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"Florian Grupp fährt mit Krupp in den Norden Myanmars", so könnte man auch die nächsten drei Folgen beschreiben. Aber zunächst zu den historischen Daten der Strecke. Nach der Eroberung Nordmyanmars 1885 benötigten die Engländer dringend eine Eisenbahnstrecke, um die Truppen schnell transportieren zu können und vor allem um die reichen Schätze Nordmyanmars (Holz, Jade, Gold) abzutransportieren. Bereits 1889 erreichten die Schienen aus Yangon Mandalay. Um die Verlängerung nach Norden möglichst schnell fertig zu bauen, begann man mit dem Bau der Strecke von beiden Enden her. Die notwendigen Materialien wurden dazu mit dem Boot über den Ayeyarwady nach Myitkyina transportiert. Mit Ausnahme der Überquerung des Ayeyarwadys, hatte der Bau keine größeren geographischen Hindernisse zu überwinden. So konnte bereits 1897 der erste Zug zwischen Mandalay und Myitkyina verkehren, wobei der Ayeyarwady allerdings noch lange Zeit mit einer Fähre überbrückt werden musste. Hier die Eröffnungsdaten im Einzelnen:

1889	Mandalay 	- Myomaung (Teil der Strecke Yangon - Mandalay)				 8,25 Meilen
1892	Myomaung 	- Amarapura Shore							 6    Meilen
1934	Amarapura Shore - Sagaing Shore (Brücke über den Ayeyarwady, die die Fähre ersetzte)	 3,25 Meilen
1891	Sagaing Shore	- Shwebo								52,5  Meilen
1893	Shwebo		- Wuntho								99,25 Meilen
1893	Wuntho		- Mohnyin								90    Meilen
1897	Mohnyin		- Mogaung								52,25 Meilen
1890	Mogaung		- Myitkyina								36,75 Meilen
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Die Express-Züge benötigen für die knapp 560km zwischen 20 und 26 Stunden, daher führen sie immer auch Schlafwaggons mit. So besorgte ich mir einen Platz im Schlafwagenabteil für saftige 40 US$ (das sind mehr als zwei durchschnittliche Monatsgehälter in Myanmar!). Die Reise mit dem Flugzeug wäre weitaus bequemer, schneller und nur ein paar Dollar teurer gewesen. Aber als Eisenbahnenthusiast war natürlich klar, dass ich den Zug nehme. So machte ich mich am 28.1. auf den Weg zum Hauptbahnhof in Mandalay.

Am Bahnsteig 1 stand bereits der Zug und schnell fand ich mein Viererabteil mit Doppelstockbetten. Neben mir reisten vier weitere Personen im Abteil. Eine Frau mit Kleinkind, ein Missionar und ein weiterer Reisender. Eigentlich war das untere Bett für mich reserviert, aber die Frau mit ihrem Kleinkind hatte mich gefragt, ob sie nicht das untere Bett haben könnte. Natürlich kein Problem für mich, ich schlafe sowieso lieber oben (später sollte ich diese Entscheidung allerdings noch bereuen).

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Zwei meiner Mitreisenden im Schlafwagenabteil, links im Bild der Missionar

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Der Gang im Schlafwagenabteil, von wo aus ich die meisten Streckenfotos machte


Alle Mitreisenden waren vom Stamm der Lisu, einer christlichen Minderheit, die im Norden Myanmars recht weit verbreitet ist. Während die Burmesen zu weit über 90% Buddhisten sind und Missionierungen hier keine Erfolge brachten, waren die Minderheiten in den Randgebieten offen für Christianisierungen. Die erste Frage des Missionars war dann natürlich auch, ob ich Christ sei. Als ich dies mit Ja beantwortete, waren alle Mitreisenden überglücklich. Der Missionar holte auch gleich seine Bibel hervor, um eine Bibelstunde zu starten. So verließ ich das Abteil, um mich auf dem Bahnsteig umzusehen:

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Der Zug nach Myitkyina im Hauptbahnhof von Mandalay mit insgesamt 12 Waggons, rechts der Schlafwagen mit je zwei Fenstern pro Abteil, die ersten beiden Fenster gehören zum Dienstabteil. Links auf dem Bahnsteig gehen die Zugschaffner und ein paar Männer vom Geheimdienst die Passagierliste durch

