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 04 - Historisches Forum 

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Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Hallo und Servus


Ein tragisches Unglück jährt sich heute. Am 27.11.1977 zerknallte der Kessel der lok 01 1516 bei der Einfahrt
in den Bahnhof Bitterfeld.
Wie lautet der Satz in einschlägiger Fachliterstur..." Bei Freiwerden der Flüssigkeitswärme entstehen ca. 3.750.000 PS".!!
Gedenken wir den Menschen die bei diesem unfassbarem Ereignis ihr Leben lassen mussten, Gedenken wir auch dem Lokpersonal,
dem Fehler unterlaufen sind, falschem Ergeiz geschuldet, an diesem verhängnisvollen 27.11.1977.
Dieser Tag soll zudem ein Apell sein an alle aktiven Dampflokpersonale, so eine Maschine ist kein Spielzeug sondern eine
tickende Zeitbombe wenn man sich nicht bewußt wird welch unsagbare Energie es zu beherrschen gilt.

Foto. ADN

http://www.abload.de/img/0115169pwa.jpg



Ein nachdenkliches Wochenende wünscht

Uwe
Hallo!

Zu wenig Wasser im Kessel, durch den Bremsvorgang lag der Hinterkessel frei, das zurückschwappende Wasser führte zur Explosion.

Interessant finde ich den relativ unbeschädigten Tender.


Gruß Jürgen

Ich bin gegen die ungewollte Umleitung!!!
... wurde die wiederaufgebaut ? Was geschah mit den Wartenden am Bahnsteig ?

[www.bahnen-wuppertal.de]
Wenn ich immer nur darf, wenn ich soll und nie kann, wenn ich will, dann mag ich auch nicht, wenn ich muss. Wenn ich aber darf, wenn ich will, dann kann ich auch, wenn ich soll und dann mag ich auch wenn ich muss. Denn schliesslich: Die, die können sollen, müssen wollen dürfen!
[size=24px][/size]

Ethanol

geschrieben von: Walsum5

Datum: 27.11.10 21:16

[de.wikipedia.org]



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:27:21:17:21.

Re: Heute vor 33 Jahren: Kesselzerknall 01 1516 in Bitterfeld

geschrieben von: Mw

Datum: 27.11.10 21:24

Aus Gerd Böhmers Webseite zitiert:

>>27. November 1977 - Kesselzerknall der Lok 01 1516 in Bitterfeld



03 2121 D 562 von Leipzig nach Berlin und 01 1516 D 567 von Berlin nach Leipzig -

An diesem Tag wurde der D 562 von Plauen/Vogtland über Leipzig-Hbf nach Berlin-Schöneweide auf dem Streckenabschnitt von Leipzig-Hbf nach Berlin-Schöneweide planmäßig mit der Lok 03 2121 des Bw Leipzig-Hbf-West bespannt. Kurz hinter Lutherstadt Wittenberg lösten sich infolge eines Wassermangels im Kessel beide Schmelzpfropfen der Lok - man hatte die Lok trockengeheizt. Der Kessel der Lok soll ausgeglüht sein. Daraufhin wurde der Zug einschließlich der Lok von einer Diesellok der Baureihe 118 nach Berlin-Lichtenberg geschleppt. Das Lokpersonal war also mit der Lok 03 2121 nur knapp einem Kesselzerknall entgangen.

In der Einsatzstelle Berlin-Lichtenberg wurde dem Leipziger Lokpersonal die Lok 01 1516 des Bw Berlin-Ostbahnhof ersatzweise zur Verfügung gestellt. Die Lok war erst zwei Tage zuvor aus dem Raw Meiningen zurückgekommen und in der Einsatzstelle als Reservelok eingeteilt worden. Dem Leipziger Lokpersonal wurde deshalb in der Lokleitung mitgeteilt, das deshalb unbedingt noch die Vorräte der Lok ergänzt werden müssen. Da aber schon eine größere Verspätung vorhanden war und das Lokpersonal nicht länger warten wollte, wurde nur Kohle aber kein Wasser genommen. Trotzdem wurde der Lokleitung mitgeteilt, das die Vorräte vollständig ergänzt worden waren. So bespannte die Lok 01 1516 den D 567 von Berlin-Schöneweide über Leipzig-Hbf nach Reichenbach/Vogtland von Berlin bis Leipzig.

Zwischen Jüterbog und Lutherstadt Wittenberg wurde dann für Bitterfeld ein Wasserhalt verlangt, nachdem ein Wasserhalt in Lutherstadt Wittenberg abgelehnt worden war. Bei der Einfahrt in den Bitterfelder Bahnhof war der Wasserstand dann jedoch schon soweit gesunken, das bedingt durch den Übergang von der geneigten zur ebenen Strecke und die gleichzeitige Bremsung des Zuges das noch im Kessel verbliebene Wasser nach vorn über die sowieso schon stark überhitzte Strahlungsheizfläche schwappte. Dadurch riß die Feuerbuchsdecke ein und das Führerhaus der Lok wurde zerstört. Der Kessel der Lok, immer noch vom Zylinderblock gehalten, machte eine Drehung im 180 Grad und schleuderte dabei Glut in einen auf dem Nachbargleis einfahrenden Reisezug, von dem sofort zwei Wagen brannten. Dann riß sich der Kessel vom Zylinderblock los und landete zirka 40 Meter vor der Lok, wobei der Kessel sich kalt mit den Fahrschienen verschweißt haben soll. Dabei wurde auf einer Länge von ebenfalls zirka 40 Metern das Bahnsteigdach und auf einer Länge von zirka 60 Metern die Fahrleitung beschädigt. Das Lokpersonal soll bei diesem Unglück den Tod gefunden haben und bei den Aufräumungsarbeiten auf dem zerstörten Bahnsteigdach gefunden worden sein.

Als nach dem Unglück die beiden Lok von den Spezialisten des Raw Meiningen untersucht wurden, stellte sich heraus, das die Tender beider Lok kaum noch Kohle und Wasser enthielten. Bei der Lok 01 1516 hatten außerdem Kesselsteinablagerungen das Lösen der Schmelzpfropfen verhindert. Die Lok 03 2121 wies noch zahlreiche andere Mängel auf, woraufhin eine Untersuchung des gesamten Leipziger Lokbestandes angeordnet wurde. Von diesen Lok wies allein die Lok 03 2137 371 verschiedene Mängel auf, so das eine baldmöglichste Untersuchung im Raw Meiningen erforderlich war. Auch die restlichen Lok des Bw Leipzig-Hbf-West müssen zu einem nächstmöglichen Termin in das Raw Meiningen.<<

Einen Zusammenhang mit Ethanol kann ich nicht erkennen.

Schönen Abend, trotz allem
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:27:21:28:17.
... Richtig, der Grund für diese Tragödie war Wassermangel über der Feuerbüchsdecke. Wenn man überlegt:
In der Feuerbüchse herrschen Temperaturen von ca. 1600 Grad. Wenn der Wasserstand einer 01.5 bei geöffnetem
Regler nicht mehr zu sehen ist kann vermutet werden das abzüglich des "scheinbaren Wasserstandes" etwa noch
60 -40 mm Wassersäule über der Feuerbüchsdecke vorhanden ist. Wird in dieser Situation eine starke Bremsung durchgeführt wird
ist die Feuerbüchsdecke vom Wasser entblößt.
In Folge steigt die Temperatur der Decke rasch über 600 Grad an. Das Material verliert an Festigkeit und kann
dem Dampfdruck nicht standhalten. Es tritt eine Verformung ein. Wenn das restliche Kesselwasser auf die bereits glühende Decke schwappt
ergibt sich der Effekt man spuckt auf eine heiße Herdplatte.....das Wasser schwebt auf einem Dampfpolster ohne eine kühlende Wirkung zu haben.
In Kürze fällt das Wasser auf die Feuerbüchsdecke und es beginnt der Supergau eines Großwasserraumkessels.....alles Wasser wird sofort zu Dampf
die Feuerbüchse reißt auf, weder der Riss noch die Sicherheitsventile sind in der Lage die Dampfmengen abzuführen.
Es entstehen Rückstoßkräfte in Größenordnungen einer Weltraumrakete......in Bitterfeld wurde der Kessel 80 Meter in das Gleisvorfeld geschleudert
wo er sich mit einer Schiene beim Aufprall kalt verschweißte.
Ich hatte vor einigen Jahren einen Lokführerkollegen aus Halle gesprochen. Er war an diesem Tag mit seiner V 180 in Bitterfeld.
Er dachte erst ein Düsenjäger hatte mit einem besonders lautem Knall die Schallmauer durchbrochen als er mit dem Heizkessel im Maschinenraum
beschäftigt war.
Als er von der Lok stieg roch es nach verbranntem Gummi....er Stand auf einem heißem Stück Metall.... von 01 1516.
Erst dann wurde ihm nach und nach die Situation bewußt. Er sagte weiterhin : " Das war das Schlimmste was ich in meinem Leben gesehen habe, zum
Feierabend pfiff ich mir eine 0,7er rein... "

Ethanol???

geschrieben von: Rolf_311

Datum: 27.11.10 21:43

Also Junx!
Ich bitte doch darum...
...dieses tragischste Ereignis jüngerer Dampf-Geschichte so zu behandeln, dass ein Mindestmaß von Respekt vor den Opfern erkennbar bleibt.
Den Link zum Thema "Ethanol" empfinde ich in diesem Zusammenhang mindest als grenzwertig.

Die Sach-Zusammenhänge sind hier halbwegs nachzulesen:
[www.gerdboehmer-berlinereisenbahnarchiv.de]
[de.wikipedia.org]

Sorry:
Von mir kommen keine Beiträge und Bilder für die DSO-Foren, bis die Umleitungen rückstandsfrei weg sind!

Re: Ethanol???

geschrieben von: 120 001

Datum: 27.11.10 22:02

Moijen

Im EK war vor Jahren mal eine Zusammenfassung zu diesem Vorfall zu lesen. Demnach hat das Lokpersonal mehrfach gegen grundsätzliche Bedienregeln sowie Dienstvorschriften verstossen.

Die 03 wurde schon mit ausgeglüht welliger Feuerbüchsdecke abgegeben; die Vorräte der 01 nicht ergänzt; beim Feststellen des Wassermangels das Feuer nicht vom Rost genommen.
Man mag fast von Vorsatz sprechen; 2 mal in einer Dienstschicht darf sowas nicht passieren. Strafrechtlich bedurfte es ja keiner Aufarbeitung; die Protagonisten kamen ja ums Leben. Was aus den weiteren 7 Opfern bzw deren Angehörigen wurde , weiss ich nicht.
ZUmnidest eins sollte jedem klar sein.. Dampfloks, so schön sie auch sind.. sind fahrende Bomben und gehören nur in geschulte und gewissenhafte Hände.
Auch heute noch!

120 001

Drehstrom.
Alles Andere ist nur Saft!

Good Bye BR 120...

Re: Ethanol???

geschrieben von: Mw

Datum: 27.11.10 22:05

>>Demnach hat das Lokpersonal mehrfach gegen grundsätzliche Bedienregeln sowie Dienstvorschriften verstossen.<<

Die Frage ist doch, wieso hat man diese Verstöße begangen?

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)

Re: Ethanol???

geschrieben von: 52 8186

Datum: 27.11.10 22:15

Es gibt halt Lokführer und Lokführer eine Hierarchie und Propaganda, sowie einen Heizer der die letzten Jahre vorwiegend auf der
Drehscheibe seinen Dienst tat.....alles in allem im schlimmsten Fall eine tödliche Mischung.

Re: Ethanol???

geschrieben von: Mw

Datum: 27.11.10 22:20

Ist damit definitiv gemeint, daß Besoffene auf der Lok den Dienst taten?

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:27:22:20:51.

Re: Ethanol???

geschrieben von: 52 8186

Datum: 27.11.10 22:26

Das Lokpersonal war vollkommen nüchtern , Alkohol war nicht im Spiel, insofern nicht vorzuwerfen.

Re: Ethanol???

geschrieben von: Mw

Datum: 27.11.10 22:30

Wieso wird das denn hier von Walsum5 ins Feld geführt?
Und weiter unterschwellig weiter so behandelt?
Um von "Fehlern im system" abzulenken, wie so oft?

Immerhin wurde dem Lokpersonal in Wittenberg ein Halt zur Wasseraufnahme versagt Von wem, bestimmt nicht nur vom armen Fahrdienstleiter in Wittenberg, sondern - wie so oft in der DDR "von ganz oben" --

Und das ist hier die Frage, wer dort oben trägt die Verantwortung für diese Katastrophe.
Und wer versucht diese Schuld zu verschleiern.

Und da ist man sich nicht zu Schade, das Lokpersonal mit Alkohol in Verbindung zu bringen.

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:27:22:42:33.

Re: Ethanol???

geschrieben von: 52 8186

Datum: 27.11.10 22:38

Nein, auch von " OBEN " ist hier nichts angewiesen worden. Mittlerweile habe ich es über 30 jahre mit Dampflokomotiven zu tun.
Habe fast alles erlebt was an Störungen möglich ist...und vorallem eins bewahrt...die Angst vor zu wenig Wasser.
Auch ich habe auf dem Tritt gestanden und in die untere Mutter geschaut, doch nie bei geöffnetem Regler, dann ist Ende mit der Banane
bei aller Lokführerehre. ! War oft mehr als grenzwertig was man veranstaltet hat um den Zug an das Ziel zu bekommen. Wie dankbar bin ich diesen
100 mm !! Die Kollegen von 01 1516 hatten auch gehofft, leider vergebens.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:27:23:02:20.

