Hallo zusammen,

Vor kurzem erwarb ich aus der Bucht ein ziemlich grobkörniges Kodak-Farbnegativ von der Lokomotive ST43-312 aus dem Jahre 1984. Mensch, dachte ich mir - diese, heute noch aktive Lokomotive, ist mir während meiner Fototätigkeit in Polen schon so oft vor die Linse gefahren - Grund genug die Ansichten zu vergleichen. Beim Betrachten fand ich diese unterschiedlichen Erscheinungsformen der Lok schon irgendwie interessant - so kam ich auf die Idee diesen Beitrag zu erstellen.

Die Lokomotive ST43-312 wurde im Jahre 1972 an die PKP geliefert und wurde in der Dyr. Wroclawska heimisch. Das erste (mir bekannte) Foto dieser Lokomotive ist im November 1984 im heimatlichen MD Nysa von einem unbekannten englischen Eisenbahnfreund aufgenommen worden. Auffällig sind die noch komplett erhaltenen, umlaufenden Alu-Zierleisten. Auch der Lack der mittlerweile schon 12 Jahre alten Lokomotive scheint noch sehr gut erhalten. Eventuell handelt es sich sogar noch um den Originallack.
Liebevoll durch das Lokpersonal herausgeputzt und dekoriert wirkt die Maschine eigentlich viel jünger...


ST43-312(MD Nysa) - in heimatlichen Bahnbetriebswerk, November 1984


Meine erste persönliche Begenung mit der ST43-312 hatte ich im August 1991 im Schuppen des MD Nysa. Damals wurde gerade eine planmäßige Wartung an ihr durchgeführt. Leider stand sie dort nicht sehr fotogen - das entstandene Bild ist daher nicht wirklich zeigenswert.
Ein nächstes Wiedersehen war dann Anfang Oktober 1992, wo ich sie im heimatlichen Bahnbetriebswerk erneut ablichtete. Mittlerweile waren die Zierleisten verschwunden - die an ihren Positionen aufgemalten weiße Striche können sie aber optisch nicht wirklich ersetzen. Typisch für diese Zeit waren neben den gelben Fronten auch die angebrachten Wappen des Heimatortes.


ST43-312(MD Nysa) - in heimatlichen Bahnbetriebswerk, Oktober 1992


Gerade 3 Jahre später schien ihre Zeit für immer abgelaufen zu sein. Anfang der 90er Jahre standen bereits etliche ST43 der Dolnoslaska DOKP auf den Abstellgleisen. Ob Nysa, Kamieniec Zabkowicki, Legnica, Walbrzych, Wegliniec, Kluczbork oder Opole - alle diese Dienststellen hatten die mit Massen von ST43 vollgestellten Abstellgleise zu bieten. Einige dieser abgestellten Maschinen (z.B. die bekannte ST43-208) sollten jedoch ab 1994 in der Zachodnia DOKP eine neue Heimat finden - nachdem die Chefetage der ZDOKP die kurzfristige Ausmusterung der ST44 und den Ersatz derer durch frisch reaktivierte ST43 vorschrieb. So wurden innerhalb eines Jahres die ST44-Bestände von Zagan, Czerwiensk, Poznan Franowo und Gniezno aufgelöst und durch ST43 ersetzt.


ST43-312(MD Nysa) - abgestellt und zugesperrt, 18.06.1995


Unsere ST43-312 wurde allerdings nicht ins Flachland verdammt und wurde im Anfang 2000 reaktiviert. Nach Auflösung ihrer jahrelangen Heimatdienststelle in Nysa wurde sie nun als Lokomotive des CM Wroclaw vom Kamieniec Zabkowicki aus eingesetzt. Sieht sie nicht wieder schmuck aus?


ST43-312(CM Wroclaw) - frisch reaktiviert, 30.04.2000


Im Jahre 2004 wechselte sie erneut ihr Erscheinungsbild. Nach erfolgter NR bei PESA Bydgoszcz erstrahlte sie in den beiden bekannten "PESA"-Grüntönen ohne jegliche Verzierungen. Irgendwie finde ich diese Lackvariante immer etwas "steril" - verglichen mit den Verzierungen früherer Jahre....


ST43-312 und Schwesterlok ST43-27 (beide CM Wroclaw) mit einer Leerkohle auf der Podsudecka - Paczkow 25.09.2004. Später brannte ein Führerstand der ST43-27 durch Kurzschluß in der Elektrik aus. Übrigends gibt es keine andere Lokbaureihe die so oft von Bränden heimgesucht wird - wie die ST43. Mir sind durch eigene Beobachtungen und Fotoquellen derzeit 118 Loks bekannt, die im Laufe ihrer Dienstzeit mindestens einmal Opfer eines Brandes wurden - das ist mehr als ein Viertel des Gesamtbestandes der PKP von 422 Fahrzeugen... Und die Dunkelziffer ist mit Sicherheit höher.


Erneut traf ich die Lokomotive auf der Gebirgsbahn mit einer sonntäglichen Bedienung des Steinbruchs in Bartnica. Der Lack war jetzt schon stumpf und die Korrosion an der Kante zwischen Rahmen und Chassisbeblechung schon wieder fortgeschritten...


