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[JP] Reisebericht Japanreise 2004 (11) - (36B)

geschrieben von: tokkyuu

Datum: 07.10.07 20:07

Es geht weiter mit Teil 11 (Teil 10 ist hier: [drehscheibe-online.ist-im-web.de]) des Japan-Reiseberichts.
Im 11. Teil erleben wir einen Besuch eines Landschaftsgartens und einen Tag mit strömendem Regen in Nagasaki. Ein weiterer Tag ist ein verlorener Tag, weil wir wegen eines Taifuns festsitzen und nicht weiter können. Aber immerhin: wir haben einen Taifun und seine Auswirkungen erlebt. Unsere Pläne erfahren eine unfreiwillige Änderung.

Regen oder nicht Regen – das ist hier die Frage
Am Dienstag (19.10.) Morgen regnet es bereits! Im Fernsehen sagen sie, daß es in den nächsten Tagen mehr wird. Der Taifun kommt ja. Wir überlegen, was man tun kann, Nagasaki liegt weiter westlich und nördlich, vielleicht ist es dort nicht so schlimm. Da wir Kagoshima schon besucht haben, würde sich Nagasaki heute ausgehen. Aber auch der Suizenji-Park würde uns interessieren. Da es nur leicht regnet, beschließen wir, zunächst diesen Park zu besuchen. Es ist trotz feuchter Luft recht warm.

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Noch vor dem Frühstück fotografiere ich außerdem den Nachtzug „Naha“, mit dem wir morgen Abend nach Himeji fahren wollen. Dieser Zug wurde 1968 eingeführt und führt von Shin-Ôsaka nach Kumamoto. 2005 wurde er eingestellt – wie so viele Nachtzüge in Japan. Dieser Zug hatte übrigens als einer der ganz wenigen Nachtzüge auch Sitzwagen und Liegesitzwagen.

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Triebwagen 101 ist ein neugebauter Triebwagen, der nur historisch aussieht. Er ist aber im täglichen Einsatz. Im Hintergrund ist unser Hotel (Eckhaus) zu sehen.

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Der selbe Triebwagen aus der Nähe. In der Mitte ist nur Einstieg, hinten nur Ausstieg. Außerdem steht über diesen Schildern auch noch „Einmann-Betrieb“.
Mit der Straßenbahn fahren wir also Richtung Osten zu diesem berühmten Landschaftsgarten, über den wir aus Prospekten erfahren haben. Unterwegs sehen wir ein wenig von der Burg Kumamoto. Glücklicherweise hört der Regen auf und wir können von der Haltestelle einen schönen Spaziergang zum Parkeingang machen.

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Unterwegs kann ich diesen modernen Triebwagen fotografieren. Welches Fabrikat dieser Gelenkwagen ist, weiß ich leider nicht.

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Etwas sonderbar sieht auch dieser eher neuere Typ aus. Die Drehgestelle wirken fast wie Eisenbahndrehgestelle.

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Die meisten Triebwagen sehen aber so aus.

Im Garten muß man Eintritt bezahlen. Er wurde ab 1636 angelegt, bis zur Vollendung dauerte es allerdings etwa 80 Jahre. Der Garten ist im „Momoyama“-Stil angelegt, was immer das bedeuten mag (könnte jedenfalls wörtlich Pfirsichberg heißen, aber das hilft ja auch nicht weiter). Wir genießen die schöne Anlage, die mit ihren landschaftsbildenden Steinen, Quellen, Teichen und Inseln die 53 Stationen der „Tôkaidô“ repräsentiert. Diese Straße war die alte Hauptstraße von Tôkyô nach Ôsaka und der Name ist auch heute noch in Verwendung, unter anderem für die Autobahn in diesem Abschnitt oder für die Bahnstrecke. Die Straße hat eine bewegte und alte Geschichte. Jedenfalls können wir den Fuji erkennen, der in diesem „Modell“ vielleicht 5 oder 7 Meter hoch ist. Der Park bringt innere Ruhe. Auch ein Schrein ist in diesem Garten (Izumi Schrein) sowie ein altes Nô-Theater und ein Teehaus aus der Meiji-Periode (1868-1912). Wir sehen sogar Shintô-Priester und als wir den Garten wieder verlassen, kommt gerade eine alte Dame im Kimono und mit Holz-Geta (Sandalen) herein, um im Teehaus ihren Tee zu trinken und vermutlich mit anderen Damen zu plauschen. Die ganze Situation strahlt eine seltsame Ruhe und Gelassenheit aus.

