Reichsbahn-Dampf im Bezirk Schwerin (und drumherum) Lange habe ich nach einem geeigneten Titel für diesen Beitrag gesucht. Die heutige Bezeichnung der Region als "McPomm" (Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) war zu DDR-Zeiten absolut unüblich und weitgehend aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Die ehemaligen Länder waren in der DDR bereits 1952 neu geordnet und die Verwaltungs-Einheiten in 14 Bezirke gegliedert worden.

Zur Einstimmung auf Zeit und Umstände also die Verwendung der damals üblichen Nomenklatur. Der Bezirk Schwerin umfasste die Kreise - Bützow, - Gadebusch, - Güstrow, - Hagenow, - Ludwigslust, - Lübz, - Parchim, - Perleberg, - Schwerin-Land und - Sternberg. Einige Orte haben für Eisenbahn-Freunde einen guten Klang. Mehr zum Thema DDR-Bezirke gibt es mit einem Klick in die Grafik bei Wikipedia.

Grafik: WikiPedia

Die Zugehörigkeit zu den ursprünglichen Ländern war in den Köpfen der Menschen entgegen offizieller DDR-Lesart tief verankert. Nach der damals absolut unvorstellbaren Wiedervereinigung sind die alten Länder mit gerigen Korrekturen wieder eingerichtet worden.

Zu Ostern 1984 hatte sich eine Einladung (mit Visum) in die Region ergeben. Wir wurden nicht nur sehr herzlich empfangen, fürsorglich beherbergt und bewirtet, sondern auch sehr orts- und sachkundig zu den Foto-Punkten geleitet. Ein spezieller Dank von dieser Stelle!
So ist diese Tour als sehr gelungen in Erinnerung. Das herrliche Wetter dieser Tage hat zum Erfolg beigetragen.

Begonnen hat allerdings alles ganz "normal", also mit dem üblich-trüben Wetter, allenfalls geeignet für dokumentarische Bilder, die man mit einer gewissen Verbissenheit mitgenommen hat. – Wohl ahnend, dass nie wirklich Zeit sein würde, diese Fotos bis zur Rente aufzuarbeiten. So ist es denn ja auch bis heute, sieht man von ganz wenigen Ausnahmen ab.

Das erste Bild ist für 11.20 Uhr notiert, was Rückschlüsse auf den erheblichen Zeit-Aufwand für die Grenz-Abfertigung an besonderen Feiertagen zulässt.


Bhf Solpke: 41 1033 rappelt mit einem Ng Richtung Oebisfelde durch den Bahnhof. (Karfreitag, 20. April '84)
Bei der Reichsbahn war nix mit Sonn- oder Feiertags-Ruhe. Der Plan musste erfüllt werden, koste es, was es wolle! Für unser Feiertags-Programm sollte es uns Recht sein.


Der ehemalige Bahnhof Kuhfelde war damals bereits zum Haltepunkt degradiert. – Allerdings wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, deshalb die Anlagen und Gebäude "kaputt" zu machen.
52 8018 kachelt mit dem Dg 50825 (Wittenberge – Oebisfelde) durch den Haltepunkt. (20. April '84)


Im Bahnhof Fleetmark (Strecke Salzwedel – Stendal) legt 52 8172-0 mit ihrer Doppelstock-Einheit einen kurzen Halt ein. (20. April '84)
Am rechten Bildrand lugt noch Kollege Klaus W. hervor, der Jahre später als "G.P.O." in einschlägigen Kreisen einen gewissen Grad an Bekanntheit (Berühmtheit?) erlangt hat.

Am folgenden Tag war Wetter zum Eierlegen! Wolkenlos, volle Sonne, unglaublich!


Bhf Krüden: Dem Heizer der 52 8018-5 standen wohl gute, fette Lokomotiv-Kohlen zur Verfügung. Der P 17323 (Salzwedel – Wittenberge) verlässt den kleinen Landbahnhof daher mit einer fotogenen Qualmwolke. (Karsamstag 21. April '84)


Dann gleich die Beine unter den Arm, synchron in's Auto gesprungen und...
...bei Geestgottberg hatten wir die Fuhre noch mal.