ST43-312(CM Wroclaw) die Morgensonne am 14.11.2010 kaschierte die schon etwas abgeranzte Erscheinung - Ausfahrt Gluszyca


Meine (vorerst) letzte Begegnung mit ihr - notdürftig die schlimmsten Korrosionsschäden ausgebessert, präsentiert sich die Maschine während der Bedienung der örtlichen Zuckerfabrik im vollkommen zugewucherten und verwahrlosten Bahnhof Pszenno.


Pszenno 16.05.2012 - Schade - ich kenne diesen Bahnhof auch noch anders aussehend...


Ich hoffe dieser Beitrag zu Teilen des Lebensweges der ST43-312 stößt auf Interesse. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere auch noch ein paar Bilder dieser Lok mit anfügen würde... Der "312" wünsche ich, daß sie von Bränden verschont bleibt - und sie ihre Restkilometer im schönen Niederschlesien noch geruhsam abfahren kann.

Viele Grüße
Alex

Nabend Alex,

schöner bebilderter Loklebenslauf. Die Verbarrikadierung in Nysa ist ja schon irgendwie martialisch.

Grüße
Jens

P.S.: Das Bild in Gluszyca kommt mir irgendwie verdammt bekannt vor. Ich glaube, das liegt bei mir in bunt im Diaarchiv.

DuKabina?! schrieb:
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> Die Verbarrikadierung in Nysa ist ja schon irgendwie martialisch.

Das hab ich mir beim Betrachten auch so gedacht. Gesehen hab ich sowas in dieser Form jedenfalls noch nicht.

Hallo Alex,

Ja, rumänische Lokomotiven scheinen sehr brandfreudig zu sein, nicht nur die Kuddor´s brennen gerne, auch die U-Boote mochten es gerne mal etwas heißer.
Schöner Lebenslauf übrigens, das erste Bild zeigt mal wieder schön die Verzierungen und bunten Bemalungen der Lokomotive, was ja damals in Polen durchaus üblich war,
und woran sich heute so manche User dran stoßen, wenn wir unsere Lieblinge da drüben für SoFa´s so schön herrichten. Ich glaube der 195 würden ein paar Verschönerungen auch ganz gut zu Gesicht stehen, die hat ja auch noch den alten Lack dran. :-)))


MfG 229 147-4

Die abgestellten SU45 im BW Poznan wurden erst kürzlich auch verbarrikadiert und zugeschweißt. Hängt leider damit zusammen dass überall in Polen Buntmetalldiebe zu Gange sind. Leider oft auch die Angestellten in den BW´s.

Moin,

ist mit "alter Lack" dieser ziemlich hellblau erscheinende gemeint? Kostrzyn, 21.07.2006:



Ist doch irgendwie auch etwas Besonderes... :-)

Gruß aus Berlin

Hallo,

eine sehr schöne Bilddokumentation einer interessanten Lokomotive. Vielen Dank dafür.

Gruß
Patrick

Hallo Dieselkutscher,

Genau diese Lackierung ist gemeint. die ist noch aus der alten Zeit, der Ep.4. Aktuell fährt die Lok immer noch in diesem Farbton herum, allerdings kommt auch hier der Rost immer mehr zum Vorschein. Eine Lackaufbereitung mit Ceramol würde ihr gut zu Gesicht stehen. Hier mal ein Bild von der 195 aus dem Dezember 2012, da sieht man schon deutliche Unterschiede zum Bild von 2006.



MfG 229 147-4

Toller Beitrag! Leider habe ich in Polen nur Dampf fotografiert. Die Kutter fuhren kreuz und quer, aber ein vernünftiges Bild von denen habe ich mangels Interesse nie zustande gebracht. Lustig finde ich das Bild in Neiße. Da fuhr zu diesem Zeitpunkt mehr Dampf als Diesel. Faszinierend, das da einer bei einem Kutter auf den Auslöser gedrückt hat (Oder gerade deshalb??) Danke für Deinen Beitrag!

VG Günter

Hallo Filip,

dass die 45er in Poznan verbarrikadiert wurden, konnte ich am 08.02.2013 erblicken. Gerade an der SU 45 245 sieht das alles andere als lustig aus.

Grüße
Jens

Hallöle,

danke für die interessante Lebensgeschichte dieser Sulzer-Lok! Es ist meine Lieblings-Dieselloktype; leider habe ich sie bisher in Polen nie zu Gesicht/Objektiv gekriegt, vermutlich, weil ich ausschliesslich im nördlichen Polen unterwegs war.

Für Statistiker: ST 43-312, gebaut bei Electroputere Craiova 1972 mit Fabriknummer 1261; von PKP übernommen am 15. Dezember 1972.

Interessanterweise sind die Fabriknummern fast aller der in Craiova für die PKP gebauten Lok bekannt, während die der CFR-Lok wie ein Staatsgeheimnis gehütet werden.

Viele Grüsse,
Hubert.

Hallo Hubert,

Danke für die Ergänzung. Kann es vielleicht sein, daß die Sulzer Werke vertraglich eine Lizenzgebühr pro gebauter Lokomotive erhielten bzw. erhalten sollten? immmerhin ist diese Art der Lizensierung ein bis heute verbreitetes und übliches Verfahren. Wenn der große Nicolae ein paar mehr Loks bauen lies, als Lizenzgebühren an Sulzer bezahlt, dann kann ich mir einfach erklären, weshalb die Fabriknummern streng geheim waren.

Gruß Alex