Liebe Forenfreunde,
im letzten Teil (
wie immer, hier zu verlinkt) waren wir bis zur ungarischen Grenze gekommen.
Es ist noch immer der 03.08.1982, und der ÖBB-Schienenbus brachte uns bis Szentgotthard. Die Passformalitäten waren schnell erledigt, wir waren die einzigen Fahrgäste überhaupt.
Als Tagesziel hatten wir uns Szombathely ausgeguckt, dort besorgten wir uns erst einmal Landeswährung: für DM 100 erhielten wir ganz offiziell 1500 Forint (ft). Das sollte für die nächsten zwei Tage reichen, dachten wir ganz naiv.
Das Hotel "Savaria", das wir uns ausgewählt hatten, war stillgelegt, das "Isis" war uns zu teuer. Mit einem Bus fuhren wir dann in die falsche Richtung los, und nahmen danach ein Taxi - der Fahrer wusste ein Touristhotel und knöpfte uns 24 ft ab. Immerhin, das Wort "köszönöm" für "danke" kannten wir schon. Die Rezeption war leer, auch das noch! WW nahm das alles gelassen, aber ich war ziemlich genervt.
Abends gab es dann aber ein echt gutes Abendessen - mit Geigenbegleitung am Tisch. Die Preise - unglaublich niedrig.
Um 22:30 sahen wir uns nochmal eine Stunde auf dem Bahnhof um, jede Menge Bz mot (2-achsige VT) und Bx mot (4-achsig und neu), dazu M62 und M41. Letztere war eine dieselhydraulische Landplage, die den letzten 424er den Garaus machte.
Auf dem Rückweg haben wir uns glücklich verlaufen, so dass wir völlig fertig im Hotel ankamen. Für die Duschen habe ich nur das Wort "zonal" notiert, d.h. DDR-Standard.
Am nächsten Morgen, Mittwoch dem 04.08.1982 sind notiert: "Mittagessen" um 11:00 Uhr (Gulasch!), und 4 ft für die Gepäckaufbewahrung. Nun kam ich auch zu meinem ersten ungarischen Dampflokfoto (und Ihr auch):
Bild 1: 424.348 in Szombathely
Bild 2: Mit Reisezug: 424.348 am 04.08.1982, ca. 11:30 Uhr
Die 424 wurde ab 1924 gebaut, mit ihrem Treibrad-Durchmesser von 1610 mm, 15t Radsatzlast und 90 km/h Höchstgeschwindigkeit war sie für die MAV ein (damals) modernes "Mädchen für alles". Die Achsfolge 2'D mag von der Rh. 570 der Südbahn und der BBÖ 113 inspiriert worden sein, aber sie zeigt sonst einen typisch ungarischen Stil. Mir gefiel sie sofort, in natura noch viel besser als auf Bildern.
Zurück nach 1982 - um 12:58 ging es nach Celldömölk, einem kleinen Knotenpunkt mit Bw und angeblich noch jede Menge 424ern. Im Zug unterhielten wir uns auf Englisch mit japanischen Touristen und guckten zusammen Fotos.
Wie kamen wir überhaupt auf die Idee mit Ungarn? Da gab es im Herbst 1981 einen Vortrag eines alten Bekannten aus dem seligen Pfiff-Klub "01" im Kreise um Dietmar Falk, mit dem Thema "Dampf in Ungarn". Verglichen mit unserer Museumscafé-Runde um HH, RO und WW war das zwar eine recht dröge Veranstaltung - Kommentare und Diskussionen während des Vortrags waren streng verboten - alles hatte einem wissenschaftlichen Anspruch zu genügen. Wie dem auch sei, die Reisetipps waren gut - gewarnt wurde vor einer "aufmerksamen" Bevölkerung, die stets wachsam die Behörden auf mögliche Spione hinwiesen. In Celldömölk konnte man praktisch nur im Privatquartier übernachten, Hotels gab es nicht.