Bei Wittenberge-Nord rollt 50 3640-5 mit dem Dg 53875 Richtung Wittstock durchs Bild. (21. April '84)


Der Bhf Dergentin, speziell das behäbig anmutende Stellwerk aus Ziegelmauerwerk, ist als Motiv bekannt.
50 3545-6 kachelt "volles Rohr" mit dem Ng 61851 (Ludwigslust – Wittenberge) an den Fotografen vorüber. (21. April '84)


Bei Rosenhagen pustet 50 3640-5 einen merkwürdigen Looping in den Himmel.
(Dg 53875 Richtung Wittstock, 21. April '84)


Bei Bootz war der Bewuchs des kleinen Gelände-Einschnitt stark gestutzt worden. Für uns war damit ein freier, wenn auch etwas gerupfter Blick auf die Strecke geboten.
(50 3554-8 mit Ng 61851 > Ludwigslust, 21. April '84)


An der gleichen Stelle, aber mit Blick in die andere Richtung war diese interessante Unterführung das Motiv. Hier wurde 50 3570-4 mit ihrem Güterzug Richtung Wittenberge erwartet, wenngleich die Lok nur ganz knapp in die Lücke passen wollte. (22. April '84)
Heute ist die Strecke elektrifiziert und mit unfotogenen Beton-Masten ausgestattet.

Fasziniert hatte mich der kleine Bahnhof Domsühl. Dabei besitzt der Bahnhof keine architektonischen Besonderheiten. Im Gegenteil, alles ganz schlicht.
Eingerahmt von mächtigen Bäumen und ausgestattet mit den bahnhofstypischen Attributen (man beachte das Scheiß-Häusel) stellt die Station fast den Dorf-Mittelpunkt dar. – Jedenfalls findet hier (für dörfliche Verhältnisse) pralles Leben statt, während man von den heute üblichen unbewohnten / unbesetzten Beton-Wüsten nur noch flüchten mag.
Daher die folgende Bild-Sequenz fast ganz ohne störende Zwischenbemerkungen von mir, einfach nur zum träumen...


Bhf. Domsühl: 50 3577-5 bei der Einfahrt mit P-Zug Schwerin-Parchim. (21. April '84)


Bhf. Domsühl: Stilleben mit 50 3638-9 (22. April '84)


Bhf. Domsühl: 50 3577-5 Ausfahrt P-Zug Schwerin-Parchim. (21. April '84)


Wenn wir dann schon so vor uns hin träumen: Hier noch was, wo man allerdings die Nieten nicht einzeln zählen kann:
Bei Zieslübbe entstand dieses Bild mit der prächtigen Baum-Gruppe aus Birken.
Den Hintergrund ergibt 50 3570 mit P Schwerin – Parchim (21. April ' 84)


Das letzte Bild des Tages entstand um 19.01 Uhr bereits bei grenzwertigem Licht.
50 3545-6 mit Güterzug von Wittenberge kommend bei der Einfahrt in den Bhf. Ludwigslust. (21. April '84)

Unser Programm vom Oster-Sonntag begann am Bhf Krüden.


Einfahrt Bhf. Krüden 52 8164 P > Wittenberge, natürlich mit geschlossenem Regler. (22. April '84)


Bei der Ausfahrt Bhf. Krüden hatte ich eine Variation des Motiv vom Vortag versucht (leichtes Tele). Der Bild-Ausschnitt erweist sich jedoch als reichlich eng.
52 8164 P > Wittenberge (22. April '84)


Bhf. Großgarz: 50 3681 unterbricht mit ihrem Güterzug (Salzwedel – Wittenberge) kurz aber geräuschvoll die beschauliche Ruhe. (22. April '84)


Bei Karstädt rumpelt 50 3570 mit Gz Ludwigslust – Wittenberge über einen kleinen Bahnübergang. (22. April '84)


Ausfahrt Perleberg: 50 3640 verlässt mit einem Gz Richtung Wittstock den Bhf. Perleberg. (22. April '84)
Für Schmalspur-Freunde der Hinweis: Hier lagen einst die Gleise der Prignitzer Kreis-Kleinbahnen. Allerdings lange vor der hier dokumentierten Zeit!


