Bevor ich wieder einen Fast-Nachruf wie bei der BR 143 schreibe, melde ich mich einfach mal zwischendurch mit einem kleinen Beitrag über die Einsätze der BR 232 in meinem Revier zu Wort. 18 Jahre hat sie schon im Ruhrgebiet und den angrenzenden Landschaften verbracht, wo sie von ihrem Stützpunkt Oberhausen aus eingesetzt wird. Und die meiste Zeit hat sie sicherlich schon hinter sich.
Bedarf für Zugkraft starke Dieselloks bestand nach dem Dampfende im Revier immer, da die Förder- und Fertigungsstellen der Montanindustrie sowie die Kraftwerke miteinander verbunden und schwere Lasten transportiert werden mussten. Rohstoffe wie Erz, Kohle, Koks und Kalk war zuzustellen, Fertig- oder Halbfertigstoffe wie Röhren, Brammen oder Coils waren in den Werken abzuholen.
Nachdem 1988 die letzten Loks der BR 221 für entbehrlich gehalten und abgestellt wurden, ermöglichte der Fall der Mauer und der damit mögliche Zugriff auf Loks der Deutschen Reichsbahn die Option, auf schwere sechsachsige Loks der BR 132 zugreifen zu können. Ihre Leistungsfähigkeit war auch bei der Bundesbahn bekannt, und trotz einer Aversion gegen sechs Achsen unter einer Lokomotive wurde 1992 eine erste Lok zu Testfahrten eingeladen.
Die weitere Geschichte ist soweit bekannt: 15 Stück der nun als BR 232 bezeichneten Loks kamen 1993 nach einer Hauptuntersuchung mit Neulackierung im DR-Farbschema und schalldämmenden Maßnahmen in der Abgasanlage erst als Leihloks, nach DBAG-Gründung auch offiziell nach Oberhausen-Osterfeld. Dort setzte man sie vor den oben beschriebenen Zügen ein, um die vielen Doppeltraktionen mit den BRn 215 und 216 reduzieren zu können. Mir liegen Fahrpläne vor, die für bis zu 3000 Tonnen schwere Züge gerechnet waren. Diese Einsätze sind so oft dokumentiert worden, dass ich mich mit den nun endlich folgenden Fotos auf den östlichen Einsatzraum, soll heißen Dortmund und das nähere Sauerland konzentrieren möchte.
Erste regelmäßige Einsätze waren die Kalk-Züge aus dem Hönnetal von Lendringsen, die ab dem Übergabebahnhof Horlecke bei Menden bespannt wurden. Sowohl für die Dortmunder Hochöfen als auch für Klöckner in Bremen, später auch für HKM in Duisburg, wurde hier Kalk in Ganzzügen abgefahren.
Eine erste Aufnahme in der Heimat im März 1994 zeigt 232 306 in der Kurve zwischen Schwerte Ost und Abzweig Heide, die teilweise zwischen den Eisenbahner-Schrebergärten hindurch führt. Dieser Zug ging nach Dortmund-Hörde, wo er an die Dortmunder Eisenbahn übergeben wurde, die ihn dann den Erzbunkern des Phoenix-Werks zuführte. Der Name HOESCH geht den Hördern auch heute noch nicht so flüssig über die Lippen, da dieses Werk erst in den sechziger Jahren im Alter von fast 120 Jahren in den Konzern eingegliedert wurde.
Einige Jahre später gelangen mir kurz hintereinander zwei Aufnahmen bei Fröndenberg-Dellwig, wo heute der Ruhrtalradweg verläuft und mit Glück noch immer 232 zu sehen sind. Erst erschien 232 326 mit dem schweren 2000-Tonner nach Bremen, lautstark wie gewohnt. Die Loks der Erstausstattung, die 1993 noch mit der Bezeichnung „Deutsche Reichsbahn“ nach Oberhausen kamen, erhielten ein Jahr später den AG-Keks nicht nur auf die Seitenwand, sondern auch noch auf die Front gepappt, in diesem Fall auch noch schief. Viele von ihnen wurden übrigens später, weil es mit dem Fristablauf gerade so hinkam, noch zur Remo-Baureihe 233.
