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Ab 1925 gab es Bestrebungen, den enormen Bestand an Reisezugwagen mit hölzernen Wagenkasten radikal abzubauen. Neubauten konnten nur in geringer Anzahl finanziert werden. So besann man sich auf die in grosser Zahl vorhandenen Holzkasten-Personenwagen der Bauarten 1906 und 1910, siehe Bilder 4 und 5 in diesem Beitrag meines Freundes Stefano Paolini, der hier mitliest: [scalaenne.wordpress.com]

Die noch nicht 20 Jahre alten Untergestelle wollte man weiter verwenden, die Aufbauten sollten aber aus Stahl bestehen. Ein Umbau-Prototyp Cz 47.000 (später Cz 39.000) entstand 1928 auf einem Untergestell von 1910. Er fiel auf durch 11 Türen pro Wagenseite. 10 davon führten direkt in die je achtplätzigen Abteile mit Mittelgang, eine Tür am Wagenende führte in die geschlossene Endplattform. Die Aufbauwagen auf Untergestellen des Typs 1906 waren weitgehend identisch, besassen aber keine geschlossene Plattform am einen Wagegende. So kamen sie auf „nur“ zehn Türen pro Wagenseite.

Die Italiener fanden spöttisch, diese Wagen hätten ja „100 Türen“. So entstand der Übername „Centoporte“. Waren mehrere solcher Wagen im Zugverband, so ertönte nach dem lauten Ruf des Zugführers „Chiudere-e-e!“ ein zigfaches Knallen wie aus einem unregelmässig feuernden Maschinengewehr, dann folgte der Abfahrtspfiff, und der Zug setzte sich in Bewegung. Wer diese Geräuschfolge ein paarmal erlebt hat, wird sie nicht mehr vergessen.

Mit der Zeit stellte sich heraus, dass auf vier Türen pro Wagenseite verzichtet werden konnte. Zuerst wurde die Türgriffe entfernt, bei fälligen Revisionen wurden die Türen verschweisst. „Centoporte“ in vier Bauarten, 1975 abgestellt in Colico.
http://666kb.com/i/ckdum54kduzu8xbbe.jpg

Nach dem einen Prototyp von 1928 wurden erst 1935/36 11 „lange“ Untergestelle vom Typ 1910 mit Stahlaufbau versehen, hier eines dieser raren Stücke, noch im braunen Anstrich der frühen Sechziger Jahre, es handelt sich um Bz 39.003. Bei diesem Fahrzeug sind noch alle 11 Türen vorhanden, vier davon jedoch blockiert, rechts die Zusatztür in die nur einseitig vorhandene Endplattform, leider etwas verschattet.
http://666kb.com/i/cke95l4coxed5mjyi.jpg

1948/53 fand der Serienbau statt, es kamen 186 Wagen zur Ablieferung. Hier Bz 39.107, ebenfalls noch braun, mit vier verschweissten Türen pro Wagenseite, die Zusatztür in die nur einseitig vorhandene Endplattform ist hier besser zu erkennen. Alle Bz 39.000 waren mit elektrischer Heizung ausgerüstet. Sie liefen in der kalten Jahreszeit nie hinter Dampf- oder Dieselloks.
http://666kb.com/i/cke9ij3gnb9g8cq6i.jpg

1980 war die 198 Fahrzeuge umfassende Serie Bz 39.000 noch fast vollzählig im Einsatz. Die 18.8 m langen Fahrzeuge hatte 80 Sitzplätze auf engen Holzbänken. Die Abteillänge betrug nur 1514 mm. Trotzdem bin ich gern mit diesen Wagen gereist, denn die vielen Fenster boten eine gute Rundumsicht, und ich war schnell draussen, wenn ich auf einem Unterwegsbahnhof ein spezielles Fahrzeug erblickte. Frisch revidierter Bz 39.047. Die Türen zu den Abteilen 1,5,6 und 10 sind entfernt.
http://666kb.com/i/cke9px8j8kq6tgs5m.jpg

