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Hallo zusammen!

Diesmal soll es bei Fahrplangeschichte(n) um die Geschichte einer Nebenbahn gehen, die immer etwas im Schatten "spektakulärer", "romantischerer" oder einfach "bekannterer" Bahnen lag. Der Artikel erscheint als Trilogie, hier Teil 1, von der Eröffnung der Bahn bis vor dem Auftauchen des ersten Bahnbusses auf der Relation.

Link zum Blog Fahrplangeschichte(n): [fahrplanspiele.wordpress.com]

Bisher erschienene Artikel:
Mit dem "Postzug" von Nürnberg nach Augsburg[wp.me],[www.drehscheibe-foren.de]
D 1323/1322: Direktverbindung aus dem Ruhrgebiet an die Adria[wp.me],[www.drehscheibe-foren.de]
Mit dem Bahnbus von Augsburg nach Donauwörth[wp.me],[www.drehscheibe-foren.de]

Die am 7.Juni 1905 eröffnete Lokalbahn von Mertingen nach Wertingen schloss die frühere Kreisstadt Wertingen an die große weite Welt an. Diese Anbindung war – typisch für die bayerischen Lokalbahnen – auf dem kostengünstigsten Wege realisiert worden, nämlich indem man weitgehend dem weiten Tal der Zusam folgte und in Mertingen auf die Ludwigs-Süd-Nord-Bahn traf.Der Ort Mertingen selber hatte immer eigentlich nur eine Bedeutung als Umsteigestation, die zudem noch ziemlich abseits des Ortskerns lag, weshalb der Bahnhof bis heute „Mertingen Bahnhof“ heißt, zur Unterscheidung von „Mertingen Ort“ an der Lokalbahn. Andere andiskutierte Anbindungen von Wertingen waren als zu aufwändig abgelehnt worden. Nach Meitingen wären zu große Höhenunterschiede zu bewältigen gewesen, allerdings wäre dies der klassische Weg der auch 1905 noch verkehrenden Postkutschen gewesen und auch die Anbindung Richtung Augsburg und München wäre deutlich kürzer gewesen. Richtung Dillingen, zu dessen Landkreis Wertingen heute gehört und wo ebenfalls 1905 Postkutschen verkehrten, hätte das Donaumoos und die Donau selber aufwändig überquert werden müssen, und Richtung Süden nach Welden, auch hier gab es 1905 Postkutschenverkehr, als Verlängerung der zwei Jahre zuvor eröffneten Weldenbahn, sah man zu wenig Potential. So kam also die nicht gerade direkt zu den späteren Hauptverkehrsströmen liegende Streckenführung nach Mertingen zu Stande, die dazu führte, dass die Bahn spätestens mit Aufkommen des PKW und der Buslinien keine adäquate Verbindung für Verkehre von Wertingen Richtung Augsburg und München mehr darstellte.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/1905_Karte_Mert-Wert.png
Bild 1: Die realisierte Lokalbahn Mertingen - Wertingen (grün) im Kartenbild der bei der Eröffnung existierenden anderen Bahnstrecken. Die Direktverbindung Donauwörth - Treuchtlingen der heutigen Hauptbahn Augsburg - Nürnberg fehlte noch. Rot eingezeichnet die anderen diskutierten Alternativen für die Anbindung von Wertingen ans Eisenbahnnetz. Eigene Bearbeitung auf Grundlage der Karte zum Reichs-Kursbuch 1905.

Der Eröffnungsfahrplan sah drei Personenzugpaare vor, die recht gleichmäßig über den Tag verteilt waren: Je eines morgens, mittags und abends. Im Gegensatz zur Fahrt mit der Postkutsche bis Meitingen und ab dort mit dem Zug war nun beispielsweise die morgendliche Reise nach Augsburg etwa 45 Minuten schneller durchzuführen und dauerte "nur" noch gut 2 1/2 Stunden.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/1905_298c.png

Bild 2: Der Eröffnungsfahrplan von 1905. Quelle: Reichs-Kursbuch Juli 1905.

Zur Grundausstattung der Strecke gehörte eine bay D VII, diese Baureihe bewältigte auch in den nächsten Jahren den Verkehr auf der Strecke.

Bis 1917 hatte sich nicht sehr viel geändert. Unterwegs war zusätzlich der Bedarfshalt Vorderried eingerichtet worden. Es verkehrten immer noch drei Zugpaare, die zeitlich noch weiter auseinander gezogen worden waren und die Züge waren im Durchschnitt sogar ein paar Minuten langsamer geworden.