Ausfahrt Karow: 50 3545-6 hat mit dem Ng Karow – Parchim ihre Fahrt gerade erst angetreten. (22. April '84)


Bhf. Rom: Alle Wege führen nach Rom, sagt man.
Preußisch anmutende Bahnhofs-Architektur statt großer Kuppelbauten legen den Verdacht nahe, dass die Wege (frei nach Pater Brown) eher unergründlich sind. Wir befinden uns weit entfernt von der heiligen Stadt, nämlich zwischen Lübz und Parchim. Immerhin kachelt 50 3545 mit dem Ng Karow – Parchim eindrucksvoll und ungeachtet heiliger Feiertage durch die unbedeutende Station. (22. April '84)


bei Parchim: 50 3638 hat mit ihrem Personenzug Schwerin – Parchim in wenigen Minuten das Ziel erreicht. (22. April '84)
Bemerkenswert die kleine Familie (mit Kind und Kegel) auf einer Schwalbe: Drei Leute, alle mit-ohne Helm, ohne Warnweste, ohne sonstige Sicherheitsbedenken.
Damals (™) habe ich dem keine Bedeutung beigemessen. Auch das war DDR!
Heute läuft mir allein beim Anblick der Szenerie ein Schauer über den Rücken...


Am nächsten Morgen ging es bereits zu unchristlicher Zeit los. Ein Bild sollte aber noch sein:
Ausfahrt Ganzlin: 50 3517 hat einen Ng Richtung Karow am Haken. (23. April '84)
6.41 Uhr war damals wie heute nicht wirklich meine Zeit. Die allermeisten Sonnenaufgänge habe ich deshalb verschlafen.
Eine kleine Version dieses Bildes findet sich z. Zt. in meiner Signatur.

Unser Ziel war Rügen.
Die Bilder wurden hier bereits gezeigt: [www.drehscheibe-foren.de]

Soweit Eindrücke von dieser Oster-Tour.
Heute sind dies Dokumente nicht nur aus einem anderen System, sondern aus einer anderen Zeit und aus einer fast gänzlich anderen Welt. Schön anzuschauen, aber erschreckend weit weg...
Daran ändert auch dann nix, wenn meine Erinnerungen noch sehr intensiv sind.

Leider kann ich aus privaten Gründen zur Zeit nur selten Foren-Beiträge erstellen.





1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:02:27:16:32:19.

Hallo Rolf,

das sind auch für einen ausgewiesenen Schwarzweißianer ganz tolle Photos, Respekt allerorten!

Gruß, Thomas

Hallo,
Sehr schöne Bilder einer anderen Zeit. Schade das alles dort jetzte mehr oder wenigeer verkommt...
Bitte mehr davon :-)

Ja, lieber Rolf, für die Dunstbilder des 20. April gibt es keine Entschuldigung, wie Du selbst zugibst: "6.41 Uhr war damals wie heute nicht wirklich meine Zeit. Die allermeisten Sonnenaufgänge habe ich deshalb verschlafen".
Bei gleichen Ausgangsbedingungen (d. h. Abfahrt im Raum Köln/Bensberg am 19. April abends) konnten wir frühen Vögel deshalb in Süplingen 52 8144 vor Ng 63718 bei schönster Morgenstimmung ablichten:




Und sogar Solpke um 9.45 Uhr zeigte noch einen Hauch von Licht:




Nur wenig später hattet Ihr Solpke erreicht, und die Sonne verschwand endgültig. Jetzt kenne ich wenigstens den Schuldigen.

Mit Dank und Gruß,

Jürgen



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:02:12:17:12:43.

Hallo Rolf,

herzlichen Dank für diesen herrlichen Bilderbogen aus einer Gegend, die ich 1977/78 bisweilen im "Kleinen Grenzverkehr" besucht hatte. Einige Deiner Fotostandorte kommen mir sehr bekannt vor, auch wenn ich dort bisweilen ganz andere Bilder aufgenommen habe > [www.traktionswandel.de] (ab Bild 24).

Viele Grüße aus HH
Stefan

Vielen Dank für den liebevollen Beitrag.

Servus Rolf

Ich kann nur Danke sagen für einen herrlichen Beitrag aus einer (dampftechnisch) herrlichen Zeit.
Heute frage ich mich warum ich nicht öfters in der Ecke Schwerin / Parchim unterwegs war.
So schrecklich weit weg empfinde ich die Zeit nicht. Vom Kopf her könnte es gestern gewesen sein.
Aber wenn man sich bewußt wird das es bald wieder 30...!!! Jahre her ist, wird einem schon anders.
Als sich um 1980 die Kollegen über die 60er unterhielten war es für unsere Begriffe EWIGKEITEN her.
Nicht weiter darüber nachdenken....und nochmal Deine Bilder genießen.