Zu den museal erhaltenen Bz 39.000 gehört der im Stil der frühen Fünfziger Jahre bemalte und beschriftete Cz 39.190 der LFI Arezzo. Für ein historisch korrektes Erscheinungsbild hätte man die nachträglich verschlossenen Türen wieder einbauen müssen, ebenso hätte man das im Bereich der Abteile 5 und 6 unterbrochene untere Trittbrett wieder durchgängig machen müssen. Im Übrigen freut es mich sehr, euch einen recht stimmigen Eindruck der Serie 39.000 in der Ursprungsform zeigen zu können.
http://666kb.com/i/ckebru92hmvsttk0a.jpg

Als „Carrozza Centoporte“ schlechthin gilt die in über 1400 Exemplaren erbaute Serie Cz 36.000/37.000. Diese Fahrzeuge wurden auf den etwas kürzeren Untergestellen des Typs 1906 aufgebaut. Die Länge über Puffer betrug 17.8 m. Die 78 Sitzplätze waren wie in den Cz 39.000 in der Anordnung 2+2 beidseitig eines Mittelganges angeordnet. Ebenfalls analog zu den Cz 39.000 waren in Wagenmitte zwei sehr einfache und enge Toiletten angeordnete, beschriftet mit „Ritirata“, was man als „Rückzugsort“ übersetzen könnte. Bz 37.210 im 1961 eingeführten einfarbig-dunkelbraunen Anstrich.
http://666kb.com/i/ckec95robxs7j4ive.jpg

Im Gegensatz zu den „langen“ Wagen erlebte die „kurze“ Bauart schon vor dem Zweiten Weltkrieg den Serienbau im grossen Stil. 1931-39 entstanden 1300 Wagen mit den Nummern Cz 36.000 bis Cz 37.299. In der Nachkriegszeit folgten die Wagen Cz 37.300 bis 37.417, dazu der Einzelgänger Cz 37.599, der aus einem verunfallten „Centoporte“ der Polsterklasse entstand. Querschuss auf Bz 36.036. Gut zu erkennen die nachträglich verschlossenen Türen zu den Abteilen 1,5,6 und 10 sowie die verkürzten unteren Trittbretter.
http://666kb.com/i/ckecm25jukmiuch3e.jpg

Je ein Drittel der Fahrzeuge war für Dampfheizung, elektrische Heizung oder für beides ausgerüstet. "Elektrischer" Bz 36.289 in Ravenna.
http://666kb.com/i/ckeco24ihe60zm5ca.jpg

Beim museal erhaltenen Cz 36.892 der LFI Arezzo sind noch alle 10 Türen pro Wagenseite erhalten, man könnte sie wieder mit öffnungsfähigen Schlössern versehen und den Wagen so dem Originalzustand annähern.
http://666kb.com/i/ckei3dynftub1no96.jpg

Selbstverständlich müsste man das untere Trittbrett in diesem Falle wieder verlängern.
http://666kb.com/i/ckei3n4cnd3we439m.jpg

Obwohl die Centoporte bis 1988 im regulären Einsatz verblieben, erhielten die Fahrzeuge der Serien Bz 36.000, 37.000 und 39.000 nie computertaugliche UIC-Nummern.

1931 erschien der Prototyp einer mehrklassigen „Carrozza Centoporte“, basierend auf dem kurzen Untergestell Typ 1906. Das Musterfahrzeug war dreiklassig konzipiert:
In Wagenmitte 3 Seitengangabteile 1. Klasse mit 6 komfortablen Sitzplätzen, Abteillänge 1920 mm.
Der Seitengang führte weiter zu 2 Abteilen 2. Klasse mit 8 einfacher gepolsterten Sitzen, Abteillänge 1920 mm.
Am Ende des Seitenganges schloss sich eine geschlossene Plattform an.
Jenseits der aussermittig angeordneten Toiletten befanden sich 3 Mittelgangabteile 3. Klasse, Abteillänge nur 1514 mm.
Nach meinen Informationen kam das Musterfahrzeug als zweiklassiger BCz 66.500 in Betrieb, 1934-36 folgten die Serienfahrzeuge BCz 66.501-66.551. Das heisst, die mittleren Abteile wurden der damaligen 2. Klasse zugeschlagen, und die gleich geräumigen, ebenfalls gepolsterten Seitengangabteile der 3. Klasse. Dort liess sich mit günstigen Fahrkarten sehr komfortabel reisen! ABz 66.508 in Asti:
http://666kb.com/i/ckee5km41rbyo4ozu.jpg

