Ja, einst trieb auch ich mich auf dieser Schiene herum. Zuerst als Heizer, wo wir nachmittags ein planmäßiges Nahgüterzugpaar Staßfurt - Egeln und zurück beföderten.
Dann hatten wir auch mal einen Sondereinsatz mit einer Reko-41er, als das planmäßige Ferkeltaxi kaputt war. Die "Blutblasen" waren schon damals eben nicht mehr die jüngsten...
Jedenfalls schickten wir uns in Blumenberg zur Rückfahrt an, als unser Zug - namentlich der erste "Genickschußwagen" - von einer Meute Dampflokfans regelrecht gestürmt wurde. Die Eisenbahnfreunde hatten schon den ganzen Nachmittag das eifrige Rangiergeschehen der beiden Oscherslebener Reko-50er vor den beiden Nahgüterzügen aus bzw. nach Magdeburg-Buckau auf Film und Tonband festgehalten. Da kam unsere nicht alltägliche Fuhre, wo man auch noch mitfahren konnte, genau richtig!
Nur hatte unsere Lok die unangenehme Angewohnheit, bei den ersten stärkeren Auspuffstößen ziemlich viel Wasser aus dem kleinen Entlüftungsrohr oben auf dem Mischvorwärmer herauszuprusten. Noch dazu fuhren wir in Richtung Staßfurt Tender voran und somit mit dem Kessel dem Wagenzug zugewandt...
Kurz vor Abfahrt ragten aus den Fenstern des ersten Wagens Köpfe mit und ohne Skibrillen, Kameras und Mikrofone. Alles wartete gespannt auf die ersten Abdampfstöße. Wir auch! Ich gebe es ja zu, wir konnten uns ein breites Grinsen nicht verkneifen, als unsere Lok den ersten Wagen mit einer ordentliche Wasserdusche überschüttete. Tja, liebe Fans, auch das ist Dampflok; nur die Harten kommen in den Garten...
Später hatte ich dann so meine Erlebnisse als frischgebackener V60-Lokführer, wo ich gleich mal die nachmittäglichen zwei Personenzugpaare befördern durfte, weil man für die planmäßige V100 kein Personal hatte. 4x 33km mit der V60 im Personenzugdienst, und bei mir die Tinte auf der Prüfungsurkunde kaum trocken - ich habe vielleicht Blut und Wasser geschwitzt!
Zuerst habe ich es mit den erlaubten 50km/h probiert; mit dem Ergebnis, daß ich von Station zu Station immer eine Minute mehr Verspätung hatte. Das gab mir zu denken. Aber mit 60km/h hat´s dann geklappt...
Später war ich wieder mal zum ganztägigen Nahgüterdienst eingeteilt. Man vertraute mir die ohne Planpersonal ("wild") laufende 106 062 an. Sollte doch der junge Bengel zusehen, wie er mit dem Ofen klarkam... Und das war wirklich eine Schmette! Sie qualmte aus allen "Knopflöchern", hatte dementsprechend eine einheitlich rußschwarze "Kriegsbemalung" und bei den Fenstern dachte man, irgendwer hätte Preßpappe anstelle der Scheiben eingesetzt.
Unser Nahgüter von Egeln hatte dann auch eine stattliche Länge, so daß ich Zwiegespräch mit meiner guten alten V60 führen mußte. Ich versprach ihr, daß ich ihr nach Dienst ordentlich die Fenster putzen würde, wenn sie uns wieder gut nach Hause bringt. Auch wenn sie wieder aus allen Ritzen rußte, gezogen hat sie und gefahren ist sie wie die Feuerwehr!
Selbstverständlich habe ich mein Versprechen eingelöst und alle Scheiben ringsum mit Handwaschpaste - anders gings nicht mehr - in den durchsichtigen Zustand zurückversetzt.
Auch später mit der V100 habe ich manche Dinge erlebt... Seinerzeit gab es bei uns einen Ausdruck: Die Bahnmacke. Es hieß, jeder, der gewisse Zeit bei der Bahn sei, bekäme die Bahnmacke - so ´ne Art "Kopfschuß". Eines Tages dachte ich, jetzt ist es auch bei mir so weit: Ich war in Blumenberg gerade an das Ende des soeben aus Staßfurt angekommenen Personenzuges gefahren, sollte also die Zuglok werden, während die "alte" Zuglok nunmehr als Schlußlok fungieren sollte.
Meine Zugführerin - ein sehr nettes, fleißiges und immer korrektes Mädel - war bei der Fahrt vom Abstellgleis an den Zug mit auf der Lok.
Ich hatte angekuppelt und tauchte gerade wieder unter den Puffern hervor, als "meine" Zugführerin vorne in den ersten Wagen einstieg und die Schiebetür schloß. Im selben Augenblick öffnete sich am hintersten Wagen die Schiebetür und heraus kam - "meine" Zugführerin!
Ich dachte, ich seh´ nicht richtig. Ich hatte mich auch nicht am Puffer gestoßen, oder irgend sowas. Ich wußte: Jetzt ist es soweit; es gibt die Bahnmacke also doch!
Ich grübelte schon über einen außerplanmäßigen Termin beim Bahnarzt, als sich das Rätsel unverhofft löste. Zwillinge! "Meine" Zugführerin und die Zugführerin des angekommenen Zuges waren Zwillingsschwestern. Und beide waren einander so ähnlich, daß man sie selbst bei näherem Hinsehen kaum unterscheiden konnte. Zufällig verließ die eine den Zug, als die andere gerade eingestiegen war. Sachen gibt´s manchmal... Jedenfalls war ich heilfroh, daß mich die Bahnmacke noch nicht ereilt hatte!
Die kam erst später, und jetzt muß ich damit leben ;-)
Eine schöne Sitte gab es noch; und da spielt Klein-Germersleben eine Rolle: Beim vorletzten Zug nach Blumenberg sah ich gerade noch im Augenwinkel, wie von der örtlichen Kollegin kurz vor der Abfahrt ein typischer DDR-Dederon-Stoffbeutel in den Gepäckwagen gereicht wurde.
In Blumenberg setzten wir den Wagenzug weg und hatten anschließend etwas Zeit. Die nutzten wir, um in einer ortsansässigen Bäckerei unweit des beschrankten Bahnüberganges einige Stücke super-ober-aller-leckersten Obstkuchens zu erstehen; der mit den knusprigen Streuseln obendrauf! Ja, so eine kleine Dorfbäckerei... allein bei der Erinnerung läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Im Dederonbeutel befand sich dann auch eine Thermoskanne mit Kaffee, den die Kollegin in Klein-Germersleben extra für uns, die Zugbesatzung, gekocht hatte. Auf der Rückfahrt wurde der Dederonbeutel, nunmehr mit der leeren Thermoskanne, aber auch mit zwei Markstücken, wieder in Klein-Germersleben abgegeben. So lief das jahrelang...
"Ein' feste Burg... "
11-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:07:24:17:40:21.