Balkan-Abenteuer Teil 3: Sarajevo
Die bisherigen Teile:
Teil 1: Wien-Zagreb
Teil 2: Zagreb-Sarajevo
Tag 3: Mittwoch, 14. Juli 2010 – Besichtigung Sarajevo
Wir haben heute keine Eile und frühstücken sehr gemütlich, es ist angenehm, sich alles selbst richten zu können. Wir kommen uns vor wie in einem Appartement.
Wir beginnen danach unseren Spaziergang, natürlich entlang n der Straßenbahnstrecke, die ja direkt in die Altstadt „Bašcaršija“ führt. Wir gehen also die Straße am rechten Ufer des Flusses Miljacka entlang. Unterwegs versuche ich immer wieder, die zahlreich hier vorbeikommenden Straßenbahnen zu fotografieren. Neben alten K2-Triebwagen (200er-Nummern) gibt es auch schon etliche modernisierte K2 (500er-Nummern), außerdem werden wir heute und morgen auch zwei ex-Wiener E1-Triebwagen (700er-Nummern) und zwei ex-Amsterdamer Triebwagen (800er-Nummern) zu Gesicht bekommen.
Etwa hinter dem roten Kastenwagen ist unsere Pension gelegen, etwa 100 Meter eine Seitengasse Richtung Hügel hinauf.
Ein Teil der K2-Triebwagen ist bereits moderniesiert. Alle davon tragen Werbelack. Hier Wagen 508 in Linie 3.
Die Straßenbahnstrecke führt in einer Einbahnstraße entlang des Flusses Miljacka Richtung Bašcaršija. Wagen 257 (nicht modernisiert) in Linie 1.
In einer Seitengasse zeigt sich ein hübscher Blick in das Alltagsleben: die Hügel im Süden des Flusses und eine kleine Moschee (die Cobanija-Moschee von 1562).
Zwischendurch ein wenig Kultur: die Hauptpost von innen – eine wunderschöne großer Schalterhalle – frisch renoviert natürlich – auch sie atmet Wiener Flair!
Das dürfte die ursprüngliche Standardfarbgebung der Straßenbahn Sarajevo sein. Wagen 231 (Linie 3) hat sogar gesickte Seitenwände.
Natürlich gibt es unterwegs verschiedene sehenswerte Gebäude. Hier ist aber ein Eisenbahnforum, daher will ich die bekannten Sehenswürdigkeiten bestenfalls streifen und eher das „Nebenbei“ zeigen, das üblicherweise nicht fotografiert wird. Die Häuserzeile am Fluß Miljacka sieht manchmal aus wie eine Häuserzeile amWienfluß oder am Donaukanal in Wien. Auf dem folgenden Bild ist übrigens auch eine Sehenswürdigkeit zu finden: dort, wo der blaue Bus zu sehen ist, befindet sich die „Lateinerbrücke“, an dieser Kreuzung wurde Franz Ferdinand 1914 erschossen. Das Haus, vor dem er stand, ist heute ein Museum zu diesem Ereignis. Der Name „Lateinerbrücke“ kommt von der nahen „lateinischen“ Handelskolonie (damit war Dubrovnik gemeint).
Das Ufer der Miljacka: schöne Häuserfronten, die deutlich die Spuren des Wiener Architekteneinflusses zeigen.
Das folgende Bild ist noch immer an der Kreuzung mit der Lateinerbrücke (Attentatsplatz). Völlig überrascht war ich, daß es in Sarajevo Amsterdamer wagen gibt. Ich weiß natürlich, daß man den ex-Amsterdamer Wagen Nr. 801 noch besser aufs Bild bekommen hätte (hab ich auch). Aber gerade die Dame mit Kopftuch wollte ich hier zeigen: mir ist nämlich aufgefallen, daß ich in Wien sicherlich fünf mal mehr Kopftuch-Musliminnen beobachten kann als ich in Sarajevo gesehen habe.
ex-Amsterdamer Nr. 801 in Linie 3 bei der Lateinerbrücke.
Und hier ist schon die Endstation der Straßenbahn. Dahinter geht es schon in die Berge.
Das verhüllte Gebäude auf dem vorigen Bild ist das Rathaus (erbaut als Rathaus und soll es auch wieder werden). Es wurde seit dem Zweiten Weltkrieg als Nationalbibliothek verwendet, aber fast alle Bestände wurden im Bosnienkrieg durch Brand zerstört. Der Wiederaufbau ist noch im Gange, zahlreiche Staaten und Städte helfen bei der Finanzierung, so auch Wien. Das Gebäude hat einen etwa dreieckigen Grundriß.
Triebwagen 502 hat nicht nur eine Werbung, die auch in Österreich so aussehen könnte, er passiert auch gerade das alte Rathaus, das ein österreichischer Architekt geplant hat. Und man erkennt einige Namen von Unterstützern auf der blauen Leinwand.
