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Hallo zusammen!

Umsteigefrei von Amsterdam an den Bodensee - das gab es bereits 1905! In loser Folge stelle ich Euch die Wurzeln des späteren Vorarlberg-Express vor, heute machen wir einen Ausflug ins Jahr 1905.

Vorab - wie immer - der Link zu meinem Blog Fahrplangeschichte(n) und der Hinweis, dass sich dieser Blog auch bequem abonnieren lässt, dann seid ihr immer auf dem Laufenden!

Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es auf DSO auch mein Inhaltsverzeichnis gibt, von dem aus alle bisher erschienenen Fahrplangeschichte(n) erreichbar sind.

Über viele Jahrzehnte gab es eine umsteigefreie Direktverbindung aus dem Westen Deutschlands und den Niederlanden über Nacht an den Bodensee und nach Vorarlberg – zuletzt unter dem Namen “Vorarlberg-Express”. Wurzeln für diesen Verkehr kann ich bis mindestens 1905 zurückverfolgen. In loser Folge sollen hier nach und nach die verschiedenen Phasen dieses Verkehrs erzählt werden. Die heutige Folge dreht sich um die Zeit vor dem ersten Weltkrieg.

1905 verkehrte ein Schnellzugpaar Karlsruhe-Friedrichshafen, das u.a. als Kurswagenträger für Kurswagen Amsterdam-Friedrichshafen diente. Im kurzen Abschnitt der Badischen Staatseisenbahn hatte das Zugpaar die Zugnummern 100/103, bei der Württembergischen Staatsbahn 21/54. Karlsruhe wurde mitten in der Nacht um 3:52 verlassen, nach einem Zwischenhalt in Pforzheim wurde bei Mühlacker (ohne Halt) Württemberg erreicht. Dort gab es Zwischenhalte in Bietigheim, Ludwigsburg, Stuttgart Hbf (ab 5:40 Uhr), Cannstatt, Eßlingen, Göppingen, Geislingen und Ulm. Weiter ging es auf der Südbahn, wo in Laupheim Hbf, Biberach und Ravensburg gehalten wurde. Im Ziel Friedrichshafen hielt der Zug sowohl am Stadtbahnhof als auch und im Hafenbahnhof, wo Fähranschluss in die Schweiz bestand. Ankunft in Friedrichshafen Hafen war um 9:15 Uhr Vormittags. Von Stuttgart an den Bodensee diente der Zug also als attraktive Tagesrandverbindung. In der Gegenrichtung wurde Friedrichshafen Hafen um 18:17 Uhr verlassen und Stuttgart Hbf um 22:16 Uhr mit den gleichen Zwischenhalten erreicht. Zwischen Stuttgart und Karlsruhe hielt Zug 54-100 im Gegensatz zu seinem Bruder am Morgen nicht in Ludwigsburg, dafür aber in Mühlacker. Die Badische Residenzstadt Karlsruhe wurde um 0:04 Uhr erreicht.

Der Zug diente natürlich auch als Kurswagenträger. Wie schon erwähnt gab es Kurswagen Amsterdam-Friedrichshafen. Diese kamen mit Zug 127 bzw 27 (je nach Saison) aus den Niederlanden, ab Emmerich hießen diese Züge 166a bzw. 166. Ab Köln liefen die Kurswagen ganzjährig im Zug 166, ein Schnellzug Holland-Basel. In Bingerbrück wurden diese Kurswagen auf Zug 106 umgestellt, da Zug 166 über den aus heutiger Sicht kurios anmutenden Laufweg Bingerbrück – Bad Münster am Stein – Neustadt (Weinstraße) – Weißenburg (heute Wissembourg) – Straßburg verkehrte. Mit Zug 106 ging es über Mainz – Groß-Gerau – Mannheim – Graben-Neudorf nach Karlsruhe. In der Hochsaison führten diese Kurswagen 1.-3.Klasse, sonst nur 1. und 2. Klasse.

Ab Stuttgart gab es Kurswagen Stuttgart-Lindau. die in Friedrichshafen Stadtbahnhof auf Zug 76 nach Lindau umgestellt wurden – auch hier handelt es sich um eine Fahrlage die jahrzehntelange bis in die 1980er-Jahre angeboten wurde.

