Hallo HiFo!
Vor einiger Zeit hatte ich schon mal einen Fall von Kulturaustausch gezeigt - Vielleicht erinnert sich jemand an den stolzen königlichen Lokführer aus Ruhpolding, der eine Ansichtskarte mit einem Bild "seines" Glaskastens zu seinem bekannten Lokführer nach Cöln-Sülz geschickt hat [
www.drehscheibe-foren.de]. Mit dem heutigen Bild gibt es den Kulturaustausch in Gegenrichtung. Eine preußische P 8 in Bayern....
Und als kleine Dreingabe gibt es dann ein paar weitere Ansichtskarten mit der P 8.
Ergänzungen, Rückmeldungen und Hinweise sind herzlich willkommen!
Und sonst: Viel Freude an den Bildern!
Quellen (für alle Artikel):
Wenzel, Hansjürgen: Die preußische P 8. Die Baureihe 38
10. Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg 1994
[
www.lokomotivdatenbank.de]
EDIT: Titel korrigiert - man will ja niemanden irritieren..., nicht wahr (s.u.)?
Und los geht's:
Bild 1: Vor 100 Jahren im Bw Passau
Entstanden ist das Bild am 4. Dezember 1920. Damals war die abgebildete P 8 fabrikneu. Sie stammt aus dem Los, dass 1920 von der Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft BMAG vormals L. Schwartzkopff unter den Fabriknummern 7214 bis 7223 gebaut und direkt an die Direktion Nürnberg der Gruppenverwaltung Bayern geliefert worden war (2544 - 2553 Halle). Das die Loks dabei der Direktion "Halle" zugeordnet waren, soll nicht irritieren. Seit dem 1. April 1920 waren ja schließlich alle "Deutsche Reichsbahn", auch wenn es in Bayern den Sonderstatus "Gruppenverwaltung Bayern" gab. Und da der neue Nummernplan noch in Arbeit war und erst 1926 in Kraft trat, hielt man sich bei den Umnummerierungen noch sehr zurück. Man unterschied eher zwischen "Eigentumsbestand" - die Loks, die buchmäßig zu einer Direktion gehörten - und "Einsatzbestand" - die Loks, die tatsächlich vor Ort fuhren.
Dieses Dilemma war übrigens hier auch schon mal Thema: [
www.drehscheibe-foren.de]
Aber zurück zu unserem Foto:
Dokumentiert ist die "2550 Halle" im Ablieferungszustand: Der Knorr-Oberflächenvorwärmer auf dem vorderen linken Umlauf, Aufbautenanordnung Sand - Dom und oben angebrachte Kesselspeiseventile.
Irritiert hat mich bei dem Bild am Anfang, dass die Lok, die dem Bw Nürnberg Hbf zugeordnet worden war, im Bw Passau auftauchte. Aber vielleicht kam sie hier beim Umlauf einfach vorbei.
In Nünberg blieb sie jedenfalls erstmal, bis sie irgendwann zwischen 1923 und 1935 zum Bw Lichtenfels abgegeben wurde.
Zum Abschluss noch der Lebenslauf der Lok, soweit bekannt:
pr. P 8 - 2550 Halle (später 38.2795)
Schwartzkopff 1920 / 7220
Erstzuteilung: Bw Nürnberg Hbf (Dez. 1923 vorhanden)
vor Dez. 1935 an Bw Lichtenfels (Dez. 1940 vorhanden)
vor 20.07.1942 an Bw Nürnberg Hbf
20.07.1942 an das Feldeisenbahn-Kommando (Fekdo) 3 / Charkow
30.09.1944 an RBD Stuttgart (abgestellt)
? an PKP, Ok 1 311
Bild 2: 38 2712 in Beelitz (AK vor 1941 1935)
Auch die 38 2712 (AEG 1920 / 2127) war ein "Opfer" der Nummern-Direktions-Rochade: Ursprünglich trug sie die Nummer "2588 Erfurt", wurde aber als Erstzuteilung dem Bw Güsten der Direktion Magdeburg zugeordnet. Hier war sie auch noch am 1.Dezember 1922 nachgewiesen. Im Zuge der Auflösung der RBD Magdeburg wurde das Bw Güsten von der RBD Halle übernommen. Dementsprechend wird die Lok hier am 1. April 1931 und am 31. Oktober 1939 im Bestand geführt. Während dieser Zeit dürfte auch das Foto der Postkarte aufgenommen worden sein (Poststempel
19.04.1941 14.03.1935). Am 20.12.1944 wurde die Lok dann zum Bw Tübingen der RBD Stuttgart umgesetzt. Nachdem sie zwischenzeitlich auch beim Bw Ulm (Sommer 1955) nachgewiesen ist, war sie spätestens am 31.05.1963 wieder in Tübingen und wurde hier am 20.06.1966 ausgemustert.
