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[GR][BG]Balkan-Abenteuer Teil 14: (Athen-) Sofia (m45B)

geschrieben von: tokkyuu

Datum: 28.01.11 18:14

Balkan-Abenteuer Teil 14: (Athen) - Sofia

Die bisherigen Teile:
Teil 1: Wien-Zagreb
Teil 2: Zagreb-Sarajevo
Teil 3: Sarajevo
Teil 4: Mostar
Teil 5: Sarajevo-Dubrovnik-Split-Zagreb
Teil 6: (Zagreb-) Beograd
Teil 7: Beograd - Podgorica
Teil 8: Podgorica – Bar (-Skopje)
Teil 9: (Bar -) Skopje
Teil 10: Skopje-Bitola-Ohrid-Kicevo-Skopje
Teil 11: Skopje-Thessaloniki-Athen
Teil 12: Athen
Teil 13: Athen (-Sofia)


Tag 15: Montag, 26. Juli 2010 – (Athen) - Sofia

Fahrplan 504/360:
22:55 ab Athen
12:40 an Sofia
(854 Kilometer)

Fahrt Thessaloniki-Sofia
Unser Zug kommt ziemlich pünktlich in Thessaloniki an (5.42 Uhr, das sind lediglich 6 Minuten Verspätung!). Und es soll gleich verraten werden: dieser Zug wird der dritte Zug auf der ganzen Balkanreise sein, der pünktlich ankommen wird! Nicht gerechnet die Proastiakos-Züge in Athen, die waren natürlich auch pünktlich. Bei der Einfahrt kann ich die Lok A107 fotografieren. Sie sieht aus wie eine deutsche V60. In Thessaloniki regnet es leicht. Es ist der erste Regen seit Beginn der Balkanfahrt. Aber ich bin ja unter Dach und er stört mich daher nicht. Ich sorge mich nur um das Fotografieren. Die Nacht war ziemlich kalt, die Klimaanlage ließ sich nicht regulieren. Ich mußte mir eine Decke nehmen, um mich zu wärmen. Nun hab ich auch Gelegenheit, die Zusammensetzung des Zuges zu beobachten: Wir hatten 3 Schlafwagen und 4 Liegewagen (Zug 504). Ab Thessaloniki nach Sofia (Zug 360) fuhren wir mit einem Liegewagen (von Athen) und einem Schlafwagen sowie drei Sitzwagen. Ich bin unsicher, ob der WL wirklich auch schon ab Athen gefahren ist, aber welchen Zweck sollte er ab Thessaloniki haben? Die Bulgaren im Nachbarabteil erzählten, daß sie auch keinen Schlafwagenplatz bekamen, bei ihrer Hinfahrt nach Athen vor einiger Zeit allerdings schon. Ich kann nur vermuten, daß der Schlafwagen ausgebucht war. Da ich nicht mehr liegen will, sondern aus dem Fenster sehen will, bei den aufgeklappten Liegen aber nicht sitzen kann, richte ich mir selbst das Abteil auf meiner Seite zu einem Sitzabteil. Die Bezüge sind aus Plastik, aber es geht.

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Bild 1: Mein Abteil hab ich in Tagesstellung umgebaut.

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Bild 2: Der Gang meines Waggons.

Um 6.40 Uhr fahren wir von Thessaloniki ab. Nun wird es für mich wieder interessant. Eine völlig unbekannte Strecke und ich bin schon sehr neugierig. Es geht zunächst noch halbwegs schnell dahin, doch dann verlangsamen wir wieder auf Balkan-Geschwindigkeit. Gefühlte 50 bis 70 km/h. Wir fahren zunächst durch eine flache Landschaft, ähnlich wie schon bei der Herfahrt von der mazedonischen Grenze vorgestern. Dann passieren wir einen See und später ändert sich die Landschaft. Es gibt hier endlose Maisfelder, später auch Sonnenblumenfelder. Und wir kommen immer näher zu höheren Bergen. Unterwegs sehe ich eine tschechische Diesellok (730 601).
Es ist noch immer regnerisch, es donnert sogar hin und wieder. Da es immer kälter wird, muß ich meine Wäsche wechseln: die leichte Hose durch eine Jean ersetzen, ein wärmeres Leibchen anziehen. Mit dem heißen Wetter, das mich die letzten Tage begleitet hat, ist es vorerst vorbei. Beim Blick aus dem Zugfenster sehe ich hin und wieder Tankstellen und wundere mich, daß Benzin hier zwischen 1,49 und 1,68 Euro kostet. Damals kostete Benzin bei uns daheim nur 1,15 Euro, derzeit (Jänner 2011) auch „nur“ 1,325 Euro.

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Bild 3: Die Landschaft östlich von Thessaloniki.

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Bild 4: Berge und Sonnenblumenfelder. Wir nähern uns Bulgarien.

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Bild 5: So sehen die Bahnhöfe in dieser Ecke Griechenlands aus: Rodopoli.

Unsere Lok ist die 220 034, das kann ich sehen, als wir in Strymonas die Richtung wechseln. Mit einem Fahrtrichtungswechsel hatte ich nicht gerechnet. Kurz nach Strymonas geht es in ein Flußtal hinein. Beim Recherchieren komme ich drauf, daß der Fluß auch Strymonas heißt, in Bulgarien Struma. Leider gelingen die Bilder nicht besonders gut, es regnet immer stärker und ist auch entsprechend dunkel. Das Tal scheint nicht sehr besiedelt zu sein, ich sehe nur einige Baracken, ob das Firmengelände sind oder was sonst, kann ich nicht erkennen. Die Vegetation ändert sich jedenfalls, es gibt wieder mehr Wälder und ich bin schon gespannt auf das Prozedere an der Grenze, denn um 8.23 Uhr sollten wir in der griechischen Grenzstation Promachonas ankommen.