Zwischen 1917 und 1927 war die Bedarfshaltestelle Vorderried, die sowieso ziemlich abseits vom Ort gelegen hatte, wieder aus dem Fahrplan verschwunden. Die damals wohl um die 70-80 Einwohner mussten nun eben nach Buttenwiesen laufen. Dafür war an "Festtagen" ein neues, spätabendliches Zugpaar hinzugekommen, das Wertingen um 21:13 verließ und um 23:17 zurückkehrte. Die meisten Züge waren auch wieder etwas schneller geworden. Übrigens trug 1927 die Fahrplantabelle den Vermerk "alle Züge nur 4. Klasse".

Auch 1935 verkehrten nur die 3 Zugpaare plus das Zusatzpaar an Festtagen, allerdings verkehrte der Morgenzug nun erst um 7:36 statt 5:15 ab Wertingen, entsprechend lag auch die Rückleistung später. Die Reisezeiten verkürzten sich um etwa 10 Minuten, woraus zu schließen ist, dass wohl leistungsstärkere und schnellere Loks zum Einsatz kamen, war es schon die Baureihe 70.0, die für die 40er und 50er-Jahre überliefert ist? Auf jeden Fall konnte man nun, da auch die Strecke Donauwörth - Augsburg durch die Elektrifizierung deutlich beschleunigt war in 1 1/2 Stunden nach Augsburg reisen.

Bis 1939 war wieder eine Frühfahrt ab Wertingen zumindest an Werktagen eingerichtet worden, für die es jedoch keine Rückleistung gab (Rück als Güterzug?). Das Mittagspaar dürfte der Zugnummer nach wohl als GmP verkehrt sein.

http://www.deutsches-kursbuch.de/bilder/5_47.jpg

Bild 3: Unsere Nebenbahn im Kursbuch 1939. Quelle: [www.deutsches-kursbuch.de]

Bis 1944 weitete sich das Angebot nochmals aus: Der frühmorgendliche Zug nach Mertingen hatte nun auch eine Rückleistung und das spätabendliche Paar verkehrte deutlich früher (etwa 2 Stunden) aber nun nicht mehr nur an Festtagen sondern täglich. Interessant also, dass hier gegen Ende des Krieges das dichteste Fahrplanangebot seit Schaffung der Verbindung gefahren wurde. Was mag der Grund dafür gewesen sein, größere Rüstungsbetriebe entlang der Strecke sind mir nicht bekannt. Der GmP verkehrte nun Vormittags nach Wertingen und Nachmittags zurück.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/194445_411b.png

Bild 4: Das bis dahin dichteste Angebot aller Zeiten bot der Kriegsfahrplan 1944/45. Quelle: [www.pkjs.de]

Dieses Angebot konnte sich auch nach dem Krieg halten. Auch 1949/50 verkehrten werktags immer noch 5 Zugpaare, an Sonn- und Feiertagen hatte sich die Anzahl sogar nochmals von 4 auf 5 erhöht.

Bis zum Sommerfahrplan 1957 hatte sich das Fahrplanangebot nochmals auf nun 7 werktägliche Zugpaare erweitert. Während bisher der Personenzugverkehr immer mit einer einzigen Zuggarnitur abgewickelt werden konnte, gab es nun einen Zweizugverkehr. Mangels Kreuzungsmöglichkeit auf den Zwischenstationen gab es die Zugbegegnungen aber nur an den Endbahnhöfen Mertingen und Wertingen. Das Grundangebot leistete ein Triebwagen, der von ca. 5 Uhr bis 21 Uhr, am Wochenende sogar bis 23:30 Uhr auf der Strecke pendelte. Für 1958 ist in der Literatur fotografisch ein VT70.9 im Endbahnhof Wertingen nachgewiesen, so dass diese Baureihe damals wohl planmäßig dort eingesetzt war. Das Bw Augsburg beheimatete damals 4 der Zweiachser. Zusätzlich war werktags eine dampfgeführte Garnitur mit Verstärkerzügen unterwegs, morgens um halb 6 von Wertingen über Mertingen nach Donauwörth, um 19:06 von Mertingen nach Wertingen und kurz nach 21 Uhr wieder zurück, der Zugnummer nach diesmal als GmP. Vermutlich war die Lok auch tagsüber im Rangier- und Güterzugdienst beschäftigt.

http://www.histoliga.de/fahrplangeschichten/1957_411b.png

Bild 5: Die KBS 411b 1957. Triebwageneinsatz prägt den Betrieb, aber es sind auch noch dampfgeführte, lokbespannte Züge unterwegs. Quelle: Amtliches Kursbuch, Sommer 1957.