ABz 66.521 bei Sonnenschein, von links nach rechts der Eingang zur einseitig vorhandenen geschlossenen Endplattform, zwei geräumige Seitengangabteile 2. Klasse, drei Seitengangabteile 1. Klasse, Toiletten, drei enge Mittelgangabteile 2. Klasse. Bei diesem Wagentyp blieb das durchgehende untere Trittbrett bis zum Schluss erhalten, weil keine der 9 Türen nachträglich verschlossen wurde.
http://666kb.com/i/ckee8hj764mat53t6.jpg

Die ABz 66.500 konnten mit Dampf und elektrisch beheizt werden. Erst um 1980 begann die Umzeichnung auf die UIC-Nummern 38-19 000-035. Wagen 38-19 019, mit den Seitengangabteilen 2. Klasse im Vordergrund.
http://666kb.com/i/ckeewjekg536awfbe.jpg
Leider kann ich kein Bild von der Gangseite zeigen. Dort waren „nur“ 6 Türen vorhanden, 3 davon im Seitengangbereich.

1950 erschien ein reiner Seitengangwagen in „Centoporte“-Bauart, der ABz 57.000. Die 5 Fahrzeuge waren wie folgt aufgebaut: geschlossene Plattform, Halbabteil 1. Klasse mit 3 Plätzen, 3 Abteile 1. Klasse mit je 6 Plätzen, Toilette, 4 Abteile 2. Klasse mit je 6 Plätzen, geschlossene Plattform. Das ergab auf der Abteilseite 10 Türen, auf der Gangangseite deren 5. Die Abteillänge betrug einheitlich 1850 mm. Bis zum Schluss hatten die Wagen nur Dampfheizung. Ein einziges Fahrzeug erlebte als Az 17-21 000 das Zeitalter der UIC-Nummern.

Mehr Erfolg hatten die einheitlich als Wagen 2. Klasse eingerichteten Bz 27.000 mit gleichem Grundriss. 1950/52 wurden 79 Wagen auf Untergestellen des Typs 1910 aufgebaut, bei der LFI Arezzo hat Bz 27.001 als historisches Fahrzeug überlebt. Gut zu erkennen die eine verschlossene Tür auf der Gangseite.
http://666kb.com/i/ckeh7flp13ar5uoay.jpg

1956 wurden die Bz 27.000 zunächst zu Wagen 1. Klasse Az 27.000, später wurden 27 Wagen der neuen 2. Klasse zugeschlagen, also der „Holzklasse“! Weil sie sowohl mit Dampf wie elektrisch beheizt werden konnten, erhielten sie die UIC-Nummern Bz 27-19 000-041. 37 Wagen wurden als zweiklassige Fahrzeuge ABz 67.500 aufgefrischt, hier ABz 67.510, mit Blick in ein Abteil der „Holzklasse“.
http://666kb.com/i/ckehfq47igbh17ngq.jpg

Bis zum Schluss blieben 9 der 10 Türen erhalten. Nur das Halbabteil 1. Klasse musste auf seine Aussentür verzichten. Auch das über die ganze Wagenlänge führende untere Trittbrett überdauerte alle Hauptrevisionen. ABz 67.519 in Ravenna.
http://666kb.com/i/ckehiwudct0x9c32i.jpg

Auch auf der Gangseite wurde eine Tür verschlossen, wie ein Blick auf ABz 67.527 zeigt. Zur Gestaltung von Bz 27.001 ist kein Unterschied zu erkennen.
http://666kb.com/i/ckehkit75k8v1otca.jpg