Ciao, Uwe

Hallo Rolf,
danke für diese phantastischen Aufnahmen aus einer Gegend, die ich leider erst nach der Wende kennen und schätzen lernte!
Viele Grüße
Stefan

Hallo Rolf, in einem Wort : Wunderbar !
Macht sehr viel Spass an zu schauen,
Paul

"Rache für 051 444 schrieb:"

Ja, lieber Rolf, für die Dunstbilder des 20. April gibt es keine Entschuldigung...
Bei gleichen Ausgangsbedingungen (d. h. Abfahrt im Raum Köln/Bensberg am 19. April abends)...

Die Uhrzeit unseres Reise-Antritt ist nicht überliefert.
Könnte sein, dass wir zu dieser Zeit noch in einer bekannten Kölner Pizzeria gespeist, getrunken und bis weit in die Nacht gelacht + erzählt haben. Unvergesslich sind die durchaus vielversprechenden Versuche eines frankophonen Eisenbahn-Freundes, sächsisch-thüringische Mudart zu imitieren. – Aktive Ost- / West-Annäherung eben...
Auf diese Weise waren wir zwar stets unserer Zeit voraus, aber oft spät dran!

Danke für die Bild-Ergänzungen. ;-))

Einfach perfekt, vielen Dank Rolf.
Da kann man sehen, dass auch selbst beim besten Fotodampf heutzutage das seinerzeitige Reichbahnflair unwiederbringlich Vergangenheit ist.

Moin,


schöne Bilderreihe.
Kleine Anmerkung zu den Bild mit der Schwalbe und den Bericht dazu; mit- ohne Schutzhelm... war das in der BRD damals nicht auch so??? und warum Warnwesten????


bis bald...

Lieber Rolf Ebberg!
Schöne Fotomotive haben Sie da hin bekommen!
Vielen Dank.
Überall konnte man nicht sein, da die Vielfalt in Ost und West dann von dem Büdget Grenzen gesetzt worden sind.
Deshalb war ich auch nicht so häufig in der Rbd Schwerin.
So sind mir eine Menge DR Ost 50.40 durch die "Lappen" gegangen. Aber die 50.40 fand ich damals auch potthäßlich..
Gruß und Dank aus Berlin von
thomas.splittgerber, berlin

Danke für diesen herrlichen Beitrag!

gruß
karlmg

"Dölauer schrieb:"

...mit-ohne Schutzhelm... war das in der BRD damals nicht auch so???

In einer (zugegeben etwas gequälten) Ausschnitt-Vergrößerung wird aber deutlich, dass die einzig schützende Bekleidung die Pudelmütze des Kindes gewesen ist. Weder die Prinz-Heinrich-Mütze des Mannes noch die Blume im Haar der Frau hätten im Ernstfall einen Schutz geboten.
Das war sicher auch angesichts der sehr viel geringeren Verkehrs-Dichte in der DDR etwas leichtsinnig.

der so manche Erinnerung an so manche abenteuerliche Fototour weckt.

Viele Grüße an den Rhein
Ludger

Hallo,

schöne Aufnahmen.

Zum Thema Helmpflicht: Wenn ich mich recht erinnere waren Zwei-Radfahrzeuge bis 50 cm³ lange Zeit von der Helmpflicht ausgenommen, daher lag sicher kein Ordnungswidrigkeit des Mopedfahrers vor, allerdings wollen wir über die Leichtsinnigkeit dieser Handlung reden.

Viele Grüße
Matthias

Moin,

es ist eine Freude, deine Bilder anzusehen! Erstklassige Motivwahl, und von den Fahrzeugen mal ganz zu schweigen...

Muß ich mir noch mal in Ruhe ansehen.

Gruß aus Berlin und Danke!

... und eine Wohltat für's Auge - sowohl hinsichtlich der fotografischen Qualität als auch der Motive.

Abgesehen davon, daß heute alles bahnreformiert ist, so war die Welt noch nicht mit Textmarkerfarben und "Wegeleitsystemem" und anderem Unrat zugeknallt.

Gruß

Rübezahl

Vielen Dank.

VG Frank