Als weitere Kurswagenverbindung gab es solche von Karlsruhe nach Ala. Ala? Wo liegt denn das? Ala ist ein kleiner Ort an der Grenze zwischen Südtirol und dem Trentino, diese Grenze war damals auch die Staatsgrenze zwischen der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn und Italien. Von Karlsruhe bis Friedrichshafen Stadtbahnhof liefen diese in unserem Zugpaar, ab dort im Zug 76 nach Lindau, dann im Zug 8 über den Arlberg nach Innsbruck und ab dort mit Zug 4 über den Brenner bis Ala. In der Gegenrichtung waren die Züge 1, 7 und 77 bis Friedrichshafen beteiligt.

Der Zug firmierte damals noch als Schnellzug (“SZ”) im Kursbuch und trug noch nicht den Zusatz “D” für Durchgangszug, wurde also wohl noch (zumindest überwiegend) aus Nicht-Durchgangswagen, also Abteilwagen gebildet.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/S05_21.jpg

Bild 1: Der Fahrplan des Zugpaares 21/54 im Sommer 1905. Die Reisegeschwindigkeit war immerhin schon über 50km/h. Datengrundlage: Reichs-Kursbuch Juli 1905.

Im Ersten Weltkrieg verkehrte das Zugpaar kriegsbedingt nicht mehr.

Möglichkeiten zur Mithilfe:

Wer mag spekulieren, welche Lokbaureihen zum Einsatz gekommen sein könnten?
Gab es im Fahrplan 1914 noch ein ähnliches Konstrukt?


Markus

http://histoliga.de/fahrplangeschichten/gepflegtereise.png

Verblüffend

geschrieben von: Mw

Datum: 22.12.12 22:43

Stuttgart Hbf war damals schon ein schneller Bahnhof!

Und: Geislingen-Ulm in 34 Minuten für 33 Kilometer - einschließlich Geislinger Steige, alle Achtung!

Gruß
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:12:22:22:43:55.
Hallo Markus,

Danke für den schönen Beitrag.
Ich selber bin einigemal zusammen mit meinen Eltern im Zeitraum 1980 bis 1990 mit dem Vorarlber-Express in den Urlaub gefahren.
Da ging es im Sommer immer auf einen Freitag ab Köln 23:38 im Liegewagen bis nach Landeck.
In der Nacht wurden dann an dem ein oder anderen größeren Unterwegsbahnhof noch Kurswagen beigestellt. Für mich damals als Kind immer sehr interessant. Da war an Schlafen kaum zu denken, wenn rangiert wurde.
Ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge zur Geschichte des Vorarlber-Express.

http://www.vennbahn.de/dso/sign1.jpg
Da hast Du ja wieder was ausgegraben..........

Ich hab erst einmal etwas aus 1912 gefunden.

Da gab es einmal im kkStB-Schnellzug S 8 (Lindau-Salzburg) einen Kurswagen 1.2. Klasse Stuttgart (ab 05:00) via Ulm-Friedrichshafen-Lindau-Innsbruck-Bischofshofen nach Salzburg (an 21:05), sowie einen Kurswagen aller drei Wagenklassen Stuttgart-Bischofshofen (an 20:00). Einen Speisewagen führte der Zug zwischen Feldkirch (ab 11:58) und Salzburg.

Der kkStB-Personenzug P 12 (Lindau-Wien West) führte einen Kurswagen 1.2.3. Kl. Stuttgart (ab 18:36) via Ulm-Friedrichshafen-Lindau nach Innsbruck Hbf. (an 06:45), der kkStB-Schnellzug S 302 (Basel SBB-Wien West) einen solchen von Stuttgart (ab 09:29) ebenfalls nach Innsbruck Hbf. (an 18:25). Von Lindau bis Feldkirch verkehrte der Kursqwagen im kkStB-Schnellzug S 202.

In der Gegenrichtung verzeichnet das kkStB-Kursbuch vom 1. Mai 1912 nur Kurswagen Innsbruck Hbf. (ab 07:20 bis 5. Juli und ab 13. September 1912), ab 07:05 vom 6. Juli bis 12. September 1912) via Lindau-Friedrichshafen-Ulm-Stuttgart-Heidelberg nach Frankfurt/Main Hbf. Das ist insofern unklar, als der Schnellzug S 201, der die Kurswagen aus Feldkirch heranbrachte, in Bregenz endet und von dort kein Anschluß nach Lindau und weiter verzeichnet ist.

Das sollte sich erst 1914 ändern.

