Vor einigen Tagen hatte ich in zwei Beiträgen über meine Reise nach Finnland im Jahr 1967 berichtet. Dieser Urlaubsaufenthalt im Rahmen einer Jugendfreizeit war zwar alles andere als eine Eisenbahntour, aber am Rande fielen doch eine Reihe von Eisenbahnfotos ab, die hier zu sehen waren:
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Diesel & Dampf in Finnland vor 45 Jahren - Teil 1
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Diesel & Dampf in Finnland vor 45 Jahren - Teil 2
Im Gegensatz zur Hinfahrt führte die Heimreise nicht auf dem direkten Seeweg über die Ostsee nach Travemünde, sondern über Stockholm, das von Helsinki aus mit einer vergleichsweise kurzen Schiffsreise erreicht wurde. Dort ein Tag Aufenthalt mit kurzer Stadtbesichtung, Übernachtung und Weiterfahrt mit dem Zug nach Hause. Und auch dieses Mal nutzte ich die Gelegenheit, bei meinem ersten Besuch in Schweden auch ein paar Eisenbahn-Bilder zu machen.
Während die finnische Eisenbahn damals ein gänzlich unbeschriebenes Blatt für mich war, kannte ich wenigstens einige schwedische Lokomotiven und Triebwagen von Bildern. Zuallererst natürlich die Baureihe Da aus dem Märklin Katalog, die schwedischen Wellblech-Schnellzugwagen, sowie die Erzbahnloks und weitere Baureihen aus Büchern und Firmenprospekten.
Am Nachmittag des 20.08.67 konnte ich mich für gut zwei Stunden von der Gruppe absetzen und mich ein wenig auf dem Stockholmer Hauptbahnhof - Stockholm Centralstation – umsehen.
Bild 1:
Als erste schwedische Ellok (und Lok überhaupt) kam mir die 1’Do1’ Altbau-Ellok
F 698 vor die Linse. Unter der dunklen Straßenbrücke und ohne Sonne waren die Lichtverhältnisse mehr als bescheiden und ich kann froh sein, dass die Aufnahme wenigstens als Beweisbild taugt.
Von der Baureihe F wurden zwischen 1942 und 1949 insgesamt 20 Maschinen gebaut, die mit 2580 kW Stundenleistung und einer Höchsgeschwindigkeit von 135 km/h knapp unter den Daten der deutschen E18 liegt.
Bild 2:
Schon die zweite Lok, die sich sehen ließ, war eine
Da wie aus dem Märklin Katalog; Auch
Da 802 stand ungünstig unter der Brücke über den Südkopf des Hauptbahnhofs, aber irgendwie scheint es insgesamt schon etwas heller geworden zu sein.
Die Reihe Da war die Weiterentwicklung der legendären Baureihe D bzw. Du2, und wurde zwischen 1952 und ’57 in einer Stückzahl von 90 Exemplaren gebaut. Sie war sicherlich weltweit eine der letzten Beschaffungen von Streckenloks mit Stangenantrieb.
Danach begab ich mich auf die andere, nordwestliche Seite der Centralstation, wo sich günstigere Fotomöglichkeiten boten. Zusätzlich zu den Durchfahrgleisen gab es hier noch einige Stumpfgleise, in denen das Rangieraufkommen naturgemäß höher war.
Bild 3:
Und hier gab es denn auch mit
Öc 393 gleich eine elektrische Rangierlok zu fotografieren, mit der ich offensichtlich einen echten Sonderling erwischt habe.
Bei der Reihe Öc handelt es sich nämlich um eine elektrische Rangierlok mit zusätzlichen Akkumulatoren (wie die deutsche E80), von der aber nur recht wenige Maschinen gab. 1979 waren nur noch zwei Maschinen im Einsatz. Zusätzliche Infos erwünscht.
Bild 4:
Auch wenn ich damals noch nichts von der Besonderheit der
Öc 393 ahnte, war mir eine elektrische Rangierlok allemal ein weiteres Bild wert.
Beachtenswert der für meine Begriffe auffallend "fein" gekleidete Lokführer.
Bild 5:
Vom äußersten Bahnsteigende fiel mein Blick dann auf eine E-Triebwagen Doppeleinheit der schwedischen Privatbahn TGOJ, die im Vorfeld des Hauptbahnhofs auf ihren nächsten Einsatz wartete. Erst später fand ich heraus, dass es sich dabei um einen ET der Baureihe
X20 handelte, vom die TGOJ überhaupt nur drei Stück besaß – 2/3 des Bestands hatte ich also vor mir.