Damit endet Teil 1 der Dokumentation des Fahrplanangebots dieser Bahnstrecke, denn zwischen 1958 und 1962 tauchten erstmals neben den Zügen auch Bahnbusse auf dieser Relation auf. Den folgenden etwa 20 Jahren bis zum Ende des Bahnbetriebs soll dann Teil 2 gewidmet sein.


Offene Fragen:

- Welche Baureihe zog die Dampfzüge 1957?

- Fahrplanangebot zwischen 1949/50 und 1957.

- Wann begann der Triebwageneinsatz?

- In welchem Jahr begann der parallele Bahnbuseinsatz genau.


Weiterführende Literatur:

Bufe, Siegfried: "Eisenbahn in Schwaben", Egglham 1990

Breubeck, Reinhold: "Eisenbahnknoten Augsburg", Neustadt/Coburg 2007

Fiegenbaum, Wolfgang/Klee, Wolfgang: "Abschied von der Schiene", Stuttgart 1997

http://histoliga.de/fahrplangeschichten/gepflegtereise.png

Angebot vom 1. Januar 1946

geschrieben von: Eurocity341

Datum: 26.12.11 22:02

Hallo!

Zum Fahrplan, gültig ab 1.1.1946, kann ich noch folgendes beitragen.

In jenem Fahrplanabschnitt verkehrten 2 Zugpaare täglich. An Samstagen kam ein drittes Paar hinzu.

Mertingen - Wertingen

Beim 1. Zug jeder Richtung füge ich die Zwischenbahnhöfe ein, danach nur den Start- und Zielbahnhof.

2233

Mertingen Bahnhof 7.10 - Mertingen Ort 7.16 - Lauterbach 7.27 - Buttenwiesen 7.35 - Frauenstetten 7.42 - Wertingen 7.49

2237 (nur Sa)

Mertingen Bahnhof 15.20 - 15.26 - 15.37 - 15.44 - 15.51 - Wertingen an 15.58

8665

Mertingen Bahnhof 18.50 - 18.56 - 19.05 - 19.20 - 19.28 - Wertingen an 19.35

Gegenrichtung

2232

Wertingen 5.38 - Frauenstetten 5.46 - Buttenwiesen 5.53 - Lauterbach 6.00 - Mertingen Ort 6.11 - Mertingen Bahnhof 6.16

2236 (nur Sa)

Wertingen 13.21 - 13.29 - 13.37 - 13.44 - 13.55 - Mertingen Bahnhof 14.00

8664

Wertingen 16.21 - 16.30 - 16.41 - 16.50 - 17.01 - Mertingen Bahnhof 17.06

Im günstigsten Fall war man von Augsburg (mit Umsteigen) in nur 1 Stunde und 44 Minuten unterwegs., im schlechtesten Fall fast 4 Stunden.

Mit freundlichen Grüßen

Der Cottbuser

Re: Angebot vom 1. Januar 1946

geschrieben von: 628Vorserie

Datum: 26.12.11 22:13

Danke mal wieder!

Also doch eine deutliche Delle im Angebot in der unmittelbaren Nachkriegszeit - umso interessanter, dass 1949/50 schon wieder so ein umfangreiches Angebot bestand.

Das letzte Zugpaar 1946 war wohl das GmP-Paar, da die GmP auf der Strecke aber meist eine Fahrzeit etwa wie die Personenzüge hatten muss der Verschub auf die Anschlüsse der Unterwegsstationen tagsüber und nicht als GmP erfolgt sein - das dürfte eine eher unübliche Betriebsart sein, oder interpretiere ich da was falsch? Wer weiß da mehr dazu?

Markus

Fahrzeugeinsatz

geschrieben von: Holger Riedel

Datum: 27.12.11 12:24

Hallo!

Zum Sommerfahrplan 1954 wurden im Zusamtal erstmals mehrere Züge aus wirtschaftlichen Gründen durch Busse ersetzt. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse (u.a. wegen Erstellung der Kanalisation in div. Gemeinden)war dieser Verkehr wenig erfolgreich, weshalb bereits zum Winterfahrplan 1954 wieder auf die Schiene gesetzt wurde und nagelneue Schienenbusse die inzwischen betagten 70ger weitgehend ablösten.
Für die lokbespannten Züge kamen mit zunehmender Ausmusterung der Nördlinger 70ger im letzten Drittel der fünfziger Jahre dann die Br 64 zum Einsatz bis diese im September 1966 von V 100 abgelöst wurden. Zeitgleich wurde auch der Busverkher zunehmen ausgeweitet.
Belegt ist auch der Einsatz des Nördlinger Einzelstücks ETA 179 105 im Fahrplanjahr 1959 - 1960. Von 1972 bis zur Angebotsumstellung 1981 waren dann überwiegend ETA 515 auf der Strecke im Einsatz.