Nördlich der Alpen wenig bekannt ist, dass nach den gleichen Prinzipien auch 200 Dreiachser älterer Bauart metallisiert wurden, 30 Wagen 3. Klasse Ciy 34.000 und 170 Wagen 3. Klasse mit Gepäckabteil CDiy 67.000. Beide Bauarten sind auf dieser miserablen, aus dem fahrenden Zug geschossenen Aufnahme aus Crotone zu erkennen, darunter 2 der nur 30 Ciy 34.000!
http://666kb.com/i/ckehrvcdhmg013jpm.jpg

Von den Dreiachsern überlebten jene vier CDiy 67.400 am längsten, die zu Steuerwagen npBDiy 68.900-003 für die Autozüge Bardonecchia - Modane umgebaut wurden. Meine beiden in beengten Platzverhältnissen entstandenen Aufnahmen zeigen das Reservefahrzeug npBDiy 68.900 im Juli 1974 in Modane. Das erste Abteil wurde zum Führerstand umgebaut, zwei Abteile mit 16 Sitzplätzen behielten ihre Aussentüren. Die beiden Personenabteile jenseits der Toilette wurden zum Transport von Motor- und Fahrrädern ausgeräumt und dem Gepäckabteil zugeschlagen, die Aussentüren entsprechend verschlossen.
http://666kb.com/i/ckei0mjf1b9t9l7re.jpg

http://666kb.com/i/ckei0zudng2ztqi6i.jpg

Ausnahmsweise verlinke ich hier Fremdfotos von zwei „Centoporte“-Umbauten, die mir selber nie vor die Linse gerieten. Zuerst einer der 10 Krankenwagen BM 80-21 000, welche bis gegen 1990 regelmässig in Pilgerzügen nach Lourdes fuhren, aufgenommen von Enrico Paulatti in Padova.
[www.photorail.com]

Zum Schluss einer der 6 zu Steuerwagen npBDz 68.200 umgebauten Bz 37.300, geschoben von einer E.626 als Wendezug Turin - Bussoleno - Susa. Fotograf ist wiederum Enrico Paulatti.
[www.photorail.com]

Damit hoffe ich, euch etwas Übersicht zum typisch italienischen Thema „Centoporte“ verschafft zu haben. Gemäss Wikipedia sind heute noch 50 Fahrzeuge verschiedener Typen museal erhalten und einsatzfähig, zum Beispiel bei der LFI in Arezzo.

Hier mein Beitragsverzeichnis:
[www.drehscheibe-foren.de]

Gruss
Werner



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:12:26:15:52:25.
Hallo Werner,

auch ich verfolge dieses italienische Dauer-Feuerwerk, das Du hier in den letzten Wochen
entzündest, sprachlos aber sehr begeistert. Deshalb auch von mir herzlichen Dank.

Die bereits mehrfach vorgebrachte Anfrage nach einen Buch ist einerseits verständlich,
andererseits wohl auch ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Vielleicht bietet
aber gerade das Internet die geeignete Möglichkeit, diese Bildschätze mit den
ausgezeichneten Erläuterungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die vielen Baureihenbeiträge könnten der Grundstock einer eigene Homepage sein, oder
hier im HiFo weiter ausgebaut werden. Zusätzliche zusammenfassende Übersichtsbeiträge
würden helfen, den Einstieg in dieses für uns nördlich der Alpen ansässige Bahnfreude
weitgehend unbekannte Thema zu erleichtern.

Viele Grüße aus Berlin, Dieter

*blonk*

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 26.12.13 15:12

und wieder viel gelernt. Danke Werner.

RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa

Re: *blonk*

geschrieben von: Urs Nötzli

Datum: 26.12.13 15:52

Und wiederum bringt mich Werner zu einer Aussage:

Wie schon geschrieben, war ich 1962/63 in Martigny an der Simplonlinie und dabei regelmässig auf dem Bahnhof, um den Zugsverkehr "zu überwachen". ;-)

Es muss demzufolge an einem Sonntag Anfangs Januar 1963 gewesen sein, als ein von einer Ae 6/6 geführter Schnellzug von Domodossola her nach Genf als Schlusswagen zwei "Centoporti" mitführte. Ich traue meinen Augen nicht, es waren aber zwei solche Wagen - keine Täuschung! Was mich wunderte und ich damals als 15jähriger nicht wusste, waren die Faltenbälge der Wagen, wo ja der hinterste für mich einsehbar offen lag.
Zur Farbe des Wagens kann ich nichts mehr sagen - ich meinte, er sei grau gewesen - aber ohne Garantie . .