Und kurz darauf kam 232 043 mit weißem statt beigefarbenem Zierstreifen mit dem heftig staubenden Zug nach HOESCH in Do-Hörde des Weges, der ihr, da wesentlich leichter, keine große Leistung abverlangte. Diese Lok war eine von zuerst fünf Nachzüglerinnen, daher weicht sie sowohl mit dem in weiß gehaltenen Zierstrich als auch durch den fehlenden Frontkeks von den meisten Oberhausener Kolleginnen ab.
Ganz im Hintergrund dieser Aufnahme ist noch das Stellwerk des ehemaligen Bahnhofs Langschede zu erkennen, heute nur noch Überleitstelle für Sendungen mit Lademaßüberschreitungen (die aber mit Einstellung des Militärverkehrs nach Hemer nicht mehr auftreten dürften). Auf dem Streckengleis in Richtung Fröndenberg besteht ab einer bestimmten Lü-Klasse die Gefahr, eine Straßenbrücke zu touchieren.
Ein letztes Foto zum Kalkverkehr zeigt im August 1997 abends die 232 359 mit dem Gdg 61807 beim Passieren des Einfahrsignals von Dortmund-Hörde. Dem Zug wurde in Schwerte oft ein bisschen Schrott beigestellt, der dann in den Öfen gleich recycelt wurde. Linker Hand verläuft die Strecke nach Holzwickede, während die 232 über das Schwerter Gleis herankommt, das sie ab dem Abzweig Heide benutzt. An dieser Stelle wurde zu der Zeit eine Baustelle eingerichtet, um hier eine neutrassierte vierspurige Bundesstraße unter der Bahn hindurch direkt in den noch zu durchbohrenden Berg zu führen. In SiFo-Beiträgen der jüngeren Zeit – Stichwort „Phoenixsee“ - dürfte das heutige Erscheinungsbild leicht zu finden sein.
Da man zum Verhütten natürlich auch Erz benötigte, näherten sich ab etwa 1996 für drei Jahre mehrmals täglich die Baureihe 232 auch von Duisburg-Ruhrort Hafen der östlichen Stahlstadt. Man hatte nämlich herausgefunden, dass es wirtschaftlicher sein könnte, statt einen Erzzug erst aus dem Hafen heraus zu rangieren und dann auf Ellok umzuspannen und in Dortmund diesen Vorgang wieder umzukehren, vielleicht besser gleich mit nur einer Lok von der Erzinsel im Hafen bis auf den Erzbunker auf der Westfalenhütte durchzufahren und die Lok optimal auszunutzen. Das ging natürlich nur mit Dieselbespannung. So kam es wieder zu lautstarken Fahrten wie in alten Dampfzeiten über die Köln-Mindener Eisenbahn bis ins Werksgelände in Dortmund, die das eingesetzte Material gut auslasteten.
Hier war der Zug mit 232 452 in Do-Mengede erst gut zwei Kilometer auf Dortmunder Stadtgebiet und konnte auf dem langen geraden Gleis vom S-Bahn-Bahnsteig mit den sechsachsigen Erz- und dem zweiachsigen AK-Übergangswagen erfasst werden, …
… an dieser Stelle überquert ein weiterer Erzzug mit 232 295 im Februar 1998 auf der Köln-Mindener Eisenbahn kurz vor dem Dortmunder Hbf die Emscherbrücke nahe der ehemaligen Zeche Hansa und neben der Nordausfahrt des Dortmunder Rangierbahnhofs, …
… während hier 232 469 ihren Zug in Gleis 24 des Dortmunder Hbf nach kurzem Halt trotz der feuchten Schienen anstandslos wieder in Bewegung setzte und dabei die 103 101 mit ihrem Intercity passierte, die gleich im Betriebsbahnhof abspannen durfte. Nicht nur optisch, auch leistungsmäßig begegneten sich diese beiden Baureihen durchaus auf Augenhöhe.
Für die 232 waren es ebenfalls nur noch wenige Meter zum Ziel Do-Eving Gbf. Von dort geht es direkt weiter auf den Erzbunker der Sinteranlage nahe des Hp. Do-Kirchderne, ein Stück weit von den Hochöfen entfernt.
Abschließen soll diese Einsätze eine Aufnahme bei besserem Wetter die 232 521, als sie mit ihrem Leerzug zu erneuten Beladung nach Dui-Ruhrort zurückfuhr. Diese Nachmittagsleistung verkehrte meist auf die Minute pünktlich, da er fast immer hinter dem Hamburger Intercity aus dem Bahnhof gelassen wurde.
