Hallo,
nachdem die Thematik auf Grund der Vielzahl der Beiträge etwas unübersichtlich geworden ist, habe ich gestern und heute bei NRW-Insidern zur aktuellen RE7/RB48-Ausschreibung recherchiert und möchte den neuesten Sachstand darstellen:
A. Keolis
Die Meldung, dass Keolis (Eurobahn) mitbieten würde, entpuppt sich als klassische Zeitungsente – von wem auch immer lanciert. Erstens haben wesentliche Mitarbeiter des Bieterteams in den letzten Monaten Keolis in Berlin verlassen, so dass Kapazitäten zur Bearbeitung fehlen. Die verbliebenen Mitarbeiter kämpfen mit der RB33/35-Ausschreibung, die bis zum 01.03.13 eingereicht werden muss.
Zweitens hat sich Keolis auf Grund der hohen Risiken noch nie an einer Nettovertrags-Ausschreibung beteiligt. Hier behält das EVU die Fahrgelderlöse, trägt aber über 15 Jahre das Risiko der Fahrgeldentwicklung (Tarif und Pkm-Entwicklung).
Drittens ist bei der RE7/RB48 der Anteil der Fahrgelder sehr hoch. Da Preissteigerungen auf der Kostenseite zumeist durch Indexierungen des Aufgabenträgers ausgeglichen werden, bleibt der Basiszuschuss grundsätzlich gleich, die Gewinne über die 15-jährige Vertragslaufzeit werden also ausschließlich durch steigende Tarife und Fahrgastzahlen erzeugt. Das bedeutet, dass in den ersten Jahren ist ein Netto-Verkehrsvertrag mit hohen Fahrgelderlösanteilen hoch defizitär ist. Das Defizit schmilzt durch Tarifsteigerungen ab und wird nach einigen Jahren positiv, in den letzten Jahren dann hoch profitabel, so dass der Vertrag in Summe profitabel wird.
Folgerung für Keolis: Da die Eurobahn schon heute defizitär ist, würde man sich mit der RE7/RB48 für die nächsten Jahre einen weiteren Verlustbringer ins Haus holen.
Das will man nicht tragen und war deshalb schon in der ersten Angebotsrunde nicht mehr dabei.
B. Abellio
Abellio hatte angefangen, sich intensiv mit der RE7/RB48 zu beschäftigen, war auch in der ersten Angebotsrunde dabei. Inzwischen hat Abellio aber überraschend andere große Aufgaben weiter östlich erhalten, die erstmal umgesetzt werden müssen – mit entsprechenden Vorlaufkosten. Die hohen Anfangsdefizite, durchaus in achtstelliger Höhe, sind auch für ein gewinnorientiertes Staatsunternehmen ein Risiko. Jetzt ist man am Überlegen, ob man vielleicht mit einem hohen „Sicherheitsangebot“ weiter dabei sein will.
C. National Express
Als einziges privates Unternehmen in dem Reigen, noch dazu börsennotiert, trifft das hohe Anfangsdefizit NX besonders. Welcher Aktionär ist bereit, für einen neuen Verkehrsvertrag die nächsten drei Jahre auf seine Dividende zu verzichten, mit dem Versprechen, in den Folgejahren würde es wieder besser werden? Derartige Versprechen verträgt die Londoner Börse überhaupt nicht, hat man diese Versprechen doch von anderen Branchen schon zu oft gehört. Zu allem Unglück hat NX tatsächlich zu seiner EU-weiten Ausschreibung der RE7/RB48-Fahrzeuge mit Submissionstermin letzten Donnerstag kein einziges Angebot erhalten. Offensichtlich sind alle Fahrzeughersteller derzeit zu gut ausgelastet. Die Aufhebung der Ausschreibung muss nun am Dienstag im EU-TED veröffentlicht werden: [
www.drehscheibe-foren.de] (Beitrag vom Freitag, 12:02 Uhr)
In England sah man die Nettoverträge auch vorher schon sehr kritisch, denn gebranntes Kind scheut das Feuer, siehe die NX-Erfahrung im East Anglia-Netz.
NX will sich jetzt auf Brutto-Verträge wie bei der S-Bahn Berlin und RB33/35 konzentrieren. Beim niedersächsischen Brutto-Vertrag DINSO-Netz Los 2 erreichte die Düsseldorfer NX-Truppe unter vier Angeboten immerhin Rang 2. Abellio kam hier ganz knapp dahinter auf Rang 3.
Viele Grüße