Re: Ethanol???

geschrieben von: 120 001

Datum: 27.11.10 23:23

Bei der 03 hätte das Personal schon arg vorgewarnt gewesen sein müssen! Zumal es die Anweisung gab Vorräte ergänzen bei der 01.
Wurde nicht gemacht--> Vorsatz!
Tender hat n Pegel.. wenn Tender leer; Wasserstände leer und beim Speisen nur noch Dampf kommt; dann Runter mit dem Feuer vom Rost.
Wurde auch nicht gemacht.
2 Mann im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten.
Kein Vorsatz?
Wenn Lok leer dann Lok leer egal was Genosse Staatsratsvorsitzender sagt. (so doof ist auch der nicht!)

120 001

Drehstrom.
Alles Andere ist nur Saft!

Good Bye BR 120...

Re: Ich muss doch sehr bitten!

geschrieben von: Ingo Oerther

Datum: 27.11.10 23:29

Einfach mal onlie recherchieren und dann weiss man, dass definitiv KEIN Alkohol im Spiel war!
In der DDR gab es doch nicht nur Säug´fer!
Auch wenn das manche unwissenden gerne so darstellen mögen!

Dieser tragische Unfall wurde in verschiedenen (auch online zugänglichen Medien hinreichend und erschöpfend dokumentiert.

Ich empfinde diesen Zwischenfall nur als äußerst tragisch und schlicht schrecklich.

Wie andere User hier schon geschrieben haben, bewies dieses Schreckliche Unglück, dass auch Dampflokomotiven keine "Spielzeuge" sind, sondern knallhart den Gesetzen der Physik "gehorchen".

Auch nach all den Jahren gehört mein Mitgefühl den Hinterbliebenen dieses schrecklichen Unglücks!

Re: Ethanol???

geschrieben von: 52 8186

Datum: 27.11.10 23:35

Im BW Leipzig West gab es eine Hierarchie die ihresgleichen suchte. Als Rangierlokführer traute man sich ( übertrieben gesagt) nicht
sich mit einem Schnellzugheizer an den Tisch in der Kantine zu setzen.
Da hatte man es als junger Dampflokführer schwer sich in dieser " Pünktlichkeit um jeden Preis" Gilde zu behaupten.
Die Erfahrung hat nicht gereicht das Risiko optimal abzuwägen......
03 2121 hat es gerade so überlebt, das Personal hätte es auch wenn es der Vorschrift entsprechend abgelöst worden wäre. Eine Untersuchung der 03
hätte sofort erfolgen müssen, daß Ergebnis der Untersuchung.....Gastfahrt in die heimat, melden beim Gruppenleiter.
siehe [www.drehscheibe-foren.de]. Geht die Diskussion alljährlich auf's Neue los...?


Aufgrund der Tragik des Unglücks dem Leid der Hinterbliebenen denke ich, ist es angemessen.
Danke für den Link, Ludger. Ich hatte ihn auf die Schnelle nicht gefunden.

Gegen eine angemessene Erinnerung und eine maßvolle Debatte ist nichts einzuwenden. Die Form und Intension der Ursprungs-Beitrag ist schon in Ordnung.
Was mich aber zuweilen anpiept, ist die Art der Reaktion.
Da vermisse ich die stille Recherche der User. Die unreflektierte Sensations-Geilheit und manche Zwischenbemerkung finde ich nur zum kotzen...

Danke für die sachliche Erklärung. (o.w.T)

geschrieben von: Alibizugpaar

Datum: 28.11.10 01:27

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
Gruß, Olaf

(,“)
< />
_/\_

♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥
♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥ ♥

Et häd noch immer jood jejange !

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 01:28

Wir haben dieses Unglück schon 1978 mit Lokführern in der DDR lange diskutiert; und haben uns wirklich keinen "Reim" darauf machen können - bezüglich des Leichtsinns des Lokpersonals. Vielleicht lag es auch an der Selbstüberschätzung des Personal nach dem Motto: Es ist noch immer gut gegangen! (Et häd noch immer jood jejange!).

Ich weiß noch, dass sich damals in Hof ein Heizer damit "rühmte", trotz anstrengender Fahrt fünf Minuten lang kein Wasser (im Wasserstandsglas)gesehen zu haben.
Nächtliche Grüße Axel Hartmann

Ludger hat vollkommen recht! (o.w.T)

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 28.11.10 08:58

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
Alle Jahre wieder...
... und man schreibt den Mist vom Mist ab.

Ich war dabei - am 27.11.1977, als die 03 2121 ins Bw Lichtenberg geschoben wurde, erlebte das Personal, was nicht mit einander sprach, pausierte und die seit Tagen stehende, nicht aufgerüstet 01 1516 nahm.
Mit dem langjährigen Gruppenleiter Wolfgang M in Leipzig West unterhielt ich mich dazu.
Er sprach von der Hierachie und den Nicht-Miteiander.

Die Fehler:
01 1516 sollte in 2 Tagen ins Raw, sie war ja noch mit spitzer RK und war ne wilde. So sah sie auch aus!
Sie stand seit zig Tagen als Reserve.
Der Tf der 03 war ein junger E-Lok-Tf, der noch Dampf machen musste, aber kein Gefühl für Dampf hatte.
Der Heizer war ein altgedienter, aber ne "Schluse", der sich nicht um die Lok kümmerte und letztlich in der Hierachie dem Tf nicht wiedersprach.

Der Rest ist bekannt.
Aber: Wer in Berlin mit über 10 min Verspätung losfährt und dann den Fahrplan stramm ausfährt, also auch weiteres Wasser verheizt, und in BTF fast plan war, da darf man sich nicht wundern, wohin das Wasser war.
Und was war eigentlich auf der Herfahrt los?
Die 03 staretete ja mit allen Vorräten. Auch hier "heizte" der Tf mit langer Steuerung und verdampfte das Wasser, ohne das der Heizer hinterherkam...

Wer ohne "sichtbares" Wasser in BTF ne Zielbremsung macht, ist nicht fähig...
... und nahm sich und Reisenden das Leben.

Soweit dazu.

Und verschont mich mit Darstellungen, wie schlimm ich über das Persoinal rede. Das waren nun einmal die Verursacher, die Schuldigen. Und einer hat den Hut auf...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:11:40:56.
Die 1516 sollte für alle Eisenbahner, Dampflokführern und vorallen für jetzige Eisenbahnfreunde und "Bediener" von Dampflokomotiven eine ewige Lehre sein. Die hier noch einmal veranschaulichte Fakten müssen für jeden, der eine Hochdruckkesselanlage bedient, Gänsehaut und mehr Respekt vor der Dampflok bringen. Die Achtung vor der geballten Kraft und das einzigartige Zusammenspiel von Heizer und Lokführer sind unwiderrufliche Grundsätze im Dampflokbetrieb.
Traurig nur wenn man auch in jüngster Vergangenheit in Meinigen oder anderen Lokwerkstätten Kessel zu Gesicht bekommt die die auch kurz vor der Selbstzerstörung waren oder wenn man beobachten kann wie Kesselmanometer im Schnellgang arbeiten. So kann man heute keine Museumslok lange erhalten.
Gruß Jörg

Das war m. E. ein gemeinsam begangener Suizid, ...

geschrieben von: rolf koestner

Datum: 28.11.10 12:20

...der beim ersten Mal schief gegangen ist, aber dann beim zweiten mal innerhalb einer Dienstschicht geklappt hat. Nur so ist der ganze Vorgang halbwegs plausibel zu erklären.

Ein Abschiedsbrief ist dazu nicht zwingend erforderlich.



Bis neulich

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:12:21:22.
Der Altstädter schrieb:

"Traurig nur wenn man auch in jüngster Vergangenheit in Meinigen oder anderen Lokwerkstätten Kessel zu Gesicht bekommt die die auch kurz vor der Selbstzerstörung waren oder wenn man beobachten kann wie Kesselmanometer im Schnellgang arbeiten. So kann man heute keine Museumslok lange erhalten."


Genau das ist der Punkt, Jörg.
Wenn es dir nicht passt, dann überspringe einfach das Thema.
Nicht jeder in diesem Forum ist so alt wie du und weiß alles über die Eisenbahn, bzw. ist schon mit so einem Fachwissen von Geburt an ausgestattet.
Es gibt auch jüngere User, die sich mit der Eisenbahn beschäftigen und zum ersten mal von diesem Unglück erfahren.
Jeder hat doch mal klein angefangen, oder irre ich mich ?

Carmen,dich geb ich nicht mehr her.

Eine gewagte, aber interessante Vermutung!

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 13:45

Hallo Rolf,

diesen Gedankengang haben wir nicht in Betracht gezogen; der ist uns noch nicht einmal in den Sinn gekommen! Aber Du könntest damit Recht haben. Ich weiß nur aus meiner eigenen Zeit im Fahrdienst, dass Wassermangel, gerade im Wasserstandsglas dem Heizer und dem Lokführer (normalerweise) die Schweißperlen auf die Stirn trieb!

Und das alles an einem Tag zweimal, bei der 03, bei der 01.5!

Grüße Axel Hartmann

Interessanter ist die Aktualität...

geschrieben von: 35 1113-6

Datum: 28.11.10 13:50

...denn, so hart das klingen mag, die Toten von damals werden nicht wieder lebendig, egal wie oft man daran erinnert und mit den Verantwortlichen kann man auch nicht mehr darüber reden. (Trotzdem sind Gedenktage natürlich eine berechtigte Erscheinung.)
Wesentlich wichtiger ist die o.g. Brisanz des Themas "Dampf und Eisenbahn sind keine Spielzeuge". Und wenn ich dann sehe, dass die "ÜF" eine Lok, die sie schonmal durch Unterlassung kaputtgespielt hatten, jetzt mit der Lok wieder rumhantieren dürfen, bekomme ich das große Ko**en. Der Lagerschaden neulich war vllt die Rettung für den Moment. ...
Schönen ersten Advent miteinander.

Beste Grüße aus Leipzig
Martin


"Schaut zu den Sternen und nicht hinab auf Eure Füße. Seid neugierig, und wie schwer auch immer das Leben scheinen mag, so gibt es doch immer etwas, das ihr tun und worin ihr erfolgreich sein könnt. Es kommt darauf an, nicht aufzugeben." (Stephen Hawking)

Eine Nachfrage

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 13:52

Hallo Michael,
bitte schön: "Der Heizer war ein altgedienter, aber ne "Schluse"," Was ist das? Ich kenne diesen Ausdruck nicht.
Grüße Axel

Noch ne' Nachfrage

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 13:58

Hallo Jörg,
ich habe längere Zeit als Heizer gearbeitet, aber was meinst Du mit: "oder wenn man beobachten kann wie Kesselmanometer im Schnellgang arbeiten." Habe ich noch nicht gehört!

Grüße Axel Hartmann
> Der Tf der 03 war ein junger E-Lok-Tf, der noch
> Dampf machen musste, aber kein Gefühl für Dampf
> hatte.
> Der Heizer war ein altgedienter, aber ne
> "Schluse", der sich nicht um die Lok kümmerte und
> letztlich in der Hierachie dem Tf nicht
> wiedersprach.

Mit anderen Worten, der Heizer blickte auf den Jungspund herab, wahrte dabei aber auch strikt die Hierarchie und machte somit nicht die geringsten Anstalten, seine Erfahrungen einzubringen. Mit dem bekannten Ergebnis.

Man korrigiere nötigenfalls, was mir erzählt wurde: Es war die alte Garde, die einen sehr ausgeprägten und in diesem Fall eben verhängnisvollen Standesdünkel hatte. Der verschwand erst auf biologischem Wege und machte bei der nachwachsenden Generation einem kollegialen Miteinander Platz. Zehn Jahre nach Bitterfeld war das wohl weitgehend durch.


Noch etwas zu der Diskussion über eine Ablehnung eines Wasserfassens in Wittenberg: Diese Ablehnung dürfte ja auf der Aussage beruht haben, die Lok habe in Berlin alle Betriebsvorräte ergänzt. Wenn daraus nun indirekt eine Mitverantwortung der Dispatcherleitung abgeleitet werden soll, mutet das recht schräg an. Sie hätten eben an einem geeigneten Waaserkran halten bleiben und das vorher durch Zuruf ankündigen müssen, wenn das Wasser zur Neige geht. Natürlich wären dann Fragen gestellt worden, wie nach nicht mal 120 Kilometern der gesamte Vorrat weg sein kann. Das war das Problem dabei.

Und vielleicht eine kleine Relativierung zu den Aussagen, die in die Richtung gehen, Dampfloks als rollende Bomben anzusehen: Es gibt dort auch für solche Fälle eine Sicherheitseinrichtung, nämlich Löcher, die mit Propfen aus einem Material mit niedrigem Schmelzpunkt verschlossen sind. Bei Überhitzung sollen die rausfallen, das Wasser ins Feuer laufen und damit das Lokpersonal zwangsweise der Schande einer kaltgemachten Lok anheimfallen lassen. Diese Einrichtung hat nur in diesem Fall durch Kesselsteinansatz versagt.