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Die Abfahrtstafel im Hauptbahnhof von Mandalay. Ein paar Städtenamen und die Uhrzeiten kann ich lesen, beim Rest verstehe ich auch nur Bahnhof

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Die Zuglok DD 965, eine vierachsige Dieselmaschine aus dem Hause Krupp, gebaut 1987 (siehe auch ein Bericht von Martin Welzel im Historischen Forum)

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Der Speisewagen (Restaurant Car) wird gerade noch mit frischen Lebensmitteln beliefert

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In Myanmar gibt es nur Bahnüberführungen, aber keine Unterführungen, denn die würden in der Regenzeit bis oben hin mit Wasser voll laufen. Im Inneren des Bahnhofs von Mandalay gibt es sogar Rolltreppen. Allerdings sind die wohl noch nie gelaufen. In Mandalay gibt es wie in Yangon aktuell maximal zwei Stunden am Tag Strom. In meinem Hotel brannten im dunklen Treppenhaus den ganzen Tag durch Kerzen!


Nachdem die Bibelstunde inzwischen beendet war, konnte ich das Abteil wieder betreten. Der Missionar hatte inzwischen das Abteil verlassen, um andere Mitreisende von der „Salvation by Jesus“ zu überzeugen. Vor der Abfahrt des Zuges kam dann noch die Geheimpolizei für eine ausgiebige Kontrolle vorbei. Die beiden Männer trugen Zivil (Hemden, Hosen und Baseball-Kappe), hatten Funkgeräte dabei und schauten sehr finster drein. Von mir und meinem Gepäck wollten sie (erstaunlicherweise?!) nichts wissen, dafür wurde die Frau mit dem Kleinkind umso härter behandelt. Ihr gesamtes Gepäck wurde bis ins letzte Detail gefilzt, selbst die (noch ungebrauchten) Windeln nahmen sie auseinander. Eine sehr bedrückende Szene, die einem mal wieder vor Augen führte, wie die Militärs im Hintergrund mit ihren Helfershelfern die Fäden in der Hand halten. Punkt 16 Uhr fuhr der Zug dann planmäßig ab.

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Der Zug verlässt den Bahnhof Mandalay zunächst auf der zweigleisigen Hauptstrecke Richtung Yangon, bevor in Myomaung die Strecke nach Myitkyina abzweigt. In Myanmar herrscht auf der Schiene Linksverkehr, auf den Straßen seit einigen Jahren Rechtsverkehr. Wie es dazu kam, hatte ich hier schon einmal geschrieben.

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Solange es noch durch die Stadtviertel Mandalays geht, ist die Strecke links und rechts von einer Mauer eingegrenzt


Bei Durchfahrt durch den Bahnhof Myomaung konnte ich dann noch drei alte Schienenbusse ablichten:

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Auch im Bahnhof von Myomaung gibt es eine Schafs- und Ziegenherde, die das Unkraut flach hält. Zum Glück gibt es in Myanmar keine ICE's


Bevor die Strecke den Ayeyarwady-Fluss überquert, führt sie noch durch Amarapura:

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See in Amarapura, im Hintergrund erkennt man schon die Pagoden auf den Hügeln von Sagaing auf der anderen Flussseite

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Telegrafenleitungen finden sich immer entlang der Zugstrecken und sie sind auch noch im Einsatz. Der Wasserstand des Sees ist während der Regenzeit weitaus höher, in der Trockenzeit werden an den immer breiter werdenden Ufern hauptsächlich Erdnüsse angebaut.