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Auf diesem Bild ist der Fuji zu sehen, außerdem zwei Brücken und die vielen kleinen Büsche und Bäume. Keine einzige Pflanze wächst hier natürlich, alle werden immerzu geschnitten, um so auszusehen, wie der Landschaftsgärtner es haben will.

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Der erwähnte Schrein mit dem immer vorhandenen Seil – hier besonders dick – mit den typischen Papierstreifen. Hinter dem Opferkasten (nein, das ist kein Altar!) sieht man gerade einige Priester. Die Schrift rechts heißt (ich habs daheim zu übersetzen versucht) etwa: Gott nimmt durch die menschliche Verehrung an Würde zu, der Mensch begleitet durch die göttliche Tugend das Schicksal. Aber vielleicht muß man das auch anders übersetzen.

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Die Rückfahrt zum Bahnhof treten wir mit der S-Bahn der Reihe 815 an, die in der Nähe eine Station hat. (links von dieser Brücke). Wir wollen versuchen, heute Nagaski zu besuchen. Wenn wir auch nicht viel Zeit dort verbringen können, so können wir zumindest hoffen, daß im Norden der Regen später kommt. Wir täuschen uns aber leider.


Nagasaki im strömenden Regen
Wir müssen für die Weiterfahrt nach Nagasaki in Tosu in den „Kamome“ umsteigen.
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Inzwischen kann ich diesen Triebwagen Reihe 813 fotografieren.
Unser Zug fährt mit Baureihe 783. Von außen gefällt mir der Zug nicht besonders. Leider erwischen wir beim Umsteigen den Zugteil nach Sasebo. Der Zug teilt sich nämlich unterwegs in zwei Äste. Ich versuche angestrengt aufzupassen auf die (nur japanischen) Durchsagen, bis ich endlich verstehe, daß die Wagen 11 bis 14 nach Sasebo fahren. Also müssen wir den Zugteil wechseln, aber es gibt keinen Durchgang. Ich frage den Schaffner, der mir erklärt, daß wir in der nächsten Station vorgehen und umsteigen können.

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Hier ist unser Zug der Reihe 783 nach der Ankunft in Nagasaki. 20 Triebwagen dieser Baureihe gibt es seit 1988. Sie werden im Nordwesten von Kyûshû eingesetzt.
Nach der Ankunft in Nagasaki wollen wir zunächst einmal essen gehen, denn es regnet, nein: es schüttet. Und es wird leider den ganzen Tag regnen. Nun, so müssen wir uns eben dreinfinden. Zuerst fotografiere ich einige Züge: hier gibt es wieder ganz andere Garnituren, vor allem auch etliche Dieseltriebwagen.

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Die Züge einer bestimmten Strecke werden unter dem Namen „Sea Side Liner“ vermarktet. Die Dieselzüge der Reihe kiha 66 und 67 sind blau lackiert. Es sind Umbauten aus kiha 58 für Kyûshû.

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Von der Seite sehen die Wagen durch die roten Türen nicht ganz so fad aus. Auch hier merkt man die Vorliebe der JR-Kyûshû für englische Ausdrücke.

