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 04 - Historisches Forum 

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Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Die Bülach-Regensberger-Bahn B.R. wurde 1865 als arme Filiale der noblen Schweizerischen Nordostbahn NOB gegründet. Sie betrieb bis 1877 die Strecken (Zürich-) Oerlikon - Bülach und Oberglatt - Dielsdorf. Ursprünglich als Pferdebahn geplant, erhielt sie dann aber doch Lokomotivbetrieb, weil die Anliegergemeinden ihren Beitrag rechtzeitig aufgestockt hatten. Aber was für Lokomotiven? Allerliebste Tenderlokomotivchen, winzige B-Kuppler, kaum mehr als vergrösserte Baulokomotiven, von NOB-Maschinenmeister Krauss speziell für diese Arme-Leute-Bahn konstruiert. Hier eine der ältesten Typenfotos der Schweiz, es zeigt die drittgebaute Nummer 48.
http://img593.imageshack.us/img593/8982/brlok48.jpg

NOB-Lok 48 um 1867 mit Personenzug der B.R. im ersten Bahnhof Bülach. Als Personenwagen dienten schon längst ausgemusterte und für die B.R. eigens wieder aufgepäppelte Fahrzeuge der ersten schweizerischen Eisenbahn Zürich - Baden von 1847, gebaut bei Schmieder und Mayer in Carlsruhe.
http://img542.imageshack.us/img542/7558/haerdoepfelbahn.jpg

Selbstverständlich existieren aus jener Zeit wegen den langen Verschlusszeiten keine Streckenaufnahmen. Der Lithograf H. Manz hat sich jedoch die Mühe gemacht, einen Zug aus den allerersten Betriebsjahren der B. R. in seine Darstellung der neu entstandenen Baumwollspinnerei-Industrie im "Jakobsthal" an der Glatt einzufügen. Ist der Zug etwas vereinfacht gezeichnet, so ist der Spinnereikomplex mit der ersten industriellen Dampferzeugungsanlage im Zürcher Unterland umso akkurater dargestellt. Die Industrieanlage war äusserlich fast unverändert in Betrieb bis zum weltweiten Zerfall der Textilpreise im Jahre 1982. Nur ein paar kleinere Hallen kamen im Laufe der Zeit dazu.
http://img713.imageshack.us/img713/1044/brbild6jakobsthal.jpg

Die ursprüngliche Dampfmaschine aus dem Jakobsthal trieb die Maschinen über Transmissionen direkt an. Sie steht heute im Deutschen Museum in München! Die zweite Dampfmaschine betrieb einen Generator, die Maschinen wurden fortan elektrisch betrieben. Die Aussicht auf das Jakobsthal blieb also bis vor 30 Jahren von der Eisenbahnstrecke Zürich - Bülach praktisch unverändert, dann wurden die Gebäude zusehends vom Zerfall geprägt: Deckeneinstürze, ein Brand und Vandalismus liessen eine Ruinenlandschaft entstehen. Nachdem jahrzehntelange Rettungsbemühungen nichts fruchteten, werden die Gebäude in diesen Tagen abgebrochen. Dabei wurden Einblicke in die 120 Jahre alte Energiezentrale möglich. Leicht o.T. deshalb die ersten von meinem Sohn Tobias hergstellten Bilder für das HiFo. Da ich weiss, dass die Freunde der alten Industriekultur, die ja immer auch einen Bezug zur Eisenbahn hat, hier im Forum gut vertreten sind, erlaube ich mir diese aktuellen Illustrationen. Vor mehr als 10 Jahren waren sie einfach noch nicht machbar.
Aufnahme von Westen (links auf der Lithografie). Gut sichtbar der Hochkamin mit quadratischem Grundriss, links das mehrstückige Gebäude der Baumwollspinnerei. Dazwischen das bis 1976 (Glattabsenkung) benützte Turbinenhaus der Wasserkraftanlage.
http://img256.imageshack.us/img256/7537/imgtobi13.jpg

Übersicht von Nordwesten; links die Glatt, der Schattengrenze (rechts) entlang bestand bis 1976 der Fabrikkanal, der wie die Dampfmaschine der Energieverorgung diente.
http://img525.imageshack.us/img525/4116/imgtobi5.jpg

Im Turbinenhaus am ehemaligen Fabrikkanal.
http://img254.imageshack.us/img254/4294/imgtobi12.jpg

Das eingewachsene Ruinengelände wird vor dem Abbruch freigelegt.
http://img832.imageshack.us/img832/4545/imgtobi4.jpg

Einblick in die mehrstöckige Baumwollspinnerei. Das Dach hat beim Einsturz die Stockwerkböden mitgerissen.
http://img171.imageshack.us/img171/1905/imgtobi10.jpg

Nun ein paar Einblicke in die Maschinenhalle: Die Dampfkessel wurden in Winterthur von Gebr. Sulzer gebaut, hier die Feuerung.
http://img263.imageshack.us/img263/9463/imgtobi1.jpg

Die Ventilsteuerung der Tandem-Verbund-Dampfmaschine, eine technische Pionierleistung der Firma Sulzer.
http://img17.imageshack.us/img17/1043/imgtobi3.jpg

Blick vom Zylinder über Pleuelstange und Schwungrad zum Generator.
http://img220.imageshack.us/img220/831/imgtobi6.jpg

Die Steuerungsseite der Tandem-Zylinder
http://img17.imageshack.us/img17/9766/imgtobi11.jpg

Der Dynamo, die Kupferdiebe haben auch hier zugeschlagen.
http://img26.imageshack.us/img26/1628/imgtobi9.jpg

Blick auf die elektrische Schaltzentrale im oberen Stockwerk
http://img32.imageshack.us/img32/7178/imgtobi8.jpg

Ob nun, im allerletzten Augenblick, noch Teile der alten Technik gerettet werden können, entzieht sich meiner Kenntnis.

