Die Bülach-Regensberger-Bahn B.R. wurde 1865 als arme Filiale der noblen Schweizerischen Nordostbahn NOB gegründet. Sie betrieb bis 1877 die Strecken (Zürich-) Oerlikon - Bülach und Oberglatt - Dielsdorf. Ursprünglich als Pferdebahn geplant, erhielt sie dann aber doch Lokomotivbetrieb, weil die Anliegergemeinden ihren Beitrag rechtzeitig aufgestockt hatten. Aber was für Lokomotiven? Allerliebste Tenderlokomotivchen, winzige B-Kuppler, kaum mehr als vergrösserte Baulokomotiven, von NOB-Maschinenmeister Krauss speziell für diese Arme-Leute-Bahn konstruiert. Hier eine der ältesten Typenfotos der Schweiz, es zeigt die drittgebaute Nummer 48.
NOB-Lok 48 um 1867 mit Personenzug der B.R. im ersten Bahnhof Bülach. Als Personenwagen dienten schon längst ausgemusterte und für die B.R. eigens wieder aufgepäppelte Fahrzeuge der ersten schweizerischen Eisenbahn Zürich - Baden von 1847, gebaut bei Schmieder und Mayer in Carlsruhe.
Selbstverständlich existieren aus jener Zeit wegen den langen Verschlusszeiten keine Streckenaufnahmen. Der Lithograf H. Manz hat sich jedoch die Mühe gemacht, einen Zug aus den allerersten Betriebsjahren der B. R. in seine Darstellung der neu entstandenen Baumwollspinnerei-Industrie im "Jakobsthal" an der Glatt einzufügen. Ist der Zug etwas vereinfacht gezeichnet, so ist der Spinnereikomplex mit der ersten industriellen Dampferzeugungsanlage im Zürcher Unterland umso akkurater dargestellt. Die Industrieanlage war äusserlich fast unverändert in Betrieb bis zum weltweiten Zerfall der Textilpreise im Jahre 1982. Nur ein paar kleinere Hallen kamen im Laufe der Zeit dazu.
Die ursprüngliche Dampfmaschine aus dem Jakobsthal trieb die Maschinen über Transmissionen direkt an. Sie steht heute im Deutschen Museum in München! Die zweite Dampfmaschine betrieb einen Generator, die Maschinen wurden fortan elektrisch betrieben. Die Aussicht auf das Jakobsthal blieb also bis vor 30 Jahren von der Eisenbahnstrecke Zürich - Bülach praktisch unverändert, dann wurden die Gebäude zusehends vom Zerfall geprägt: Deckeneinstürze, ein Brand und Vandalismus liessen eine Ruinenlandschaft entstehen. Nachdem jahrzehntelange Rettungsbemühungen nichts fruchteten, werden die Gebäude in diesen Tagen abgebrochen. Dabei wurden Einblicke in die 120 Jahre alte Energiezentrale möglich. Leicht o.T. deshalb die ersten von meinem Sohn Tobias hergstellten Bilder für das HiFo. Da ich weiss, dass die Freunde der alten Industriekultur, die ja immer auch einen Bezug zur Eisenbahn hat, hier im Forum gut vertreten sind, erlaube ich mir diese aktuellen Illustrationen. Vor mehr als 10 Jahren waren sie einfach noch nicht machbar.
Aufnahme von Westen (links auf der Lithografie). Gut sichtbar der Hochkamin mit quadratischem Grundriss, links das mehrstückige Gebäude der Baumwollspinnerei. Dazwischen das bis 1976 (Glattabsenkung) benützte Turbinenhaus der Wasserkraftanlage.
Übersicht von Nordwesten; links die Glatt, der Schattengrenze (rechts) entlang bestand bis 1976 der Fabrikkanal, der wie die Dampfmaschine der Energieverorgung diente.
Im Turbinenhaus am ehemaligen Fabrikkanal.
Das eingewachsene Ruinengelände wird vor dem Abbruch freigelegt.
Einblick in die mehrstöckige Baumwollspinnerei. Das Dach hat beim Einsturz die Stockwerkböden mitgerissen.
Nun ein paar Einblicke in die Maschinenhalle: Die Dampfkessel wurden in Winterthur von Gebr. Sulzer gebaut, hier die Feuerung.
Die Ventilsteuerung der Tandem-Verbund-Dampfmaschine, eine technische Pionierleistung der Firma Sulzer.
Blick vom Zylinder über Pleuelstange und Schwungrad zum Generator.
Die Steuerungsseite der Tandem-Zylinder
Der Dynamo, die Kupferdiebe haben auch hier zugeschlagen.
Blick auf die elektrische Schaltzentrale im oberen Stockwerk
Ob nun, im allerletzten Augenblick, noch Teile der alten Technik gerettet werden können, entzieht sich meiner Kenntnis.
Um wieder an den Anfang zurückzukehren: NOB-Maschinenmeister Krauss hat sich unmittelbar nach dem Erfolg seiner ersten, sehr sparsamen Nebenbahnloks für die B.R. selbstständig gemacht und in den ersten Jahrzehnten wie kein anderer Dampfloks für einfache Betriebsverhältnisse gebaut, die von ihm massgeblich mitentwickelte Dampfstrassenbahn zu einer mehrere Jahrzehnte dauernden Blütezeit gebracht, als "Dampftramway Krauss" sogar selber betrieben. Als Versöhnung nach den fürs HiFo vielleicht doch zu neuen OT-Bildern die letzte mir bekannte Aufnahme einer der vier für die B.R. gebauten Krauss-Loks. Sie ist hier im Bahnhofsverschub zu sehen, während den grossen Umbauarbeiten des Zürcher Hauptbahnhofes von 1868-1871. Das Bild lohnt auch aus anderen Gründen eine eingehende Betrachtung, wie ein von mir ausserordentlich geschätzter HiFo-Autor schreibt: "Auf alten Bildern..." - wie wahr!
Schönen Sonntag noch! Werner
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:03:26:07:31:47.