Bild 6:
Diese Lok kam mir doch sehr vertraut vor! Und tatsächlich, bei der
T21 81 handelt es sich um eine Lieferung von MaK für die Schwedische Staatbahn (SJ), die weitgehend mit der deutschen V65 übereinstimmt.
Bild 7:
Da sich der
TGOJ X20 so gar nicht von der Stelle rühren wollte und sich das Wetter inzwischen merklich gebessert hatte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und marschierte auf den ausgetretenen Dienstwegen mitten ins Bahnhofsvorfeld, um den ET noch einmal von der lichtmäßig besseren Innenkurven-Seite aufzunehmen.
War es das wert, sich für einen relativ modernen ET, der aussah wie eine vierteilige Dattel-Schachtel mit Stromabnehmer, möglicherweise großen Ärger einzuhandelt? Im Nachhinein: JA! Denn von hier aus hatte man freien Blick auf die ein- und ausfahrenden Züge und keiner nahm daran Anstoß, dass sich ein Jugendlicher mit Kamera zunehmend ungehemmter mitten in den Gleisen herumtrieb. Was waren das noch für goldene Zeiten …
Bild 8:
Noch auf dem falschen Fuß erwischt wurde ich von einer Doppel-Einheit
X9, die bei gerade wieder "Licht-aus" in den Bahnhof Stockholm C einfährt.
Von den Fernverkehrstriebwagen der Baureihe X9 gab es 20 vierteilige Einheiten, von denen
beide Kopfwagen jeweils zwei angetriebene Achsen besaßen – Achsfolge (1 A)’ (A 1)’. Auch der Endwagen ohne Stromabnehmer war also ein Triebwagen!
Bild 9:
Recht klein und amerikanisch wirkt die Reihe Ra, von der mir hier die achte von insgesamt zehn Loks vor die Kamera fuhr. Rapid 8 =
Ra 992, Stockholm C, 20.08.67.
Bild 10:
Ein recht ausgefallenes Design kennzeichnet die Dieseltriebzüge der Reihe
Y3. Im Unterdeck des doppelstöckigen Motorwagens ist die Antriebsanlage untergebracht, während sich darüber auf ganzer Länge ein Passagierraum wie bei einem Dome-car erstreckt. Sechs dieser 140 km/h schnellen Züge lieferte LHB 1966/67 an die SJ.
Bild 11:
Das Neueste vom Neuen war die noch kein Jahr alte
Rc1 1011.
Mit der Entwicklung der Rc gelang der schwedischen ASEA der Durchbruch der Thyristor-Technik im Ellokbau. In Schweden und vielen anderen Ländern (außer Deutschland) wurde diese Antriebstechnik für zwei Jahrzehnte zum Standard, bis die Drehstrom-Leistungsübertragung in den achtziger Jahren ihren Siegeszug antrat.
Bild 12:
Auch die zweite F an diesem Tag ging leider fotografisch in die Hose. Beim Heranrollen der
F 622 riss der Himmel kurz vorher auf, was die Belichtungsautomatik meiner einfachen Kamera schlicht überforderte und zu einem stark überbelichteten Dia führte. Mit den heutigen Möglichkeiten der elektronischen Bildbearbeitung konnte ich jetzt zwar noch einiges retten, aber nicht vorhandene/überstrahlte Farben bringt auch das beste Programm nicht zurück.
Bild 13:
Und noch einmal einer dieser kuriosen Y3-Triebwagen. Auf diesem Bild ist sogar die Nummer lesbar -
Y3 1263. Ob es dieselbe Einheit wie in Bild 10 ist, vermag ich nicht zu sagen. Falls ja, müsste diese Aufnahme ein Nachschuss sein, aber rote Schlusslichter sind nicht auszumachen. Allerdings sind auch keine Passagiere im Oberdeck zu erkennen – vielleicht nur ein Zurückdrücken in die Abstellgruppe?
Bild 14:
Da ich gesehen hatte, dass im Bahnhof eine Ra mit einem Zug aus der Gegenrichtung eingetroffen war, ging es zurück in den "legalen Bereich" der Stockholmer Centralstation. Dort konnte dann in aller Ruhe und mit der Sonne im Rücken
Ra 994 aufs Celluloid gebannt werden.
Mit diesem Bild möchte ich den heutigen Beitrag beenden. In Kürze geht’s dann weiter mit den restlichen Bildern meines ersten Kontakts mit der schwedischen Eisenbahn.
Bis dahin einen schönen Tag noch,
Ulrich B.
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