Aber es dürfte wohl stimmen, was hier schon vor drei Jahren eingeschätzt wurde: Sollte es jemals zu einer ernsthaften Havarie mit einer Dampflok kommen, dann dürfte wohl kein Dampfer mehr auch nur einen Meter mit eigener Kraft fahren. Da dürfte dann der öffentliche Druck auf die Aufsichtsbehörden zu groß sein.
...er sein eigenes Leben auf's Spiel gesetzt hat, nur um der Hierarchie willen? Und hat man in Wittenberg nicht gehalten, obwohl er sich als erfahrener Heizer über die Folgen dieses Handelns im Klaren sein musste? Nicht wirklich plausibel. Es bleibt zudem das trockenheizen der 03 auf der Hinfahrt. Soll das nur Zufall gewesen sein? Und dann ist man auf der Rückfahrt nicht vorsichtiger gewesen?

Da bekommt auch der Hinweis von "MichaelR" in diesem Thread eine andere Bedeutung:

Zitat:
Ich war dabei - am 27.11.1977, als die 03 2121 ins Bw Lichtenberg geschoben wurde, erlebte das Personal, was nicht mit einander sprach, pausierte und die seit Tagen stehende, nicht aufgerüstet 01 1516 nahm.

Die hatten schon abgeschlossen. Nur der "Erfolg" stand noch aus, aber kurz bevor.


Meine Ansicht habe ich HIER bereits geäußert.


Bis neulich

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
Es wurde nach der "Schluse" gefragt.
fakt ist, der Mann hatte an diesem Tag keine Lust (zur Arbeit).
Lag es am jungen Tf, der nicht aus der alten Gilde war? Sein Fahrstil, sein Schruppen?
In der Kantine saßen wir Personale damals. Zwei von einer Lok, die nahezu getrennt saßen, machen kein gutes Bild.
Und was ein Tabu war, das bestätigte auch knallhart ein Hallenser Lehrlokführer, dass das kein guter Heizer..., aus der Ölspritze lief Öl raus.
Und da war noch mehr.
Der junge Tf (damals älter als ich ...) war stolz auf seine Ankunft in Berlin. "Fotografier mir die Lok nicht kaputt..." während der alte Heizer gebeugt auf der anderen Seite abstieg und wortlos in 5 m Abstand hinter her ging...
Aber Suizid schließe ich aus.
Das macht man anders, wo anders...
Man schruppt (auch schrubbt) nicht mit 100 an den Bahnsteig und macht ne Zielbremsung. Hier war der Status, ich beweis es euch (allen!).
Ja was...?
Es war ne Selbstüberschätzung hoch drei, dass er bis Btf noch schafft. Daher nicht auf LuWi Wasserhalt bestand. Warum?
Vielleicht ein Transitzug hinter ihm? Oder ...?
Wenn ein Tf bei der DR gemeldet hat, es geht nicht weiter, weil ..., dann gings nicht weiter.
Aber dazu muss der Tf auch wissen, was er sagt - sagt, von dem, was er versteht.

03 2121 kaputt.
01 1516 um die Ohren geflogen.
Es war nicht der erste Unfall. Ich denke an 03 174 auf der Fahrt von Berlin kurz hinter Angermünde im Gefälle bei Wilmersdorf. Ohne Wasser gefahren, weil kein Druck und dann im Gefälle schnell nachgespeist...

Das Thema 01 509 ist hier ja schon ausgiebig von jedem, der etwas weiß, dargestellt worden.
Ist sie ein Einzelstück?
Ist die Dampflok die fahrende Bombe oder das Personal, das EVU, dass die Lok mit Pinsel HU (nicht 01 509) oder jeden willigen zum Tf und Heizer in drei, vier, fünf ... Tagen bestätigt und fahren lässt.
Das sind neue Fragen, weitee Fragen, die hier gar nicht zu klären sind, dafür gibt es ne Aufsichtsbehörde.
Punkt

Na, ich weiß nicht so recht, ...

geschrieben von: 01 1066

Datum: 28.11.10 14:49

... ob Deine Hypothese wirklich zutrifft - es gibt bequemere Arten, Selbstmord zu begehen; vor allem solche, die nicht eine Unzahl von anderen Menschen mitreißt (der Selbstmörder ist normalerweise kein gemeingefährlicher Mörder, von arabischen Terroristen mal abgesehen - diese Theorie kann man für 1977 wohl getrost ausschließen).

Aber nach 33 Jahren läßt sich halt nur noch spekulieren (auch der - im EK-Buch teilweise abgedruckte - Untersuchungsbericht bringt in dieser Hinsicht keine Klarheit).


Ich vermute eher, daß sich weder Heizer noch Lokführer über die Tragweite ihres Handelns voll bewußt waren. Lt. EK-Buch soll eine 01.5 zwischen Berlin und Leipzig 28 m³ Wasser verbraucht haben. Da hat man bei einem 34er Tender schon nicht allzu viel Reserve. Und wenn die beiden nicht "eingespielt" waren, hat sich jeder auf den anderen verlassen - und beide womöglich auf den Schuppenheizer in Berlin, der werde schon dafür gesorgt haben, daß die Reservemaschine mit vollen Vorräten übergeben werde. Die haben wahrscheinlich erst unterwegs realisiert, daß der Tender "trocken" fiel, aber gehofft, daß alles gut gehen werde (das klassische Zeichen von Fahrlässigkeit). Die scharfe und verbrauchsintensive Fahrweise des Lokführers mag das Dilemma noch verstärkt haben. Und wenn die Stimmung auf dem Führerstand erst einmal so kaputt ist, mag der Heizer sich gedacht haben, 'wenn der mich hier schuften läßt, dann schufte ich eben' und sich der Gefahr erst bewußt geworden sein, als es schon zu spät war ("Trockenspeisen").

Das glaube ich überhaupt nicht!

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 15:14

Hallo,

"Ich vermute eher, daß sich weder Heizer noch Lokführer über die Tragweite ihres Handelns voll bewußt waren"
Egal, ob Kesselwärterprüfung und/ oder Dampflokführerprüfung; das mit dem Wasermangel, wie er entstehen kann, was zu tun und was zu unterlassen ist, wurde auf jeden Fall (als ich meine Prüfungen machte) regelrecht eingebläut!

Immer wieder wurde auf den "Auffrischungsschulungen", die die Fahrpersonale auch nebenbei besuchen mussten auf konkrete Unfälle / Beinah-Unfälle diesbezüglich hingewiesen. Selbst, wenn sich die Beiden, aus welchem Grund auch immer, nicht gut verstanden haben, so hätten sie in der nahenden, brandgefährlichen Situation bestimmt nicht gegeneinander gearbeitet; das wäre wie Rolf schon schrieb selbstmörderisches Handeln gewesen!
Grüße Axel

Re: Noch ne Nachfrage

geschrieben von: Mikado-Freund

Datum: 28.11.10 15:24

Unter „wenn man beobachten kann wie Kesselmanometer im Schnellgang arbeiten” verstehe ich z.B. viel zu schnelles hocheizen einer kalten - oder abgekühlten Lok.




Gruß

Walter

Re: Das glaube ich überhaupt nicht!

geschrieben von: 01 1066

Datum: 28.11.10 15:33

Ja, Axel, das glaube ich Dir - gelernt ist gelernt.

Das Problem bei fahrlässigem Handeln ist ja immer, daß gegen Vorschriften verstoßen wird - nicht bewußt, aber es wird dagegen verstoßen. Für den Außenstehenden - und vor allem für den Kundigen - ist das unverständlich und nicht nachvollziehbar ("die haben das gelernt", "die wissen doch, wie gefährlich das ist"). Eine ähnliche Argumentationskette konnte man unlängst in diesem Thread verfolgen.


Selbst mir als Nichttechniker ist klar, daß eine solche Handlungsweise "selbstmörderisch" ist. Aber dieses Wort hat eine Menge Bedeutungen, die passendsten habe ich unterstrichen:

Zitat:
Bedeutung: gefährlich | Art: Adjektiv
verhängnisvoll, waghalsig, unheilvoll, bedenklich, heiß, abenteuerlich, ungesund, kühn, rau, unsicher, unheildrohend, folgenschwer, schlimm, maligne, bedrohlich, risikoreich, gewagt, schädlich, tödlich, ominös, voller Gefahr, mutig, verfänglich, ernst, knifflig, gefahrvoll, gesundheitsschädlich, lebensgefährlich, Unheil bringend, unheilschwanger, verwegen, verderblich, ungut, böse, heikel, Gefahr bringend, halsbrecherisch, unbekömmlich, tollkühn, unglücklich, finster, bösartig, übel, brenzlig, kritisch, ereignisreich, gesundheitsschädigend, riskant, katastrophal

aus [synonyme.woxikon.de]


Nur erfüllt es nicht den Sachverhalt des Suizides, weil das planmäßiges, absichtsvolles Handeln erfordern würde - und das sehe ich nicht. Ich sehe da nur grenzenlose Schlamperei.


Und - auch wenn das Beispiel off topic ist - wer bei Nebel mit 200 km/h über die Autobahn "rast" (hier paßt das ausnahmsweise), handelt auch selbstmörderisch, selbst wenn er weder sich noch andere umbringen will...

Re: Das glaube ich überhaupt nicht!

geschrieben von: A. Hartmann

Datum: 28.11.10 15:48

Hallo,
Deine Argumentation kann ich gut nachvollziehen. Dieser Unfall bleibt halt einfach geheimnisvoll!
Grüße Axel

Re: Das glaube ich überhaupt nicht!

geschrieben von: 52 8186

Datum: 28.11.10 15:59

Mit großem Interesse verfolge ich die Diskussion hier, unglaublich diese Meinungsvielfalt.
Alkohol und Suizid ist meiner Meinung nach auszuschließen. Um mich mit einer Dampflok in die Luft zu jagen
bedarf es keinen Schnellzug nach Berlin....lässt sich mit dem Abschlammer schneller regeln.
Nach diesem Ereignis war man sich in höchsten Reichsbahnkreisen bewußt das die Dampftraktion weiterhin ernst zu nehmen ist
und die nächsten Jahre unverzichtbar. Dieses " 1975 ist Schluss" fand ein Ende.
U.a. wurden Ausbildungs- und Prüfungsrichtlinien verschärft. In meiner Ausbildung stand an erster Stelle sofort zu reagieren
wenn der Heizer Schwierigkeiten hatte.
Während meiner Probefahrt mit 52 8041 versperrte mein Prüfer ( Reichsbahnrat Walter Minut) mir die Sicht auf die Armaturen.
Dabei stellte er mir die Frage nach der momentanen Höhe des Wasserstandes. Die Generation Lokführer " Nase im Wind" hatte ausgedient.
Ein kollegiales Miteinander war gefragt und wurde zum Ende der Dampfzeit egal ob alt oder jung auch praktiziert.
Ich hoffe das man im musealen Betrieb immer sensibel bleibt....



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:16:00:46.

Fakten

geschrieben von: Olaf Ott

Datum: 28.11.10 16:24

Guten Abend!

Wohl werden wir nie die genauen Ursachen dieser Fehlbedienung eines Dampfkessels erfahren.

Besonders die Informationen von MichaelR werfen ein genaueres Bild auf dieses Unglück und verneinen in
meinen Augen einen, wie hier als Verdacht geäußerten, Suizidfall.

Ein paar Fakten möchte ich anfügen:

Der Lokführer S. (38 Jahre) hat 1970 die V-Lokführerprüfung abgelegt und 1974 (wohl auf eigenen Wunsch) die Reglerberechtigung erhalten.
Der Lokheizer F. (63 Jahre) war bereits 38 Jahre als Lokheizer im Dienst.
Beide Personale vom Bw Leipzig-West

Der als erste Leistung zu bespannende D 562 wurde nur Samstags mit Dampf bespannt. Ansonsten Planlok 118.

Der festgestellte Befund für 03 2121 befindet, daß durch ein schadhaftes Rückschlagventil der Kesselspeisepumpe wahrscheinlich im
letzten Fahrtabschnitt des D 562 nur mit der Strahlpumpe gespeist wurde. Das die Lok im Bahnhof Lichtenberg entfeuert wurde und mit
einer Diesellokomotive, wie auch Michael bestätigt, in das Bw Lichtenberg geschleppt wurde spricht für mich klar gegen eine etwaige
Selbstmordabsicht. Wenn man solche Absichten hat, entfeuert man die Lokomotive nicht, sondern...
Da nach meinen Kenntnissen der D 562 in Schöneweide endete, wäre für mich die Frage offen, ob der Lr von 03 2121 nach Lichtenberg ge-
bracht wurde oder die Lok bereits in Schöneweide entfeuert wurde und mit Dieselvorspann fuhr.
Hier wurde bereits das erste Mal unsachgemäß gehandelt, um vielleicht diesen Fehler unter den Tisch zu kehren. Wenn der Lokführer S.
diesen Schaden durch Wassermangel gemeldet hätte, hätte er vom Dienst entbunden werden müssen, da er den Schaden an 03 2121 durch
unsachgemäße Dienstausübung herbeigeführt hat. Der Werkmeister in Berlin überprüfte durch diese falsche Meldung die Lokomotive
auch nicht sofort, denn dann hätte er das Personal "aus dem Verkehr" ziehen müssen.