Dann suchen wir im riesigen Gebäude des Bahnhofs unter zig Restaurants eines aus: wir finden eines, in dem wir direkt an einem großen Fenster sitzen können und auf Teile der Stadt und den Hafen blicken können. Ich wähle Tonkatsu mit Salat, dazu gibt es eine Miso mit Muscheln, zwei Arten Tsukemono und natürlich Reis. Das Fleisch im Tonkatsu ist wie üblich weich und sehr gut. Das Essen kostet 6,80 Euro alles in allem, ist also wirklich nicht teuer. Nach dem Essen kaufe ich in einem Bücherladen einige Eisenbahnbücher für Kinder (wegen der leichteren Lesbarkeit – Details für Sprachinteressierte auf Anfrage). Ich komme aber bald drauf, daß normale Bücher oder Hefte doch mehr bringen, auch wenn ich mehr Zeit mit Übersetzen zubringen muß.
Wie das Zahlen funktioniert, ist in diesem Restaurant auch interessant: Wir beobachten andere Gäste und stellen fest, daß die Kellnerin nie kassiert. Aber auf unserem Tisch ist ein Holzplättchen mit einer Nummer. Das nehmen wir mit und geben es bei der Kassa am Ausgang ab. So zahlen wir dann. Dort ist alles notiert.
Nach dem Essen werden erst mal Straßenbahnen fotografiert. Das funktioniert trotz Schüttens halbwegs gut, weil man sich unterstellen kann.

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Hier sind die Ziele sogar in Lateinschrift angeschrieben (Serie 1500). Es gibt hier ja viel Tourismus.

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Ein älteres Modell auf Linie 3 (Serie 300). Der Steg führt zum Bahnhofsvorplatz. Man kann aber auch die Gleise überschreiten, so wie ich das mache, wenn aus der anderen Richtung eine Bim kommt. („Bim“ ist ein neuerer Wienerischer Ausdruck für Straßenbahn, weil sie „bimmelt“)

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Auch ein älteres Fahrzeug (Serie 200), leider etwas unscharf.

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Das war zwar nicht das neueste, aber doch ein neueres Fahrzeug (Serie 1800). Das neueste Niederflurgefährt (ein einziges) haben wie leider nur von Ferne gesehen.

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Triebwagen der Serie 1300.

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Ein Wagen der Serie 1200.

Für die Stadtbesichtigung fehlt angesichts des strömenden Regens die Lust. Nagasaki hat eine interessante Vergangenheit, die vom Kontakt mit Europa geprägt ist. Hier landeten die ersten Ausländer in Japan: Holländer und Portugiesen. Während der Isolation zwischen 1638 und 1854 waren die Holländer die einzigen, die sich auf einer damals vorgelagerten Insel (Dejima, heute mit dem Festland verbunden) aufhalten durften. Das Christentum, das bereits ein wenig Fuß gefaßt hatte, war schon 1587 verboten worden, die Gläubigen gekreuzigt. Trotzdem überlebte der Glaube in einigen Bergdörfern über mehr als 200 Jahre. Als nach 1854 die Europäer sich eine Kirche bauen durften, kamen einige dieser Untergrundchristen und gaben sich als Christen zu erkennen. Sie suchten in der Kirche die Statue der Muttergottes.

Die Ôura-Kirche
Es gäbe viele Sehenswürdigkeiten, unter anderem den Schrein der 26 Märtyrer, aber wir beschränken uns auf die Straßenbahnen, die man halbwegs geschützt an der Haltestelle fotografieren kann. Zumindest die berühmte Ôura-Kirche wollen wir aber schon sehen. Wir fahren mit der Straßenbahn dorthin (einmal Umsteigen). Der Regen, der bereits nachglassen hatte, wurde leider wieder zu einem Schütten.

