – schließlich hatte die DB einen Bus organisiert, der die Reisenden für den Lisinski nach Salzburg bringen sollte)."

Hat er sich eine neue Fahrkarte gekauft? Der Stempel "Zugbindung aufgehoben" ist nicht zwingend erforderlich, um bei Verspätung/Zugausfall einen anderen Zug zu nutzen. In der Praxis ist eine Bescheinigung auf der Rückseite der Fahrkarte oder auf einem separaten Vordruck ausreichend.

Außerdem habt ihr eine Bahnreise gebucht. Dann müsst ihr euch nicht auf eine Busreise einlassen. Wenn ich z. B. einen Handwerker beauftrage im Flur einen PVC-Boden zu verlegen, kann er auch nicht einfach Fliesen verlegen, wenn er meint, dass diese besser geeinet und hochwertiger seien.

Viele Grüße
Florian

Florian86 schrieb:
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> Hat er sich eine neue Fahrkarte gekauft? Der
> Stempel "Zugbindung aufgehoben" ist nicht zwingend
> erforderlich, um bei Verspätung/Zugausfall einen
> anderen Zug zu nutzen. In der Praxis ist eine
> Bescheinigung auf der Rückseite der Fahrkarte oder
> auf einem separaten Vordruck ausreichend.

Er hatte dann gar nichts - das Personal der SOBB war natürlich über die Streckenunterbrechung informiert und hat alle Fahrscheine ohne Nachfrage (oder umdrehen) anerkannt.