Ich stellte mir dann und heute noch die Frage, ob es RIC-taugliche "Centoporti" gegeben hätte, einen innern Durchgang gab es ja - was kein Hinderniss sein konnte? Damit müsste der Wagen auch eine umschaltbare Heizung gehabt haben.

Andererseits wurden früher - zwar eher in der Sommerperiode, wenn nicht geheizt werden musste - vielfach nicht-RIC-Wagen von Nachbarverwaltungen akzeptiert (so auch 3yg-Wagen nach Italien im Weihnachtsverkehr!). Ein 3000 Volt-Heizungs-Wagen kann in der Schweiz mit 1000 V geheizt werden, wobei diese nicht allzu warm wird. Die meist voll ausgebuchten Sitzplätze werden wohl der 1000 Volt-Heizung geholfen haben, eine erträgliche Wärme zu erhalten.

Eine weitere Möglichkeit wäre auch der Einsatz der mit 3000 Volt 16,7 Hz ausgerüsteten Ae 6/6 11501-520 einzusetzen gewesen, dies aber nur bei vollständigen mit 3000 V geheizten Garnituren. Dies war bei dem Zug aber sicherlich nicht der Fall, da zumindest an der Spitze auch Inlandreisezugswagen waren.

Kann man diese Frage beantworten? Oder war es tatsächlich eine gegenseitige Abmachung bilateral?

Urs

FS-grau

geschrieben von: tbk

Datum: 26.12.13 15:58

Bisher war ich davon ausgegangen, dass der schiefergraue anstrich erst ende der 1960er jahre mit der umstellung auf lange UIC-nummern kam. Allerdings sind hier auch viele wagen in grau mit kurzer nummer zu sehen. Werner, in welchen jahren sind diese aufnahmen entstanden und lässt sich eingrenzen, wann die wagen umlackiert wurden?

Dass es Ae 6/6 mit 3000V-heizung gab, war mir neu - wurde die speziell mit blick auf FS-wagen damit ausgerüstet?



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:12:26:15:59:05.

Re: FS-grau

geschrieben von: roh

Datum: 26.12.13 16:10

Es gab auch 3000Volt-Re 6/6

Die FS-Inlandwagen hatten in den frühen siebziger Jahren auch noch Dampfheizung, so dass damals die Weihnachts-Entlastungszüge mit 2 kohlegefeuerten FS-Heizwagen (je einer vorn und hinten) von Chiasso bis Schaffhausen verkehrten.

Re: FS-grau

geschrieben von: nikola

Datum: 26.12.13 16:32

tbk schrieb:
-------------------------------------------------------
> Bisher war ich davon ausgegangen, dass der
> schiefergraue anstrich erst ende der 1960er jahre
> mit der umstellung auf lange UIC-nummern kam.
> Allerdings sind hier auch viele wagen in grau mit
> kurzer nummer zu sehen. Werner, in welchen jahren
> sind diese aufnahmen entstanden und lässt sich
> eingrenzen, wann die wagen umlackiert wurden?
>
> Dass es Ae 6/6 mit 3000V-heizung gab, war mir neu
> - wurde die speziell mit blick auf FS-wagen damit
> ausgerüstet?

In Italien sind bis in die 80-er mit vor-UIC nummern gefahren...

Re: FS-grau

geschrieben von: wernerhardmeier

Datum: 26.12.13 17:02

tbk schrieb:
-------------------------------------------------------
> Bisher war ich davon ausgegangen, dass der
> schiefergraue anstrich erst ende der 1960er jahre
> mit der umstellung auf lange UIC-nummern kam.
> Allerdings sind hier auch viele wagen in grau mit
> kurzer nummer zu sehen. Werner, in welchen jahren
> sind diese aufnahmen entstanden und lässt sich
> eingrenzen, wann die wagen umlackiert wurden?

