Hallo interessierte Eisenbahnfreunde,
nachdem es ja nun schon einige Beiträge aus dieser Gegend gegeben hat, soll nun noch Aachen Hbf an die Reihe kommen.
Hier wieder ein Kartenausschnitt mit den Eisenbahnstrecken und Bahnhöfen in dieser Gegend:
Über das Stellwerk "Af" liegt mir ein Artikel von Helmut Schütz aus "Signal & Draht" vom März 1967 vor, die Fotos in diesem Beitrag stammen von einem Besuch in Aachen im Jahre 1996.
Über Aachen Hbf läuft ja der grenzüberschreitende Verkehr von und nach Belgien. Der sorgt alleine schon für ein beträchtliches Betriebsaufkommen. Früher mussten die Zuglokomotiven in der Regel gewechselt werden und zahlreiche Züge führten noch Kurswagen mit, die in Aachen umgestellt werden mussten. Die Betriebsführung in Aachen Hbf war jedenfalls um 1960 an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt, die Stellwerke überaltert und nicht mehr erweiterungsfähig.
An alten Stellwerken waren vorhanden:
"Af", elektromechanisches Reiterstellwerk von 1947 am Westende der Bahnsteige
"Ao", elektromechanisch, 1947, an der Ausfahrt zum Burtscheider Viadukt
"Aw", elektromechanisch, 1949, am Westende
"Am", mechanisch, in der Bahnhofsmitte
sowie ein elektrisches Rangierstellwerk für den Posthof und ein Schrankenposten an der Strecke von und nach Aachen Süd
1966 wurde die Strecke Aachen - Lüttich elektrifiziert und damit wurde Aachen dann auch Systemwechselbahnhof. Damit musste dann eine Einrichtung geschaffen werden, die den Fahrstrom für die Systemwechselgleise zwischen den 15KV - Wechselstrom der DB und 3 KV - Gleichstrom der SNCB umschaltet. Dies war mit den alten Stellwerken nicht mehr zu bewerkstelligen. Daher wurde im Zuge der Elektrifizierung ein neues Stellwerk für Aachen Hbf vorgesehen, von dem aus dann auch diese Aufgabe erledigt werden konnte. Gleichzeitig wurden die Bahnanlagen auf die neuen Verhältnisse umgebaut und die Bahnsteige konnten an den wichtigsten Gleisen auf 400 Meter Länge gebracht werden.
Das Stellwerk "Af":
Der Stelltisch auf "Af":
Der Stelltisch war für die Bedienung durch zwei Personen eingerichtet. Der Fahrdienstleiter bediente die Ostseite und musste an allen Zugfahrten mitwirken, sein Helfer auf der Westseite wirkte ebenfalls bei eingen Zugfahrten mit und betreute die Rangierfahrten in den Abstellgleisen. Die zweimännige Bedienung erfordert zusätzliche Zugstraßentasten in den Gleisen. Wenn beide Bediener ihre Fahrstraßenteile eingestellt hatten, kam das Signal in die Fahrtstellung.
Im hinteren, abgewinkelten Teil des Stelltisches ist die Zugnummernmeldeanlage eingebaut, die so auch vom weiter hinten sitzenden Zugmelder, der gleichzeitig auch noch für die Zuglaufanzeiger und die Bahnsteigdurchsagen zuständig war, eingesehen werden konnte.
Es wurde wohl auch schon überlegt, in Aachen eine Stelltafel einzubauen. Als die Anlage 1962 geplant wurde, gab es aber noch Bedenken, einen so wichtigen Knotenpunkt mit dieser neuartigen Technik auszustatten.
Hochbetrieb in Aachen Hbf. Der Stelltisch aus der Nähe:
Man beachte die parallele Ausfahrt aus den Gleisen 6 und 9 auf den Burtscheider Viadukt.
Die drei Gleise links unten gehörten bereits zum Bahnhof Aachen - Rothe Erde. Die Stellbezirke von "Rpf" in Aachen - Rothe Erde und "Af" in Aachen Hbf berührten sich unmittelbar. Bei Zugfahrten mussten die Züge angeboten und angenommen werden, "Af" und "Rpf" mussten jeweils ihren Teil der Fahrstraße einstellen und dann ihre Zustimmung zur Zugfahrt an das jeweils andere Stellwerk geben.
Dann folgt der zweigleisige Abschnitt über den Burtscheider Viadukt und in der Mitte links die Bahnsteiggleise von Aachen Hbf.
Da sieht man in bunt die Gleise 6 bis 9 für den Zugverkehr von und nach Belgien. Bei diesen und einigen angrenzende Gleisen war die Fahrdrahtspannung umschaltbar. Darunter dann die restlichen Bahnsteiggleise.