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Bild 6: Im Tal des Flusses Strymonas bzw. Struma zur Grenzstation.

Grenze Griechenland-Bulgarien
Bald merke ich, daß wir Verspätung haben, wir kommen erst um 8.54 Uhr an (31 Minuten zu spät). Im Vorbeifahren sehe ich eine beschädigte bulgarische Diesellok der Reihe 07 in Promachonas stehen. Ich bin sehr überrascht, daß wir hier nur vier Minuten stehenbleiben (statt der vorgesehenen 20 Minuten laut Fahrplan) und ohne Grenzkontrolle weiterfahren bis ins bulgarische Kulata, wo wir um 9.03 Uhr (+15) ankommen und die geplanten 26 Minuten stehenbleiben. Hier ist ja Lokwechsel auf eine bulgarische E-Lok: nämlich die 45 152. Das ist nun das letzte „neue“ Land für mich, das ich auf dieser Balkanfahrt kennenlernen werde. Die Zollkontrolle ist unspektakulär und geht rasch. Ich erinnere mich nicht mehr, ob griechische Zöllner überhaupt gekommen sind. Ich glaube, wir wurden nur von den Bulgaren kontrolliert.

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Bild 7: So sieht es neben der griechischen Grenzstation Promachonas aus.

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Bild 8: Bulgarischer Grenzbahnhof Kulata mit Lokomotive 45 152.

Bevor wir weiterfahren, bleibt noch Zeit, uns ein wenig über Bulgarien zu informieren (wen das nicht interessiert, der überspringt den kursiv gedruckten Teil):

Bulgarien
Bulgarien ist etwas größer als Österreich und hat etwas weniger Einwohner (7,5 Mio). Um 450 vor Christus gab es auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien schon ein Reich der Thraker (ein indogermanisches Volk), später kamen griechische Stadtstaaten an der Schwarzmeerküste dazu. Um Christi Geburt wurde das Gebiet Teil des Römischen Reiches, um 400 nach Christus lebten hier Goten, wie Bibelfunde in dieser germanischen (Schrift-)Sprache belegen. Seit dem sechsten Jahrhundert drangen Slawen auf der Balkanhalbinsel ein, auch Bulgaren, die vom Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres gekommen waren (dort war ein „Großbulgarisches Reich“ – diese Bulgaren waren ein Turkvolk – nach etwa 45 Jahren Dauer zerfallen). 679 wurde das erste bulgarische Reich gegründet, das bis 1018 bestand und fast die gesamte Balkanhalbinsel umfaßte. Aus der Vermischung von Slawen, turkstämmigen Protobulgaren und Thrakern entstand das Volk der Bulgaren. Im 10. Jahrhundert erfolgte die Christianisierung (von Konstantinopel aus, daher orthodox) und die Entwicklung der kyrillischen Schrift. Ab 1018 herrschte Byzanz über das Land, bis es zur Gründung des zweiten bulgarischen Reiches kam (1186 bis 1393). Danach kam Bulgarien unter Osmanische Herrschaft, die fast 500 Jahre andauerte. Ein Befreiungsversuch durch ein polnisch-ungarisches Heer scheiterte im Jahr 1444. Ab 1800 wurden die Bestrebungen zur Unabhängigkeit immer stärker. Die Niederschlagung eines bulgarischen Aufstands im Jahr 1876 durch die Türken grenzte an einen Genozid und löste große Empörung in Europa aus. Als Folge kam es zum russisch-türkischen Krieg 1877/78, der mit einem Sieg der Russen endete und in einem Friedensvertrag den Grundstein für die Wiedererlangung der Selbständigkeit Bulgariens legte. 1878 entstand das Fürstentum Bulgarien, das sich 1908 völlig vom Osmanischen Reich loslöste. Fürst Ferdinand von Coburg-Gotha nahm den Zarentitel an, wodurch Bulgarien zum Königreich wurde. Damals gehörte der östliche Teil Griechenlands (Thrakien) und ein Teil Mazedoniens auch zu Bulgarien.
Im Zweiten Weltkrieg widersetzten sich Königshaus und Bevölkerung erfolgreich der Deportation von Juden. Nach dem Krieg geriet Bulgarien unter sowjetischen Einfluß und wurde eine kommunistische „Volksrepublik“. In Bulgarien gab es im Gegensatz zu anderen Ländern des Warschauer Paktes kaum einen organisierten Widerstand gegen die kommunistische Diktatur. Von 1954 bis 1989 war Todor Schiwkow KP-Generalsekretär und damit Staatsoberhaupt von Bulgarien. 1963 und 1973 gab es zweimal vergebliche Versuche, Bulgarien in eine Sowejtrepublik zu verwandeln und somit in die UdSSR einzugliedern. Todor Schiwkow trat am Tag nach dem Berliner Mauerfall zurück, nachdem er parteiintern bereits seit längerem kritisiert worden war. Die KP wurde in eine sozialistische Partei umbenannt, Schiwkow und einige alte Kaderleute aus der Partei ausgeschlossen. Ende des Jahres kam es zu Demonstrationen, nachdem offenkundig geworden war, daß es keine grundlegende Änderung des Systems gegeben hatte. Eine „Union der demokratischen Kräfte“ wurde gegründet, die auch die ersten freien Wahlen 1990 gewann, bis 1997 aber häufig mit den „neuen“ Sozialisten in Koalition regierten. In den letzten Jahren gewannen ab 2001 verschiedene jeweils neue Parteien die Wahlen. 2004 trat Bulgarien der NATO, 2007 der EU bei. Die Währung wurde 1999 umgestellt (1000 alte = 1 neuer Lew) und an die DM (heute Euro) gekoppelt, der Wechselkurs ist fixiert und man rechnet grob 1 Euro = 2 Lewa.
Die Bevölkerung Bulgariens besteht zu 84% aus Bulgaren, 9,4% Türken und 4,7% Roma. Ein Viertel bis ein Drittel der Bulgaren sind Nachkommen von Flüchtlingen aus Makedonien und Thrakien (Gebiete im heutigen Griechenland). 12 Prozent der Einwohner sind Muslime - das sind Türken und bulgarische Pomaken. Die Pomaken sind bulgarisch sprechende Muslime, bei denen nicht einwandfrei geklärt ist, ob sie von slawisierten Osmanen abstammen oder von islamisierten Bulgaren. Die Wohngebiete dieser Bevölkerungsgruppe mit eigener Kultur befinden sich im Südwesten des Landes (hauptsächlich in den Rhodopen). Es gibt etwa 180.000 Bulgarisch sprechende Muslime in Bulgarien (nicht gerechnet die etwa 700.000 türkischsprachigen).


