Interrail 2011: EU-Mitte-Nord – Teil 8 (Stettin)
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Donnerstag, 14. Juli 2011: Ausflug nach Szczecin/Stettin
07:59 ab Berlin-Friedrichstraße RE5800
10:00 am Szczecin Glowny
Heute machen wir einen Tagesausflug nach Stettin (Szczecin). Ich war kurz nach der Wende (1992) einmal dort und die Straßenbahnen sind unser Hauptinteresse. Mit U7 und U6 fahren wir zunächst bis Friedrichstraße. Dort sehe ich zufällig auf der Abfahrtstafel, daß unser Zug nach Stettin über Ostbahnhof fährt, also auch in Friedrichstraße hält. Ich hatte eigentlich vermutet, daß wir vom Hauptbahnhof (tief) über Gesundbrunnen und Bernau nach Angermünde und Stettin fahren. Also warten wir gleich hier auf den Zug, der aus einer Doppelgarnitur 628 besteht.
Bahnfahrt Dresden-Stettin
Die Fahrt verläuft über mir unbekannte Gleise, wir gelangen irgendwie (vermutlich bei Biesdorf) auf den Berliner Außenring und bei Karow auf die Stettiner Bahn. Bis Passow ist die Strecke noch zweigleisig (früher mal bis Stettin) und elektrifiziert. Die Fahrt verläuft unspektakulär und wir kommen um 10 Uhr in Stettin an. Auf dem Bahnhof bleibt wenig Zeit für Bilder, ich möchte meine Reisebegleiter nicht schon jetzt aufhalten. Einen SA 136 (nach Kołobrzeg) sehen wir am Nachbargleis. PESA-Triebwagen sieht man hier im Forum aber ohnedies genug und Foto hinter Masten ist nicht wirklich sehenswert. Daher nur ein Bild unseres Zuges nach der Ankunft.
Der 628 635 war der führende Wagen der zwei Garnituren, die uns nach Stettin brachten. Hier nach der Ankunft. Die Lackierung des nebenstehenden PKPIC-Wagens hab ich hier zum ersten Mal gesehen.
Am Kiosk kaufen wir Tageskarten zu je 11 Zlotych. Gleich vor dem Bahnhof sehen wir schon ex-Berliner KT4 und T6. Das hat mir ein Forumsmitglied schon angekündigt…
Ein exBerliner T6 mit der Nummer 221 kommt als Linie 6 zur Haltestelle Hauptbahnhof.
Straßenbahnfahrten und -fotos
Wir besteigen kurz darauf einen Zug der Linie 3 und wollen bis Plac Rodla fahren, also bis zur zweiten großen Kreuzung, aber schon bei der ersten biegen wir nach links ab. Die weiterführende Straße ist Baustelle, die Gleise sind herausgerissen. Na super, wir wissen natürlich nicht, welche Route jetzt die diversen Linien nehmen. Wir steigen also an der nächsten Kreuzung aus, das ist der Plac Kosciuszki, der vermutlich durch die Umleitungen jetzt noch mehr Verkehr hat als sonst. Immerhin kommen hier Straßenbahnlinien aus fünf Richtungen zusammen. Ich betrete ganz einfach einige Verkehrsinseln und versuche, annehmbare Aufnahmen zu machen. Es ist heute kühler als gestern! Leider habe ich vergessen, meinen Akku aufzuladen, daher bin ich ängstlich und mache nur etwa 40 Bilder heute. Schade. Neben den ex-Berliner KT4 (Serie 100) und T6 (Serien 200 und 1200) kommen mir vor die Linse: die allgegenwärtigen 105N (Serien 700 und 1000), von denen es auch modernisierte Wagen mit verändertem Wagenkasten gibt, sowie die neuen Niederflurwagen „SWING“ (Serie 800). Wenn ich an meinen ersten Besuch 1992 hier denke, fällt mir an der Stadt selbst nicht viel Veränderung auf, lediglich ein wenig bei den Straßenbahnen, nämlich daß die Zweiachser verschwunden sind und daß es heute mehrere Farbschemata gibt: einerseits das alte weiß/rot, das an der Schürze unten mit den Stettiner Stadtfarben (rot/blaue Streifen) versehen ist, dann gibt es eine weiße Farbgebung (an der Schürze ebenso Stadtfarben-Streifen), und schließlich eine neue weiße Lackierung mit grünen Flächen vorne und hinten. Die neuen Niederflurwagen SWING tragen die neueste Farbgebung. Die Berliner Wagen fahren zum Großteil noch in ihrer alten Berliner Farbe (gelb).