1. Zum Anstrich: Die Reisezugwagen, die ich hier vorstelle, haben alle bis um 1960 den Anstrich in Dunkel- und Hellbraun ("castano/isabella") getragen. 1961 begann man, den Anstrich zu vereinfachen, Hellbraun wurde weggelassen. Um 1970 begann die Umlackierung auf grau statt braun. Braune Wagen im Regeleinsatz waren bis etwa 1977 zu sehen. Die hier gezeigten Wagentypen haben ihre Karriere im grauen Anstrich beendet, die "Centoporte" 1988, die "Corbellini" 1992.

2. Zu den Nummern: Die Umzeichnung auf UIC-Nummern begann auch in Italien etwa 1967/68. Das heisst, es gab FS-Wagen mit UIC-Nummern im alten braunen Anstrich. Die modernen Bauarten erhielten alle spätestens in der "grauen Periode" UIC-Nummern. Bei den hier gezeigten alten Bauarten war die Sache kompliziert und willkürlich. Tendenziell erhielten Wagen mit Abteilen der Polsterklasse schon ab 1975/80 UIC-Nummern, währenddem Wagen mit ausschliesslich 2. Klasse bis zu ihrem Ende 1988/92 die alten, fünfstelligen FS-Nummern behielten. Das heisst, es gab Wagentypen, die während mehr als 25 Jahren im grauen Anstrich unterwegs waren, dabei aber immer die alten Nummern trugen. Ein System konnte ich bis heute nicht dahinter erkennen.

Gruss
Werner

Re: [I] FS, "Centoporte"

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 26.12.13 18:24

Hallo,

die Umbauten waren eine von vielen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen des Benito Mussolini. In Italien herrschte Anfang der 192oer Jahren extremer Eisen-/Stahlmangel, so daß fast keine Neubauten kamen. Der Mangel war so gravierend, daß im Trentino Festungswerke aus dem 1. WK geschliffen wurden, um das Moniereisen zu gewinnen.

Schürzenwagen.

Re: [I] FS, "Centoporte"

geschrieben von: 11511

Datum: 26.12.13 19:07

Werner, vielen Dank für deine Italien-Beiträge. Italien war leider nicht mein Reiseland, jetzt sehe ich, was ich verpasst habe.

Zu den "Centoporte"-Wagen in der Schweiz: Für die Extrazüge der italienischen Gastarbeiter zu den Wahlen in Italien und vor allem im Weihnachtsverkehr mussten auch nicht RIC-fähige Inlandswagen der FS eingesetzt werden. Dabei wurden ganze Züge mit diesen Centoporte-Wagen gebildet. Im Winter erfolgte die Heizung der Züge mit Heizwagen oder gar nicht. Die Zahl der verfügbaren Heizwagen bei den SBB reichte aber wegen den immer zahlreicheren Extrazügen nicht mehr aus. Damit die FS-Inlandwagen mit der 3000 Volt-Heizung elektrisch geheizt werden konnten, wurden die Ae 6/6 11501 - 11520 neu mit einer 3000V-Steckdose geliefert. Und NUR diese Ae 6/6 mit Baujahr 1965/1966 wurden damit ausgerüstet. Die 3000V-Steckdose war neben der 1000V-Steckdose eingebaut, mit einem speziellen Schlüssel gesichert und farblich gekennzeichnet.

Das Verkehren von Einzelwagen ist mir nicht bekannt. Aber bei den viel geschumpfenen Behördenbahnen war vieles zum Wohle der Fahrgäste möglich.