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Auf dem Weg zur Kirche kam mir dieser hübsche Ausblick auf alte Häuse an einem Fluß in die Quere.
Wir stapfen also im Regen zur Kirche hinauf, die aus Holz erbaut wurde (1864). Sie wirkt natürlich ziemlich westlich. Bis 1962 war dies die Kathedrale und Bischofskirche, heute ist die Urakami-Kirche, die größer und aus Steinen gebaut ist, die Bischofskirche, dorthin kommen wir leider nicht. In ganz Japan gibt es nirgends soviele Christen wie hier. Auch sonst gibt es viele Ausländer hier, vor allem Chinesen. Die Glasfenster der Kirche wurden beim Atombombenabwurf 1945 zerstört. Die Kirche wirkt wie ein Museum, Lautsprecherdurchsagen erzählen von der Geschichte. Eintritt mußten wir übrigens auch zahlen (2,20 Euro).
Eine Statue von frère Petitjean, dem ersten Pfarrer und Bischof hier (Franzose) ist in einem Park zu sehen, auch eine Papststatue, denn Johannes Paul II. hat diesen Ort auch schon besucht. Wir traben im strömenden Regen zur Straßenbahn zurück. Das Stadtviertel hier wäre hübsch, ich staune, wie bei der Dunkelheit doch einige gute Aufnahmen gelingen.
Die Straßenbahn ist total voll, einige Schülergruppen fahren ausgerechnet jetzt, und es ist wohl auch Rush-hour. Nach dem Umsteigen (man muß einen Umsteigezettel verlangen, dann darf man damit umsteigen. Der Fahrpreis wird ja in die Zahlbox geworfen) wird es noch ärger, sodaß wir einen Zug vorbeifahren lassen. Aber dafür werden wir noch nasser. Da nur ein einziger neuer Niederflurwagen untewegs ist (sogar im Fahrplan genau angegeben), haben wir keine Chance, diesen Wagen zu sehen. Wir hätten müssen irgendwo herumkurven, denn der Wagen befährt im Laufe einiger Stunden alle Linien.
Wieder am Bahnhof, mache ich noch einige Aufnahmen.

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Ein Triebwagen der Reihe 817.

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Besonders erfreut bin ich über diesen Zug der Reihe kiha 66/67. Er trägt als einziger noch die alte Dieseltriebwagen-Farbe. Ich bin überzeugt, daß es sich hier um eine historische Lackierung handelt, also um Absicht. Die lediglich zwei Türen pro Seite weisen darauf hin, daß der Triebwagen für den Lokalverkehr abseits des Berufsverkehrs eingesetzt wird.

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Trotz relativer Dunkelheit wird das Bild des „Kamome“ mit Triebwagen Reihe 885 recht hübsch.
Aber dann nehmen wir den nächsten Zug nach Tosu und kommen von dort mit einem „Ariake“ wieder nach Kumamoto. Auch die Züge sind ziemlich voll. In Kumamoto gönnen wir uns ein kleines Abendessen: „Butadon“ und grünen Tee in einem kleinen Kettenlokal. Buta heißt Schweinefleisch, Don sind die Gerichte, bei denen die namensgebende Zutat über den Reis geschüttet ist. Also nicht getrennt wie üblich, sondern alles zusammen. 3 Euro ist natürlich nicht teuer.

Der Taifun Nr. 23 bringt unsere Pläne durcheinander
Wieder im Hotel sehen wir im Fernsehen die Warnungen vor dem Taifun Nr. 23. Viele Flüge in Kyûshû fallen aus, viel Regen wird für Kyûshû vorhergesagt. Mit Unterbrechungen im Bahnverkehr ist zu rechnen. Die Uhrzeiten und Orte, wo das Zentrum des Taifuns wann erwartet wird, werden angegeben. Ich überlege, daß wir morgen schon (einen Tag früher als geplant) nach Himeji fahren könnten, um dem Taifun davonzufahren. Da er voraussichtlich südlich von Shikoku vorbeiziehen wird, wird in Himeji Ruhe sein, sodaß wir uns die Burg anschauen und bis Abend in Tôkyô sein könnten. Die Reservierung für unseren Nachtzug lassen wir dann halt verfallen. So gewinnen wir doch noch einen Tag und können vielleicht die Poststraße im Kiso-Tal doch noch sehen, die wir wegen des vorigen Taifuns nicht besuchen konnten. Aber es wird anders kommen …

