Liebe Forenfreunde,
abends am Montag, dem 09.08.1982 ging es Richtung Rumänien. Vorher aber noch
der Link zu Teil 12.
Um 20:33 traf unser Zug in Budapest Keleti ein. Es war nicht irgendein Zug, sondern der Abglanz des einst legendären Orientexpress.
Hier ist die Reihung bei Einfahrt aus Wien (links) und Abfahrt nach Bukarest (rechts). Die Zugnummern habe ich nicht notiert.
an 20:33
------------------------ Querbahnsteig -------------------------------
MAV V43 1331
WR MAV Dortmund - Budapest ABmo MAV Budapest - Békéscsaba (Grenze)
ABm MAV Amo MAV
Bm DB Stuttgart - Budapest PostD CFR Budapest - Bukarest
Bm DB WL MAV
ABm DB Bm MAV
Dd SNCF Paris - Budapest Bm CFR
AB SNCF Am CFR
Bm MAV Wien - Budapest Bm MAV
AB SNCF Paris - Bukarest Bcm MAV
WL CFR Wien - Bukarest WR CFR
ABm MAV Wien - Budapest AB SNCF Paris - Bukarest
Am MAV WL CFR Wien - Bukarest
Am ÖBB (orange) Post CFR Budapest - Bukarest
V43 1237
ab 21:30
Nach einer knappen Stunde Rangieren waren es ganze zwei Wagen, die im Zug verblieben - der AB Paris-Bukarest der SNCF und der WL Wien-Bukarest der CFR. Wir hatten den ungarischen WL am Zugschluss gebucht.
Leider kann man im Schlafwagen nur eines tun - schlafen oder aus dem Fenster schauen. So verschliefen wir einen großen Teil der Reise. In Curtici gegen 1:00 Uhr war es vorbei mit der Ruhe, die Grenzer kamen, wir wurden "etwas gefilzt", so das Notizbuch. "Der ist von der Sorte, die nie was findet" lautete WWs gemurmelter Kommentar. So blieben unsere zwei Exemplare eines deutschen Nachrichenmagazins unentdeckt. Der Umtausch war happig, 1 DM = 4 Lei. Das Visum bekamen wir problemlos in den Pass gestempelt.
Bild 1: Das Visum für Rumänien
Gebühren und Umtausch bezahlte WW mit einem der damals noch recht neuen eurocheques, für die Jüngeren: das war der Vorläufer der ec-Karte in Papierform. Rumänien gehörte als eines der wenigen sozialistischen Länder zum ec-Verbund. Und weil es so schön passt, hier auch noch das Visum für Ungarn aus Köln.
Bild 2: Das ungarische Visum
Im Grenzbahnhof sichteten wir auch unsere erste CFR-Dampflok, eine 50.1 (pr. G10). Nach kurzem Schlaf erwachte ich in der Morgensonne - wir fuhren durch die Karpaten.
Bild 3: Mit Doppeltraktion durch die Berge
Vorne funkelten zwei Sechsachser in der Sonne: 060 EA 024 von 1968 und 060 EA1 056 von 1971. Die Tunnels wurden von Soldaten mit Maschinenpistolen bewacht - keine Gegend zum Fotografieren.
Bild 4: Am Fluss entlang
Bild 5: Durch wilde Landschaften
Zur Frühstückszeit suchten wir den rumänischen WR auf, aber das Angebot war "teuer und mies", wie das Notizbuch vermerkt. Statt Kaffee gab es nur eine "üble Cola". In Ploesti sind aktive Dampfloks vermerkt sowie ausgemusterte in Bukarest.
Bild 6: Einfahrt Bucuresti Nord
Während der Fahrt Türen öffnen und abspringen schien normal zu sein.
Bild 7: Eine jugoslawische Schwedin in Rumänien - man beachte die Gardinen an den Bullaugen
Bild 8: Wagen 96 des Orientexpress 1982 - der einzige Durchläufer von Paris: ein schnöder AB
Bild 9: Stimmungsbild mit 060 EA1 056 - Planankunft von Paris 13:30
Wir kamen 10 Minuten verspätet an. Bucuresti Gara de Nord erwies sich als schöner und stimmungsvoller Ort. Für Ausländer gab es eine extra Gepäckaufbewahrung. Keine Schlafwagenkarten gab es im Bahnhof, und auch die "freundliche" Dame in der CFR-Agentur konnte oder wollte uns nicht helfen. Also machten wir erst einmal einen Stadtbummel.
Bild 10: Dieser sakrale Turm wollte auf's Foto
Bild 11: Tatra-Straßenbahnen
"Wilde Straßenbahnen" sind vermerkt. Einige Achtachser sahen den Braunschweiger LHB-Sechsachsern von LHB (6951 ff) sehr ähnlich. LHB hatte mal einen Achtachser nach Rumänien geliefert, der dann in großer Zahl nachgebaut wurde. Warum ich keinen fotografiert habe? Das frage ich mich noch heute.
Typisch war der Kontrast von alten Häusern und Neubauvierteln. Dazu Ceaucescus Prachtbauten im Stil zwischen italienischer Moderne und Stalins Zuckerbäckerstil der 50er Jahre. Auch hier wenig Fotos, wäre aber ohnehin zu sehr "off-topic".
