Liebe HiForianer,
danke für die positive Resonanz. Ich mach‘ dann auch weiter, denn keiner hat „Aufhören!“ gesagt! Ich komme den Wünschen nach Fortsetzung gerne nach, hoffentlich ist am Ende niemand enttäuscht. Wer sich an Teil 1 noch einmal erinnern oder ihn erstmals lesen möchte, der schaue bitte in [
www.drehscheibe-foren.de]. Der Vormittags-Personenzug nach Ahlbeck hatte die Lokomotive des letzten Usedomer Güterzuges am 30.11.1990 als Schlußlok mitgeführt. Da so mit einer Rangierfahrt zum Fähranleger Wolgaster Fähre vorerst nicht zu rechnen war, ich aber dennoch mit ein paar Bildern nach Hause fahren wollte, folgte ich dem Zug auf seinem Weg über die Insel.
Bild 1: Der Vormittags-Personenzug mit 110 792 als Zuglok und 110 864 außerplanmäßig am Schluss im trist und grau wirkenden Haltepunkt Kölpinsee. Ich war dort schon sehr lange nicht mehr, aber Kölpinsee soll jetzt wieder ein Bahnhof sein und sogar einen Fahrdienstleiter haben. Späterer Edit: Nein, Kölpinsee ist wohl immernoch Haltepunkt. Danke für die Berichtigung, Andreas, da war ich wohl irgendwie auf'm falschen Gleis...
Bild 2: Der Halt in Bansin ließ wettermäßig nichts Gutes erwarten. Ein Schneeschauer jagte über die Insel und hüllte Bahnhof und Ort in ein weißes Kleid. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, die Verfolgung abzubrechen, jedoch wollte ich auf jeden Fall nun doch noch in Heringsdorf ein Foto machen, weil ich hoffte, dass man hinter der Spitzkehre mit der bisherigen Schlusslok weiter nach Ahlbeck fahren würde.
Bild 3: Kaum zu glauben, nur wenige Meter weiter und ein paar Minuten später in Heringsdorf schien die Sonne und das Weiß war weitgehend in ein Nass übergegangen! Obwohl streckenverlaufsbedingt die 110 864 nun für die Weiterfahrt nach Ahlbeck vorn am Zug gewesen wäre und man mit ihr sofort hätte weiterfahren können, hängte die Lok ab und die planmäßige Zuglok 110 792 lief um. Die Sonne lockte nun zur Weiterfahrt.
Bild 4: Fast gleißende Helle herrschte im damaligen Endbahnhof Ahlbeck, als die 110 792 erneut umsetzte, um sich auf den Rückweg zu begeben. Nur 7 Jahre später sollte der Endpunkt ca. 2 km weiter südöstlich direkt an der deutsch-polnischen Grenze zu finden sein, inzwischen liegt das Gleis sogar wieder auf der heute polnischen Seite von Usedom bis etwa dem früheren Haltepunkt Swinemünde Bad, wobei dieser Vergleich der Neubau-Strecke natürlich nicht ganz gerecht wird. Die 110 792 trug am heizkesselseitigen Führerstandsvorbau damals eine charakteristische Leiter auf dem Umlauf, die sie unverkennbar machte.
Bild 5: Die Lok blieb erhalten und befindet sich heute noch auf der Insel Usedom als nicht betriebsfähige Maschine in äußerlich aufgearbeitetem Zustand als 201 792, allerdings ohne die besagte Leiter, die sie schon in ihrer letzten aktiven Zeit 1993 nicht mehr trug. Außerdem hatte man bis dahin auch andere Puffer verbaut. Dieses Foto von März 2006 erfüllt zwar nicht die HiFo-Kriterien, zeigt aber die recht frisch wieder hergerichtete Maschine in Zinnowitz, wo sie auch heute noch steht. Obwohl sie als späte DR- und junge DB-Lok ein graues Fahrwerk hatte, wurde ihr im Zuge der optischen Aufarbeitung ein schwarzes verpasst.
Bild 6: Zurück zum Plandienst! Die marode Brücke über den Bansiner Sackkanal am Ortseingang von Heringsdorf, die schon mit Zugankern verstärkt worden war, aber dennoch nach Kräften bröselte, hatte es mir angetan und so blieb ich an jenem 30.11.1990 zunächst auf der östlichen Seite der Insel, um eben dort einen Personenzug abzupassen. Die Sonne meinte es gut mit mir, als die 110 126 mit ihren 4-achsigen Rekowagen in Schrittgeschwindigkeit vorbeirollte. Die Brücke wurde 1996 gegen einen Neubau an gleicher Stelle ersetzt.
