Liebe Wagenfreunde,
wie viele Bilder mögen wohl in der Zeit der chemischen Fotografie nur entstanden sein, weil der Film "noch irgendwie voll gemacht" werden mußte?
So verhält es sich auch mit diesen hier:
Der Farbdiafilm hatte noch einige Restaufnahmen frei, und so begab ich mich an einem Aprilsonntag des Jahres 1989 auf den Güterbahnhof Berlin-Charlottenburg.
Am Güterschuppen, so munkelte man, würden einige interessante Wagen stehen...
(01) Anfangsmysterium: Dies scheint ja nun auf den ersten Blick ein ehemaliger Hohlglaswagen der preußischen Länderbauart (Gl Dresden, Gl 06) zu sein. Das korbbogenförmige Dach (zur besseren Laderaumausnutzung) wurde von der späteren Verbandsbauart übernommen, letztere erhielt jedoch eine mit 2000 mm deutlich breitere Schiebetür (bei Preußens: 1500 mm). Überhaupt nicht zeichnungsgerecht und damit rätselhaft ist hingegen der mittlere Radsatz dieses Wagens!
(02) Die dreiachsige Bauform spräche ja eher für einen "Gepäckbeiwagen", der - nach den zum Ende des 19. Jahrhunderts gültigen Vorschriften - als Schutzwagen an der Zugspitze laufen sollte, sofern dort kein Pack- oder Postwagen eingereiht war (Glpwhs Dresden, Ghwps Stettin, Gwhs 06). Jene Wagen hatten aber üblicherweise ein Flachdach, da ja ohnehin nur Luft spazieren gefahren wurde. Kann jemand die Herkunft dieses Wagens klären?
(03) Das Detailbild zeigt die für einen Güterwagen ungewöhnliche Federschakenbefestigung: Der Schakenbolzen steckt nicht direkt im Federbock, sondern ist mittels Schraube (?) mit diesem verbunden. Das kenne ich in dieser Form nur von Reisezug- und eben Gepäckbeiwagen.
(04) Auch der Vierachser ist ungewöhnlichen Ursprungs.
(05) Bei dem Drehgestell handelt es sich um die Bauform "Diamond amerikanisch". Dieser Wagen dürfte daher gegen Ende des Ersten Weltkriegs mit den US-Truppen nach Europa gekommen sein. Details zum Drehgestell:
[
www.drehgestelle.de]
(06) Beim "Nutzer UfB" handelt es sich um die in den achtziger Jahren gebildete "Unterhaltungsdienststelle für Bahnanlagen", die im Westteil Berlins die Aufgaben von Bahn-, Fahrleitungs-, Brücken- und Hochbaumeisterei vereinigte. Auch die sozialistische Planwirtschaft versuchte, Synergieeffekte zu erzielen...
(07)
(08) Auch hier scheint es zunächst klar zu sein: ein MCi! Die ungewöhnlich erscheinenden Fenster dürften wohl einem Einheitsabteil- oder Plattformwagen entstammen.
(09) In der Ursprungsbauform hatte der MCi eine schlichte Art von Übersetzfenstern (Aufnahme in Nürnberg-Langwasser, 21. September 1985).
(10) Aber auch hier verblüfft die Federaufhängung: Der MCi hatte üblicherweise Rechteckschaken, deren Schakenbolzen am Federbock saß.
(11) Dieser hier weist elliptische Schaken auf, die auch wieder mittels Schraube am Federbock hängen. Sind hier vielleicht Teile eines kriegsbeschädigten Länderbahnwagens als MCi wiedererstanden?
(12) Zum Vergleich ein Ausschnitt des in Nürnberg präsentierten MCi.
Ich hoffe, unsere Wagenspezialisten haben etwas zum Knobeln.
Was wohl aus diesen Schätzchen geworden sein mag...?
Gruß,
Markus.