Josef-Schwejk schrieb:
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> Ich bin mir bewusst, dass die Architektur des
> sozialistischen Realismus, insbesondere in der
> Ausprägung seit den späten 50er Jahren, heute oft
> als unästhetisch und von schlechter
> städtebaulicher Qualität wahrgenommen wird (wobei
> ersteres subjektiv ist und das angebliche Fehlen
> von Leitbildern eher reines Unverständnis ist).
> Manche Defizite kann man auch nicht verleugnen.
> Ich bin aber der Meinung, dass auch diese Bauten
> als Teil der städtischen Geschichte nicht
> grundsätzlich wegradiert gehörten, genauso, wie in
> Westdeutschland z.B. die Hortenkacheln aus gutem
> Grund oft unter Denkmalschutz stehen. Der Bahnhof
> von ’72 (den ich in der Formensprache auch
> durchaus sehr interessant fand) stellte hier neben
> W-wa- Centralna das einzige Bauwerk eines solchen
> Hauptbahnhofs in Polen dar und hätte schon wegen
> dieser Seltenheit Schutz bekommen sollen. Und die
> Wartehalle des Hauptstadtbahnhofs zeigt ja gut,
> dass hier moderne Qualitäten und Ansprüche bei der
> Modernisierung möglich gewesen wären.
Es gibt schon eine kleine Gemeinde von Fans, die sich dem Architekturstil der "Ostmoderne" (so die halboffizielle Bezeichnung) verschrieben haben. Der Unterschied zur "Nachkriegsmoderne West" ist oftmals gar nicht sooo groß. Einzelne Bauwerke der Ostmoderne stehen bereits unter Denkmalschutz, ich möchte exemplarisch den Oberen Bahnhof in Plauen nennen. Vieles ist leider schon abgerissen, vieles in Vergessenheit geraten, manches davon auch ideologisch begründet (Palast der Republik!). Oder wer kann noch was mit Schalen-Müller anfangen? Wem sagt der Name Trauzettel etwas? Wer hat schon von Richard Paulick gehört? Viele der Architekten der DDR der 50er- und 60er- Jahre sind durch die Bauhaus-Schule gegangen. Oder wusstet ihr schon, dass ohne die Delta-Kindergärten in Halle-Neustadt die Oper in Sydney heute nicht stehen würde?
Zu ostmodernen Bahnhofsgebäuden in Polen würde ich unbedingt noch Slupsk (Stolp) und Goleniow (bei Stettin) ergänzen.
Viele Grüße aus der Richard-Paulick-Stadt Halle-Neustadt
FTB
Kurator der Geschichtswerkstatt Halle-Neustadt, einem kleinen Museum, dass sich der ostmodernen Architektur verschrieben hat
Zu meiner Zeit hießen Aktivisten Frida Hockauf und Adolf Hennecke 😉