Ich begab mich nach Ückeritz auf Motivsuche und stellte damit gleichzeitig sicher, dass ich eine eventuell in Richtung Wolgaster Fähre ausrückende Maschine registrieren konnte, um dieser hinterherzufahren. Ich hoffte, dass man dem sich bessernden Wetter Rechnung tragend irgendwann eine Lok für die Trajektbedienung schicken würde.
Bild 7: Trotz der mir bewussten und unschwer erkennbaren Mängel möchte ich dieses Foto dennoch präsentieren. Die 110 035 hat hier mit ihrem 5-Wagen-Zug, der auch einen Packwagen mitführt, gerade das Einfahrsignal von Ückeritz in Richtung Heringsdorf passiert. Man beachte den Neigungsanzeiger auf Höhe der ersten Wagentür und das Gatter des verwilderten Eisenbahner-Gartens im Vordergrund!
Bild 8: Kurz darauf konnte ich in der Gegenrichtung die schon vom Morgen des Tages her bekannte 110 792 bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Ückeritz in Richtung Wolgaster Fähre nur wenige Meter entfernt direkt am Ausfahrsignal aufnehmen.
Bild 9: In Koserow hatte ich den Zug wieder eingeholt und so gelang dieses Bild. Man war gerade mit der Neueindeckung des Empfangsgebäude-Daches beschäftigt. An jenem stürmischen Tage war aber niemand dort oben anzutreffen. Oder machte man nur Pause? Inzwischen war es Mittagszeit geworden.
Da eine Lok für die Rangierfahrt zum Fähranleger nicht mitgeführt wurde, ich aber auch nicht den ganzen Tag die 110 792 fotografieren wollte, entschloß ich mich, in Richtung Peenemünde zu fahren, um an der Zweigstrecke Zinnowitz-Peenemünde noch ein paar Fotos zu machen.
Bild 10: Im Nachmittags-Plan lief auf dem Peenemünder Streckenast die 110 221 mit einem Personenzug aus 3 vierachsigen Rekowagen der Gattung Bghw. Es war trübe, als der Park in den Haltepunkt Trassenmoor einfuhr, Fahrgäste stiegen hier nicht zu. Ein Schmierfink hatte in seinem Mitteilungsbedürfnis der Welt seine musikalische Vorliebe auf der Wartehäuschen-Wand hinterlassen.
Bild 11: Dass sich nicht immer drastisch etwas ändern muss, sei mit diesem Vergleichsbild vom ähnlich trüben 03.09.2006 dokumentiert, als der UBB-Tw 646 126 der zweiten Bauserie in den modernisierten Haltepunkt Trassenmoor einfuhr. Dass die 10-Jahres-Regel wieder nicht eingehalten ist, mag man mir nachsehen. Die UBB hatte inzwischen das Gleis und das Umfeld saniert. Dabei kam links auch die im Foto von 1990 nur erahnbare Bahnsteigkante des ehemaligen 2. Gleises aus Werkbahnzeiten wieder zum Vorschein. Damit soll’s mit den Vorher-Nachher-Bildern aber auch genug sein!
Bild 12: Wieder zurück ins Jahr 1990: Die 110 221 hat soeben den im Hintergrund in Bildmitte liegenden Bahnhof Karlshagen verlassen. Vom Ladegleis im Vordergrund existiert heute nur noch ein kurzer Stummel am im Hintergrund sichtbaren Bahnübergang. Die 1970 in Stralsund in Dienst gestellte Lok war recht reviertreu und wurde eben dort auch 1994 z-gestellt und 1995 ausgemustert, 1998 verschrottete man sie. Vermutlich aus der Armee-Dienststelle Peenemünde kommt der links im Hintergrund sichtbare tarngrüne Kleinbus UAZ 452 sowjetischer Bauart aus dem Autowerk Uljanowsk, dem vormals russischen Simbirsk an der Wolga. Der Geburtsstadt Lenins wurde nach dessen Tod 1924 sein Name (Uljanow) verpaßt, den sie bis heute trägt.
Bild 13: In Peenemünde angekommen begab ich mich ins seinerzeit noch zugängliche ehemalige Werkbahn-Stellwerk, das offenbar für nächtliche Trinkgelage genutzt wurde und innen langsam verwahrloste. Die 110 221 war schon im Endbahnhof Peenemünde Dorf angekommen und lief inzwischen in bestem Sonnenlicht um. Die Häuser entlang der Straße im Hintergrund waren damals noch vollständig bewohnt, heute sind es Ruinen, die davon künden, dass Peenemünde viele Einwohner verloren hat. Rechts hinten zweigte das Gleis zum Hafen am Kraftwerk ab.