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In Amarapura findet sich auch noch ein altes Fort, das mittlerweile in eine Pagode umgewandelt wurde. Im Hintergrund erkennt man schon die neue Straßenbrücke, im Vordergrund stehen die typisch burmesischen Hütten. Das Fort wurde Anfang der 1880er Jahre von französischen und italienischen Ingenieuren für den burmesischen König, der seinen Sitz in Mandalay hatte, gebaut, um Schutz vor den Engländern zu bieten, die bereits den südlichen Teil Myanmars seit einigen Jahrzehnten besetzt hielten. Die Franzosen hatten damals den burmesischen König unterstützt, um dem Vormarsch der Engländer Einhalt zu gebieten. Als 1885 der dritte anglo-burmesische Krieg ausbrach (Kriegsgrund war eine angebliche Benachteiligung einer englischen Firma bei der Vergabe von Holzkonzessionen in Nordmyanmar) half das Fort aber wenig. Die hoffnungslos unterlegene burmesische Armee ergab sich mehr oder weniger kampflos, die Briten setzen den König ab und ganz Myanmar wurde ein Teil Britisch-Indiens


Berühmt ist Amarapura für die der U-Bein Brücke, der mit fast 1,5km längsten Teakholzbrücke der Welt. Vor allem zum Sonnenuntergang finden sich hier ganz nette Fotomotive:

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Wie bereits oben beschrieben, war die Strecke erst ab 1934 durchgängig befahrbar. In diesem Jahr wurde die 1207m lange kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke mit 10 Stahlbögen eröffnet. Im zweiten Weltkrieg wurde die Brücke bei Kämpfen zwischen Briten und Japanern gesprengt und erst Ende der 50er Jahre wieder aufgebaut. Die Brücke hat allerhöchste strategische Bedeutung, ist sie doch im Umkreis von mehreren hundert Kilometern die einzige Brücke über den Ayeyarwady und liegt direkt auf der Verbindung von China an die Westküste. Da die Chinesen an der Küste gerade einige Häfen bauen und eine Pipeline planen, spendierten sie den Burmesen vor ein paar Jahren neben der alten Brücke eine neue Straßenbrücke mit drei großen Stahlbögen. Eigentlich ist das Fotografieren von Brücken, insbesondere dann, wenn sie eine so hohe strategische Bedeutung haben, strikt verboten. Da ich aber gerade kein Sicherheitspersonal sah, drückte ich mehrfach auf den Auslöser. Als wir die Brücke gerade passiert hatten und ich das erste Bild von Pagodenhügeln von Sagaing gemacht hatte, ertappte mich dann doch noch ein Sicherheitsbeamter. Schnell schaltete ich noch die Anzeige in meinem Fotoapparat von normalem Blättern auf "Jump 10" um, denn ich wusste, dass ich genau neun Bilder der Brücken gemacht hatte. So blätterte der Beamte durch meine Bilder, konnte aber keine Aufnahmen der Brücke finden und zog wieder zufrieden davon.

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Die Eisenbahnbrücke über den Ayeyarwady, im Vordergrund ein typisches Dorf

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Nochmals die Eisenbahnbrücke von der Seite. Zur Regenzeit steigt der Wasserspiegel des Ayeyarwadys um bis zu 14m und die Felder im Vordergrund stehen unter Wasser. Im Hintergrund auf der anderen Flussseite sieht man die Pagoden von Sagaing.

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Die vor zwei Jahren von den Chinesen gebaute, neue Straßenbrücke über den Ayeyarwady

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Nochmals die Straßenbrücke mit den Pagodenhügeln von Sagaing im Hintergrund

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Dieses Foto besänftigte den Sicherheitsbeamten, der mich im Verdacht hatte, ich hätte die Brücken fotografiert


Im nächsten Teil geht es dann nach Sagaing und durch die Nacht in Richtung Norden.



Bisherige Berichte dieser Serie:

Teil 1: Mal wieder Myanmar (Burma) – Yangon Hbf (12 Bilder)
Teil 2: Ausbesserungswerk Insein - Teil 1 (12 Bilder)
Teil 3: Ausbesserungswerk Insein - Teil 2 (16 Bilder)
Teil 4: Übersicht Dampflokgattungen Myanmar/Burma - Teil 1 (25 Bilder)
Teil 5: Übersicht Dampflokgattungen Myanmar/Burma - Teil 2 (25 Bilder)
Teil 6: Von Nyaung U (Bagan) nach Mandalay, Teil 1 (18 Bilder)
Teil 7: Von Nyaung U (Bagan) nach Mandalay, Teil 2 (15 Bilder)



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:04:06:21:13:54.