Hier einige Bilder von dieser Kreuzung:
Ex-Berliner T6 auf Linie 11, allerdings mit Nummer 1207 (warum die T6 in zwei verschiedenen Nummerngruppen eingeteilt sind, erschließt sich mir natürlich nicht).
Der KT4 hat Vollwerbung, ein paar gelbe Reste sind aber noch zu sehen: Wagen 107.
Die überall anzutreffenden typischen polnischen Wagen vom Typ 105N. Wagen 744 in Linie 8.
Daß immer viel los ist auf dieser Kreuzung, sieht man gut auf diesem Bild. Ich mußte oft meine Stellung wechseln. Ein modernisierter 105N (787) in Linie 12 in der vorletzten Lackierungsform (weiß mit den Stadtfarben an der Schürze).
Hier sieht man gut die ganz alte Farbgebung: rot mit den Stadtfarben an der Schürze. 716 in Linie 9
Ob es zwischen der 1000er-Serie und der 700er-Serie Unterschiede gibt, konnte ich nicht feststellen. Lediglich die Scheinwerfer sehen hier anders aus. Wagen 1033 in Linie 11.
Auf der Türseite wirken diese Wagen auf mich sehr unruhig: Wagen 1031 in Linie 12.
Ein Berliner KT4 in den neuesten Farben (mit grünen Flächen vorne und hinten) ist mir auch aufgefallen: 121 in Linie 3. Besonders originell finde ich diese Farbgebung allerdings nicht.
Dafür in Form und Farbe wunderschön: T6 213 in Linie 7.
Und dann kam erstmals einer der neuen SWING-Niederflurwagen: 806 in Linie 7.
Nach einiger Zeit fahren wir von hier weiter zum schon vorhin geplanten Plac Rodla. Dorthin gelangen wir mit Linie 12. Aber auf diesem Platz lassen sich nicht so gute Bilder machen:
Hier sieht man die vorvorletzte und vorletzte Lackierungsform vereint: 783 (noch mit rot) und 791 (weiß) in Linie 1.
Auch die 105N gibt es in Weiß: 1009 in Linie 5 auf dem Plac Rodla.
Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten
Gar so schön ist die Stadt eigentlich nicht, und damit meine ich nicht die vielen Straßenbaustellen.
Nachdem also alle Typen, die wir so beobachten konnten, auf dem Chip gebannt sind, können wir uns einigen vermuteten Sehenswürdigkeiten widmen, zum Beispiel einigen Kirchen. Auf dem Weg dorthin entstanden diese beiden Bilder:
Und ein SWING von der türlosen Seite: 802 in Linie 7.
Der einzige modernisierte 105N mit der neuesten Farbgebung, der mir aufgefallen ist: 1055 in Linie 8.
Leider sind die meisten dieser Kirchen nicht so gut aufs Bild zu bringen, daher gibt es nun eher wenige OT-Bilder von der Stadt. (Bilder aus dem WEB möchte ich hier nicht einfügen, daher lasse ich auch die Details zu den Kirchen aus). Sehenswert sind die Kirchen und deren Geschichte aber allemal.