Fahrt mit Hindernissen (Taifun)
Mittwoch Früh (20. Oktober) berichten sie im Fernsehen schon über den Taifun. Die ganze Sendung scheint aus nichts anderem zu bestehen. Für Miyazaki und Kagoshima wird starker Regen angezeigt. Hier in Kumamoto ist es noch relativ gut. Beim Mr. Donut genießen wir das letzte Frühstück hier (wie wir glauben) und nehmen den Zug „Relay-Tsubame“ um 7.14 Uhr nach Hakata, dort wollen wir in den Shinkansen nach Himeji umsteigen. Unser Zug ist ein wunderschöner 787 in Tsubame-Bauart. Die Inneneinrichtung ist gegenüber der Ariake-Bauart ein wenig verändert. Die Stewardessen (unwillkürlich kommt einem diese Bezeichnung für die Schaffnerinnen in den Sinn, die eine Melone als Kopfbedeckung haben) geben dem Zug ein besonderes Gepräge. Wir fühlen uns wie im Flugzeug! Gepäckboxen über den Sitzen. Das WC ist für Männer und Frauen getrennt. Wie schon einmal geschildert, gibt es auch hier ein Pissoir, dessen Besetztheit (oder Bestandenheit?) man durch das Fenster leicht erkennen kann.
Wir sind froh, daß wir wegkommen von hier und dem Taifun entfliehen können. Glauben wir. In Araki ist vorläufig Schluß. Es wird angesagt, daß wir warten müssen, den Grund verstehe ich leider nicht. Wir sind bis hierher erst 45 Kilometer gefahren! Dann geht es wieder ein Stück weiter, dann ist wieder Pause, schließlich kommen wir um 8.52 Uhr in Kurume an, mit 41 Minuten Verspätung auf 50 Kilometern Strecke! Hier warten wir wieder endlos lange. Ich frage die Fargäste, die hinter uns sitzen, ob sie mir eklären können, warum wir warten, weil ich nicht so gut Japanisch verstehe. Na, wenigstens deren Japanisch verstehe ich: weil der Sturm zu stark ist. Sicherheit ist in Japan sehr wichtig: es könnte ein Baum auf die Oberleitung fallen, es könnte Entgleisungen geben, alle möglichen Szenarien dürfte Japan schon erlebt haben. Man ist also vorsichtig. Nur gut, daß wir im Trockenen sitzen, im klimatisierten Zug. Wir können die Sturmböen des Taifuns beobachten. Die Raucher im Zug dürften schon nervös sein. Der Zug ist ja ein Nichtraucherzug. Das einzige Raucherkammerl im Zug ist klein wie eine Telefonzelle. Dort stauen sich die Süchtler… Man sieht nicht mal hinein vor lauter Rauch! Statt um 8.11 Uhr geht es erst um 9.26 Uhr wieder weiter. Abfahrt mit 75 Minuten Verspätung. Die Sturmböen sind geringer geworden, wir fahren aber auch höchstens mit 30 km/h. In Tosu fahren wir um 9.46 Uhr ab (statt 8.17). Schon 89 Minuten! Im Schleichtempo geht es endlich nach Hakata: Ankunft mit 120 Minuten Verspätung. Schnell zum Shinkansen: am Eingang werden wir gefragt, wohin wir wollen: nach Himeji. Leider nein. Verkehr wegen des Taifuns Nr. 23 eingestellt. Die Züge gehen nur bis Môji, das ist die letzte Station vor dem Kanmon-Tunnel unter der Meerenge zwischen Kyûshû und Honshû. Wir sind also gestrandet.

Zwangspause in Hakata bis zum Ende des Taifuns
Nach uns kommt kein Schnellzug mehr an. Der Verkehr wurde in ganz Kyûshû eingestellt. Lediglich der S-Bahn-Verkehr im Stadtzentrum ist in Betrieb. Aber auch eingeschränkt. Also ist nichts mit der Flucht vor dem Taifun. Wir schauen uns um, beschließen, das Gepäck in ein Schließfach zu geben. Was machen wir? Ich nütze mal die Zeit für Fotos. Der Wind weht zwar manchmal ganz schrecklich, es ist ja ein Sturm, auch der Regen ist manchmal stark, aber immerhin gibt es Bahnsteigdächer. Und die S-Bahn-Garnituren von Kyûshû hab ich noch nicht fotografiert. So hab ich also derweil was zu tun.