Bild 12: Alt und neu
Bild 13: Alte Villen in Bukarest
Auf dem Markt versorgten wir uns mit Brot und Tomaten, ansonsten gab es nicht viel zu kaufen.
Ein Hotel für Oradea zu buchen - unmöglich. Statt dessen lockten uns zwei Gestalten in einen Hinterhof und boten uns an, "günstig" zu tauschen. Zählten uns ruhig große Scheine vor, schnappten sich unseren 50er, und dann mußte alles ganz schnell gehen. Nur wir hatten dann auf einmal lauter alte kleine Scheine statt der großen - angeschmiert! Am Ende war's etwa der Normalkurs, aber die Scheine waren derartig abgegrabbelt, dass wir befürchteten, niemand würde sie mehr annehmen. Das war dann aber kein Problem.
Die Stimmung näherte sich dem Nullpunkt, Schlafwagen oder Platzkarten - Fehlanzeige. Somit blieb uns nur, mit dem Accelerat 421 um 19:55 Richtung Oradea zu starten - statt mit dem Nachtzug mit WL um 22:05.
Bild 14: Querbahnsteig am Nordbahnhof
Die Zeit der gemütlichen Provinzhotels war endgültig vorbei - die harte Welt der Interrailer hatte uns eingeholt. Zusammen mit "drei Mädchen" (so das Notizbuch, Erinnerung: keine) verbrachten wir eine unruhige Nacht im Sitzwagen und durchquerten das Land erneut. "Ratloser Revisor" beim Anblick der Interrail-Karte ist noch vermerkt.
Um 0:30 wurde ich mal wieder wach, draußen stand eine leibhaftige P8 im Dunkel vor einem Zug aus Hechtwagen und einem italienisch aussehendem A-Wagen. Wo? "Sighisoara" entzifferte ich mühsam auf einem Bahnhofsschild. WWs Kommentar im Halbkoma: "Timisoara? Da kommen wir doch gar nicht lang".
Um 6:45 kamen wir am 11.08.1982 in Oradea an. Erst mal waschen - dann Frühstück im Bahnhofsrestaurant. "Servim cafea filtru" stand verheißungsvoll auf einem Plakat. Zwei Rühreier machten die Nacht vergessen, der "Cafea" war aber eher dünn.
Über dem Depot waren Rauchwolken zu sehen, aber eine Besuchserlaubnis bekamen wir nicht. Immerhin - auf einer Straßenbrücke kam ich zu meinem ersten Foto einer G10:
Bild 15: 50 238 im Bahnhofvorfeld von Oradea
Bild 16: 50 238 näher besehen
Trotz der landestypischen Zugaben - Schilder, Ölzusatzfeuerung und Führerhaustüren unverkennbar die gute alte G10.
Bild 17: Nachschuß in die Gegenrichtung zum Bahnhof
Schon nahte Ungemach in Form eines Eisenbahners, der uns zunächt freundlich ansprach, aber zunehmend nervöser - wohl auch wegen der schwierigen Verständigung - und "amtlicher" wurde. Erst ein paar meiner Eisenbahnbilder - schöne SW-Abzüge in 13x18 - überzeugten ihn von der Harmlosigkeit unseres Tuns. Ich kann ja kein Rumänisch oder Französisch, aber ein paar aufgeschnappte Brocken halfen weiter, und das Eis war gebrochen.
Bild 18: Blick ins "Depoul" Oradea mit 50 110
Bild 19: 50 110 im Portrait
Im Hintergrund sind noch ein paar Dampfloks zu sehen, z.T. mit den von mir wenig geliebten Verzierungen.
Bild 20: Landestypisches Lokschild
Irgendwie gefällt mir das Bild! Es war uns ja bekannt, dass die letzten rumänischen Dampfloks nur noch im Rangierdienst eingesetzt wurden. Also rechnet nicht mit spektakulären Bildern. Wenn es zu viele sind - einfach weiterblättern. Aber - wann kommt man schon mal wieder nach Oradea?
Bild 21: Der Heizer der 50 238 schien uns zu mögen
Bild 22: Der Sinn der Lokbewegungen erschloss sich uns nicht
Bild 23: Impressionen: Die Bude mit der Parole, ein Fahrrad, Gleisanlagen, Vegetation
Bild 24: 50 238 und ihr netter Heizer aus der Nähe
Bild 25: Nochmal die 50 110
Bild 26: 50 238 vom Boden der Tatsachen aus
Bild 27: Und nochmal 50 238 mit etwas mehr Umfeld
Dann hatten wir genug von dieser Art des undurchsichtigen und wagenlosen Rangierbetriebs! Auf dem Markt gab es Tomaten, Salami und Brot, dazu Wasser aus den überall zu findenden Trinkbrunnen. Was braucht man mehr? Gestärkt fassten wir einen Entschluss: Mit Rapid "Transsylvania" nach Sighisoara, zur P8. Davon dann im Teil 14.
Wenn vielleicht noch ein Kursbuch von 1982 den Weg des Orientexpress beleuchten könnte und ein paar Kenner vielleicht Bild 3 bis 5 verorten könnten, wäre das nicht schön?
Herzliche Grüße von Helmut (ICE).
Link zu Teil 14: Sighisoara (m. 28 B.)
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:11:05:18:35:49.