Um wieder an den Anfang zurückzukehren: NOB-Maschinenmeister Krauss hat sich unmittelbar nach dem Erfolg seiner ersten, sehr sparsamen Nebenbahnloks für die B.R. selbstständig gemacht und in den ersten Jahrzehnten wie kein anderer Dampfloks für einfache Betriebsverhältnisse gebaut, die von ihm massgeblich mitentwickelte Dampfstrassenbahn zu einer mehrere Jahrzehnte dauernden Blütezeit gebracht, als "Dampftramway Krauss" sogar selber betrieben. Als Versöhnung nach den fürs HiFo vielleicht doch zu neuen OT-Bildern die letzte mir bekannte Aufnahme einer der vier für die B.R. gebauten Krauss-Loks. Sie ist hier im Bahnhofsverschub zu sehen, während den grossen Umbauarbeiten des Zürcher Hauptbahnhofes von 1868-1871. Das Bild lohnt auch aus anderen Gründen eine eingehende Betrachtung, wie ein von mir ausserordentlich geschätzter HiFo-Autor schreibt: "Auf alten Bildern..." - wie wahr!
http://img526.imageshack.us/img526/7966/brzuerichhb.jpg

Schönen Sonntag noch! Werner



5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:03:26:07:31:47.
Hallo,
Abstecher in die altvordere Industriekultur sind immer willkommen,wenigstens bei mir.
Nur schade dass manches davon (wie hier) gedankenlos dem Verfall preisgegeben wird.

Danke für den Ausflug in eine vergangene Epoche
Kohle
Phantastische Fotos, ein Highlight in diesem Forum! Habe gerade das empfehlenswerte Buch zum "Gnom" im Schweizer Verkehrshaus durchgelesen (ISBN 3905111802), da paßt das ganz gut als Dessert.

Interessant auch, daß es von den Wagen der Spanischbrötlibahn sogar ein Foto gibt (das einzige?). Vielen Dank fürs Zeigen.

Freundliche Grüße,

Andreas



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:03:25:15:26:15.
Ein interessanter Beitrag, einen herzlichen Dank dafür.

Schade um das Industrieensemble, ein schönes Beispiel wie es auch anders geht ist die Tuchfabrik Müller in Euskirchen, die komplett erhalten als LVR-Museum für Industriegeschichte gepflegt wird und einen Besuch lohnt. Der Wikipediaeintrag dazu ist reichlich ausführlich [de.wikipedia.org] ,der Link wird wohl nicht funktionieren, bei Interesse den Suchbegriff "Tuchfabrik Müller" bei Wikipedia eingeben.

OttoBahn
awerner schrieb:
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>
> Interessant auch, daß es von den Wagen der
> Spanischbrötlibahn sogar ein Foto gibt (das
> einzige?).
> Andreas

Ja, bis jetzt ist keine andere Fotografie der Wagen von 1847 bekannt. Sie sind eindeutig identifizierbar, denn sie zeigen die einachsigen Lenkuntergestelle Bauart Wetzlich, welche Schmieder und Mayer damals den Schweizern andrehen konnte.
http://img4.imageshack.us/img4/7048/brblach1867.jpg

Die Bauart Wetzlich bewährte sich gar nicht. Die Lenk-Untergestelle von 1847 wurden zwar beibehalten, anlässlich der Aufarbeitung 1865 für die B.R. aber fix verschraubt. Vor wenigen Jahren erst kam ein Paar dieser Untergestelle von 1847 zum Vorschein, als bei der Forma Blockmetall in Buchs ZH der Rampenwagen genauer unter die Lupe genommen wurde. Der Holzplattform-Aufbau ist nicht original, denn die übrig gebliebenen Spanischbrötlibahn wurden von der NOB ab 1872 zu "Bahnhofswagen" (nicht streckengängige Flachwagen) umgebaut, weil man sie nicht mehr mit dem Zughaken- und Puffer-System ausrüsten wollte.
http://img195.imageshack.us/img195/9498/brwetzlich.jpg

...schon fast prähistorisch...



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:02:22:13:29:49.
Ich hoffe wirklich, dass sowohl die Dampfmaschine (einschließlich mindestens der Kesselfront!!!) als auch dieses Wagonfragment irgendwie erhalten werden können.

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
Kondenslok.de (temporär offline) + Industrial Railways of Indonesia SIG (fc)
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.
52 2006 schrieb:
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> Ich hoffe wirklich, dass sowohl die Dampfmaschine
> (einschließlich mindestens der Kesselfront!!!) als
> auch dieses Wagonfragment irgendwie erhalten
> werden können.

Das Wetzlich-Untergestell von 1847 wurde auf dem Gelände der Dampfbahn Katzensee am Stadtrand von Zürich aufgestellt.
[www.dampfbahn-katzensee.ch]