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Gleich zu Beginn fällt mir ein ganz seltsamer Zug auf. Sowohl der Name, als auch die Lackierung sind außergewöhnlich. In Lateinschrift heißt dieser Schnellzug „Huis ten Bosch“. Das ist natürlich Holländisch und bezeichnet einen Themenpark, wo man Stadtviertel in holländischem Stil nachgebaut hat. Die Holländer waren ja hier lange Zeit, um Handel zu treiben. Auf Japanisch liest sich dieser Name jedoch wie „Hausutenbosu“. Einige Triebwagen der Reihe 783 wurden ziemlich bunt bemalt. Dieses Bild zeigt einen Steuerwagen mit Übergangsmöglichkeit. Der Huis-ten-Bosch wird nämlich mit einem anderen Schnellzug eine Strecke weit vereinigt geführt.

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Der Steuerwagen ohne Übergangsmöglichkeit ist ganz in Rot.

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Die Zugzielanzeigen zeigen fast immer die gleiche Aufschrift: Wegen des Taifuns Nr. 23 Ausfälle und Verspätungen (das Wort miawase bedeutet nämlich beides!)

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Unter den wenigen Zügen, die verkehren, fällt mir ein interessanter Zug auf: Baureihe 415 gekuppelt mit 415-1500. Das bekannte Aussehen des Zweisystemtriebwagens ist hier zu sehen,

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Die modernisierte Form auf der anderen Seite. Die Unteschiede hab ich schon einmal erwähnt: Nirosta-Wagenkasten und luftgefederte Drehgestelle sind die wichtigsten Kennzeichen.

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Auf den ersten Blick sieht das auch wie ein 415er aus, es ist aber ein Dieseltriebwagen Reihe kiha47.

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Auch hier verkehren die Züge der Reihe 817, Baujahr 2001.

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Das Fahrtziel dieses Zuges ist Kokura, nur wenige Kilometer weiter östlich.

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Das Fahrtziel Moji-Hafen ist auch nicht viel weiter entfernt als Kokura. Die Garnitur gehört zur Reihe 811.

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Auch das ist ein 811er, aber in einer anderen Lackierung: Die Aufschrift lautet: „Mitsui Greenland“. Vielleicht wird die Linie nach Süd-Fukuoka (Hakata heißt ja nur der Bahnhof hier, die Stadt heißt Fukuoka!) so genannt? Es ist jedenfalls eine Art S-Bahn-Linie für den Stadtverkehr.