Die Unglücksursache des finalen Kesselzerknalls von 01 1516-2 sind durch Wassermangel geklärt.

Warum es aber dazukam, kann nur spekulativ genannt werden. Wie MichaelR aus eigener Anschauung sah, waren die Beiden kein Team.
Der unerfahrene junge Lokführer und der alte erfahrene Haudegen, der aber keine Lust hatte.(Stichwort Schlusse)
Wenn die Daten aus dem Unfallbericht korrekt sind, was ich nicht anzweifele, ist S. sehr scharf gefahren.
Zuglast 13 Bgh Wagen und 7 Minuten nach Plan ab und 2 Minuten vor Plan in Bitterfeld sprechen nicht für eine
Heizerfreundliche Fahrweise.

Die Feststellung im Unfallbericht, daß die Rauchkammertür in Bitterfeld nach dem Unfall geöffnet vorgefunden wurde, wirft für
mich die Frage auf, ob in Berlin alle Vorreiber geschlossen waren? Dieses wäre ein weiteres Indiz für eine schlampige Kontrolle
der Lok vor Fahrtantritt.




Sehr nachdenkliche Grüße in die Runde sendet

Olaf Ott
Nie und nimmer!

Die beiden mussten doch wissen, dass sie auf der Hinfahrt ein Schweineglück gehabt haben. Und dann beide auf der nächsten Fahrt wieder diese Falschhandlung(en)? Das kann mir keiner erzählen.

Diese ganzen Wischiwaschi-Begründungen, wie Hierachie und "nur ab und zu von E- auf Dampflok", deuten für mich auf ein krampfhaftes Vertuschen der Verantwortlichen. Und warum sollte diese Hierarchie ausgerechnet in Leipzig derart ausgeprägt sein? Und auch wenn die Leipziger Loks tatsächlich in dieser Größenordnung gravierende Mängel aufgewiesen haben sollten (was m.E. nur schwer glaubhaft ist), kann man das von der 01 0516 nachdem was bekannt ist, nicht annehmen, außer dass sie nach einer Unterhaltungsperiode nicht mehr im besten Zustand war, wie der Kesselstein erkennen lässt. Da hakt irgend etwas!

Man braucht sich auch nicht öffentlich vor einen Zug zu schmeißen und den Lokführer schädigen, oder als Geisterfahrer andere mit in den Tod zu reißen. Man hängt sich einfacher auf dem Dachboden auf oder schließt sich bei laufendem Motor in der Garage ein. Selbstmörder handeln oftmals nicht rational.

Nur soviel. Als ich das erste Mal (ich meine es sei im EK gewesen) den Bericht gelesen habe, stand der Sachverhalt für mich fest.

Wir werden es nicht mehr (ganz) aufklären können. Dazu hätte man damals gleich im näheren Umfeld der beiden ermitteln müssen. Sollte das doch geschehen sein, liegen vielleicht irgendwo noch Akten, aus denen sich vielleicht genauere Rückschlüsse ziehen ließen. Wer weiß?


Bis neulich

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
Eine fachlich sehr eingehende Darstellung! (Um welche Zeitung handelt(e) es sich?)

Und eine Frage:

Welche finanziellen Einbußen hatte das Lokpersonal bei Verspätung zu befürchten?

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)

Re: Eine Nachfrage

geschrieben von: Wahldresdner

Datum: 28.11.10 17:57

A. Hartmann schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hallo Michael,
> bitte schön: "Der Heizer war ein altgedienter, aber ne "Schluse"," Was ist das? Ich kenne diesen
> Ausdruck nicht.
> Grüße Axel

Schluse, Schlonz, Schlunz, das steht in der Regel für einen etwas schlampigen, nachlässigen Menschen. Siehe auch [de.wikipedia.org] Im konkreten Fall dürfte das bedeuten, dass der Heizer seine Pflichten nicht immer der Vorschrift entsprechend erfüllt hat...

Viele Grüße,
Wahldresdner

--
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.

Re: Noch ne Nachfrage

geschrieben von: Der Altstädter

Datum: 28.11.10 18:25

"Kesselmanometer im Schnellgang arbeiten"??
Damit meinte ich nicht nur das schnelle Anheizen. Nein wie oft kann man auch drastische Druckschwankungen vor, während oder nach einer Dampflokfahrt erleben. Die Vorschriften gingen mal von 0,5 bis 1,0 atm Druckschwankungen aus. Alles andere ist doch "Stehbolzentraining" gewesen.
Jörg
Was nun mal Fakt ist, dass wir alle nicht wissen, was tatsächlich auf dem Führerstand, in den Köpfen los war!

Wir kennen Untersuchungsberichte, wir haben Erfahrungen, wir lesen Bücher (obwohl ich die Darstellung im EK-Buch nicht als die Top-Darstellung betrachte) und andere Darstellungen und nehmen einigen anderen, wenigen (Gruß nach Halle, Peter, wenn es Dich noch gibt), waren wenige direkt dabei, vor Ort.
Aber ganz ehrlich, ich war damls ein Jungspund. Das, was ich heute alles weiß, das war mir damals im vollen Umfnag noch gar nicht klar. Betonung liegt auf vollem Umfang. Ansonsten hätte ich damals andere Fragen - vielleicht - gestellt.

Aber zu einigen Hintergründen/Erklärungen.
Im September 1977 war der Schnellzugdampf im Berlin vorbei! Plötzlich waren die top geputzten Maschinen ein Schatten ihrer selbst... Ok, es gab noch die beiden Stettiner Läufe, aber im Spätherbnst 77 war das Bw Blo nahezu tot. Da stand nicht viel - zumindest an diesem 27.11.77.
Eine 110er (V100 DR) schob tv die 03 2121 rückwärts über die Drehscheibe in den äußersten rechten Stand.
01 1516 stand seit mehreren Tagen "warm" am Bansen. Ihr äußerer Zustand ne Zumutung.

ABER
Alle Vorreiber sichern die RK-Tür!
So ist gut auf den Fotos zu erkennen, die ich kurz vor der Abfahrt gegen 13 Uhr und zur Abfahrt gegen 14 Uhr machte.
Sie, die Rk, war zu!

Es gab in Blo keinen Schuppenheizer, das wurde "mitgemacht". Also soweit mitgemacht, dass die Lok unter Dampf stand mit Reservefeuer (rund 10 bar) und 1/2 Glas Wasser!
Was irgendwo schon stand, der Lokleiter rief dem Personal zu, dass sie noch Betriebsstoffe aufnehmen müssen.
Aber es wurde Pause gemacht (und sicher hat der Tf einen Bericht geschrieben...?).
Wasser nehmen = 5 min. Die Zeit wäre gewesen!
Mit langem Ausblasen der Zylinder fuhr der D-Zug ab Blo, noch Ostkreuz waren die Hähne auf! Das kostet auch Wasser. Dazu die "spitze" Fahrweise.
Alles andere können wir jetzt nur noch vermuten...
und das will ich nicht.
Wer mit seinem Leben, mit der Verantwortung, wie, warum spielte, bleibt trotz Hierachie ein Geheimnis.

Jetzt noch mal zu dem Tf - er musste den Dampf-Tf-Schein machen (so der Gruppenleiter) und fuhr paar mal im Jahr zum Erhalt - wiederwillig, auch das war bekannt. Das nahende Dampf-Aus für Leipzig West stand ja auch vor der Tür.
Weitere Vermutungen...? Lassen wir es.

Noch einmal.
Suizid scheidet aus!
Hierachie ohne Mitzudenken? Das ist heute schwer vorstellbar. Ohne den Heizer zu kränken, er war nur Heizer, eine Hilfe auf der Lok... Kohle, Wasser, Dampf war seins.
UND:
Nur auf der Tf-Seite ist am Tender die Anzeige zur Wassermenge im Tender! Und i.d.R. steht da die Tasche des Tf vor ...

Und jetzt wieder: Ahnung, die umfassende Kenntnis - wie weit komme ich bei entsprechender Fahrweise???
- siehe oben -

Ich kannte die 1516 - nicht 0516 - nicht näher. Kann nicht sagen, ob sie sprsam war oder viel Wasser brauchte...
Fakt ist, dass man mit einer Reko 01, mit MV, mit ca. 500 t Last, rund 220 - 260 km kommt! Aber mit Heizen wirds nur 200 km. Plus Lz-Fahrten (Bw-Bf).
Berlin-Leipzig waren rund 165 km. Also locker machbar.
Aber das hat auch jede Altbau 01 geschafft - Berlin-Dresden mit 178 km und zig Zwischenhalten, Tempo 120, mind 550 t, auch geschafft mit 34 cbm!
Und ne Reko 01 ist dank des MV allemal besser...

Während bei der 03 2121 der Schmelzpropfen schmolz, er ausglühte und das letzte Wasser als Dampf Teile des Feuers löschte - so soll es auch sein - versagte das bei der 01 1516 aufgrund des Kesselsteins. Sie sollte ja auch weg...
Hat man sich darauf verlassen?

Was geschah Tage später in Blo?
Es fuhren plötzlich 01 2065 und 01 2029 die Züge nach Stettin und die Rekos wurden "untersucht".
Aber wie wissen, kamen die Rekos alle (außer abgestellte 1506 und dann 1515) wieder unter Dampf.
Also lag es nicht an den Loks.
Es lag am Personal, am Miteinander - so bescheuert das klingt.

Wie und was, warum - siehe oben.
Hätte der Heizer sagen müssen, laut sagen müssen, dass die Pumpen kein Wasser mehr fördern?
Was tut man, wenn im Schauglas kein Wasser mehr ist?
Fährt man weiter?
Rollt man aus?

Brettert man bis zum nächsten Bf und macht ne Zielbremsung???
Letztgenanntes war und ist falsch.

Und es muss ne Lehre sein.
Ohne jetzt genau alles zu wissen...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:18:55:35.
Hallo Michael!

Danke für diese weiterführenden Informationen!

Viele Grüße und einen guten Wochenstart!

Olaf Ott

Re: Eine Nachfrage

geschrieben von: Mw

Datum: 28.11.10 19:38

Woher kommt denn das Wissen, das der ums Leben gekommene Heizer so schlampig war?

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)
...(einer keine Lust, der andere schlampig) scheinen mir ein wenig zu sehr gesteuert und konstruiert.



Bis neulich

Rolf Köstner

Man hat nicht richtig gelebt, wenn man nie in einem ICE gesessen hat, der in Hamm geteilt worden ist.


Ich bin ein Boomer!
Der Heizer war nach Olaf Otts Angabe damals 63 Jahre alt, also Jahrgang 1914. In seinem Leben also voll vom 2.Weltkrieg getroffen und 2 Jahre vor der Pensionierung. Das sollte man mal bedenken, bevor man von "keiner Lust mehr" schreibt.

Außerdem hatte die DDR zu jener Zeit ein enormes Arbeitskräfteproblem. Daher wahrscheinlich auch die Mängel in der Wartung der Loks in den Betriebswerken. Eigentlich hätten ja gar keine Dampfloks mehr laufen sollen, bis die Ölkrisen die DR (und DDR) in ganz besonderer Weise traf.

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)
Moijen..

Wie ich schon an anderer Stelle geschriben hab.. und auch andere Kollegen hier auch mutmaßen...

2 Loks in EINER Schicht kaputtheizen...so doof kann kein Personal sein, das grenzt an Vorsatz.
Vorallem weiß man was passiert... ich bin kein Dampffahrensmann aber jeder, der mit Feuer Wasser Dampf etc zu tun hat weiss das: (ja sogar Hausfrauen ;) )
Ohne Wasser auf dem Feuer = Ungeheuer!
2 leere Tender; 2 Wasserstände auf jeder Lok (die können nicht gleichzeitig mit Kesselstein zusitzen) dampfziehende Strahlpumpen.
DAS sollen (oder wollen) 2 gestandene Männer nicht bemerkt bzw ignoriert haben?
Egal was fürne Hirachie; egal was fürn Fahrplandruck; aber _jeder_ weiss ne leere Lok knallt.
Auch der Dispatcher; auch der Politoffizier wissen das. Die DDRler waren nicht doof!

120 001

Drehstrom.
Alles Andere ist nur Saft!

Good Bye BR 120...
Vielleicht war so was Alltag damals - auf Risiko fahren, Mangelwirtschaft an allen Enden ---

Schönen Abend
Mw

Bei der Fülle des zu verarbeitenden Materials sind einzelne Fehler oder Unrichtigkeiten nicht gänzlich zu vermeiden (Kursbuch Deutsche Bundesbahn)

Re: Eine Nachfrage

geschrieben von: 52 8186

Datum: 28.11.10 21:06

Ich habe mich mit vielen Kollegen vom BW West unterhalten, der Heizer war nicht schlampig sondern ein älterer Kollege der über 40 Jahre
Schichtdienst auf dem Buckel hatte.
Er war mit der Fahrweise des Lokführers schlichtweg überfordert. Sich zu weigern mit diesem Lokführer die Rückleistung anzutreten
hätte ihm das Leben gerettet. Naja hier kann nur noch spekuliert werden....immerhin herrschten auf dem Führerstand 1977 noch andere Gesetze.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:21:11:13.
wenn das jetzt unsachlich wird, klinke ich mich aus.