Die letzte Brücke der Innenstadt. Dahinter beginnt eine Schlucht. Links geht es in die Altstadt (Bašcaršija), hier nicht sichtbar. Die Hänge rund um die Innenstadt sind voll von solchen und ähnlichen Häusern.
Gegenüber auf der anderen Flußseite (auf dem vorigen Bild also nach rechts schauend) beginnt der Alifakovac-Hügel mit einem berühmten Friedhof.
Eigentlich sind wir wegen der erwareten Aussicht auf den Hügel gegangen. Hier der Blick nach Westen. Wo das verdrehte Hochhaus steht (in der Bildmitte), dort befindet sich der Bahnhof.
Und hier der Blick nach Norden, unten die Schlucht der Miljacka.
Und das ist sozusagen die Schleife der Straßenbahnlinien 1 und 3. Hier geht es wieder zurück Richtung Westen. Links sieht man ein Stück Mauer des alten Rathauses, das der Renovierung harrt.
Wenigstens einmal gelang mir ein Bild Straßenbahn mit Moschee: Wagen 509 in Linie 3, nicht weit weg vom vorherigen Bild aufgenommen.
Jeder, der mal nach Sarajevo kommt, sollte das hier unbedingt probieren: Burek.
Und danach in ein türkisches Café (im Vordergrund das typische Kaffeekännchen aus Kupfer).
Und noch einmal eine unbedeutende Seitengasse, die aber das Flair von Sarajevo gut einfängt.
Neben dem Gazi-Husrev-Beg-Hamam erwische ich nochmal den Amsterdamer Wagen 801 – für alle, die ihn gerne schöner abgebildet sehen wollen.
Zwar wurde in Sarajevo nach dem Bosnienkrieg fast alles schon wiederaufgebaut, aber vereinzelt sieht man doch noch Bombenruinen, wie hier unweit der orthodoxen Kathedrale.
In der Nähe der Ali-Pascha-Moschee gibt es einen großen Park (veliki park), in dem es auch Kriegsgräber gibt, wie auch an vielen anderen Stellen in Bosnien-Herzegowina. Bedrückend, wenn man das Alter der Getöteten/Gefallenen/Ermordeten sieht.
Endlich am Bahnhof dann das Ziel unserer Wünsche: ein Wiener Triebwagen – Nr. 709 – auf Linie 4.
Die Linie 4 fährt vom Bahnhof nach Ilidza, das ist weit außen im Westen. Kein Wunder also, daß wir den Wagen in der Innenstadt nicht sehen konnten. Wieviele solcher Wiener Wagen im Einsatz sind, können wir nicht daher nicht einmal ahnen, denn wir nehmen uns nicht die Zeit, diese Strecke (die viel länger ist als jene bis Bašcaršija) zu befahren.
Schade, daß die Liniennummer nicht auf der weißen Signalscheibe aufgesteckt ist.
Bahnhof Sarajevo
Der Bahnhof von Sarajevo - Straßenansicht.
Auf dem Bahnhof müssen wir uns einige Fahrkarten besorgen: für morgen eine Rückfahrkarte nach Mostar und für übermorgen eine einfache Fahrkarte nach Ploce. Bosnien-Herzegowina ist nämlich nicht im Balken-Flexi-Pass enthalten. Die Dame am Schalter spricht nach eigenen Angaben nur sehr wenig Englisch, irgendwie kommt sie aber drauf, daß ich ein wenig Russisch kann (wahrscheinlich durch mein Sprachenmix, denn ich kann ja gar nicht richtig Kroatisch), und so ist unser Gespräch ein Mix aus Englisch und Russisch und wir freuen uns beide, daß wir einander doch ganz gut verstanden haben. Die Rückfahrkarte nach Mostar kostet 15,90 KM, also etwa 8 Euro pro Person (ein handgeschriebener Fahrschein), die internationale Fahrkarte nach Ploce im üblichen inernationalen Fahrscheinheft ist auch handgeschrieben und kostet 23,50 KM (11,75 Euro). Danach schauen wir zu den Bahnsteigen, wo uns aber gähnende Leere erwartet. Beim Eingang zur Passage entdecke ich einen Zettel an der Wand, auf dem geschrieben steht, daß hier das Fotografieren verboten ist. Nun, ich mache zwar kein Foto von der großen Halle, die relativ leer ist, aber weiter drinnen werde ich vor allem morgen doch einige Bilder machen. Heute begnüge ich mich mit der Passage zu den Bahnsteigen. Die zweite Passage ist abgesperrt und seit vielen Jahren ungenutzt. Für diesen Bericht ziehe ich die Bilder hier zusammen, um den Bahnhof ein wenig vorzustellen:
Blick von der Passage zurück Richtung Bahnhofshalle: einmal zwei offene Flügeln, einmal eine einzige: Ein Nadelöhr als Ausgang. Eigentlich unverständlich.
Die Passage mit Blickrichtung zu den zwei Mittelbahnsteigen. So hell, wie es auf dem (bearbeiteten) Bild scheint, ist es hier jedoch nicht.
Blick auf die zwei Mittelbahnsteige Richtung Nordosten.