Weiterfahrt nach Sofia
Wir fahren mit 15 Minuten Verspätung von der Grenzstation Kulata ab. Das Tal wird breiter und der Regen läßt teilweise etwas nach. Der Schaffner macht mir Vorwürfe, daß ich das Bett selbständig aufgeklappt habe! Das sind Sicherheitsgründe, meint er. Er läßt es aber vorläufig noch, weil ich betone, daß ich ja sonst nicht sitzen kann, auch wenn die Sitzbank nicht sonderlich bequem ist. Ich beobachte also die Landschaft und fotografiere in Kresna einen Gegenzug mit der 44 198 mit zwei griechischen Wagen. Hinter Kresna wird das Tal wieder enger, in Blagoevgrad kommen wir mit 12 Minuten Verspätung an. Wir holen also ein wenig auf. Hier steigt die Familie mit dem Kleinkind aus. Auf dem Nebengleis sehe ich einen Gegenzug mit der 45 149 und recht neuen Wagen in einem mir bis dahin unbekannten blau/hellblauen Anstrich. Sieht sehr gefällig aus! Der Zug hat nur Erstklasswagen und ist mit Sofia-Kulata beschriftet. Auf der Weiterfahrt bemerke ich, daß hier die Schienenstöße wie zur Zeit meiner Kindheit rattern.

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Bild 9: 44 198 in Kresna mit dem Gegenzug Sofia-Thessaloniki.

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Bild 10: Und das ist unser Zug: vier Wagen lang.

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Bild 11: In Blagoevgrad steigen die Bulgaren aus, und ein Gegenzug mit 45 149 steht hier mit blauen Erstklasswagen.

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Bild 12: Das Bahnhofsgebäude von Blagoevgrad.

Zu Mittag kommt der Schaffner und bringt mir meine Fahrkarte zurück, die er gestern bei der Abfahrt an sich genommen hat. Er entschuldigt sich noch einmal für die Unannehmlichkeiten und sagt mir, daß er die Betten wieder in Liegeposition bringen muß, sonst hat er in Sofia Schwierigkeiten. Mir wird inzwischen so kalt, daß ich meinen Pullover anziehen muß. Das erste Mal auf der ganzen Reise! Zum Schutz vor Regen hole ich auch noch meine Jacke hervor und den Regenschirm, denn es regnet ja immer noch ein wenig. Als wir in Sofia ankommen, schaue ich auf die Uhr: wir sind ziemlich pünktlich angekommen! Ich staune! Wo haben wir das aufgeholt? Keine Ahnung!
Ich halte mich nicht auf, denn mit dem Gepäck ist das unpraktisch, auf Fotopirsch zu gehen. Ich gehe also sofort in Richtung meines Hotels. Durch einen Ausdruck von google-maps hab ich das Hotel ja leicht lokalisieren können und finde auch auf Anhieb hin. Der Fußweg beträgt nicht einmal 20 Minuten. Die ersten paar Schritte auf Sofias Straßen wirken schon ein wenig bedrückend. Sieht irgendwie so aus, wie ich den Ostblock in Erinnerung habe. Sehr viel Schmutz, Gehsteige in sehr schlechtem Zustand, überall Löcher, die nicht zugedeckt sind, man muß höllisch aufpassen, daß man nicht wo hineinfällt. Die Maria Luiza-Straße ist eine Baustelle, ich glaube, es wird eine neue U-Bahnlinie gebaut. Die Straßenbahn wird umgeleitet, die Fußgänger werden auch einen kleinen Umweg geführt, immer an den Häusern entlang.

Hotel Lion und Fahrkartenkauf am Bahnhof
Aber das Hotel selbst ist okay und sieht auch von außen gut aus. Innen bin ich auch sehr zufrieden, das Zimmer ist wunderbar, pro Nacht 44 Euro ist zwar nicht billig, aber was will man, wenn man ein Einzelzimmer benötigt… Immerhin ist alles sehr sauber und gediegen eingerichtet, sodaß ich sogar das Zimmer fotografiere. Athen war teurer und viel weniger komfortabel.

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Bild 13: Sehr angenehmes Hotel Lion.

Nachdem ich meine Sachen ein wenig geordnet habe, mache ich mich auf und gehe zum Busbahnhof zurück, der gleich neben dem Bahnhof liegt. Ich will doch den Rat eines DSO-Users befolgen und morgen mit dem Bus nach Bansko fahren, damit ich die ganze Strecke der Rhodopenbahn befahren kann und nicht zweimal die Hälfte der Strecke befahren muß. So sehe ich auch mehr vom Land. Auf dem Weg zum Bahnhof hab ich Zeit, mir die interessanten (unbekannten) Straßenbahngarnituren anzuschauen und erste Bilder zu machen. Neben bekannten Tatrawagen gibt es eine Menge Gelenktriebwagen aus bulgarischer Produktion in verschiedenen Umbauversionen, teilweise auch mit Niederflur-Mittelteil.