Bild 3: 38 2900 im Neißetal (AK vor 1933)
Und jetzt verlassen wir den sicheren Bereich und begeben uns ins Tal der Spekulation. Ich wage zu behaupten, dass man mit viel Rückenwind die Nummer 38 2900 erkennen kann. Oder - jedenfalls nicht viel, was dagegen spricht. Von der Ordnungsnummer sind die letzten drei Ziffern gut zu vermuten: X900. Die Tausenderstelle ist nicht zu entziffern, aber die 1 kann es nicht sein, denn die 38 1900 war zum Zeitpunkt der Aufnahme in Köln bzw. Kleve stationiert. Die 38 2900 hingegen war in der Direktion Breslau beim Bw Görlitz beheimatet, was wunderbar zum Aufnahmeort passt. Die 38 3900 war ursprünglich die polnische Ok 1-257 und erhielt ihre 38er-Nummer erst 1951. Also setze ich dieses nette Gerücht jetzt mal in die Welt: Es könnte die 38 2900 sein!
Der Haltepunkt Rohnau entstand 1882 nahe der gleichnamigen Ortschaft Rohnau östlich der Neiße. Er lag an der Bahnstrecke Zittau–Hagenwerder, die in Hagenwerder Anschluss an die ehemalige Hauptbahn Görlitz–Seidenberg hat. Dass Lokomotiven aus dem Bw Görlitz nach Rohnau kamen, ist also nicht allzu unwahrscheinlich.
(Die Karte ist beim Silesia-Verlag unter der Nr. 1382 gedruckt worden und am 12.12.1933 gestempelt.)
Wenn es denn die 38 2900 ist, dann sei ihr Lebenslauf hier nachgeliefert:
pr. P 8 - 2548 Breslau (später 38.2900)
Vulcan 1921 / 3657
Erstzuteilung: Bw Glatz
vor 20. Jan 1936 an Bw Görlitz
(Im Dez 1936 ist die Lok weiterhin für die RBD Breslau belegt, allerdings ohne Angabe des Bw)
1946/47 an PKP, Ok 1 91
+24.01.77
Bild 4: 38 2130 in Berlin (AK 1934-37)
Zum Abschluss ein Bild aus Berlin. Beim Aufnahmezeitpunkt würde ich auf die frühen 30er-Jahre tippen. Einerseits wurde das S-Bahn-Zeichen erst zum 1. Dezember 1930 eingeführt [
www.stadtschnellbahn-berlin.de] und andererseits sind noch keine Abzeichen einer einzelnen Partei zu sehen. Ein weiteres Indiz könnte das Baustellenschild sein. Die Weisheit des Internets sagt, dass der Bahnhof Anfang der 30er Jahre wieder zur Baustelle wurde, da der Nord-Süd-Tunnel der Berliner S-Bahn unter dem westlichen Teil der Bahnhofshallen hindurchgetrieben wurde [
de.wikipedia.org].
NACHTRÄGLICHE ERGÄNZUNG 11.09.2012: Anhand der Berliner Telefonbücher läßt sich die auf dem Bauschild angegebene Firma "Karl Stöhr" erst ab 1934 nachweisen. Die Aufnahme muss also ab 1934 entstanden sein.
NACHTRÄGLICHE ERGÄNZUNG 23.08.2014: Bei ebay ist eine Karte aufgetaucht, die angeblich (- Stempel ist leider nicht im Scan lesbar -) 1937 gestempelt wurde. Also muss die Aufnahme zwischen 1934-1937 entstanden sein.
? Kann man die Aufnahmezeit vielleicht weiter einschränken ?
Vielleicht anhand des neuen Stahlträgers (Ich glaube die Brücke hatte vorher Gitterträger)?
Abgebildet ist die 38 2130:
Schichau 1917 / 2522
2447 Bromberg, Erstzuteilung: Bw Landsberg (Warthe)
1920 Umzeichnung in 2447 Osten (30. Jan 1930 und Dez 1936 in Bw Landsberg vorhanden)
vor 1947 an PKP, Ok 1 292
24.01.1977 +
Der Gepäckwagen trägt die Nummer: 114 311 ?Berlin?
Sachdienliche Hinweise und Ergänzungen werden gerne entgegen genommen!!!
(Auch Jubelausrufe, falls jemanden die Bilder gefallen sollten...)
Besten Gruß
Christian
EDIT 11.09.2012: Die weiter unten beschriebene Eingrenzung der Aufnahmedaten für die Karte 2 und 4 habe ich in den Haupttext eingearbeitet.
EDIT 23.08.2014: Aufnahmedatum für Bild 4 aktualisiert.
PS.: An alle später Lesenden: Erfahrungsgemäß antworten die meisten Leser innerhalb der ersten 24 Stunden auf einen Forumsbeitrag. Gelesen wird er aber auch noch Wochen später. Ich freue mich natürlich auch noch nach Tagen, Wochen, Monaten über jede Rückmeldung, Anregung und Kritik!
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:08:23:22:33:44.