Das war einmal ein Lastenaufzug.
Vielleicht ist auch noch der Blick interessant, den man nach dem Verlassen des Bahnhofs hat. Straßenbahnhaltestelle und einige moderne Bauten, dahinter die Hügel, auf die sich die Bebauung weit hinaufzieht. Die Autobusse tragen scheinbar die offiziellen Farben des Verkehrsbetriebs GRAS: gelb mit blauen Zierlinien.
Blick vom Bahnhof Richtung Stadt.
Und hier noch für unsere Obus-Freunde: offensichtlich ein Obus ex Solingen.
Keine Ahnung, woher dieser Obus stammen könnte: der Bär neben der Nummer 4157 könnte aber auf Basel hindeuten.
Eigentlich möchten wir noch gerne den Zug aus Belgrad abwarten, der um 17.35 Uhr ankommen soll. Da es schon nach 18 Uhr ist, könnte natürlich auch der Zug aus Zagreb (Plan: 18.05 Uhr) ankommen, aber beide Züge lassen auf sich warten und es gibt natürlich keine Ansagen, ob und wann einer der beiden Züge wirklich ankommen wird. Wir haben also insgesamt etwa eineinhalb Stunden beim Bahnhof vertan, ohne wirklich viel gesehen zu haben. Wir beschließen daher, endlich auch mit der Straßenbahn zu fahren, um in der Innenstadt ein Abendessen zu suchen. Ich frage beim Kiosk, ob es dort Fahrkarten gibt. Ja, gibt es: für 1,60 KM (etwa 50 Euro-Cent). Ich kaufe einige (viel zu viele, denn wir werden weder Richtung Ilidza fahren noch zwischen Bahnhof und Quartier je die Straßenbahn benutzen). Die Fahrscheine sind Magnetfahrkarten auf dickem Papier. Bei der Entwertung im Wagen wird ein Loch gestanzt und eine Zahlen-Buchstabenkombination aufgestempelt, die mit der Wagennummer beginnt. Solcherart weiß ich also, daß wir mit Wagen 266 Richtung Bašcaršija gefahren sind.
Mit diesem Zug fahren wir in die Innenstadt zurück: Wagen 266 in Linie 1 in der Bahnhofsschleife.
Wir suchen in der Bašcaršija eines der Lokale aus und bestellen, was man hier unbedingt probieren muß: Cevapi. So heißen die Würstchen aus Faschiertem eigentlich, aber in Serbien und Kroatien werden sie meist in der Verkleinerungsform genannt: Cevapcici. Hier üblich in einer Brottasche (Fladenbrot aufgeschnitten) und mit Zwiebel. Kostet 5 KM (2,50 Euro) und ist leider nicht so gut, wie es aussieht. Das Burek hat viel besser geschmeckt. Die Würstchen schmecken und sehen aus (auch von der Konsistenz her) wie industriell gefertige Ware, irgendwie gummiartig. Das Brot und die Zwiebel sind jedoch ganz gut. Okay, wir sind mitten im Touristenmekka, wir hätten vielleicht doch in irgendeinem kleinen Gastgarten z.B. neben dem Bahnhof sowas essen sollen. Aber macht nichts, wir werden kulinarisch in diesem Urlaub noch auf unsere Kosten kommen!
Cevapi auf bosnisch: im Fladenbrot mit Zwiebel.
Den Weg zurück zum Quartier nehmen wir wieder zu Fuß – nicht nur zwecks Verdauung. Wir haben ja die Gazi-Husrev-Beg-Moschee und das gleichnamige Vakuf (fromme Stiftung) noch nicht gesehen, und an dem Komplex kommen wir nun vorbei, auch an dem Uhrturm (sahat kula), dessen Ziffernblatt sogar in arabischer Schrift ist! Es ist das erste Ziffernblatt mit arabischer Beschriftung, das ich je gesehen habe!
Sahat Kula mit arabischem Ziffernblatt. Die Uhr zeigt nicht die korrekte Zeit an (es war zu diesem Zeitpunkt 19.50 Uhr.
Auf dem Nachhauseweg entlang des Flusses entdecken wir dann endlich auch die Ashkenazi-Synagoge, die wir am Vormittag irgendwie übersehen hatten. Sie wurde 1902 erbaut. Wie ich aus dem Netz erfahren kann, gibt es heute etwa 600 jüdische Gemeindemitglieder in Sarajevo. Es ist die drittgrößte Synagoge in Europa.
Als wir dann, ziemlich müde, aber erfüllt von all den schönen Eindrücken, wieder in unser Quartier kommen, staunen wir nicht schlecht, als in unserem Zimmer auf dem Tisch eine Schüssel mit Wassermelonen-Stücken steht. Das ist wirklich eine nette Geste und eine schöne Erfrischung.
Am nächsten Tag steht der Ausflug nach Mostar auf dem Programm.
Da gibt es dann auch wieder etwas mehr Eisenbahnbilder.
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Teil 4: Mostar
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:09:21:20:00:47.