Spätestens beim Besuch der Jakobikirche wird uns das Ausmaß der Schäden, die der letzte Krieg in Europa verursacht hat, wieder so richtig bewußt. Das Stadtbild sieht auch heute noch schwer verletzt aus. Die vielen Plattenbauten mitten unter älteren Häusern lassen erahnen, wie schlimm die Zerstörungen gewesen sein müssen. Und wir werden gleich nochmals daran erinnert, nämlich als wir zum Rynek Sienny, dem alten Heumarkt kommen. Hier dürfte einst das Zentrum der Stadt gewesen sein, nur haben wir nirgendwo beschrieben gesehen, daß es hier gewesen ist. Auf dem kleinen Platz wurden einige alte Häuser originalgetreu wieder aufgebaut, die dem Platz wieder ein historisches Aussehen geben sollen. Noch ist nicht das ganze Ensemble wiederhergestellt. Das Alte Rathaus wurde nach der Zerstörung im Krieg ebenso wieder aufgebaut, allerdings in der alten gotischen Form (14. Jahrhundert) und nicht im seit 1677 bis 1945 bestehenden barocken Stil. Die Fassade zum Rynek Sienny ist im Renaissance-Stil gehalten.
Der Rynek Sienny, jedenfalls die Seite, die schon rekonstruiert ist. Im Lokal rechts haben wir gut gegessen.
Auf der anderen Seite sieht das alte Rathaus wieder ganz anders aus.
Das Stettiner Schloß (heute: Zamek Ksiazat Pomorskich)
(Ksiazat spricht man so ähnlich wie Kschonschont oder Kšãžãt aus) Ziemlich überrascht sind wir, daß es in Stettin auch ein Schloß gibt. Vom Rynek Nowy (Neuer Markt) aus haben wir schon Mauern des Renaissance-Schlosses gesehen und sind einfach in die Richtung gegangen. Das „Schloß der Herzöge von Pommern“ (Zamek Ksiazat Pomorskich) genannte Gebäude wurde allerdings im Krieg fast völlig zerstört und wurde erst 1958-1980 wiederaufgebaut bzw. rekonstruiert. Alte Stiche dienten dabei als Orientierung. Um 1576 war das Schloß, dessen Ursprünge bis 1345 zurückreichen, weitgehend in dem Zustand fertiggestellt, wie es bis 1945 bestand. Freilich erfolgten in den Jahrhunderten dazwischen zahlreiche Umbauten und Zubauten. Es diente lange Zeit den preußischen Kronprinzen als standesgemäße Residenz in Pommern (sie führten den Titel Statthalter von Pommern).
Das Stettiner Opernhaus ist in einem Flügel des Schlosses untergebracht. Besonders beeindruckt hat mich das Bauwerk allerdings nicht.
Erster Blick auf das Schloß - eher zufällig gefunden!
Auch im Inneren merkt man, daß es sich um eine Rekonstruktion handelt.
Der Hof ist etwas verschandelt durch die Sitzreihen, weil es hier oft Aufführungen gibt.
Wir verlassen den Schloßberg nach Norden hin, um zum Oderufer zu gelangen.
Am Oderufer
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Stettin-Besuch, als ich am Oderufer einen Straßenbahnzug mit großem Schiff im Hintergrund fotografierte. Ein ähnliches Foto möchte ich auch heute wieder machen, weshalb ich vorschlage, daß wir zum Fluß hinuntergehen. Tatsächlich gibt es auch diesmal wieder einige Schiffe, wenn auch nicht so groß wie damals. Aber ein riesiges Bauensemble fällt uns auf, an das ich mich nicht erinnern kann, und das jedoch zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört: Die (ehemalige) „Hakenterrasse“ oder (heute) „Waly Chrobrego“ (Übersetzung: „tapfere Wellen“). Auf dem Gelände eines alten Forts entstand zwischen 1900 und 1914 eine hochgelegene Uferstraße mit drei großen öffentlichen Gebäuden. Vom mittleren (Regierungssitz von Pommern, heute Wojewodschaft Westpommern) führt eine große Freitreppe hinunter zum Fluß. Die Hakenterrasse wurde nach dem damaligen Bürgermeister Hermann Haken benannt und besticht durch große Figuren und einen Brunnen, so wie man damals eben Monumente baute. In den weiteren Gebäuden sind heute ein Theater, ein Museum und eine Seefahrthochschule untergebracht.
Die Hakenterrasse in Stettin.