Rechts oben dann die beiden Gleise von und nach Aachen Süd - Lüttich, die bereits mit den belgischen Stromsystem betrieben wurden.
Ganz rechts dann die Strecke von und nach Aachen West.
Das Einstellen der Fahrdrahtstromart erfolgte im Normalfall mit der Fahrstraßeneinstellung, wobei im Zielgleis die Stromart des Startgleises eingestellt wurde. Das funktionierte auch bei Rangierfahrstraßen, wenn z.B. die Lok den Zug verließ und eine Rückleistung zu bespannen war. In einigen Fällen, so z.B. bei Mehrsystemlokomotiven, funktionierte das nicht. Dann musste der Fahrdienstleiter die Fahrdrahtspannung nach den entsprechenden Meldungen vom Lokführer bzw der Bahnsteigaufsicht manuell mit den entsprechenden Tasten im Stelltisch umstellen. Deutlich kann man die Stromsystem-Melder an den Gleisen erkennen.
Wegen des Gefälles von 2,67% auf dem 2 Km langen Abschnitt von Aachen Süd gab es dort besondere betriebliche Vorsichtsmaßnahmen. So durfte Aachen Süd einen Personenzug erst ablassen, wenn in Aachen Hbf das Einfahrgleis bis zum Ausfahrsignal frei war, bei Güterzügen musste darüber hinaus auch noch der Durchrutschweg über den Burtscheider Viadukt frei sein. Dazu waren zwischen den Stellwerken "Af" und "Asf" in Aachen Süd die entsprechenden Zustimmungsabhängigkeiten eingerichtet worden. Vielleich kann ja jemand im Forum sagen, wie diese Abhängigkeiten am Stelltisch eingestellt und angezeigt wurden.
Auf dem Berggleis von Aachen Hbf nach Aachen Süd befand sich noch das Blocksignal 11. Um das Anhalten eines Zuges vor diesem Signal zu vermeiden, gab es noch weitere Abhängigkeiten. Befand sich ein Zug zwischen diesem Signal und Aachen Süd, so ließ sich eine Ausfahrt nach Aachen Süd nur einstellen, wenn sich das Einfahrsignal Aachen Süd in Fahrtstellung befand. So wurde sichergestellt, dass der aus Aachen Hbf ausfahrende Zug am Blocksignal 11 ebenfalls wieder den Fahrtbegriff erhielt.
Dieses Blocksignal 11 und das Blocksignal auf der Strecke nach Aachen West waren übrigens die ersten Zentralblocksignale bei der Deutschen Bundesbahn. Im Gegensatz zu den bisherigen Selbstblocksignalen sind diese ja wie Bahnhofssignale geschaltet und alle Schalteinrichtungen befinden sich im zugehörigen Stellwerk, während bei den bisherigen Selbstblocksignalen dazu ein eigenes Betonschalthaus erforderlich war.
Die Einrichtungen zur Umschaltung des Fahrstroms wurden von besonderen Relaisgruppen, die in der Spurverkabelung des Stellwerkes angeordnet waren, angesteuert. Die Fahrstromschalter für den Westkopf des Bahnhofes befanden sich im Stellwerksgebäude "Af", für den Ostkopf war ein eigenes Schalthaus errichtet worden. Schütz erwähnt in seinem Aufsatz, dass bei den Fahrstromschaltern mit 7000 bis 18000 Schaltungen pro Jahr gerechnet werden musste, was wohl für Schalter dieser Größenordnung sehr viel war.
Hier das im Osten angrenzende Stellwerk "Rpf" in Aachen - Rothe Erde:
Der Arbeitsplatz des Fahrdienstleiters mit dem Bildschirm der Zugnummernmeldeanlage und dem Bedienpult für die Einrichungen in den drei Übergangsgleisen zu "Af":
Hier der Blockkasten aus der Nähe:
"Rpf" bediente das Signale Q (am durchgehenden Hauptgleis) und R3, R8, R9 und R10 (aus dem die Güterbahnhof) nach Aachen Hbf und die Signale U und V aus den Gleisen 2 und 3a von Aachen Hbf. Am Blockkasten kann man die Blockfelder mit den Zustimmungsabhängigkeiten zwischen "Af" und "Rpf" erkennen. Auf den durchgehenden Hauptgleisen war zwischen "Rpf" und dem Stellwerk "Rgf" am anderen Bahnhofskopf Streckenblock eingerichtet.
"Af" in Aachen Hbf ging am 6. März 1966 in Betrieb und wurde ebenso wie "Rpf" am 25.11.2007 durch ein EStw ersetzt. Von "Rpf" habe ich keine Datum der Inbetriebnahme.
Und wie immer freue ich mich über eure Anmerkungen, Korrekturen und Ergänzungen.
Gruß von Kay!
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2023:06:02:22:08:38.