1. Empfehle ich, alles auf den drei Seiten zu lesen.
2. ich war damals dabei und
3. habe das "Leben" Jahre später nachrecherchiert beim Gruppenleiter, als ich mich für Geschichte interessierte

4. empfehle ich, nicht irgend etwas zu "verbinden"

- ja, es fehlten Arbeitskräfte, darum musste ja ein E-Lokführer auch mal ne Sonderschicht auf Dampf machen.
Der eine konnte und wollte es, der andere nicht.
- mangelnde Instandhaltung? Zu DR Zeiten haben wir die Loks, die Tfz zu tode gepflegt, viel zu häufig gewartet.
Wenn man sich heute Laufleistungen und Tages-Nachschauen betrachtet... Stichwort S-Bahn z.B.

01 1516 stand kurz vor der Zuführung zum Raw. Wurde die Wäsche verschoben?
Das kann ich nicht beantworten.

Der TRAKTIONSWECHSEL war bei der DR um 1970 weit vollzogen, man betrachte die neuen Diesel-Bw. Verschiedene schwere Leistungen blieben noch in der Hand der Dampfer. Stichwort Berlin-Dresden bis 1977. Aber 1977 - 1979 war das alles im schweren Dienst vorbei - Stralsund, Leipzig Hbf West, Lu Wi, Berlin Ostbahnhof (Blo), Dresden Alt! Natürlich nicht einzelne Ausnahmen wie Schöneweide, Brandenburg, Halberstadt ... erwähnen.
Die Ölkrise kam erst um 1981/82 ...

Also nicht alles vermischen.

Und ich möchte mal den altgedienten Heizer sehen, der einem Tf sagt, wie er zu fahren hat und dann gute, sehr gute Laune hat.
Bitte mal zurückdenken nach 1977.

Wir sind NICHT im Museumsdienst von 2010 oder ...

NACHTRAG!
Wir sind bei der DR nicht auf Risiko gefahren!
Wir sind nicht auf den Verschleiß gefahren, wie es hier weiter oben steht.

Wer sind solche Schlaumeier???



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:28:21:09:59.

Mal ein ganz anderer Gedanke

geschrieben von: Peter

Datum: 28.11.10 21:43

Moin!

Wenn man damals nicht zweifelsfrei klaeren konnte, was der Grund war, dann werden wir's jetzt auch nicht.
Und dass nach Ungluecken (insbesondere dann, wenn die Handelnden nicht ueberlebt haben) einerseits wild spekuliert wird, andererseits aber auch schnell "die Akte geschlossen wird", das gibt es auch in anderen Bereichen.

Nein, ich finde diese Erinnerung an die Ereignisse sinnvoll, zeigen sie nicht nur noch einmal eindrucksvoll die Gefahr, die von diesen Maschinen ausgeht, sondern regen (zumindest in mir) einen anderen Gedankengang an:

Wenn zwei Lokmaenner, die "von der Pike auf Dampf gelernt haben" und die regelmaessig mit Dampfloks zu tun hatten, mit noch im regelmaessigen Einsatz stehenden Maschinen ein solches Fiasko erleben, muessen dann nicht alle Museumsleute (und seien sie noch so engagiert!), die ja i. d. R. nur wenige Stunden bei besonderen Anlaessen fahren, weil im Hauptberuf anderweitig eingesetzt (im guenstigsten Fall wenigstens als Triebfahrzeugfuehrer, dann ist wenigstens das Kapitel Fahrdienst "in Fleisch und Blut uebergegangen", im unguenstigeren Fall in anderen Taetigkeiten, dann fehlen in allen Bereichen die tausende von Stunden Routine, die die alten fahrensleute nun einmal hatten) noch viel, viel vorsichtiger sein, damit ihnen (die trotz profunder Kenntnis ihrer Maschine und/oder ihrer Strecke mangels der vielen, vielen Praxis-Stunden, die ihnen "die Alten" voraushatten, nicht auch so etwas passieren kann?

Gerade die angesprochenen Erscheinungen (speziell im vergangenen Jahr) machen mich da nachdenklich.

Fehler koennen JEDEM von uns passieren - und sie passieren JEDEM von uns. Gluecklicherweise sind die Folgen i. d. R. nicht so erheblich wie im Fall Bitterfeld. Sollte aber nur in einem einzigen Fall etwas auch nur aehnliches in der heutigen Dampflandschaft passieren, dann war's das, weil dann Betriebserlaubnisse eingeschraenkt, Auflagen verschaerft und Versicherungspraemien unbezahlbar werden.

MERKE WOHL: Ich habe einen riesigen Respekt vor denen, die ihre Freizeit in den DIenst der Sache stellen - nur werden auch die engagiertesten kaum je die Erfahrung erwerben koennen, die die damaligen Personale im Laufe ihrer langjaehrigen Ausbildung und taeglichen Praxis erworben haben.

Nachdenklichen Gruss von

Peter

+++ Ich will gar nicht, dass mich jeder mag - im Gegenteil: Die Sympathie oder Zuneigung gewisser Menschen waere mir hochgradig peinlich.
+++ Friends help you move. True friends help you move bodies.
+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...
Einer Meiner Heizerausbilder hat mir damals einen wahren spruch in den kopf gehämert der wie ein bekanntes rezept für nen guten Grog klingt:
"Wasser muss, Dampf kann, Feuer braucht nicht" will sagen es darf alles sein aber wasser MUSS!!!! immer da seinund daran gibt´s nichts zu rütteln. Und bisher bin ich mit der einhaltung dieses Grundsatzes gut gefahren.
MichaelR schrieb:
-------------------------------------------------------

> Mit dem langjährigen Gruppenleiter Wolfgang M in
> Leipzig West unterhielt ich mich dazu.
> Er sprach von der Hierachie und den
> Nicht-Miteiander.

Ist das der Buchverfasser?


Gruß
Bitte bedenkt euch, ein Mensch handelt nicht immer rationell. Also gehen Dinge nicht immer so, wie wir sie später anschauen. Es wirden Fehler gemacht, obwohl man eigentlich weiss dass es nicht geht. Höffentlich lehren wir alle immer wieder von solche Fehler!
Vieles werden wir heute nicht mehr klären können - wir waren nicht auf dem Führerstand dabei.
Und Stimmenrecorder wie im Flieger gibt es nun mal nicht. Aber auch in der Fliegerei hat einer den Hut auf. Wenn der Captain fliegt, kann der Co-Pilot auch nur "zu schauen".
Es werden Fehler gemacht. Sicher. Machen wir alle mal - statt 50 fahren wir 59 km/h.
Wenns kracht, dann wird´s ggf. "fahrlässig".
Fahre ich mit 100 durch ne 30er Zone ist das schon grob fahrlässig.
Geht mir das Benzin aus, dank falscher Berechnung, ist die Frage, stehe ich dann auf dem Standstreifen und behindere keinen oder in der einspurigen Baustelle und löse den Megastau aus.
Aber deswegen stirbt niemand.
Geht dem Flieger der Sprit aus...

Fehler geschehen. Einer - einer, aus dem man - sofort - Lernen muss.
03 2121 wurde trocken gefahren.
Dann nimmt man die 01 und donnert los...
Nichts gelernt.
Warum? Was war das für ein Mensch?
Auch das werden wir trotz Fragen beim Leiter oder im Umnfeld nicht abschließend erfahren.

Aber nur ein Fehler - wie das hier in einigen Schreiben stand?
Die Fehlerquote eines Menschen ist 10 hoch minus 6. Statistik.
Ein Glück machen die Tf - heute wie damals - weitaus weniger Fehler, zumindest die gravierenden.

Ich habe den Kesselzerknall der 03 174 mit aufgeführt. Da kämpften auch zwei gegen Verspätung und geizten absichtlich mit dem Wasser. Bei Wilmersdorf (Kr Angermünde) war dann das Ende...
Ein Fehler der Selbstüberschätzung?

Und 1977?
Auch?

Fakt ist, dass man daraus was lernen muss. Sofort - und - wie kann ich den Fehler sofort beheben, etwas verändern!
Es klang in einigen Beiträgen an, wie der eine oder andere ... mit der Lok ... umgeht.
Heute.
Ein Spielzeug? Eine tickende Zeitbombe. Qutsch.
Aber
Eine Selbstüberschätzung, dass jeder im Schnelldurchlauf vom Schaffner über 8 Tage Heizer sofort Lokführer wird?
Ohne - richtige - Streckenkenntnis von Basel bis nach Rostock fährt...?
"Ich" muss alles sicher beherrschen, anwenden und bei Abweichungen, auch eigenen Fehlern, entsprechende Antworten/Reaktionen finden/durchführen. Ein Fehler kommt selten allein!

Ich will keinen neuen Beitrag aufmachen.
Ich will den hier eher beenden.
Noch mal darüber nachdenken, was alles geschehen kann... Denn, s. o., ein Fehler kommt selten allein.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:29:11:01:37.
MichaelR schrieb:
-------------------------------------------------------
> Vieles...

Mhm, das war aber nicht die Antwort auf meine Frage... ;-))



Gruß
Welche Frage?
Dafür gibt es doch "PN".
Ob Wolfgang M. der Müller ist, der ein Buch schrieb?
Weiß ich nicht, habe davon leider nichts gehört, gesehen ...
Hallo
Ich war bei dem Unglück selber dabei was mich bis heute nicht los lässt. Bin froh das ich es damals Überlebt habe, es war einfach nur schrecklich.
Ich wünsche allen schöne Feiertage.
Zustimmung .
Gerade die Jüngeren - wie ich - unter den Eisenbahnfans wissen wenig über Dampfloks ,
und sind für so eine sachkundige und laienverständlich gut erklärte Darstellung -
- wie ganz oben im Thread - sehr dankbar und aufgeschlossen .

Steve

-
Hallo
ist ja schön das dieses Thema schon durchgekaut wurde,aber ich habe es jetzt erst gefunden.
Für mich ist es aber sehr wichtig das ich mein erlebtes hier rein schreibe, weil mein Leben nicht ganz so gut verlaufen ist.
Das Erlebnis muss ich aufarbeiten, weil ich da so schlimme dinge gesehen habe, das ist nur ein teil von mein Leben.
Das Leben kann ganz schön hart sein ich habe deswegen 9 Wochen in der Klinik verbracht. Die Psychologen sind zur zeit mit mir dabei mein Leben aufzuarbeiten
und das ist ein teil davon.
Vielleicht magst du mal schreiben, was du damals erlebt hast? Natürlich nur, wenn du willst. Aber vielleicht kann ja so ein Augenzeugenbericht hier noch weiter erhellendes zu den Vorgängen beitragen.

Ich habe mir diesen Thread gerade nochmal von Anfang durchgelesen, wie damals auch, als er entstand. Mein Eindruck war damals schon, und so ist es auch heute, dass da womöglich zwei aufeinander getroffen sind, die einander nicht leiden konnten, vielleicht war der Heizer, immerhin schon 34 Jahre Heizer ohne weiter zu kommen, eifersüchtig auf den jungen Lokführer, den Jungspunt, der ihn mit seiner Raserei auf Trab hielt, so kurz vor der Rente. Oder der junge Kerl wollte auf den Rat des alten Heizers nicht hören, und da sagtre der sich, Jungspunt, mach nur, du wirst sehen, wohin das führt... Ein anderer Gedanke, der mir kam, als die mit der 03 knapp einem Kesselzerknall entgangen sind, das muss Stress pur für die zwei Männer gewesen sein, gerade so noch dem Tod von der Schippe gesprungen, die waren vielleicht mental so fix und alle, dass sie nicht mehr klar denken konnten, und deswegen das Wasser auf der 01.5 nachzufüllen vergaßen. Dabei sollten die beiden funktionieren wie ein Uhrwerk, nach so einem Erlebnis.

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
Kondenslok.de (temporär offline) + Industrial Railways of Indonesia SIG (fc)
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.
Hallo Stefan
technisch kann ich Dir nicht weiter helfen. Was ich erlebt habe kann ich erzählen. wenn Du Dir die Fotos anschaust denn siehst Du im Hintergrund ein Zug der war mein Lebensretter. Ich habe damals da gestanden und habe eine Zigarette geraucht genau an der Stelle bevor es passierte, nach dem ich fertig war mit rauchen bin ich wieder eingestiegen und habe mich auf mein Platz begeben, mein Sitzplatz war am Fenster zum Bahnsteig genau in der höhe wo die Lok explodierte. Von der Explosion habe ich nicht viel mitbekommen, nur das ich plötzlich von mein Sitz zur anderen Seite des Waggon geschleudert wurde und bei mir erst einmal das Licht aus ging.
Irgendwann bin ich wieder zu mir gekommen und ich sah nur Asche Glut und Qualm. Ich wusste nicht was passiert war, also bin ich ausgestiegen da kam mir ein Mann von der DR entgegen und fragte ob mir was passiert ist, ich sagte weiß ich nicht und sah mich um es sah aus als wäre eine Bombe explodiert. Der Angestellte von der Bahn sagte zu mir ich soll in die Bahnhofshalle gehen da sind Ärzte wo ich untersucht werde, ich hatte nur Schrammen und blaue Flecken. Bevor ich aber bei den Ärzten angekommen war, habe ich auf dem dahin ein schreckliches Erlebnis gehabt, das ich bis heute immer noch nicht vergessen habe und ich auch nie vergessen kann dazu war es einfach so schlimm, auf dem weg zu den Ärzten habe ich ein Mann gesehen der nach Hilfe schrie und da sah ich warum er so schrie, er hatte zwei Kinder die aussahen als wären sie total verbrannt,er schrie nach Hilfe für seine Kinder und ich stand einfach da und konnte nicht helfen, obwohl ich es gerne gemacht hätte, aber es ging nicht, ich stand total unter schock. Das alles hat mich bis heute nicht losgelassen, mache mir immer noch Gedanken über mein verhalten das ich nicht geholfen habe.
Ich bin froh das ich das hier im Internet gefunden habe. Wenn ich doch bloß mich bei dem Mann entschuldigen könnte, aber leider finde ich nichts über die verletzten Menschen.
Danke das ich das erlebte hier mal niederschreiben durfte. Vielleicht ist ja jemand der das liest und mir weiter helfen kann.
Das wäre genial wenn ich mich bei dem Mann nach so langer zeit noch entschuldigen darf.