Gruss Hermann

Edith meint: Urs und roh haben natürlich recht, die Prototypen-Re 6/6 11601 - 11604 hatten ursprünglich auch eine 3000V-Kupplungsdose, gesichert mit einer RIC-Schlüsselverriegelung.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:12:27:10:41:02.
Genial ist dieses Feuerwerk ...
über italienische Lokomotiven aller Art, jetzt noch gesteigert durch die Triebwagen und abgerundet durch ebenso fundiert aufbereitete Beiträge über Güter- und Reisezugwagen.
In alten Atlanten versuche ich viele Stationen wieder zu finden, was ich dank eines gründlichen Erdkundeunterrichts noch kann. Hiermit danke ich sehr herzlich dafür. Jeder Beitrag stellt für mich einen abendlichen Genuss dar - und diese Phase begleitete uns durch den Advent. Das nenne ich echte Weihnachtsgeschenke. Und die Qualität der Bilder mit passenden Bildtexten begeistert mich immer wieder.
Herzliche Grüße aus dem Nordschwarzwald
Andreas
Ganze "Centoporti"-Züge in der Schweiz habe ich persönlich keine gesehen, wohl aber Bilder solcher Züge.

Ich kann mir aber noch eine Version vorstellen: Die von mir gesichteten Wagen nach Genf könnten einem Rückreisezug von Italien nach der Schweiz, Richtung Bern - Basel entnommen und mit dem regulären Schnellzug nach Genf geführt worden sein. Aber auch dann, müsste der wohl kaum RIC-fähige Wagen auf Akzeptanz der SBB gestossen sein.

Wie schon geschrieben, waren die letzten 20 Lok Ae 6/6 11501-520 mit einer zweiten 3000 Volt-Heizdose und einem verstärktem Heizhüpfer der MFO ausgerüstet worden. Mir bereits bekannt, waren auch die vier Prototypen der Re 6/6 11601 - 11604 mit einer zweiten Heizdose ausgerüstet worden, welche ebenfalls für 3000 Volt ausgelegt waren. Aber nur diese, nicht aber die Serie war so abgeliefert worden! Alle andern Re 6/6 hatten nur eine 1000 Volt-Heizdose, einen Teil besass aber seitlich gegen die Aussenkante noch eine zusätzliche Vielfachsteuerdose, welche aber später wieder verschwand, spätestens bei der Montage des UIC-Trittes für die UIC-Dose an der Front. Habe davon Bilder bei der Vorstellung der Prototypen gemacht, zudem habe ich vor diesem Schreiben noch Bilder von grünen Re 6/6 gesucht und bei keiner eine zweite Heizdose gefunden. Muss jetzt noch ein SW-Bilder von der Überführung der Lok 11605 suchen, auf welcher D.H. als "Lokführer ohne Zugkraft" amtete (Zum Rückstellen Altstetten - Zürich Depot).

Mit diesen Loks war es demzufolge möglich, ganze Inlandreisekompositionen mit 3000 V 16,7 Hz zu heizen, was die Wagenknappheit mittels schnelleren Umläufen (kein Beistellen von Heizwagen mit notfalls Wasser fassen usw. . .) bezw. Rückläufen und Wiedereingliedern in ihre normalen Dienste ermöglichte.

All dies war in der Beamtenzeit der SBB möglich - heute ein Ding der Unmöglichkeit, bei viel flexibleren HSG-Manager . . ! ;-(

Urs



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2013:12:27:11:40:15.

Re: [I] Eisen & Stahl nach WK I

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 27.12.13 11:12

Moin,

Schürzenwagen schrieb:
-------------------------------------------------------
> In Italien herrschte Anfang der 192oer
> Jahren extremer Eisen-/Stahlmangel

Gab es da eine Blockade, oder "nur" Devisen- und Kohlemangel?

Gruß, ULF

Re: [I] FS, "Centoporte" und Re 6/6 mit 3000V-Heizdosen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 27.12.13 11:15

Moin,

Urs Nötzli schrieb:

> Wie schon geschrieben, waren die letzten 20 Lok Ae
> 6/6 11501-520 mit einer zweiten 3000 Volt-Heizdose
> und einem verstärktem Heizhüpfer der MFO
> ausgerüstet worden. Mir bereits bekannt, waren
> auch die vier Prototypen der Re 6/6 11601 - 11604
> mit einer zweiten Heizdose ausgerüstet worden,
> welche ebenfalls für 3000 Volt ausgelegt waren.
> Aber nur diese, nicht aber die Serie war so
> abgeliefert worden! Alle andern Re 6/6 hatten nur
> eine 1000 Volt-Heizdose


> Mit diesen Loks war es demzufolge möglich, ganze
> Inlandreisekompositionen mit 1000 V 16,7 Hz

?? Ich dachte, darum ging es gerade nicht?