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Bild 14: Tratrawagen Nummer 2040 auf Linie 18 in der Straße Königin Maria Luiza.

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Bild 15: Gelenkwagen 702 auf Linie 6 in der selben Straße unweit des Bahnhofs.

Der Busbahnhof ist ein sehr modernes Gebäude, schon beim Eingang fällt mir ein Schild auf, das darauf hinweist, daß innen das Fotografieren verboten ist. Der Innenraum wirkt wie die Schalterhalle eines Flughafens. Ich finde rasch den richtigen Schalter und die Dame ist sehr bemüht, mir verständlich zu machen, wo der Abfahrtssteig ist und welches die Platznummer im Bus ist. Die Platznummer steht auf dem Zettel-Fahrschein. Die Fahrt kostet 14 Lewa, das sind also 7 Euro. Die Abfahrt ist um 9.45 Uhr.
Danach gehe ich weiter zum Bahnhof, wo ich kein Fotografierverbotsschild sehe, aber trotzdem bin ich eher zurückhaltend. Die hier aufgestellte Denkmallok samt Wagen (Schmalspur) fotografiere ich jedenfalls, aber die Kamera verschwindet sofort wieder in der Tasche. Auch im Freien steht neben den Bahnsteigen eine Denkmallok auf einem Sockel (Henschel 16012 von 1918). Auf den vielen Gleisen ist sonst derzeit nichts los, lediglich zwei unterschiedliche Elektro-Desiros stehen günstig zum Fotografieren da: Reihe 30 (dreiteilig) und 31 (vierteilig). Mir fällt sofort auf, daß sie nicht graffitiverschmiert sind.

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Bild 16: Der Busbahnhof beeindruckt mehr als der wirkliche Bahnhof.

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Bild 17: Dreiteiliger Elektrodesiro 30 013 von Sofia nach Dupnica.

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Bild 18: Und der vierteilige Bruder 31 015.

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Bild 19: Denkmalzug in der Bahnhofshalle.

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Bild 20: Denkmallok von Henschel im Freien neben den Bahnsteigen.

Nach dem kurzen Blick auf die Bahnsteige möchte ich fragen, ob ich eine Reservierung für den Zug nach Bukarest (übermorgen) benötige, denn ich komme drauf, daß meine Reservierung aus Berlin irrtümlich auf den 30. statt auf den 28. Juli ausgestellt ist. Ich muß dazu zu einem Auslandsschalter in einem eigenen Raum gehen, dort erklärt mir eine Dame auf Englisch, daß ich keine Reservierung brauche: „You need no reservation, just go on the train!“ – Auch gut. (Morgen werde ich erfahren, warum)
Bevor ich nun den Spaziergang durch die Stadt beginne, ein paar Informationen:

Sofia
Sofia liegt ganz im Westen Bulgariens auf einer Hochebene (550 Meter), am Fuß des 2290 Meter hohen Witoscha-Gebirges, das die Stadtkulisse beherrscht. Bis zur serbischen Grenze sind es nur 62 km. Im Zentrum der Stadt gibt es Mineralquellen, deren Nutzung seit der Antike belegt ist.
Die Stadt besteht bereits seit über 5000 Jahren, neue Funde deuten darauf hin, daß schon vor 8000 Jahren eine steinzeitliche Siedlung bestanden hat. Sofia gehört daher zu den ältesten Städten Europas. Der erste Name der Stadt war Serdica (vom Stamm der thrakischen Serden) im 7. vorchristlichen Jahrhundert. Um die Zeitenwende gab es hier eine römische Stadt, die sich zu einer blühenden Metropole entwickelte. Ab dem 5. Jahrhundert plünderten die Hunnen, später die Goten die Stadt, im 6. Jahrhundert wurde die Stadt von den Römern wieder aufgebaut. Es folgten nun die ersten slawischen Stämme, die die Stadt wieder zerstörten, ab 809 gehörte die nun Sredetz (= Mitte) genannte Stadt zum ersten bulgarischen Reich. In der Zeit der byzantinischen Herrschaft (1018-1194) hieß die Stadt Triadica, danach kam die Zeit des zweiten bulgarischen Reiches, im 14. Jahrhundert erhielt die Stadt den Namen Sofia (nach der Kirche zur hl. Sofia), wenige Jahre später wurde die Stadt von Osmanen erobert und die Kirche zu einer Moschee umfunktioniert. Es folge eine rege osmanische Bautätigkeit und die Stadt erhielt ein sehr muslimisches Gepräge mit 45 Moscheen, vielen Bädern und Bibliotheken sowie sechs Universitäten und ebensoviele Paläste. Es gab aber auch viele Kirchen (sogar eine katholische) und drei Synagogen. Im 16. Jahrhundert zerstörte ein Erdbeben die Stadt, einige Bauten wurden danach wiederaufgebaut, wie z.B. auch die Sofienkirche (damals noch als Moschee), die älteste Kirche Sofias aus dem 6. Jahrhundert.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Stadt eine florierende Handelsstadt mit ethnischer und religiöser Vielfalt: Neben Bulgaren auch Griechen, Perser, Juden, Armenier, Georgier, Katholiken aus Ragusa (heute Dubrovnik), Muslime, Sinti und Roma. 1818 und 1858 gab es wieder schwere Erdbeben, worauf viele öffentliche Gebäude nicht mehr wiedererrichtet wurden. Bis zum 19. Jahrhundert verschwand das osmanische Erbe fast vollständig, deren Bauten wurden fast alle einer anderen Bestimmung zugeführt. 1879 wurde Sofia, das damals etwa 18.000 Einwohner hatte, zur Hauptstadt des wiedererstandenen bulgarischen Staates erklärt. Es folgte eine rege Bautätigkeit nach dem Vorbild westlicher Städte (z.B. Wien), an der auch österreichische Architekten beteiligt waren. Vor dem Zweiten Weltkrieg betrug die Einwohnerzahl 300.000. Nach dem Krieg erfolgte wie in anderen kommunistischen Ländern auch der Bau von Satellitenstädten sozialistischer Prägung. Heute hat die Stadt 1,4 Millionen Einwohner. Beim U-Bahn-Bau in den letzten Jahren wurden zahlreiche archäologische Funde (aus dem Mittelalter) entdeckt.