MfG Ralf



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2012:12:18:19:21:09.
Hallo Ralf,

Du weiß, wie Brandverletzte behandelt werden: In Rettungsfolie gehüllt ab in eine Spezialklinik.
Das gab es damals alles nicht.
Mir an Deiner Stelle wäre auch nur die Hilflosigkeit geblieben.

An meinem Arbeitsplatz, einem Chemielabor, da gibt es Rettungsfolien, falls mal jemand in Flammen steht; (ist leider 1976 passiert- da hatten wir das aber noch nicht)
da kann man Ersthilfe leisten- aber draußen, als Reisender?

Grüße
Ulrich
Hallo Herr Kelter
Wäre ja schön wenn man des Lesens mächtig wäre.
An ihrer stelle würde ich erst lesen und mich dann erst dazu melden.
MfG Ralf T.
Auch ich war damals dabei, wollte nach Plauen reisen. Ich erinnere mich genau an alle Ereignisse, an die Menschen auf dem Bahnsteig, an das Wetter......
Neben mir stand ein älterer Herr, neben ihm ein älteres Ehepaar mit einem kleinen Mädchen, dessen Eltern im Zug sassen, die ihre Tochter bei der Weiterfahrt des Zuges Richtung Leipzig mitnehmen wollten.
Ich sehe noch genau, wie der Zug angefahren kam, viel langsamer als die Züge sonst kommen. Kurz vor dem erwarteten Halt schlug eine Flamme unten rechts aus der Lokomotive, die danach sofort kreisförmig den gesamten Kessel umschloss. Da ich kurz vor der Treppe stand, ging ich einen Schritt zurück um mich vor dem Feuer zu schützen. Es knallte und der Mann neben mir fiel auf mich. Alles war voller Qualm, glühende Kohleteile flogen durch die Luft, Koffer, Haare, Mantel- alles war angebrannt und versengt. Sofort kroch ich von dem Mann weg, rannte mit meinem Koffer die Treppe hinunter und wieder hinauf zur Bahnhofshalle, bat einen Mann um Kleingeld zum telefonieren. Der schaute mich völlig entsetzt an, denn ich war voller schwarzer Flecke im Gesicht und hatte überall ausgebrannte Kohlestückchen in den Haaren und an der Kleidung. Eine Frau gab mir Geld, ich rief Daheim an um mich abholen zu lassen. Dann erst setzte der Schock ein, man brachte mich nach draussen auf den Bahnhofsvorplatz. Im Krankenhaus Bitterfeld wurde ich behandelt und durfte am selben Abend nach Hause, musste meine Personalien aufnehmen lassen. Welches Glück ich hatte, sah ich am nächsten Tag, als ich meine Reise nach Plauen antreten konnte. Der Bahnsteig war komplett repariert, der Schritt zurück hatte mir das Leben gerettet, denn ich stand an der Stelle wo der Kessel zum Halten gekommen war. Von der Bahn habe ich nie etwas gehört, meine Sachen musste ich wegwerfen- aber das war mir egal. Ich hatte so gut wie keine Verletzungen, die Menschen neben mir hatte das Unglück getroffen, was mir immer sehr leid getan hat und ich nie vergessen konnte.
Dampflokomotiven sind mir seither ein Greuel, selbst Bilder machen mir manchmal Angst.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:10:20:16:29.

das Thema wurde bis zum Abwinken durchgekaut...

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 29.01.14 09:56

Hallo,

die Berichte der beiden Augenzeugen Ralph T. und Sabine K. sind in ihrer Offenheit bestürzend,
manche Kommentare dazu an Dummheit nicht zu überbieten.

Ich stelle noch einmal eine Frage zur möglicherweise ausgebliebenen Funktion der Schmelzpfropfen:

Sollten diese tatsächlich mit Kesselstein zugesetzt gewesen sein, hätten diese nicht dann wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit des Kesselsteins vorzeitig
schmelzen müssen ?
Anderenfalls hätte der Kesselsteinbelag schon sehr dick sein müssen, um den Durchbruch des Dampfs zu verhindern. Dies würde auf einen nachlässigen Betrieb hindeuten –
allein die Einhaltung der Auswaschfristen reichte sicher nicht aus, wenn hier nicht ordentlich gearbeitet wurde.
Vielleicht haben die Schmelzpfropfen auch funktioniert, aber wegen des bremsbedingt noch niedrigeren Wasserstands nicht mehr ausreichend löschen können ?

Gruß Mathias

Re: das Thema wurde bis zum Abwinken durchgekaut...

geschrieben von: dampfachim

Datum: 29.01.14 12:04

Hallo Mathias,

die Schmelzpfropfen können da nicht helfen. Entgegen der oft kolportierten Meinung, können sie keineswegs das Feuer löschen, vor allem nicht bei einer so großen Rostfläche, wie bei einer 01.5. Sie sollen "nur" das Personal alarmieren. Dieses Personal hat da offensichtlich völlig falsch gehandelt.
Wenn ich die offiziellen Untersuchungsberichte richtig in Erinnerung habe, waren auch beide Schmelzpfropfen ausgelaufen und es gab auch keine Anzeichen mangelhafter Wartung.

Viele Grüße

Dampfachim

Re: das Thema wurde bis zum Abwinken durchgekaut...

geschrieben von: Peter

Datum: 29.01.14 12:40

Hallo!

Ich lese mir diesen Beitrag immer mal wieder (wenn er denn alle Jahre mal hoch kommt) durch - und wundere mich immer wieder.
Wir werden die wirklichen Gruende vermutlich nie erfahren.
Und ich komme immer mehr zu dem Eindruck, dass hier nicht nur "etwas", sondern "eine ganze Menge" schiefgelaufen ist.

Die Erklaerungen, die das Versagen ausschliesslich bei einem oder beiden Lokmaennern sehen, reichen mir allein nicht aus, denn es beginnt doch bereits damit, dass man den beiden eine zweite Lok anvertraut hat.

Dann natuerlich die Frage nach dem Nicht-Bevorraten, aber eben auch die Frage nach dem verlegten Wasserhalt.

Ausserdem: Kann es nicht auch weitere Ursachen fuer Wasserverlust (schleichend oder ploetzlich) unterwegs gegeben haben, etwa Leckagen?

Macht man es sich nicht zu einfach, wenn man sich ausschliesslich auf die beiden Getoeteten konzentriert?
Und dann gibt es wie vor zu beachten, dass Ursachen nicht nur alternativ, sondern kumulativ in Betracht kommen, also mehrere Leute in Folge mehr oder weniger grosse Fehler gemacht haben. Jeder Mann an jedem Ort, ...

Es wird vermutlich fuer immer ungeloest bleiben, doch einfach auf die Zwei zu zeigen erscheint mir zu einfach.

Und immer wieder frage ich mich, wie lange der heutige Dampfbetrieb in seiner jetzigen Form noch machbar sein wird, denn wenn solche Unfaelle auch bei Profis mit jahrzehntelanger Erfahrung und taeglicher Praxis vorkommen, dann muss doch das Risiko bei "Teilzeit-Personalen", denen diese Routine zwangslaeufig fehlen muss, eigentlich groesser sein?
Versteht mich nicht falsch: Ich bin selbst bei einer Museumsbahn und habe Respekt vor jedem, der diese Arbeit macht! Aber die "echten Fahrensleute" werden weniger, das "in Fleisch und Blut uebergehen" schwindet zwangslaeufig...

Gruss

Peter

+++ Ich will gar nicht, dass mich jeder mag - im Gegenteil: Die Sympathie oder Zuneigung gewisser Menschen waere mir hochgradig peinlich.
+++ Friends help you move. True friends help you move bodies.
+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...

Vielen Dank

geschrieben von: TransLog

Datum: 29.01.14 12:55

Hallo Sabine,

zunächst mal: Willkommen im Historischen Forum der DSO !

Wir danken Dir für Deine Offenheit und Deine Schilderungen ...

Sie stellen eine wichtige Ergänzung zu den technischen Erörterungen in diesem Beitragspfad dar.


Gruß, Ulrich
dampfachim schrieb:
-------------------------------------------------------
> Dieses
> Personal hat da offensichtlich völlig falsch
> gehandelt.

Wenn während des Bremsens die Schmelzpropfen auslaufen; welche Handlungsoptionen hätte das Personal dann noch gehabt?
Vorher hat das Personal, so scheint es, in der Tat Fehlhandlungen gesetzt.
Aber was hätten die Zwei in den vielleicht 30 Sekunden bis zum Stillstand des Zuges tun sollen?

@ Peter:
Was Du sagst, ist richtig; aber:
Viele Unfälle im täglichen Leben passieren aus Routine.
Ich schaue nicht, wieviel Wasser im Tender ist, weil der muß eh voll sein. UUUPS - ist er nicht.

Und gerade das wirst Du, so glaube ich, bei Hobbypersonalen nicht haben.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:01:29:13:40:55.

Re: das Thema wurde bis zum Abwinken durchgekaut...

geschrieben von: dampfachim

Datum: 29.01.14 13:56

Hallo Klosterwappen,

Du verstehst mich falsch. Das Personal hat insgesamt völlig falsch gehandelt, nicht erst während der Einfahrt in den Bf. Bitterfeld. Wann die Schmelzpfropfen ausgelaufen sind, ist nirgends erwähnt worden. Das kann man ja auch nicht feststellen. Auf jeden Fall reichen 30 sec. entblößte Feuerbüchsdecke nicht aus, einen solchen Kesselzerknall herbeizuführen. Vielmehr geht der Untersuchungsbericht von einer längeren Entblößung aus. Wenn ich jetzt die nötige Zeit hätte...
Da wurde Zeit und Temperatur genau errechnet. Ich glaube, das steht auch im EK-Buch über die BR 01.5 so drin. Die Strecke vor Bitterfeld liegt im Gefälle. Man geht davon aus, dass der Prozess schon ab Muldenstein einsetzte. Sicherlich noch Zeit genug, den Rost herunterzukurbeln und das Feuer zumindest weitgehend zu entfernen, so dass die Überhitzung der Feuerbüchsdecke eingedämmt worden wäre. Und erfahrenes, streckenkundiges Personal hätte ganz sicher auch vorher schon die Gefahr erkennen können.

Viele Grüße

Dampfachim


Dampflokführer, hauptamtlich!

Re: das Thema wurde bis zum Abwinken durchgekaut...

geschrieben von: dampfbahner

Datum: 29.01.14 13:56

1441 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Sollten diese tatsächlich mit Kesselstein zugesetzt gewesen sein, hätten diese nicht dann
> wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit des Kesselsteins vorzeitig schmelzen müssen ?

Dazu wurde hier am Anfang geschrieben oder auf dieser Seite: [www.gerdboehmer-berlinereisenbahnarchiv.de].

Gruß aus Magdeburg

Klaus

Re: das Thema wurde doch schon bis zum Abwinken durchgekaut, ...

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 29.01.14 15:23

Herzlichen Dank für den Augenzeugenbericht.

Überlegungen zur Funktion der Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 05.02.14 16:09

Hallo,

von einigen usern wurde plausibel erklärt, dass die Schmelzpfropfen einen Kesselzerknall nicht verhindern können, insbesondere dann nicht, wenn die Lok bei Vorwärtsfahrt bergab fährt und/oder zugleich gebremst wird.

Die Schmelzpfropfen müssen rechtzeitig anspringen. Vielleicht wäre daher ein mechanisch betätigtes Auslösen (z.B. durch Brechbolzen) oder durch einen Schwimmer betätigtes Ventil (vgl. US-amerikanische Sicherheits-Pfeife) angebrachter, um einer Überhitzung/Entblößung zuvorkommen. Denn die Schmelzpfropfen dürfen ja auch nicht zu früh auslösen, sonst müsste man die Kesselleistung durch andere Maßnahmen unnötig begrenzen.
Nun strömt aus diesen Bohrungen in der Feuerbüchsdecke zunächst nur Dampf in die Feuerbüchse, der bestenfalls das Feuer dämpft (wie ein user aus Niederstrasser zitierte), die Decke aber nicht kühlt.
Infolge der Nachverdampfung bei sinkendem Druck strömt anschließend ein Dampf-Wassergemisch aus, das beim Eintritt in der Feuerbüchse aber sofort verdampft. Dabei entsteht in der Feuerbüchse schlagartig Überdruck, wobei das Fahrpersonal vermutlich noch durch die innen anschlagende Feuertür geschützt wird. Fraglich ist, ob dieser Überdruck rasch genug über die Luftklappen und den freien Rohrquerschnitt abgebaut werden kann.
Bei dem vor wenigen Jahren noch glimpflich verlaufenen Unfall durch ein zerquetschtes Rauchrohr in der SNCF-Lok 241P 17 wurde das Personal durch ausströmendes Wasser und daraus entstehenden Dampf verletzt. So wie ich den Unfallhergang verstanden habe, trat aus der Feuertür kein Dampf, aber durch den Aschkasten und dann unter dem Führerhausboden hervor. Daher wäre hier eine möglichst dichte Abtrennung angebracht.
Mir ist nicht bekannt, ob diese Lok noch einen Houlet-Überhitzer hatte – diese Bauart bietet nach meinem Verständnis durch seine konzentrischen Rohre einen gewissen Schutz gegen das Reißen eingebeulter Rauchrohre.