Bild 14: Kurz darauf stand die 110 221 abfahrbereit in Richtung Zinnowitz am geschütteten Bahnsteig von Peenemünde Dorf. Das 1996 abgerissene Empfangsgebäude im Lagerbarackenstil stand gut im Lack und hatte einen sehenswerten Schornsteinkopf. Heute ist hier nur noch ein Gleis in Betrieb, der Bahnsteig ist befestigt und erhöht sowie mit einer gläsernen Wartehalle versehen. Im Bildhintergrund, am sichtbaren damaligen Wachhäuschen vorbei, kann man heute eine historisch-technische Ausstellung besuchen, dort steht seit 2004 auch der inzwischen äußerlich aufgearbeitete, ehemalige elektrische Werkbahn-Triebwagen ET/ES 182 01.
Bild 15: Reichsbahnatmosphäre pur vermittelt dieses Foto des zurückkehrenden Zuges bei der Einfahrt in den Bahnhof von Zinnowitz. Im Frühjahr 2006 stellte man in Zinnowitz moderne Lichtsignale auf, die kurz darauf in Betrieb gingen. Vorher hatte man auch Gleise und Bahnsteige saniert.
Bild 16: Das letzte hier gezeigte Bild jenes Tages stammt vom schon in der Dämmerung in den Bahnhof Wolgaster Fähre einlaufenden Personenzug mit 110 126 als Zuglok. Eine Vorspann- oder Schlußlok wurde nicht mitgeführt, insofern war zumindest bei Tageslicht keine Trajektierung des rechts sichtbaren und seit dem frühen Morgen bereitstehenden letzen Usedomer Güterzuges zu erwarten. Leider!
So ging der 30.11.1990 zu Ende, für mich mit dem unbefriedigenden Ergebnis, keine Güterwagen-Trajektierung erlebt zu haben. Trotz der einsetzenden Dunkelheit blieb ich noch etwas vor Ort nach dem Prinzip „Hoffnung“. Es passierte aber an diesem Abend nichts mehr, so zog ich schließlich teils unverrichteter Dinge ab und konnte für mich nur vermelden, den letzten Usedomer Güterzug auf seinem Land-, nicht aber auf seinem Wasserwege dokumentiert zu haben.
Buchmäßig mag der planmäßige Usedom-Trajektverkehr am jenen 30.11.1990 geendet haben, in der Realität jedoch hat die letzte Güterwagenverschiffung irgendwann später stattgefunden. Wann genau, das weiß ich leider nicht. Insofern sind die allseits veröffentlichten Angaben zu diesem Datum unrichtig. Falls jemand das exakte Datum kennt, dann wäre ich hierfür dankbar. Leider kann ich hier also die in den Reaktionen auf Teil 1 geäußerten Hoffnungen bezüglich der letzten Trajektierung nicht erfüllen.
Nun soll man ja bekanntermaßen niemals „nie“ sagen und mit Superlativen und Formulierungen wie „…letzter…“ stets vorsichtig sein. So wurde auch ich 12 Jahre später eines besseren belehrt, hatte ich doch immer behauptet, den letzten Güterzug der Insel Usedom fotografiert zu haben. Doch weit gefehlt, da meine Kamera schadhaft war, hatte nun mein Freund Holger „zugeschlagen“ und eben jenen letzten Güterzug „im Kasten“! Daher stelle ich meinen Bericht jetzt auch unter dem Thema „… letzter
planmäßiger Güterzug …“ ein. Eine noch spätere Güterzugleistung als die von 2002, sieht man von Gleisbauzügen einmal ab, ist mir nicht bekannt. Gern nehme ich aber eine nochmalige Belehrung entgegen. Hiermit möchte ich den Bericht abschließen und hoffe, trotz des Umfanges niemanden gelangweilt zu haben.
Bild 17: Noch nicht ganz HiFo-tauglich, aber als Abschluß des Themas unerläßlich: Nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo ich am kalten Morgen des 30.11.1990 den vermeintlich letzten Güterzug der Insel Usedom aufgenommen hatte (Baumgruppe in der Bildmitte), hat mein Freund Holger am 01.08.2002 dieses Sommerfoto eines ganz besonderen Güterzuges in Zinnowitz gemacht. Die MEG-Lok 83, die mit Personal der Röbel-Müritzer Eisenbahn (RME) besetzt war, brachte 18 durch den Einsatz der neuen Stadler-GTW-Triebzüge der Usedomer Bäderbahn (UBB) überflüssig gewordene, modernisierte Ferkeltaxen auf Flachwagen-Pärchen in Richtung Festland über die neue kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke in Wolgast, unter den ganzen „71ern“ auch das Erdgas-Pärchen 772/972 202. Die LVT kamen nach Rumänien und stehen dort noch teilweise im Einsatz. Besten Dank an Holger für die Genehmigung zur Veröffentlichung! (Foto: Holger Viebke)
Ich hoffe, der Exkurs in die vergangene Eisenbahn Usedoms hat Spaß gemacht und wünsche allen einen schönen 2. Advent.
Tschüß und Gruß
Mathias
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:12:04:23:33:05.