Innenstadt und Straßenbahnen
Ich beginne meinen Spaziergang vom Bahnhof weg direkt Richtung Stadtzentrum über den bulevard Hristo Botev, um einmal die „Stadt einzuatmen“. Ich möchte das Flair kennenlernen. Statt eines Stadtplans hab ich nur einen Ausdruck von Google-Maps, in den ich nach mühseligen Rechechen und unter Zuhilfenahme der Satellitenaufnahme die Straßenbahnstrecken eingezeichnet habe. Kurzinformation zur Straßenbahn: 1901 wurde die elektrische Straßenbahn (Streckennetz 23 km) mit der seltenen Spurweite von 1009 mm eröffnet. Heute ist das Streckennetz 84 km lang und besteht aus 21 Linien. Zwei Linien wurden in den letzten Jahren auf Normalspur umgebaut. Eine weitere Umstellung dürfte derzeit keine Priorität haben. 1998 wurde der erste Linie einer U-Bahn eröffnet (Normalspur), zwei weitere sollen folgen. Über die Typen will ich mangels genauerer Beschäftigung damit nichts weiter sagen, außer daß es sowohl Tatra-Wagen gibt (in beiden Spurweiten) als auch viele Wagen aus bulgarischer Fabrikation in unerschiedlichen (Umbau-)Varianten. Aus Bonn wurde eine größere Anzahl Normalspurfahrzeuge (mindestens drei Typen) übernommen. Im Internet finden sich aber ohnedies Informationen dazu.

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Bild 21: Einige erneuerte Triebwagen sind mit einer neuen blau-gelben Lackierung versehen.

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Bild 22: Auch Achtachser gibt es.

Ich gehe zunächst entlang einer Schmalspurstrecke bis zur Kreuzung mit den Normalspurlinien, mache einige Bilder und entdecke in der Seitenstraße eine Art Straßenfenster einer Bäckerei. Hier gibt es in Fett gebackene Germteig-Ringe oder Fladen, wir in der Steiermark würden wohl Strauben dazu sagen. Ich nehme eins davon, der Preis ist entsetzlich niedrig: 20 Stotinki, also gerade mal 10 Euro-Cent. Als der Verkäufer merkt, daß ich nur radebreche und gar nicht bulgarisch kann, schaut er sehr freundlich und dankbar, als ob er sich freuen würde, daß ich seine Köstlichkeit probieren will. Die Dinger gehen weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln! Die Leute stehen an und pausenlos werden neue Bleche damit hergebracht.

Ich marschiere dann durch die relativ schmale Straße Richtung Osten, durch die die Linien 20 und 22 fahren, denn ich möchte die Linienführung kennenlernen, die ich auf dem Satelliten-Plan nicht gut erkennen konnte. Hier gibt es nämlich viele Straßen mit Alleebäumen, das heißt, man erkennt die Schienen nicht auf den Aufnahmen (abgesehen von der nicht so guten Auflösung). Auf der Linie 22 fahren Bonner Triebwagen, was ich wohl auch erkannt hätte, wenn ich es nicht vorher schon gewußt hätte. Vor allem die Achtachser sind ja typisch und ich habe sie seinerzeit in Bonn schon fotografiert. Es gibt aber auch Vierachser mit Beiwagen und Sechsacher aus Bonn hier zu sehen.

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Bild 23: Auch in Bulgarien finden sich immer wieder Erinnerungen an Österreich!

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Bild 24: Unverkennbar ein Bonner: Normalspur auf Dreischienengleis kreuzt Schmalspur.

Etwas später finde ich in einer Häuserfront wieder ein „Fenster“: hier werden Schaschlik-Würstchen (so ähnlich wie in Kroatien Cevapcici oder in Rumänien Mici genannt, wie sie hier heißen, weiß ich nicht) verkauft. Sie werden in ein Stück Brot gelegt und das soll mir mal eine Art Mittagessen für heute sein. Sie schmecken herrlich und sind natürlich frisch vom Rost, beim zweiten Biß habe ich allerdings ein Stück eines abgebrochenen Metallspießes zwischen den Zähnen. Gut, daß ich es nicht geschluckt habe! Ich esse gleich vorsichtiger weiter, aber es bleibt bei dem einen Stück. Nicht weit davon entdecke ich dann eine Fußgängergasse. Straße wäre übertrieben, die Gassen sind hier nämlich alle relativ schmal. Ich nehme an, daß dies hier die Innenstadt ist. So ein richtiges Stadtzentrum mit verwinkelten Gassen dürfte es nicht geben, jedenfalls finde ich keines. Die Stadt ist also durchaus ganz anders als andere Städte, sie ist auch vergleichsweise jung, jedenfalls in der gegenwärtigen Anlage. Die Bauten erinnern mich aber doch manchmal auch an Wien, vor allem die Menschen und die Fassaden mit den Geschäften lassen Erinnerungen an meine Kindheit hochkommen. Auch damals war alles grau in grau und trotzdem war es meine Stadt. Das heißt: die Stadt beginnt mir langsam irgendwie zu gefallen, ohne daß ich genau sagen könnte, was mir gefällt oder was das Besondere ist. Vielleicht, weil nichts hier irgendwie „besonders“ aussieht. Übrigens finden sich hier in den Straßen zahlreiche streunende Hunde und Katzen (das gab’s auch in Athen).