Eine erste Überlegung zur Kühlung der Feuerbüchsdecke ist nun, an den Schmelzpfropfeneinsatz jeweils einen Rohrkrümmer anzuschweißen, der ausreichend tief in den Wassersteg zwischen Feuerbüchs- und Stehkesselwand herabreicht und etwa der Form eines Spazierstocks gleicht. Auf diese Weise tritt aus der Bohrung sofort Wasser anstelle von Dampf aus, dass aber infolge der Druckabsenkung in der Feuerbüchse ebenfalls verdampft und die Feuerbüchsdecke nicht kühlt.
Um dies zu erreichen verlegt man die Mündung des Rohrkrümmers neben den Schmelzpfropfeneinsatz dicht über der Feuerbüchsdecke und verbindet Rohrkrümmer und Schmelzpfropfeneinsatz durch eine Saugleitung. Diese sorgt für die Wasserförderung (Heber) sobald Dampf aus der Bohrung tritt.
Damit der austretende Dampf das Kühlwasser auf der Decke nicht mitreißt sollte der Dampfeintritt in den Schmelzpfropfeneinsatz möglichst weit nach oben aus der Decke herausragen, wie ansatzweise bei der US-amerikanischen Bauart Nathan der Fall.
Ob eine solche Kühleinrichtung einen Kesselzerknall verhindern würde kann ich nicht beurteilen. Das geförderte Kühlwasser fehlt an den Feuerbüchswänden und im Langkessel und geht z.T. über die Schmelzpfropfenbohrungen verloren, daher reicht der Kühlprozess nur für eine kurze Zeit. Ist aber das Feuer erst einmal gelöscht oder ausgeworfen verhindert die Notkühlung vielleicht doch noch den gefährlichen Druckanstieg zu begrenzen.

Wer kann zu diesen Überlegungen etwas sagen oder hat noch eine andere Idee dazu ?

Gruß Mathias

Edit:
US-amerikan. Sicherheits-Pfeife und User-Hinweis zu Zitat aus Niederstrasser ergänzt



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:17:34:55.
Moin,

ausführliche Darstellungen des Unglücks und seiner Ursachen finden sich im Heft "Die Deutsche Reichsbahn im Jahr 1977" ab Seite 50 und im Buch "Die Baureihe 01.5", beide aus dem EK-Verlag. Autor war Heinz Schnabel, der damals als leitender DR-Mitarbeiter die Untersuchung selbst durchgeführt hat. Seine Darstellung ist auch nach heutiger Kenntnislage völlig korrekt. Nicht verschwiegen wurde, daß die beiden Männer auf der Lok mehr oder weniger gegeneinander gearbeitet hatten, und daß es eine fachlich korrekte Kommunikation zwischen ihnen nicht gegeben hatte. Durch den Ablauf des Schadensgeschehens hatten die auf Bahnsteig 2 stehenden Wartenden und auch die im Zug auf Gleis 1 befindlichen Reisenden keine Chance. Obwohl ein Kollege meines Schwiegervaters bei dem Unglück zu Tode kam, muß man von Glück sprechen, daß die Zahl der Opfer nicht höher war.
Ganz ausdrücklich: Die wiedergegebene "Darstellung auf Gerd Böhmers Webseite" ist in wesentlichen Teilen falsch, wenn man Schnabels Untersuchungsbericht als richtig voraussetzt. Was ich tue, da ich Heinz Schnabel seit 25 Jahren kenne und natürlich mit ihm über dies Unglück mehrfach gesprochen habe.
Die Spuren des Unglücks an Bahnsteig 2 und dem Bahnsteigdach waren bis vor wenigen Jahren, als die Bahnsteige ICE-gerecht totalsaniert wurden, noch deutlich zu sehen. Zumindest damals war eine Gedenktafel nicht vorhanden. Ob es jetzt anders ist, weiß ich nicht.
Jürgen-Ulrich Ebel
Die Aussage von Sabine K. finde ich recht interessant, was die Einfahrt des Zuges betrifft.
Sie sagte, das der Zug langsamer als gewöhnlich einfuhr.
Hier liegt doch nun die Vermutung nahe, das der Lokführer etwas bemerkt haben muß und er es
eben nicht, wie an anderer Stelle beschrieben, auf eine Zielbremsung angelegt hat.
Meine Frage auch nochmal an Sabine K., ob sie die Beobachtung damals zu Protokoll
gegeben hat, oder wurde danach niemand mehr zu dem Geschehen befragt?
Hallo Itter,

das kann sein, aber wir werden es nicht mehr klären können. Die Beobachtung der Frau ist zudem als recht subjektiv zu bezeichnen. Was war dort die gewöhnliche Einfahrgeschwindigkeit? Fuhr der Zug auf Signal Hf 2 ein? ( dann womöglich mit max. 40 km/h ) Womit verglich die Frau die Geschwindigkeit? Mit normalen Einfahrten ohne Wasserhalt?
Wie geübt war der Lokführer in schnellen Einfahrten mit Zielbremsung zum Wasserkran?
Einige der Fakten mögen womöglich durch Ortskundige zu klären sein.

Hat das Lokpersonal die Gefahr womöglich doch erkannt? Auch möglich, aber wer soll das bezeugen? Die Beobachtungen einer Reisenden sind dafür sicher zu ungenau.

All das ändert überhaupt nichts am Fehlverhalten des Lokpersonals.


Viele Grüße

Dampfachim

Re: Überlegungen zur Funktion der Schmelzpfropfen

geschrieben von: dampfachim

Datum: 05.02.14 21:37

Hallo Mathias,

ich habe nur eine einzige Idee dazu. Den Dienst auf der Dampflok gewissenhaft und regelkonform durchführen. Dann passieren solche Unfälle, zumindest mit dieser Ursache, auch nicht.

Niemand hat jemals behauptet, dass Schmelzpfropfen zur Kühlung der überhitzten Feuerbüchsdecke dienen. Und wozu soll das dienen? Das Material noch zusätzlich zu verspröden? Nicht besonders zielführend, nicht wahr?
Eine Verbrühungsgefahr durch ansprechende Schmelzpfropfen sehe ich nicht, weil der Wasser/Dampfstrahl nach unten gerichtet ist und nicht in den Führerstand dringt. Die Gefahr durch platzende Rohre ist da wesentlich höher. Ich weiß auch nicht, woher das Ammenmärchen stammt, dass Schmelzpfropfen ein voll entfachtes Feuer auf der Rostfäche einer 01.5 löschen können. Wie soll das gehen? Wir sprechen von zwei Bohrungen mit ca. 1 cm Durchmesser.

Viele Grüße

Dampfachim
Wenn ich zu meinem Beitrag vom 24. 01. 2014 noch etwas hinzufügen darf:
Der Zug fuhr auffällig langsam in den Bahnhof ein. Da ich regelmässig diese Zugverbindung genutzt habe, war das für mich ungewöhnlich. Schon als der Zug hinter der letzten Kurve hervorkam, war er viel langsamer als sonst.
Wie schon gesagt, es war so deutlich, daß es mir sofort aufgefallen war, zudem man das ja auf eine relativ lange Strecke hin sehen konnte. Da war so eine gewisse Ungeduld, ich hatte Sorge, meinen Anschluss zu verpassen. Normalerweise kommt ein Zug angefahren und bremst vor dem Bahnhof. DIESER nicht. Das sah aus, als wollte er schon auf der freien Strecke vor dem Bahnhof anhalten. Die Erinnerung daran habe ich noch sehr genau, fast bildlich.....
edit: was ich hier anfüge, habe ich auch schon an Enno persönlich geschrieben....
Man macht ja manchmal Dinge aus unerfindlichen Gründen- hier in diesem Fall dachte ich an meine frisch gewaschenen Haare und an meine sehr unkomfortable Studentenbude in Plauen ohne fliessendes Wasser. Deshalb ging ich einen Schritt zurück, als ich sah, wie das Feuer zur Seite des Bahnsteiges schlug ( eine Sekunde danach stand schon der gesamte Kessel in Flammen) und hockte mich neben die Treppe, Arme auf dem Kopf. Nach dem Knall lief ich sofort die Treppe hinunter, völlig klar, aber ohne Kenntnis, was denn grad passiert war, man sah ja nichts vor Qualm. Warum ich nicht bei Anblick des Feuers losgelaufen bin? Keine Ahnung, aber ich glaube, mit einem Unglück habe ich einfach nicht gerechnet, diese Erkenntnis kam erst mit der Explosion.
Im Krankenhaus suchte ich die Menschen, die unmittelbar neben mir gestanden hatten, als wir auf den Zug warteten. Ich vermisste die Großeltern mit dem kleinen Mädchen, das so niedlich mit seiner Puppe gespielt hatte. Als ich am nächsten Tag den neu gebauten Bahnsteig sah, war mir klar, warum ich sie nicht mehr gesehen habe. Ein Bahnhofsangestellter zeigte mir, wie weit der Bahnsteig aufgerissen gewesen war und wo der Tender gelegen hatte. Erst ab diesem Moment war mir bewusst, wie knapp ich persönlich der Katastrophe entgangen war, es handelte sich um nur einen Meter.
Was ich damals besonders schlimm fand: keinerlei Reaktion in der Öffentlichkeit- bis auf einen winzigen Zeitungsartikel. Keine Rückfrage, ob mir persönlich Schaden entstanden ist ( meine Sachen waren alle unbrauchbar, eine Versicherung hatte ich nicht eingeschaltet), keine Nachfrage, wie man das alles psychisch verarbeitet hat. Alles wurde schnell totgeschwiegen- wie üblich in der DDR.
Ich denke so oft an die Menschen auf dem Bahnsteig, so oft an den Mann, der mich indirekt mit geschützt hat, als er auf mich fiel. Ja, es sind die Menschen und deren Schicksal, woran ich denke, wenn ich das Unglück vor Augen habe.
Und nein...keinerlei Aufnahme oder Befragung durch die Polizei, ich wurde nach der ärztlichen Untersuchung nach Hause geschickt und das wars.



4-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:05:22:26:44.

Re: Überlegungen zur Funktion der Schmelzpfropfen

geschrieben von: RobRobertson

Datum: 05.02.14 22:13

Hallo!

Was die Schmelzpropfen anbelangt, reicht ein kurzer Blick in den "Niederstrasser" (7.Auflage von 1951, S. 127):

"sie sollen gegen die schwerwiegenden Folgen schützen, die en Ausglühen der Feuerbüchse haben kann. Der Schmelzpfropfen besteht aus einer durchbohrten Schraube aus Rg 5, deren Bohrung mit Blei ausgegossen ist. Wird bei Wassermangel die Feuerbüchse ungenügend gekühlt, so schmilzt das Blei, und das austretende Dampf-Wasser-Gemisch macht durch sein Geräusch das Lokomotivpersonal auf die Gefahr aufmerksam und dämpft zugleich das Feuer."

Beste Grüße von Rob

Re: Überlegungen zur Funktionserweiterung der Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 05.02.14 22:37

Hallo Dampfachim,

den menschlichen Unsicherheits-Faktor kann man nicht ausschalten, daher ist meine Überlegung zur Verbesserung der Sicherheitseinrichtungen grundsätzlich sinnvoll – insbesondere, da es hier um Leben oder Tod geht.

In den späten US-Loks gab es bekanntlich automatische Warneinrichtungen (Pfeifen) bei zu geringem Wasserstand, die Schmelzpfropfen gehören auch dazu.

Du schriebst:
Niemand hat jemals behauptet, dass Schmelzpfropfen zur Kühlung der überhitzten Feuerbüchsdecke dienen.

Das habe ich auch nicht, vielleicht hast Du meinen Beitrag nicht richtig verstanden. Meine Überlegung ist doch, wie man die Schmelzpfropfen zu einer Kühlfunktion weiterentwickeln könnte. Dabei hatte ich die gefährliche Nachverdampfung zu bedenken gegeben, wenn Wasser anstelle von Dampf aus den Bohrungen tritt.
Dass zwei Schmelzpfropfen das Feuerbett einer 01.5 nicht löschen können, kann ich mir vorstellen. Daher ist die Frage berechtigt, warum es nicht mehr waren. Der von der Größe her etwa vergleichbare Kessel der SNCF-141R hatte übrigens auch nur drei der genannten Nathan-Schmelzpfropfen.

Gruß Mathias



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:05:22:41:51.
Danke Sabine.
Ich hatte schon sowas vermutetet, das du regelmäßig mit dem Zug gefahren bist.
Somit ist es in keiner Weise ein subjektives Empfinden gewesen.