Wie man beim Betrachten der Zuggarnituren sieht, wurde alles verfügbare Material verwendet, von den flachen Fad-Wagen, die schon als komplette Züge hinter den 44ern liefen, über die normalen Fals-Vierachser bis zu den sechsachsigen mit der automatischen Kupplung, die dann einen Kupplungswagen benötigten.
Einige Zeit durfte die BR 232 von Hagen auch durch das Volmetal hoch nach Krummenerl und Scherl in die gute Luft des Sauerlandes fahren, bis ihr dies aufgrund verschlissener Gleise, nicht wegen ihrer Feinstaubabsonderungen, untersagt wurde. Im Oktober 1996 passierte sie das alte Empfangsgebäude von Valbert samt Bahnsteig. Herbstsonne kann so schön sein, wenn sie nicht direkt von vorn kommt! Aber man hat nicht immer die Wahl.
Kurz darauf wurden in Scherl im Dehnhardt-Anschluss unter der A45 weitere Wagen aufgenommen. Das Ergebnis sehen wir hier bei Kierspe-Vorth mit den am Schluss angehängten Hbillns-Wagen.
Damit war ihr Tagwerk aber noch nicht getan: In Brügge tauschte sie ihren Zug mit dem der Hagener 218 148, die ihrerseits sieben sechsachsigen Teleskop-Hauben- und Planenwagen heran gebracht hat. Dieser Zug wurde nun unter großer Anstrengung der 232 511, es ging ja mit gut 900 Tonnen in recht deutlicher Steigung bergauf, wieder nach Scherl gebracht. Nochmals bei Vorth ist sie, diesmal mit der Sonne im Rücken, zu sehen.
Und Dortmund-Hörde wurde nicht nur im Kalkverkehr bedient, auch Leistungen nach Hohenlimburg standen damals auf dem Programm. 232 469 brachte hier einen leeren Güterzug durch den winterlichen Aplerbecker Wald nach Hörde zurück.
Ein bisschen Kurzweil zum Ausgleich von den schweren Lasten, die sie täglich zu schleppen hatten, gönnte man den Loks bisweilen auch. Da waren z.B. Sonderzüge für Clubreisen-Veranstalter über die Obere Ruhrtalbahn und Kassel nach Oberhof, die einige Zeit mehrmals jährlich liefen, aber auch so niedliche Sachen wie dieser Besuch im Bochumer Eisenbahnmuseum anlässlich der Museumstage im September 1994.
Unkomplizierte Beziehungen zu den verschiedenen Bahndienststellen sorgten damals regelmäßig für außergewöhnliche Gäste im Museum. Damals war die BR 232 ja noch recht frisch hier beheimatet, was lag also näher, als sie einmal großem Publikum zu präsentieren. Man verband dies gleich mit Pendelzugeinsätzen von Essen Hbf zum Museum und nutzte dafür eine modernisierte DR-Dosto-Garnitur, die gerade auf Promotion für den in NRW im nächsten Jahr zur Einführung vorgesehenen Doppelstockzug-Einsatz mit Neubauwagen unterwegs waren. 216 048 bespannte das andere Ende, und schon hatte man einen vielbeachteten hochmodernen Wendezug in historischer Umgebung.
Verbunden mit der 232 bleiben neben ihrer schon ohne Zug imposanten Erscheinung, umso mehr bei voller Leistung vor den Zügen, auch verschiedene Anekdoten, zum Teil niedergeschrieben oder mündlich überliefert, wie vom ersten Ölwechsel in Oberhausen, nachdem schon ungeahnte Mengen frischen Öls im Motor verschwunden waren („Hast Du eigentlich die Ablass-Schraube wieder reingedreht ?!?“), oder einem ungeplanten Tankstopp in Emmerich, als fast der gesamte Vorrat für die dortige Kleinlok im Tank der 232 verschwand. Beeindruckend war auch das Messen des Kraftstoffvorrats aus dem Maschinenraum heraus mittels ewig langem Peilstab, der unmissverständlich die große Tiefe des Tanks bewies. Alles an dieser Maschine hat eben außergewöhnliche Dimensionen.
So, damit soll es wieder genug sein. Ein schönes Wochenende wünscht
Frank
Edit: Da die Vorschau im Testforum mir nicht zeigte, dass der Titel zu lang war, habe ich ihn soeben ein wenig angepasst
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:02:20:20:59:09.