So vorgewarnt suchten und fanden wir die Privatzimmervermittlung - geschlossen! "Die Frau ist gegenüber beim Eisessen", so eine gute Seele. Damit kamen wir doch noch zu unserer Adresse - aber man hatte sich anzumelden. "Gehen Sie zur Polizeikommandantur" - wo konnte die sein? Wir stiefelten in das größte Haus der Stadt und landeten im Amtszimmer - des Parteisekretärs! Mannomann, war das ein Luxus. Derweil kicherten die weiblichen Angestellten herum, bis ein Polizist und eine dolmetschende Alt-Österreicherin alles auf den richtigen Weg brachten. Nach unseren Plänen gefragt, erwähnten wir den Balaton - nein, das wäre der Plattensee! Dazu gleich mehr: Szombathely hieß deutsch Steinamanger und Celldömölk Klein(maria)zell, aber das müssen wir jetzt nicht vertiefen.
Die Adresse war B. Zoltan, Kinizsi u. 6. Also u stand für Straße (utca), so langsam wuchs der Wortschatz. Wir wurden von einer netten Familie einquartiert, bekamen ihr Schlafzimmer und wurden - so gut es ging - interviewt.
So kamen wir erst gegen 16:00 dazu, den Bahnhof zu inspizieren.
Bild 3: 424.130 nimmt Wasser im Bw Celldömölk
Bild 4: Schichtwechsel
Trotz nicht gelungener Schärfe ein stimmungsvolles Bild, finde ich heute.
Bild 5: Da hat wohl jemand den Wasserkran ganz vergessen
Bild 6: 424.130 und 120 (mit offener Rauchkammertür)
Die Arbeiten im Bw standen unter der Aufsicht des großen Bruders aus der Sowjetunion. Quer über das Bahngelände zog sich eine verlockende Brücke zum Bw, eindeutig nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Wir konnten nicht widerstehen.
Bild 7: Der Blick vom Verbotenem Steg ...
Bild 8: ... bot schöne Perspektiven: Während 424.130 rangiert ...
Bild 9: ... stehen 424.120 und 234 neben einem Reisezugwagen in Reparatur
Höherwertiges fuhr natürlich mit Diesel: M62 268 - die MAV war Erstbesteller der Taigatrommel.
Bild 10: M62 268 fährt in Celldömölk ein ...
Bild 11: ... gefolgt von M40 217
Die M40 ist eine 740-kW-DE-Maschine von Ganz-MÁVAG, aber witzigerweise mit Dampfheizung. Die M62 fuhren im Reisezugdienst im Winter mit Heizwagen.
Weil in dieser Serie bisher so wenig Dampf zu sehen war, folgt jetzt ein kleines Stop-Motion-Picture von der 424.130:
Bild 12-14: Die 424 130 fährt ab
Bild 15: Nachschuss für Jürgen ("Rache")
Auch Schrott stand herum, notiert wurden 424.351, 424.212, 324.449 und 375.642.
Bild 16: Die 1'C1' 324.449 war leider schon auf z
Das war es für diesen Tag, und wir suchten unsere Gasteltern auf. Abendessen mit Salami und Paprika, Wohnzimmer im Ambiente der 50er Jahre, mit Plastikobst und -blumen - Kult würde man heute sagen. Danach sanken wir dann in die guten Federbetten, während die Familie mit Notlagern zufrieden sein musste.
Salami und Paprika auf Weißbrot gab es auch zum Frühstück! Sehr gut - danach gingen wir mit Zoltan zu Savaria-Tourist und löhnten das Zimmer.
Das Wetter war grau, am 05.08.1982, aber wir gingen wieder zum Bahnhof. Wieder zog es uns auf die Brücke:
Bild 17-20: 424.145 auf Sägefahrt
Bild 21: Und noch ein Nachschuss
Eine M40 rangierte mit 424.234 - mein letztes Bild vom Steg aus, denn ...
Bild 22: Blick von oben auf 424.234 und eine M40
... es kam, wie es kommen musste: "Dokument" erschall es barsch von hinten. Ein grimmiger Eisenbahner tauchte auf, keine Diskussionen, wir waren festgenommen! Ein militärisch aussehender russischer Jeep erschien, wir "durften" einsteigen, und flankiert von grimmigen Polizisten mit ihren Karabinern sausten wir durch die Kleinstadt. Sprechen durften wir auch nicht, und dieser Beitrag endet somit in einer tristen Arrestzelle in der tiefsten ungarischen Provinz.
Ob und wie es weiterging erfahrt Ihr in Teil 9. Bis dahin freue ich mich auf Kommentare, Ergänzungen und Berichtigungen.
Grüße von Helmut (ICE)
Link zu Teil 9: Von Celldömölk nach Budapest (m. 14 B.)
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:11:05:17:51:28.