> zu
> heizen, was die Wagenknappheit mittels schnelleren
> Umläufen (kein Beistellen von Heizwagen mit
> notfalls Wasser fassen usw. . .) bezw. Rückläufen
> und Wiedereingliedern in ihre normalen Dienste
> ermöglichte.

Gruß, ULF
Ulf Kutzner schrieb:
-------------------------------------------------------
> Moin,
>
> Urs Nötzli schrieb:
>
> > Mit diesen Loks war es demzufolge möglich, ganze
> > Inlandreisekompositionen mit 1000 V 16,7 Hz
>
> ?? Ich dachte, darum ging es gerade nicht?

"Oh - jemineh!" Das ist ein bösartiger Tipp- oder Gedankenfehler, Danke - habs korrigiert . . .
>
Im Übrigen: Dampfheizwagen wurden weit über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg eingesetzt. So sind im SBB-Reglement über die zweiachsigen Heizwagen z. B. die Wasserhärtegrade von Schwarzach-St.Veit und andern Destinationen aufgeführt. Ich habe solche Heizwagen als Jugendlicher kaum gesehen, da viele dieser Züge die Schweiz auch Nachts, vor allem im Nord-Südverkehr kaum über Zürich fuhren, da direkt auf die Südbahn geleitet, verkehrten. Eher hätten wir Zürcher den Ost-West-Verkehr nach Österreich sehen können, wo SNCF-Heizwagen bis Innsbruck gefahren wurden. Der Lötschberg und der Simplon waren für uns in den 60er- bis Anfangs 70er-Jahre praktisch unereichbar, zudem hätte man Fahrzeiten wissen müssen.

Mit den 3000 Volt-Ae 6/6 - die Re 6/6 kamen da eigentlich schon zu spät - konnte man doch recht viele Probleme im Gastarbeiterverkehr mit Italien lösen. Was ich noch in Domodossola und Chiasso (und einmal in Luino) erleben durfte, waren regelmässig Dampfheizwagen in teils grosser Zahl, welche dampfend bereit standen. Leider waren viele der Ab- oder Aufstellplätze für uns kaum erreichbar innerhalb von Gleisfelder zu suchen gewesen.
Solche Wagen sind europaweit ein viel zu wenig bekanntes Kapitel!

Herzlichen Dank für das Aufmerksammachen des Fehler's!
Urs

Re: [I] FS, "Centoporte" und Re 6/6 mit 3000V-Heizdosen

geschrieben von: leofink

Datum: 27.12.13 13:16

Urs Nötzli schrieb:
-------------------------------------------------------
> Wie schon geschrieben, waren die letzten 20 Lok Ae
> 6/6 11501-520 mit einer zweiten 3000 Volt-Heizdose
> und einem verstärktem Heizhüpfer der MFO
> ausgerüstet worden. Mir bereits bekannt, waren
> auch die vier Prototypen der Re 6/6 11601 - 11604
> mit einer zweiten Heizdose ausgerüstet worden,
> welche ebenfalls für 3000 Volt ausgelegt waren.
> Aber nur diese, nicht aber die Serie war so
> abgeliefert worden!

Hallo Urs

Man darf aber nicht vergessen, dass dies ein Notbehelf war, denn 3000 Volt Wechselstrom ist nicht genormt!

Meines Wissens durften nur Wagen ohne Klimaanlage von diesem Strom nippen!
Darum, meiner Meinung nach, haben die Re 6/6 keine 3'000 Volt Heizung mehr.
Einerseits wäre eine Gleichrichteranlage zu teuer, wahrscheinlich auch zu schwer und zu kompliziert, mit der damaligen Technik gewesen.
Und Wagen mit Klimaanlage kamen da immer mehr auf.


Wers interessiert, hier noch die genauen Vorschriften:

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Gruss Leo



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