Natürlich versuche ich mich zu erkundigen, bis wann der Verkehr wieder aufgenommen wird, aber das kann man uns nicht sagen. Falls wir bis 14.30 Uhr nicht wegkommen von hier, können wir Tôkyô nicht mehr erreichen und werden wohl nach Kumamoto zurückkehren müssen, wo wir dann den Nachtzug, für den wir eine Platzreservierung haben, nehmen können. Ich bezweifle jedenfalls schon, ob wir heute noch nach Tôkyô kommen.
Der Regen kommt manchmal waagrecht daher. Wir schauen auch auf den Bahnhofsvorplatz, aber hier nützen Schirme nichts. Es gibt auch kaum Verwegene, die sich hinaustrauen. Viele Leute haben es sich bequem gemacht. Aber alle sind ruhig. Geduld, Geduld, es ist noch jeder Taifun vorbeigegangen. Mir persönlich scheint es nicht gar so schlimm zu sein und es drängt sich der Eindruck auf, daß die übervorsichtigen Japaner mehr draus machen, als es ist. Aber vielleicht haben sie auch mehr Erfahrung. Herbert macht dann den guten Vorschlag, die Zeit zum Essen zu nützen. Es gibt ja immerhin auch in diesem Bahnhof eine „shokudômachi“, was man mit Freß-Straße übersetzen könnte, na vornehmer: Restaurant-Straße. Im Gebäude gibt es nicht weniger als drei Etagen mit lauter Restaurants aller Preisklassen und Arten. Wir gustieren lange, weil wir ja jede Menge Zeit haben und finden ein Maguro-ya, was nichts anderes heißt als Thunfisch-Laden. Hier gibt es also Thunfisch in allen Variationen, ein Spezialrestaurant für Thunfischgerichte. Wir schauen uns die Teishoku-Gerichte an, die im Modell ausgestellt sind. Teishoku sind sozusagen Menüs: eine viereckige Platte mit allerlei Köstlichkeiten drauf. Schließlich wissen wir, was wir nehmen. Es heißt nikomi-teishoku, das hab ich notiert, aber ich konnte es ohne Wörterbuch nicht übersetzen. Was heißt also nikomi? Ich hab daheim nachgesehen: Eintopf oder Gulasch. Na, so kann man das Essen sicher nicht übersetzen. Eher vielleicht mit: Vielfältiges:
Es gab sieben Sachen auf dem Tablett: Warmes Thunfisch-Kotelett, das sah aus wie ein Naturschnitzel mit Pfeffer, hell, wenn ich nicht gewußt hätte, daß es Thunfisch ist, wäre ich vielleicht nicht so einfach draufgekommen. Weiters Thunfischstücke und Gemüse in einer süßlichen Soße, dann Nudeln mit Mayonnaise, eine Misosuppe mit Tofu und Wakame (eines der sieben Arten Seegemüse), natürlich auch Tsukemono, gekochtes kaltes Gemüse und natürlich Reis. Es war köstlich und kostete nur 8 Euro. Nach dem vorzüglichen Essen spaziere ich ziellos durch die Bahnhofsanlagen. Um 14.15 Uhr kommt ein Schlafwagenzug mit mehr als vier Stunden Verspätung in Bahnhof an. Überall sieht man an den Anzeigetafeln die Aufschrift miawase. Ich kann das Wort zwar lesen, aber nicht verstehen. Ich ärgere mich, daß ich doch viel zu wenig verstehe und kein Wörterbuch habe. Dieses Wort ist mir noch nicht untergekommen. Es heißt natürlich Verspätungen, Verschiebungen, Ausfälle, das habe ich erst daheim nachschlagen können.

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Weil man sonst nichts machen kann, begebe ich mich also wieder zu den Bahnsteigen und schaue, ob es interessante Züge gibt. Immerhin kommen jetzt auch wieder Schnellzugtriebwagen daher. Zum Beispiel der „Sonic“, mit einer Garnitur der Reihe 883.

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Auf einem anderen Gleis ist der Steuerwagen einer 883-Garnitur mit einer anderen Farbe versehen.

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Auch innen im Bahnhof sind überall die gleichen Schilder und Laufschriften. Und keiner weiß, wann es wieder weiter geht. Das extra schnell hergestellte Plakat kann ich wenigstens wieder einmal fast zur Gänze lesen, und vor allem verstehen. Auch erfreulich. Gähnende Leere herrscht auf den Abfahrtszeilen: nur hin und wieder ein "Local" - Die Züge sind sogar Englisch angeschrieben, aber nicht die Taifun-Information!