Es wäre interessant gewesen, noch bis zu Endstation zu fahren, aber dann hätten wir unseren Zug versäumt, denn die Endstation liegt weit draußen. Für eine echte Straßenbahnentdeckung müßten man wohl alleine herkommen und auf andere Besichtigungen weitgehend verzichten. Immerhin: einige Bilder von heute und vom 7. Juni 1992 sollen die Unterschiede hier deutlich machen:
255 und 393 in Linie 6 bei den Hakenterrassen im Juni 1992.
Und ein Nachschuß mit Schiff als Hintergrund.
Ein 105N in neuester Lackierung: 1065 in LInie 6 vor einem kleineren Schiff.
Nach einigen Fotos besteigen wir schließlich einen Zug der hier verkehrenden Linie 6 und fahren zum Hauptbahnhof zurück. Damit haben wir die Besichtigung von Stettin/Szczecin (etwa: Schtschetschin gesprochen) abgeschlossen und ich bin erstaunt, daß es doch viel Interessantes zu sehen gab.
Und hier noch ein paar weiter Straßenbahnbilder vom Juni 1992, leider hab ich damals die Aufnahmeorte nicht notiert:
Zweiachser Nr. 212 in Linie 3.
230 und 392 auf Linie 12.
282 und 369 in Linie 3 auf einem Streckenstück, das vermutlich heute nicht mehr befahren wird (unweit des Bahnhofs).
Natürlich gabs schon damals die Vierachser, aber in anderer Lackierung (724+723).
Rückfahrt nach Berlin
ab 16:33 Szczecin Glowny RB66 (5819)
an 17:30 Angermünde
ab 17:33 Angermünde RE3 (18355)
an 18:21 Berlin-Gesundbrunnen
Auf dem Bahnhof sehe ich einen ehemaligen deutschen Dieseltriebwagen Reihe 624 von 1964-68, der heute in Polen als SA 110 verkehrt – er trägt noch die rote DB-Lackierung. In Deutschland ist die Baureihe seit 2005 ausgemustert. 2006 wurde ein Teil der Fahrzeuge an die Wojewodschaft Westpommern veräußert.
SA110-01 ex DB 624 in Stettin.
Natürlich gibt es auch hier die allgegenwärtigen EN57 mit unterschiedlichen Stirnfronten:
Die moderne Form: EN57-2057.
Die alte Form: EN57-1519.
Auf der Rückfahrt müssen wir in Angermünde umsteigen. Bis dorthin fahren wir wieder mit einem 628 (als RB66). Für die 5 Kilometer auf polnischem Gebiet kommt auch jetzt kein polnischer Schaffner, sodaß die Fahrgäste, die nur für Deutschland eine Fahrkarte haben, unbehelligt bleiben. Daß man nirgendwo einen Reisepaß vorweisen muß, ist ja schon fast Gewohnheit in Europa. Der Umsteigeanschluß in Angermünde ist recht kurz, vor allem müssen wir den Bahnsteig wechseln, und die Züge stehen jeweils ziemlich weit von der Unterführung entfernt, aber man wartet wenigstens auf die zahlreichen Umsteiger.
Wir steigen schon in Gesundbrunnen aus, damit wir mit der U8 einfacher nach Hause kommen. Ich sehe einen sonderbaren Triebwagen: 629 072 (lackiert und beschriftet als Taunus-Bahn, Eigentümerkürzel jedoch D-HEB, also Hessische Landesbahn) fotografieren. Das Fahrzeug ist derzeit an die NEB (Niederbarminer Eisenbahn) vermietet. Und in einen neuen Lack will keiner investieren, weil keiner weiß, wie lange das Fahrzeug noch vermietet wird und was danach geschieht. Jaja, so kompliziert können die Verhältnisse sein, die nicht immer mit den Aufschriften übereinstimmen müssen! (Und ich weiß das ganze auch nur aus dem DSO-Forum - danke!).
Triebwagen 629 072 (für die Niederbarminer Eisenbahn) in Gesundbrunnen.
Gefahrene Bahnkilometer heute: 275.
Der nächste Tag ist der letzte Berlin-Tag, am Abend geht es schon weiter nach Dänemark - aber über Schweden!
Fortsetzung folgt!
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:01:12:20:48:51.