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Bild 25: Ein Blick in die Fußgängerzone.

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Bild 26: Und wieder ein typischer Bonner: Triebwagen 4410.

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Bild 27: Es gibt auch normalspurige Tatra-Wagen.

Es gibt auch Sehenswürdigkeiten!
Ich komme dann bei einer Metrostation vorbei, aber ich werde weder mit der Straßenbahn noch mit der Metro fahren, dazu reicht die Zeit nicht. Mir ist es wichtiger, spazieren zu gehen und mir das Stadtleben hier anzusehen sowie morgen den Ausflug in die Rhodopen zu machen. Hinter der Metrostation ist eine breite Straße und ich komme zufällig zu einem zentralen Platz der Stadt. Hier gibt es unter anderem das „Sheraton Sofia Hotel Balkan“, ein Hotel, das sicher aus der kommunistischen Zeit herrührt, sowie das Gebäude der (gewöhnlichen) Nationalversammlung (Narodnoto sabranie), früher Gebäude der kommunistischen Partei. Beide Gebäude sind schlecht zu fotografieren, weil es hier viele Absperrungen wegen des Baus einer U-Bahn-Linie gibt, wie ich vermute. Es gibt auch ein zweites Gebäude der „großen“ Nationalversammlung (Parlament - Veliko narodno sabranie), das woanders steht. Im Bereich einer Fußgängerunterführung neben dem Sheraton sehe ich eine kleine alte Kirche: Sveta Petka Samardžijska (15. Jh.). Sie wurde zur Zeit der osmanischen Besatzung als Stiftung der Sattlerzunft errichtet. Damals durften Kirchen nicht höher als ein reitender Soldat gebaut werden. Deshalb sind viele Kirchen halb in die Erde eingelassen. Von hier aus kann ich auch die moderne Statue der Hl. Sofia fotografieren, die mich irgendwie an die Freiheitsstatue in Riga erinnert.


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Bild 28: So sieht eine Metrostation von außen aus.

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Bild 29: Hier beginnt es interessant zu werden: Prunkbauten und breite Straßen… darunter die Metro.

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Bild 30: Das Sheraton – ein Prunkbau aus sozialistischer Zeit. Und links erkennt man ganz tief unten die alte Kirche Sveta Petka Samardžijska

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Bild 31: Die kleine Kirche aus der Nähe. Unscheinbar und seltsam inmitten von Kiosken einer offenen U-Bahn-Passage.

Auch die Zentralmarkthalle (Centralni sofijski hali, 1911) findet sich in unmittelbarer Nähe sowie die Banya-Bashi-Moschee, erbaut 1576, und damit eine der ältesten Moscheen Europas und die größte Moschee Sofias. Gleich hinter der Moschee befindet sich ein hübscher Park mit Springbrunnen sowie ein wunderschönes Gebäude, das „Zentrale Mineralbad Sofia“ (centralna mineralna banja, 1913), wie ich später herausfinde. Von 1913 bis 1986 beherbergte das Gebäude ein Schwimmbad und Badehaus, derzeit wird es zu einem Museum der Geschichte der Stadt Sofia umgebaut.

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Bild 32: Die Zentralmarkthalle von 1911. Gleich gegenüber ist…

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Bild 33: … die Banya-Bashi-Moschee.

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Bild 34: sowie das künftige Museum der Geschichte der Stadt Sofia (ehemaliges Badehaus).

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Bild 35: Vom Badehaus aus sieht die Moschee wieder ganz anders aus.

In unmittelbarer Nähe des Badehauses bemerke ich dann eine große Anlage mit Brunnen, wo viele Leute an den insgesamt 42 Wasserhähnen Wasser abfüllen und nach Hause tragen. Ich staune. Als ich selbst meine Wasserflasche nachfüllen will, schrecke ich jedoch zurück: das Wasser ist warm. Wie ich später nachlese, hat es mehr als 40 Grad und ist eine von insgesamt 15 Thermalquellen in Sofia. Deren Benutzung ist seit der Antike nachgewiesen. Die neuen Wasserzapfstellen wurden 2002 erbaut, als die alten Brunnen am Badehaus wegen des Umbaus stillgelegt wurden. In dem Komplex auf dem dreieckigen Platz befindet sich an zentraler Stelle auch eine Apollo-Statue.
Gleich in der Nähe fährt die normalspurige Straßenbahn durch die engen Gassen, teilweise eingleisig. Ich mache einige Aufnahmen und erkunde die Streckenführung, die ich auf meinem Plan nicht exakt einzeichnen konnte.

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Bild 36: Thermalquellen mitten in Sofia: alle können sich soviel Wasser holen, wie sie möchten!

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Bild 37: Auch Sechsachser aus Bonn sind im Einsatz. Hier in den Einbahngassen.