Ich versuche wieder Informationen über die Wiederaufnahme des Zugsverkehrs zu bekommen, aber keiner weiß Bescheid. Schließlich kommt kurz nach 16 Uhr ein Relay-Tsubame an. Aber es gibt keine Zugzielangabe in der Anzeige. Ich frage eine Schaffnerin, ob der Zug nach Kumamoto fahren wird. Die Antwort ist Ja, aber sie weiß nicht, um welche Uhrzeit. Da schon manche Leute einsteigen, hole ich Herbert, wir holen das Gepäck und kommen eilenden Schrittes zum Zug (wir wissen ja nicht, ob er uns nicht davonfahren könnte). Steigen ein. HA! Wir sitzen. Wir fahren zurück nach Kumamoto, um am Abend den ohnedies geplanten Nachtzug nach Himeji zu nehmen. Um 16.15 Uhr erscheint endlich eine Anzeige: Zug Nr. soundso, Abfahrt um 13.30 (!!) nach Kumamoto. Sehr lustig! Wann es wirklich soweit sein wird, bleibt offen. Aber um 16.25 ist es dann soweit: wir fahren ab. HURRA! Im Improvisieren sind wir (Österreicher) jedenfalls besser! Kaum zu glauben, wie man sich freut, wenn man nach fast sechs Stunden Warterei endlich wieder weiterkommt. Aber auch die Rückfahrt ist eine reine Trödelei. Bis Kurume geht es nur extrem langsam, erst danach beschleunigt er. Vielleicht hat der Lokführer Angst, daß die Strecke irgendwo unterwaschen sein könnte? Wir kommen um 18.50 Uhr in Kumamoto an, es ist natürlich schon finster, und es gab keine Spruchbandanzeigen im Zug, die die Haltestellen anzeigen oder übers Wetter informieren. Weil es kein Planzug war. Die Schaffner sind ebenso überfordert. Nichts ist normal, auch nicht die Fahrkartenkontrolle. 2 Stunden und 25 Minuten haben wir benötigt. Das ist zwar schneller als die fast dreieinhalb Stunden bei der Hinfahrt, aber planmäßig wären es nur 1:21 gewesen.

Warten bis zum nächsten Schock
Zunächst wissen wir nicht, wie wir die nächsten dreieinhalb Stunden bis zur Abfahrt (22.32 Uhr) unseres Zuges nach Himeji verbringen sollen. Der „Germknödel“-Stand ist leider schon zu. Das sind so chinesische Knödel (aus Germ [=Hefe], sicher!) mit Fleischfülle, die ich nur einmal kosten konnte. Schade. Also sitzen wir herum und freuen uns, daß ich die Platzkarten nicht voreilig zurückgegeben habe. Ich vertreibe mir die Zeit mit dem Lesen (Versuchen!) von Bekanntmachungen. Der ekichô, also etwa Bahnhofsvorstand, hat da einen langen Zettel geschrieben. Soviel ich daraus verstehe, fallen heute die Nachtzüge „Naha“ und „Hayabusa“ wegen des Taifuns aus. Na seavas (wienerisch für „na toll!“)! Ich studiere nochmals und nochmals. Hab ich das richtig kapiert? Um sicher zu gehen, gehe ich zum midori-no-guchi. Das ist das „Grüne Fenster“, bei uns heißt das Reisezentrum oder so. Dort erfahre ich, daß ich recht habe. Wir sitzen also fest. Was tun? Zurück zu unserem Hotel und hoffen, daß noch ein Platz ist!
Der Rezeptionist lächelt, als er uns sieht. Wir erklären ihm, wieso wir noch eine Nacht brauchen, und er stimmt ein in den Klagegesang, der da lautet, daß beim Taifun alles drunter und drüber geht, jaja, so sei das eben. Aber es ist ja kein Problem. Wir bezahlen die Zusatznacht und bekommen das gleiche Zimmer, das wir schon die letzten drei Nächte gehabt haben.

TV: Berichte über den Taifun Nr. 23
Im Fernsehen braucht man nichts zu suchen, es gibt praktisch ausschließlich Berichte über den Taifun Nr. 23. Es wird von mehreren Toten berichtet, etwa 5 bis 10 „kega“ - heißt vermutlich Verletzte (das finde ich daheim bestätigt). Den Ausdruck für Vermißte finde ich auch erst daheim im Wörterbuch. Jedenfalls hat der Taifun stellenweise große Schäden angerichtet, vor allem in Kagoshima und auf der Insel Shikoku. Er hatte aber nur 126 km/h Geschwindigkeit. Mit 60 km/h zog er Richtung Nordosten. Morgen erwartet uns bereits wieder strahlend sonniges Wetter – wie üblich nach einem Taifun.


Fortsetzung Teil 12: [www.drehscheibe-foren.de]



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:02:10:17:48:49.