Unsere Klassenfahrt führte natürlich nach Berlin. Natürlich – denn dafür gab es die meisten Zuschüsse, dazu musste die Klasse nur zwei Stunden „politische Bildung“ im Amerika-Haus absolvieren (sprich: anwesend sein), und die eine Woche Berlin kostete nicht viel. Und was auch zählte: eine Woche kein Unterricht, eine Woche Groß – nein Millionenstadt – statt eine kleine Kreisstadt im Saarland.
Und für mich: erste und dazu fast kostenloser Kontakt mit der „Deutschen Reichsbahn“.
Es war die Zeit, als sich Deutschland (also die BRD) von der „Hallstein Doktrin“ verabschiedete, Willy Brand erhielt den Friedensnobelpreis für seine Ostpolitik und irgendwie war Bewegung in den Beziehungen Ost zu West.
Und ich wollte fotografieren. Eisenbahn, Lokomotiven, und das hatte ich auch angekündigt, meine kleine Rollei war dabei. Ich glaube, meine Eltern und die beiden Lehrer waren besorgter als ich ob meiner Absichten. Was sollten sie tun, wenn …
Es galt Maßnahmen zu treffen.
Die Hinfahrt über Nacht war unspektakulär. Die Erfurter 01 kamen nicht mehr nach Bebra. Geschlafen wurde trotzdem kaum. Für Fotos war es eindeutig zu dunkel, Bahnhofsschilder – wo fährt der Zug nur lang – bei Erdkunde aufpassen kann Vorteile bringen. Einige Dampfloks habe ich gesehen. Notizen dazu: Fehlanzeige.
Berlin hatte viel zu bieten, Zeit den Schlaf nachzuholen war nicht.
Am 17.08.1973 stand der obligatorische Besuch in Ost-Berlin an. Verhaltensmaßregeln wurden ausgegeben, insbesondere auf keinen Fall über Politik reden. Mit mir sollten drei Klassenkameraden unterwegs sein.
An die Grenze in Friedrichstr habe ich keine besondere Erinnerung, da bin ich später so oft ….
S-Bahn Tageskarte für eine Mark (1M), da waren nur noch 5,50 M auszugeben.
Meine Überlegungen für Fotos in Ostbahnhof („ Ihr steht auf der Brücke, und wenn der Zug kommt, mache ich „ein Bild von Euch“, - aber ja nicht den Zug verdecken“) erwiesen sich als unpraktikabel.
Und ich muss auch sagen, es gab außerhalb der Bahn auch viel zu entdecken.
Fahrten mit der S-Bahn – aber hier gab es keinen Linienbetrieb so wie wir es gerade zwei Tage zuvor bei der U-Bahn im Westen kennengelernt hatten, nein der nächste Zug ab Warschauer Str hatte ein ganz anderes Ziel, aber auch das war zu lernen.
Bild 01 Das erste Bild, als ich die Treppe am S-Bahnhof Leninallee runterkomme, - eine 52 – nie zuvor gesehen, das Bild muss ich haben, Blende und Belichtungszeit waren wie immer eingestellt, Entfernung auch – also Kamera raus – abgedrückt und sofort den Rückzug angetreten. Es kam aber keiner uns nach, obwohl der Herr auf dem bahnsteig genau zu mir schaut.
Bild 02 Auf dem Weg von Warschauer Str nach Friedrichstr gab es keine Abzweigung mehr, da fuhren alle Züge gleich. 01 mit großen Ohren und das selbst gesehen – und fotografiert, viel besser als noch so schöne Fotos im EK-Kurier:
EDIT: D1274 (Osb an 14:36)
Bild 03 Und dann wieder zurück, bei der Einfahrt den Zug nach Hamburg abgepasst, der S-Bahn Zug war leer, die Fenster ließen sich öffnen, alles ist gut:
Kein Bild, aber die Erinnerung: die S-Bahn steht und die 01 fährt an: die riesigen Räder drehen sich langsam, der Zug bewegt sich, die Räder drehen durch, kein wildes Schleudern, nein – zwei Umdrehungen sind sie etwas schneller als der Zug, bei zwei Meter Durchmesser sieht das sehr majestätisch aus. Das ist mir sehr in Erinnerung – die Akustik muss auch gut gewesen sein, aber das blieb nicht hängen.
EDIT Lrz 336 für D 336 Berlin Friedrichstr - Hambug
Bild 04 Nach meinem Stadtplan ist um den Bahnhof Wuhlheide nur Natur, keine Bebauung also auch keine Leute und viele Schienen sind dort auch eingezeichnet. Die Schranken schließen, Warteaufstellung habe ich außerhalb des Sichtbereiches Schrankenposten. Aber es warten Autos und auch Fußgänger, mit den sich nähernden Auspuffschlägen steigt auch der Herzschlag, nur nicht schauen, ob keiner uns im Auge hat, Kamera schussfertig in der Hand verborgen, schnell die Schritte auf die Brücke, ein Foto und zügig unauffällig zur S-Bahn. Nur so ist zu erklären, dass der Busch genau vor der Lok ist.
Bild 05 Auf dem Hinweg hatte ich in Karlshorst diese 03 gesehen. Aussteigen und zu Fuß erkunden, erschien mir viel zu riskant. An der Tür stehen, Kamera in der Handschlaufe hängt hinter der Sprelacart-Abdeckung, für die anderen Fahrgäste nicht zu sehen. Wegen der sommerlichen Hitze stehen die Fenster offen, aus dem fahrenden Zug ist mir das Bild ganz gut geglückt, und hingeschaut hat auch keiner.
Bild 06 Der Ausschnitt hiervon:
(Daher 8,5 Bilder)
Bild 07 Vom Imbiss am Alex (auch so eine Erfahrung) zurück zur 03, da muss noch ein Bild drin sein.
Eine Reko 01 kommt entgegen, gut erwischt , langsam aber beginnen die Überlegungen: Aufhören und diese Bilder sicher haben oder weiter auf das bisherige Glück vertrauen?
Bild 08 Aus einem fast leeren Zug ist dies Foto nicht so aufregend:
Bild 09 Keine wesentliche Erinnerung an die Ausreiseprozedur, im Bahnhof Hallesches Tor auf einmal diese Gegenlichtszene – in schnellen Bildern war ich ja nun geübt. Und hier kann mir keiner was.
Die Rückfahrt von Berlin fand am Tage statt, wir hatten fast einen Wagen für uns der Fensterplatz war meiner – aber das wird ein eigener Beitrag werden.
Zum Thema Fotoerlaubnis bei der Reichsbahn habe ich schon einen Beitrag geschrieben:
[
www.drehscheibe-foren.de]
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:06:19:18:41:51.