Ich habe noch viel mehr Straßenbahnbilder gemacht, aber ein paar Beispiele der einzelnen Typen sollen hier genügen.
Als nächstes Ziel steuere ich die schon von weitem sichtbare Alexander Newski-Kathedrale an. Wie z.B. in Tallin wurde auch hier dem Fürsten der Republik Nowgorod, der 1242 die Kreuzritter und zwei Jahre zuvor die Schweden vernichtend schlug, eine Kirche geweiht. Meist geschahen die (Neu)Bauten solcher monumentaler Kirchen auch deshalb, um den russischen Einfluß zu betonen, weshalb diese Kirchen von vielen mit etwas Argwohn betrachtet werden (also nicht nur in Tallinn). Die hiesige Kirche wurde 1912 fertiggestellt. Beim Eingang der Kirche bin ich überrscht, als ich eine Erinnerungstafel für die Toten sehe, die im Zuge der Befreiung Bulgariens ihr Leben gelassen haben. Denn es sind hier Soldaten von Rumänien, Moldawien, Rußland, Bulgarien, Türkei und Finnland erwähnt. Davon wußte ich bisher nichts. In dem Park rund um die Kathedrale sehe ich eine Gedenktafel, die japanisch und bulgarisch beschriftet ist. Das Bulgarische kann ich zwar lesen aber nicht verstehen, das Japanisch immerhin teilweise lesen und halbwegs verstehen: 1999 wurden von Japan aus Anlaß des 40 Jahr-Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 50 Kirschbäume gepflanzt.

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Bild 38: Die Alexander Newski-Kathedrale is weithin sichtbar.

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Bild 39: Gleich neben der Kathedrale ein Gebäude, das ebenso in Wien stehen könnte: die Nationalgalerie für ausländische Kunst.

In der Nähe der Kathedrale steht ein schönes neuklassizistisches Gebäude, das ich später mit Internethilfe als „Nationalgalerie für ausländische Kunst“ identifizieren kann. Ebenfalls nicht weit entfernt ist eine kleine Kirche (St. Nikolaj der Wundertäter), die 1914 zeitgleich mit der Alexander Newski-Kathedrale anstelle einer früheren Moschee gebaut wurde. Grund für eine zweite orthodoxe Kirche war ein russischer Diplomat, der die bulgarisch orthodoxe Kirche als schismatisch betrachtete und daher dort am Gottesdienst nicht teilnehmen wollte.
Auf dem Weg zurück über andere Straßen in Richtung der Kirche St. Nedelja komme ich am Präsidentenpalast vorbei und gehe dann in den Hof des Hotels Sheraton, wo es das älteste Gebäude Sofias gibt: die Kirche St. Georg. Sie stammt aus dem 4. Jahrhundert und war bei den Römern eine Kultstätte, später eine christliche Kirche, eine Zeit lang eine Moschee und seit der bulgarischen Eigenstaatlichkeit wieder eine christliche Kirche. Eigenartig, daß rund um dieses Denkmal ein Hotel errichtet wurde.

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Bild 40: Die alte Kirche St. Georg im Geviert des großen Innenhofs des Sheraton-Hotels. Ich glaube jedoch, auch staatliche Dienststellen sind in dem Gebäude untergebracht.

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Bild 41: Bischofskirche und Kathedrale St. Nedelja.

Die Kathedrale St. Nedelja stammt vermutlich aus dem 10. Jahrhundert und ist die orthodoxe Bischofskirche Sofias. Sie wurde im Laufe der Geschichte mehrmals beschädigt (z.B. auch durch Erdbeben) und umgebaut. Bis vor kurzem war hier der Leichnam des serbischen Königs Stefan Uroš II. Milutin (1282-1321) aufbewahrt. Er wurde 2007 als Zeichen der Solidarität der serbisch orthodoxen Kirche überlassen.

Wieder Straßenbahnen und Seitenstraßen
Auf dem weiteren Weg gehe ich durch die Alabin-Straße, durch die auch die Straßenbahn fährt. Hier gibt es auch eine Schleife, die Straße ist relativ eng, wie die meisten Straßen in der Innenstadt. Aber es gelingen mir einige ganz passable Straßenbahnbilder. Ich marschiere dann über den Bulevard Christo Bolev zurück Richtung polnische Kirche und komme dabei wieder durch die Fußgängerzone, wo ich eine Konditorei besuche. Hier sind die Preise etwas gehoben, aber das Lokal ist auch entsprechend eingerichtet. Ich bemerke auch, daß Eis hier nach Gewicht verkauft wird. Die fertig gefüllte Tüte wird in eine spezielle Waage gesteckt und dann kostet so ein Eis etwa 2,50 Lewa (1,25 Euro). Ich staune über eine katholische Kirche in Sofia, die von polnischen Kapuzinern betreut wird. Die Kirche wurde offensichtlich von Polen erbaut (auch der Stil wirkt polnisch). Gottesdienste gibt es auf Bulgarisch, aber sonntags auch auf Polnisch und Lateinisch!

Nach diesem Rundgang muß ich doch feststellen, daß die Stadt irgendwie sympathisch auf mich wirkt. Ich habe mehr durch Zufall als geplant eine Menge wichtiger und sehenswerter Gebäude und Kirchen gesehen. Freilich war es nur ein kleiner Teil der Stadt, aber es ist ja nicht gesagt, daß ich nicht wieder einmal hierherkommen könnte. Außerdem sollte man auch mal mit den Straßenbahnen und mit der Metro fahren.
Den Weg zum Hotel gehe ich dann durch einen schon früher entdeckten Markt, von dem aus ich dann zum Bulevard Slivnitsa gelange, an dem kleinen Bach im riesigen Bachbett. Von dort erreiche ich nach wenigen Metern mein Hotel.

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Bild 42: Blau-gelber Sechsachser in der Alabinstraße. Hier ist viel Straßenbahnverkehr!

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Bild 43: Auch Vollwerbung gibt es: Achtachser in Linie 1.

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Bild 44: Nicht alle Straßenbahnen kann man als „schön“ bezeichnen.

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Bild 45: Abschlußbild des Tages: Blick vom Hotelfenster auf die Straße Königin Maria Luiza Richtung Bahnhof.


