>>> Link zum ersten Teil <<<
Willkommen beim zweiten Teil des Bildberichts über meine Reise von vor zwanzig Jahren. Nachdem ich gestern im ersten Teil geschrieben hatte, dass mir jegliche Fahrplanunterlagen zu der Reise fehlen, erhielt ich nach kurzer Rücksprache gestern am frühen Morgen die folgende SMS eines forenbekannten IM:
Zitat:
Lieber Kunde, Ihre Bestellung: Deutsche Reichsbahn / Deutsche Bundesbahn, Kursbuch 1991 / 1992 Gesamtausgabe, 2. Juni 1991 bis 30. Mai 1992 wurde in unserem Lager gefunden und wird unserem Logistikpartner übergeben. Voraussichtliche Lieferung 13.1.2012 vor 16 Uhr.
und nur wenige Stunden später
Zitat:
Lieber Kunde, unser Paketbote hat Sie leider nicht erreicht, zum Nachbarn wollte er auch nicht gehen. Ihre Lieferung liegt deshalb im Korridor auf Ihrer Treppe zum Obergeschoß. Viele Grüße
Grüße zurück an IM Frieder Schwarz, der mir damit ermöglicht, die Fahrten ein wenig besser nachzuvollziehen. Und besonderen Dank für die prompte Lieferung
Kommen wir gleich mal zum Fahrplan:
Ich startete am Sonntag, 12.01.1992 mit E3187 von Mannheim (21:30 Uhr) nach Heidelberg (21:44 Uhr).
Nach einiger Wartezeit nutzte ich für die Nachtfahrt den D1459 (Basel - Leipzig), der Heidelberg um 23:43 Uhr verließ und in Leipzig um 6:11 Uhr ankam.
Von Leipzig nach Zeitz kann's nur so gewesen sein: Mit P4501 von Leipzig Hbf um 6:44 Uhr nach Leipzig-Leutzsch (an 6:55 Uhr) und weiter mit N 6091 (Leutzsch 7:06 Uhr - Bornitz b. Zeitz 7:52 Uhr). Ich kann mich an ein Umsteigen in Leutzsch allerdings nicht erinnern, möglich wäre auch gewesen, dass die Zuggarnitur in Leutzsch durchlief und nur die Zugnummer wechselte.
Von Bornitz dann zu Fuß nach Zeitz. Dort hatte ich gestern aufgehört, und genau da machen wir jetzt weiter. Es ist Montag, der 13. Januar 1992, schätzungsweise etwa 11 Uhr:
Die zuvor in Richtung Altenburg ausgefahrene 220 176 kommt Lz zurück:
Leider farblich und schärfetechnisch nicht so klasse - die Geraer 219 072 fährt in Richtung Leipzig aus. Diese Lok war damals erst gut zehn Jahre alt, hatte aber die Hälfte ihres aktiven Lebens schon hinter sich - sie wurde nach nur neunzehn Einsatzjahren im August 2000 beim Bw Meiningen abgestellt und drei Jahre später verschrottet. Die Schäfchen nahmen keinerlei Notiz von ihr:
Schon wieder "nur" eine 232 dachte ich. Aber nein, was mir da vor die Linse kam war ein relativ seltenes Stück. Die Weißenfelser 131 158 war eine von drei Loks der Reihe 131, die durch Umbau aus der Baureihe 130 entstanden waren. Sie wurde 1972 in Lugansk gebaut und als 130 058 an die DR geliefert. Im Jahr 1986 wurde die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auf 100 km/h reduziert und die Lok damit der Baureihe 131 angeglichen. Auch ihr war kein langes Leben beschert, auf den Tag genau ein Jahr nach dieser Aufnahme wurde sie abgestellt und 1995 verschrottet. Wie an so vielen Loks zur Zeit der Umzeichnung fehlten auf einer Stirnseite und auch auf der mir zugewandten Längsseite die Betriebsnummern - auf der zu den Kesselwagen gewandten Stirnseite trug sie noch die DR-Nummer 131 158:
Ich machte mich nun auf den Weg zum Bahnhof, der noch etwa anderthalb Kilometer entfernt lag. Unterwegs zeigte sich als nächstes die 219 108 des Bw Gera. Auch diese Lok wurde nur 19 Jahre alt, aber immerhin hat man sie noch etwa sieben Monate vor der endgültigen Abstellung verkehrsrot lackiert :-(
Unterwegs kam ich an den ausgedehnten Gleisanlagen für den Güterverkehr vorbei, wo die 346 296 des Bw Leipzig Hbf Süd fleißig rangierte - Stilleben mit Goldbroiler:
Am Rande des Bw Zeitz hatte man fünf ausgemusterte E94 abgestellt, von denen aber für mich (auf legalem Weg, ohne irgendwelche Gleise zu überschreiten) nur drei einigermaßen fotografierbar waren. Da alle diese Bilder keine großen Kunstwerke geworden sind zeige ich nur dieses eine - links 254 052, daneben steht die 254 040. Bemerkenswert finde ich, dass es ausgerechnet eine der ältesten hier vorkommenden Loks geschafft hat, zu überleben - 254 052 gehört der LEG, sieht besser aus als je zuvor, ist aber leider derzeit nicht betriebsfähig:
Mittlerweile war ich in Zeitz angekommen. Nachdem ich mich in der örtlichen Gastronomie verpflegt hatte gings natürlich auf den Bahnhof. Das Wetter trübte sich leider ein. Hier wartete die Leipziger 228 805 darauf, ihre Schwenkdachwagen weiterzubefördern:
Nebenan stand die 201 171 am Bahnsteig bereit. Wie auch andere Loks des Bw Weißenfels hatte sie ihre neue Loknummer auf richtigen Lokschildern mit Metallziffern bekommen. Nach ihrer Ausmusterung 1995 war sie im Stahlwerk Unterwellenborn bis 2008 aktiv und ist heute noch - nicht betriebsfähig - erhalten:
Die Sonne ließ sich wieder blicken und beleuchtete die Geraer 219 061:
Eigentlich wollte ich nun zurück nach Leipzig und kaufte mir am Schalter eine Fahrkarte für die "Fernbahnzone 7".