Zur Fahrzeit des Güterzuges gibt ein Unfallbericht Auskunft: Am 14.10.1961 überfuhr 64 428 um 3.15 Uhr früh mit ihrem Güterzug ungebremst den 20 Tonnen schweren Betonprellbock am Bahnhofskopf in Wertingen und verlängerte damit die Strecke kurzzeitig über die Staatsstraße bis in den anschließenden Garten.

Quelle: Fiedler/Baumgärtner: Die Nebenbahn Mertingen-Wertingen - Sonderdruck des Historischen Vereins Dillingen 1990

Viele Grüße
Holger

Als kleine Ergänzung biete ich einen Ausschnitt aus ‚Dr. jur. W. Kochs Eisenbahn-Stationsverzeichnis…‘ (38. Auflage, Berlin 1907) an.

http://s1.directupload.net/images/user/111227/wq2t6lc9.jpg

Die Zeichen bzw. Abkürzungen haben folgende Bedeutung:
Schwarzer Punkt vor dem Stationsnamen: für den internationalen Güterverkehr eröffnete Stationen und Haltestellen

PHp: Personenhaltepunkt ohne Gepäckabfertigung

PHg: Haltestelle einer Lokalbahn mit Güteragentur

PHw: Haltestellen von Nebenbahnen mit Wärter

Freundliche Grüße

Helmut

Re: Fahrzeugeinsatz

geschrieben von: 628Vorserie

Datum: 27.12.11 19:56

Hallo!

Danke für die interessanten Infos - ich war schon über deinen Literaturtipp gestolpert, allerdings ist mir das Ding noch nicht zugänglich, ich muss wohl doch mal versuchen da ran zu kommen, hier in der Unibibliothek müsste das Ding vorrätig sein.

Zum Fahrzeugeinsatz in den 50ern:

Der csheint sich ja öfter geändert zu haben:

ETA 179 105 dürfte aber auch nur ein kurzer Gasteinsatz gewesen sein oder? Das Fahrzeug soll von Oktober 59 bis Mai 60 in Buchloe stationiert gewesen sein und ebenfalls bereits im Mai 60 in Haltingen ausgemustert worden sein.

[www.weberschock.de]
[www.oocities.org]

Serien-VT95 gab es ab 1952 im Bw Nördlingen, aber ab wann liefen sie auf unserer Bahn? Leider werden als Einsatzstrecken für die VT95 des Bw Nördlingen meist nur die von Nördlingen ausgehenden Nebenbahnen genannt.

Der von mir genannte VT70.9 war m.W. 1958 nur in Augsburg, nicht aber in Nördlingen beheimatet, was eigentlich gegen einen regelmäßigen Einsatz sprechen müsste, denn offensichtlich erfolgte der Fahrzeugeinsatz ja auch zu dieser Zeit noch vom Bw Nördlingen aus, wie kam der dann aber nach Wertingen? Planbedarf war ja immer nur ein Tw in den 50ern, da ist also noch einiges unklar.

Markus
Danke schön!

Damit ist klar, dass Vorderried schon sehr kurz nach der Eröffnung der Bahn seinen Haltepunkt - vermutlich ohne jede Ausstattung - bekam.

Markus

Re: Fahrzeugeinsatz

geschrieben von: BRbumz285

Datum: 27.12.11 22:50

Hallo Markus,

628Vorserie schrieb:
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> Serien-VT95 gab es ab 1952 im Bw Nördlingen, aber
> ab wann liefen sie auf unserer Bahn?

Holger Riedel hat diese Frage doch schon beantwortet - Winterfahrplan 1954.
Das von ihm zitierte Buch von Fiedler und Baumgärtner wurde 2005 noch
einmal in anderer Form aufgelegt. Ob es überarbeitet wurde, kann ich nicht
sagen. Eines von 1.500 Exemplaren des nun unter dem Titel "Das Gefecht von
Wertingen 1805 - Die Lokalbahn Mertingen - Wertingen eröffnet 1905" er-
schienenen Buches liegt mir vor. Die Angaben decken sich.

Grüße

BRbumz285