Fortsetzung hier:
Teil 15: Rhodopenbahn



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:02:14:20:53:07.
ich mach immer wieder den Fehler, mit knurrendem Magen Deine Berichte zu lesen - mit dem Ergebnis, dass mir der Magen nachher nochmehr knurrt (so appetitanregend sind jeweils die Beschreibungen der Produkte der lokalen Gastronomie) ;-)

von meinem kurzen Besuch in Bulgarien im vergangenen Juni (grade mal 24 Stunden lang) habe ich die Entspanntheit und Freundlichkeit der Menschen überaus positiv in Erinnerung.

um nicht vollkommen off-topic zu kommentieren: die ex-Bonner Fahrzeuge haben auch leicht verbeult einen nicht zu übersehenden Charme. Das spricht wohl irgendwie für die Zeitlosigkeit des Designs. (My personal opinion.) Man stelle sich nur einen nach heutigen Designmerkmalen konzipierten Strassenbahnzug in leicht eingedetschtem Zustand vor - das wär wohl nicht so toll. (Es steht natürlich jedem frei, nicht meiner Meinung zu sein, ich will niemandem eine Ansicht aufdrängen.)
Schöner Bericht! Da kriegt man wirklich Lust mal (wieder) dorthin zu fahren. Nicht zuletzt auch wegen des Essens. ;-)

Die unbekannten hellblauen Wagen sind übrigens diese: [www.railfaneurope.net]

Es sind angeblich die einzigen Wagen in Bulgarien mit Klimaanlage. Die Inneneinrichtung ist recht ähnlich zu den deutschen Grossraum-IC-wagen, und es gibt sie auch in 2. Klasse.

Re: [GR][BG]Balkan-Abenteuer Teil 14: (Athen-) Sofia (m45B)

geschrieben von: D461

Datum: 28.01.11 21:00

Guten Abend,

wie immer super Arbeit gemacht, weiter so !
Es hat mich sehr überrascht, daß die Kontrollen an der Grenze GR/BG so flott waren.

Ich habe da einen Newsbericht in Erinnerung, daß sich BG und GR auf eine neue gemeinsame
Grenzkontrolle in Kulata/Promahonas geeinigt haben und zwar daß nur eine Seite kontrolliert.

Es kann sein, daß auf Fahrten von GR nach BG nur in BG kontrolliert wird - auch in Zusammenhang
mit dem Lokwechsel von OSE Diesel auf BDZ Elektro ...

Zu den Straßenbahnen: Von meinen BG Kontakten habe ich erfahren, daß diese "neuen" gelb-blauen
Trams ein Umbau sind, sozusagen neue Eleketrik, Fenster, Türen und Sitze. Bin selbst bei meiner
Tour 2009 ein paarmal damit gefahren, gute Erfahrungen damit gemacht.

Aber die alten, angedetschten Seelenverkäufer ... wer weiß wie lange die noch fahren ...
Wegen dem Metrobau gibt es jetzt Umleitungen, Kurzführungen und Schienenersatzverkehr mit Bussen.

[gradski.net.tc] war mal bis vor kurzem ein guter Link wo man sich eine Übersicht der
Bus-/Tram/-Metrolinien ausdrucken konnte. Jetzt ist seit ein paar Tagen/Wochen der Link außer
Betrieb. Wahrscheinlich wird eine neue Tabelle erstellt - ich fuhr 2009 mit dem Datenstand Mai 2009
und seit Ende meiner Tour hat sich dort doch einiges geändert, vielleicht kommt jetzt ein Update.

Zum Schluß heute abend noch gesagt daß es in Südosteuropa viele Schätze gibt die besucht und besichtigt werden sollen. Gesundheit, Zeit und solide Finanzen haben - und dann kann das Abenteuer
kommen.

In diesem Sinne,
beste Grüße

D461

P.S.: Freue mich schon auf den nächsten Reiseteil !
Vielen Dank!
Darf ich eine kleine Berichtigung anbringen:
Ragusa ist Dubrovnik, nicht Split!
Wieder ein toller Bericht der mir als teilzeit-Sofia-Bewohner besonders nahe geht und in dem ich vmtl. genau deshalb noch einiges lernen konnte!

Besonders gefällt mir die Kreuzung mit dem Dreischienengleis, wobei die Schmalspur und -abzweigung leider nicht mehr in Betrieb ist.
Ein paar kleine Anmerkung seien mir noch erlaubt;-)
Der Boulevard muss wohl Hristo Botev sein?
In der Banya-Bashi-Moschee arbeitet als portier auch ein ehemaliger Gebrauchtwagenhändler aus Wiener Neustadt und hinter der National Gallery gibts eine tolle gemütliche Bar mit Tischen im Garten, leider mit Botschaftviertel-Preisen:-(

bin schon auf den nächsten Abschnitt gespannt!
Klosterwappen schrieb:
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> Vielen Dank!
> Darf ich eine kleine Berichtigung anbringen:
> Ragusa ist Dubrovnik, nicht Split!


Vielen Dank - wie peinlich! Ich wußte es eigentlich, wie der Fehler (auch in einem anderen Teil des Reiseberichts) entstand, weiß ich nicht mehr!
Habs in beiden Teilen (9 und 14) ausgebessert.

Hristo Botev - das kam wohl von der Schwierigkeit, in einem google-maps-Ausdruck die unscharfen Straßenbezeichnungen richtig zu lesen... ;-)
Letzten April fuhren wir (acht Personen,Jungen und Eltern) mit demselben Zug zwischen Athen und Sofia. Wir buchten unsere Plätze drei Tage vorher und bekamen die zwei Viererabteile des Liegewagen 485.

edit

geschrieben von: bw494674

Datum: 29.01.11 22:26

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1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:12:11:19:23:35.