In kkStB-Kursbuch von August/September 1914 (fraglich, ob noch alles hier Verzeichnete tatsächlich verkehrte!) sind einige Kurswagen (sämtlich mit allen drei Wagenklassen) verzeichnet, die von Baden und Württemberg her in Richtung Tirol und Salzburg fuhren.

Da ist hier einmal der Kurswagen Stuttgart (ab 05:00)-Zell am See (an 19:04) via Ulm-Friedrichshafen-Lindau-Innsbruck , dessen Rücklauf von Zell am See (ab 07:00) (Zug S 7)-Lindau (Zug 77)-Friedrichshafen Stadt (D 100) nach Karlsruhe führte (an 00:15).

Der Kurswagen Stuttgart (ab 09:27)-Innsbruck (an 18:55) verkehrte in den Zügen D 19 (Stuttgart-Friedrichshafen Stadt), 74 (Friedrichshafen Stadt-Lindau) und S 202 (Lindau-Feldkirch) und S 302 (Feldkirch-Innsbruck). Der Rücklauf verkehrte von Innsbruck (ab 07:20) nach Frankfurt/Main Hbf. (an 20:32) mit S 301 bis Feldkirch, S 201 nach Bregenz, mit S 505 nach Lindau, Zug 75 nach Friedrichhafen Stadt, D 4 nach Ulm-Stuttgart-Bruchsal und von dort mit D 27 zu seinem Zielbahnhof Frankfurt/Main Hbf.

Es erstaunt aus heutiger Sicht immer wieder, wo überall Kurswagen umgestellt werden konnten. Das reisende Publikum verlangte etwas, was heute die Eisenbahnen nicht mehr zu erbringen vermögen (wieviel Verschubpersonal macht heute noch in Friedrichshafen Stadt seinen Dienst?)

Gruß aus Wien

"Ohne Skepsis und Zweifel würden wir heute noch glauben, die Erde wäre eine Scheibe".
"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."

(Immanuel Kant)




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:12:23:14:33:27.

Weitere Informationen zu 1908

geschrieben von: 628Vorserie

Datum: 30.12.12 15:36

Hallo zusammen!

Mittlerweile habe ich Einblick in ein Württembergisches Kursbuch vom Sommer 1908 nehmen können, das eine ganz gute Brücke zu den schon vorgestellten Informationen aus 1905 und den von Jörg ergänzten von 19012 und 1914 schlägt.

Auch 1908 gibt es durchgehende Kurswagen Amsterdam-Friedrichshafen. Richtung Friedrichshafen laufen diese jedoch 1908 ggü. 1905 etwas später und damit nicht mehr im Zug 21 sondern erst im D 19 und treffen dementsprechend erst Mittags in Friedrichshafen ein. Darüber hinaus hat D 19 auch Kurswagen Kaiserslautern-Friedrichshafen und Ulm-Innsbruck.

Zug 21 gibt es weiterhin, er beginnt nun jedoch erst in Stuttgart Hbf und ist nun offiziell ein "Eilzug", da es mittlerweile Schnellzüge ohne Durchgangswagen nicht mehr gibt. E 21 hält neu in Plochingen. Aus Mühlacker besteht Anschluss mit einem Zug 31, der auch zahlreiche kleinere Unterwegshalte wie z.B. Großsachsenheim mitnimmt. Anschluss aus Karlsruhe gibt es nicht mehr. Zug 21 führt nun Kurswagen Stuttgart-Zell am See, die wohl die Nachfolger der Ala-Kurswagen sein dürften.

In der Gegenrichtungen werden diese unterschiedlichen Aufgaben weiterhin mit einem Zug abgewickelt, der sich nun aber D 54 nennt. D 54 läuft auch weiterhin nach Karlsruhe durch. Die Kurswagen Zell am See-Stuttgart und Friedrichshafen-Amsterdam finden sich auch wieder darin auf dem Rückweg. Außerdem gibt es Kurswagen Friedrichshafen-Heilbronn. Auch D 54 hält nun in Plochingen.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/S08_21.jpg

Die Kurswagen Stuttgart-Zell am See gibt es ja in ähnlicher Form 1912 und 1914 ebenso noch. Die Amsterdamer Kurswagen sind in den von Jörg zitierten österreichischen Kursbüchern leider nicht drin, da sie ja nicht bis Österreich kamen.

Markus

http://histoliga.de/fahrplangeschichten/gepflegtereise.png