Danach begab ich mich wieder zum Bahnsteig, wo ich noch eine 220 entdeckte - und was für ein herrlich betriebsechtes Prachtstück war die Altenburger 220 206. Da ich nicht wusste, ob sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde, machte ich zunächst mal einen "Notschuss" quer über die Gleisanlage. Aus heutiger Sicht finde ich dieses Bild hochinteressant, zeigt es doch viel vom damaligen Zustand und vom "Flair" der Anlagen:
Es stellte sich aber heraus, dass die Lok nur rangierte. Sie kam an den Bahnsteig, wo die zweiteilige LVT-Garnitur 772 132 und 972 732 für P15621 zur Fahrt nach Altenburg bereit stand und wurde per Kupplungsadapter vor den LVT gehängt. Reichsbahn-Schienenbus mit Wummenvorspann - das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Kurzerhand änderte ich meine Pläne - mit einem Umweg über Altenburg kam man ja auch wieder nach Leipzig, und ich musste ja auch erst am späten Abend wieder dort sein. Und meine Fahrkarte konnte ich benutzen, denn sie war nicht mit einem Zielbahnhof, sondern nur mit einer "Zone" beschriftet - das konnte also auch Vorteile für den Fahrgast haben. Noch schnell rüber an den Nachbarbahnsteig, für ein Foto vor der Abfahrt...
...und dann eingestiegen - so schnell, dass ich noch nicht einmal ein Bild von der Adapterkupplung gemacht habe! Die gut 25 Kilometer lange Strecke legten die dort eingesetzten Personenzüge in der sagenhaften Zeit von einer knappen Stunde zurück, aber hauptsächlich diente sie wohl dem Güterverkehr. Der P15621 startete in Zeitz um 13:26 Uhr und erreichte Altenburg um 14:25 Uhr. Die Fahrt war genial, ein einziger Ohrenschmaus. Die Strecke war auch nicht schlecht, Natur und Industie wechselten sich ab, stellenweise glich die Umgebung einer Mondlandschaft. Mein absoluter Haltepunkt-Favorit (des Namens wegen) war der Hp "Rositz Teerverarbeitungswerk". Ich habe während der ganzen Fahrt unterwegs kein einziges Bild gemacht - das Zugpersonal hätte sicher mal irgendwo auf mich gewartet. Insbesondere der Tf des LVT war extrem entspannt ;-).
Heutzutage dürfte von der Strecke nicht mehr viel da sein.
Noch schnell zwei Bilder von der Ankunft des ungleichen Gespanns in Altenburg gemacht - sechs Achsen Diesellok und vier Achsen Schienenbus - das Zugpersonal entkuppelte sofort...
...und nebenan kamen 243 022 und 250 112, beide noch mit Reichsbahnnummern, vorbei:
Das Licht wurde immer schlechter, und so entstanden an diesem Tag auch nicht mehr viele Bilder. 220 137 war mir am Vormittag in Zeitz schon begegnet:
Auch ein Holzroller ließ sich blicken - 109 042 lief im Wendezugdienst:
250 214 gehörte zum Bw Reichenbach und war noch nicht umgezeichnet:
Diese 228 trug an allen Seiten keine Loknummern - auf Nachfrage beim Lokführer erfuhr ich, dass es sich um die Leipziger 228 746 handelte:
Das Abschlussbild dieses Tages ist die 220 193:
Eigentlich hätte ich mit meiner "Fernbahnzone 7" aus Zeitz ja noch einige Bahnhöfe in Richtung Leipzig weiterfahren können. Heute erschließt es sich mir nicht mehr, warum ich dann nochmal die volle Strecke neu gelöst habe - aber ich fand schon damals die DR-Fahrscheinautomaten mit ihren kleinen Fernsehern und den aus Nägeln (oder Stecknadelköpfen) gebildeten Sensortasten ausgesprochen kultig.
Hier wollte ich eigentlich die Frage "gibts sowas noch irgendwo als Museumsstück?" anschließen, aber wie fast immer weiß das Internet mehr - Interessantes zur Technik der DR-Fahrscheinautomaten findet sich auf der Seite
>>> robotrontechnik.de <<<
Vermutlich habe ich zur Fahrt nach Leipzig den P6504 genutzt (Altenburg 17:42 Uhr - Leipzig Hbf 18:50 Uhr). In Leipzig angekommen, ging ich erstmal ordentlich essen. Trotzdem wundere ich mich heute darüber, dass ich weder im Hauptbahnhof noch von der Straßenbahn irgendwelche Nachtbilder probiert habe. Mein Nachtzug nach Rügen sollte der D 710 werden, der Leipzig um 0:25 Uhr verließ. Er stand aber schon deutlich früher am Bahnsteig bereit, und so machte ich es mir bequem.
Von Rügen dann morgen mehr.
Mit freundlichen Grüßen
Ralph Dißinger
"Wenn das 'gesunde Volksempfinden' an die Macht kommt, endet das oft im Weltkrieg.
Geist addiert sich nicht. Dummheit schon." Dieter Nuhr