Zumindest ist mit dieser Aussage entscheidend widerlegt, das der Tf, wie behauptet
wurde, rasant an den Bahnsteig gefahren ist.
Er hat versucht, so sanft wie möglich den Zug zum Stehen zu bringen, ohne das Wasser
im Kessel zum Schwappen zu bringen, da er definitiv von der Gefahr wußte und
wahrscheinlich verzweifelt versucht hat ein Unglück abzuwenden.
Leider ohne Erfolg.

Die zwei müßen Blut und Wasser geschwitzt haben und gebetet haben, das es gut geht.
Eine für mich grausame Vorstellung, die letzten Minuten auf dem Führerstand, mit dem
Wissen was passieren kann und schließlich und endlich auch passiert ist.

Schließlich und endlich ist ein Fehlverhalten beider nicht von der Hand zu weisen.
Es lief schief, was nur schief Lauffen konnte.
Für mich unverständlich ist, das der Tf, obwohl er vom nahenden Wassermangel wußte,
er trotz der Ablehnung nicht gehalten hat und darauf bestand Wasser aufzufüllen.
Was hätte ihm passieren können, außer das er und der Heizer noch leben würden und mit
ihnen etliche andere Personen auch.

Erschreckend das keine weiteren Befragungen durchgeführt wurden, sondern lediglich
nüchtern und trocken der Unfall untersucht wurde, anhand der vorgefunden Maschine
und was daran das Personal falsch gemacht hatte, um es am Ende als ein unverantwortliches
Team hinzustellen.
Keiner hat sich anscheinend damals nur einen Dreck darum geschert das Personal zu
entlasten und eine, trotz der Situation, relativ verantwortungsbewusste Handlungsweise
nachzuweisen.
Die Aussage von Sabine hätte damals in der Hinsicht hilfreich sein können und hätten
ein etwas anderes Licht auf das ganze werfen können.
Die zwei, bzw. der Tf hatte(n) eine Entscheidung zu treffen, entweder vor dem Bahnhof
stehen zu bleiben, oder halt versuchen den Betrieb nicht zu behindern und hoffen, das alles
gut geht und sie den Zug zu mindestens noch an den Bahnsteig zu bringen um dort die Lok
kalt werden zu lassen.
itter schrieb:
-------------------------------------------------------
> Danke Sabine.
> Ich hatte schon sowas vermutetet, das du
> regelmäßig mit dem Zug gefahren bist.
> Somit ist es in keiner Weise ein subjektives
> Empfinden gewesen.

Natuerlich ist uns bleibt es subjektiv - denn es basiert auf einer persoenlichen Wahrnehmung, nicht auf einer reproduzierbaren Messung.

Ich verstehe aber schon, was Du ausdruecken willst.

Das Problem bei Zeugen-Aussagen ist aber eben gerade die Wahrnehmung:
Man hat Tests gemacht, bei denen 20 oder mehr Kriminalern oder Richtern, die wussten, dass sie dazu befragt werden wuerden und entsprechend aufpassten, eine Handlung gezeigt und sie danach zu den Details befragt.
Obwohl es sich um Profis handelte und obwohl sie aufmerksam beobachtet hatten, war die Fehlerquote enorm hoch.

Und das ist das Problem, denn 5 Zeugen auf dem Bahnsteig wuerden die Geschwindigkeit unterschiedlich wahrnehmen - und unterschiedlich beschreiben.

Hingegen ist der Messstreifen auf der Lok objektiv - er zeigt ein klares, messbares Ergebnis, ohne wenn und aber.

Ich schrieb es bereits oben: Wir werden die genauen Vorgaenge auf der Lok nie klaeren koennen, was wann passierte.
Und auch unsere Vermutungen ("Warum haben sie nicht...?") sind hoechst subjektiv.

In Entgegnung Deiner These koennt man ja ebenso gut fragen, warum sie die Lok nicht auf der Strecke sanft ausrollen lassen haben, um Schwall-Bewegungen des Wassers zu vermeiden...

Gruss

Peter

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Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 09:01

Hallo,

nach Aussage in dieser Quelle [webcache.googleusercontent.com] haben die Schmelzpfropfen nicht ausgelöst, da die Bohrung mit Kesselstein zugesetzt war.

Das steht in Widerspruch zu anderen Aussagen hier im Forum, wonach man aus der Feststellung, dass die Schmelzpfropfen nach dem Unfall fehlten, auf deren ordnungsgemäße Funktion schließt. Angenommen, die Aussage zur Kesselstein-Blockade wäre zutreffend, hätte das Personal den Zug anderenfalls (d.h. durch ordungsgemäß öffnende Schmelzpfropfen rechtzeitig gewarnt) vielleicht noch außerhalb des Bahnhofs angehalten oder das Feuer ausgeworfen etc..

Ich freue mich auf Antworten zu meinen Vorschläge und Überlegungen bezüglich Verbesserung der Sicherheitseinrichtungen.

Gruß Mathias



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:17:47:06.
Zitat von Peter: "...Das Problem bei Zeugen-Aussagen ist aber eben gerade die Wahrnehmung:
Man hat Tests gemacht, bei denen 20 oder mehr Kriminalern oder Richtern, die wussten, dass sie dazu befragt werden wuerden und entsprechend aufpassten, eine Handlung gezeigt und sie danach zu den Details befragt.
Obwohl es sich um Profis handelte und obwohl sie aufmerksam beobachtet hatten, war die Fehlerquote enorm hoch...."

Ja, Peter, da gebe ich Dir absolut recht, Wahrnehmung ist eine ganz persönliche Sache- immer abhängig von den jeweiligen Umständen.
Aber in diesem Fall, glaube es mir bitte, es war einfach offensichtlich: der Zug fuhr viel zu langsam, um als normale "Stationshaltanfahrt" (ich weiss nicht, wie man das richtig nennt)angesehen zu werden.
Es gibt zwei Dinge, die mir extrem im Gedächtnis geblieben sind...... die extrem langsame Anfahrt des nahenden Zuges und die Flamme, die zuerst nach unten in Richtung Bahnsteig aus dem Kessel schlug, bevor sie den gesamten Kessel umschloss.
Und ja, rückblickend betrachtet war die Nichtbefragung der Zeugen des Unglücks ein Frevel. Die Polizei hat ja nicht einmal meine Personalien aufgenommen. Ins Krankenhaus hat mich mein Vater gebracht, weil nicht genug Rettungswagen verfügbar waren. In der Bitterfelder Klinik sass ich schon vor Eintreffen der Verletzten im Flur, die Ärzte hatten für die kleineren Wunden gar keine Zeit, sie bereiteten sich auf die Versorgung der Schwerverletzten vor.
Ein Arzt schaute mich an, fragte, ob mir was weh tut und schickte mich nach Hause. Das war´s. Keine Personalien, keine Telefonnummer...nichts wollten sie wissen- das war wohl auch der Zeitnot geschuldet.
Hallo!

Ich wollte Dir mit meiner Aussage auch nicht zu nahe treten!
Sicherlich wirst Du dieses einschneidende Erlebnis immer klar vor Augen haben.
Was ich ausdruecken wollte, war die Bewertung dieser subjektiven Aussagen, die -jede fuer sich- vollkommen richtig und aufrichtig empfunden sind.

Was die Zeugen angeht, so war das eben ein Problem aus der Situation - im Chaos war man ueberfordert.
Am anderen Tag ein Zeitungsaufruf haette das Problem loesen koennen - stand aber im Widerspruch zur offiziellen Marschrichtung, alles belastende aus der oeffentlichen Wahrnehmung auszublenden.

Und das war ja nicht nur hier, sondern auch bei vielen anderen Un- bzw. Zwischenfaellen so; ueber Flugzeugabstuerze (inbes. militaerischer Luftfahrzeuge) wurde nur mit einem 2-Zeiler in der oertlichen Presse berichtet (vgl. Absturz des ersten Ehemannes meiner Frau), auch Chemie-Unfaelle usw. wurden moeglichst nicht erwaehnt, um die Bevoelkerung nicht zu beunruhigen.
Man mag heute darueber spotten, doch werden heute z. T. auch erst geschuert, WEIL ueber jeden Mueckenschiss zwischen Oberstdorf und Cap Arcona berichtet wird. In diesem Fall war es definitiv ein Fehler.

Andererseits: Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen, man hat daraus gelernt und das Zivilschutzwesen verbessert, wozu neben der medizinischen Erstversorgung heute auch die Meldung usw. gehoert.

Gruss

Peter

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+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...

Re: Überlegungen zur Funktion der Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 12:16

Hallo Rob,

danke für Dein Zitat aus Niederstrasser.

Mir geht es aber um etwas anderes:
Das Problem der Schmelzpfropfen liegt nach meinem Verständnis doch darin, dass diese erst dann auslösen, wenn nur noch wenig Wasser die Decke bespült. Dann bleibt z.B. bei
- leerem Tender oder
- defekten Speiseeinrichtungen oder
- verstopften Wasserständen oder
- nach typischer Steigungsfahrt mit anschließender Gefällefahrt und zusätzlichem Bremsen
nur noch wenig Zeit, um einen Kesselzerknall abzuwenden.

Legt man die Schmelzpfropfen hitzeempfindlicher aus, schmelzen diese bereits bei großer Kesselleistung, was natürlich ebenfalls unerwünscht ist. Daher hatte ich auf andere Auslösmechanismen und Kühlmöglichkeiten hingewiesen, die man hier diskutieren könnte.

Leider ist noch niemand darauf eingegangen oder hat eigene Vorschläge dazu gebracht, über die ich mich freuen würde.

Gruß Mathias



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:10:11:47:43.
Peter schrieb:
-------------------------------------------------------
> (....)doch werden heute
> z. T. auch erst geschuert, WEIL ueber jeden
> Mueckenschiss zwischen Oberstdorf und Cap Arcona
> berichtet wird.

Moin Peter,
über *alles* wird auch heute und "hier" nicht berichtet: Als vor ein paar Jahren "mein" IC Hamburg-Münster hinter Bremen beschossen worden war*, stand das am nächsten Tag in keiner Zeitung....
O.T.-Grüße aus Münster,
HeinzH.

*Die Fahrgäste des betreffenden Wagens wurden auf die unversehrten Wagen verteilt und dann ging es sehr langsam weiter nach Osnabrück, wo diese Zugfahrt vorzeitig zuende war.



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:12:39:43.

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Matthias Muschke

Datum: 06.02.14 13:09

1441 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hallo,
>
> nach Aussage in dieser Quelle
> [webcache.googleusercontent.com]
> he:itEfRG9X_3AJ:eisenbahnerwelt.de.tl/Leipziger-Ei
> senbahnungl.ue.cke.htm+schmelzpfropfen+dampflok&cd
> =11&hl=de&ct=clnk&gl=de haben die Schmelzpfropfen
> nicht ausgelöst, da die Bohrung mit Kesselstein
> zugesetzt war.

Jürgen-Ulrich Ebel Hat doch zu dieser Quelle weiter oben bereits ausgeführt:

> "Ganz ausdrücklich: Die wiedergegebene "Darstellung auf Gerd Böhmers Webseite" ist in wesentlichen Teilen falsch, wenn man Schnabels
> Untersuchungsbericht als richtig voraussetzt."

> Angenommen, die Aussage zur Kesselstein-Blockade
> wäre zutreffend, hätte das Personal den Zug
> vielleicht noch außerhalb des Bahnhofs angehalten
> oder das Feuer ausgeworfen etc..

Ich gehe mal davon aus, dass die Aussage der Augenzeugen hier schon der Realität entspricht, bzw. das Einfahrtempo vom sonst gewohnten abwich.
Natürlich ist auch das relativ, es gibt Leute die knüppeln und andere lernen es nie... In Bruchsal gab/gibt es z.B. richtige Wetten (man kann dort ordentlich "reinpflastern", ich glaube der "Rekord" lag bei über 130km/h am Bahnsteiganfang mit ruckfreiem Stehen an der H-Tafel...)
Soll heißen, nein, sie hätten auch dann nicht vorher gehalten und das Feuer rausgeworfen... Das hätte ja eine massive Zuglaufstörung mit allen Konsequenzen nach sich gezogen und die waren damals schon recht erheblich. Die versuchten also mit allen Mitteln bis in den Bahnhof zu kommen um Wasser zu nehmen und damit die Situation zu retten. Was bekanntlich schief ging....

> Ich freue mich auf Antworten auf meine Vorschläge
> und Überlegungen zur Verbesserung der
> Sicherheitseinrichtungen.

Wie viele Kesselzerknalle gab es aufgrund menschlichem Versagen in 153 Jahren Dampfbetrieb in Deutschland? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit bei der heutigen Dampflokdichte?

MfG

MMM

Edit: Angesichts der Schilderungen - ist eigentlich irgendwo erwähnt wer die anderen Opfer waren? Im Gegensatz zu vielen anderen Unfällen (ich vergleiche immer mit Langenweddingen, weil mir meine Oma davon immer erzählt - viele der Kinder waren aus ihrem Betrieb), ist ja in Sachen Bitterfeld irgendwie nicht viel passiert...

"Gibt es zwei- bzw. dreiachsigen Reko-Wagen der DR (Bage, Baage, Dage oder Bagtre), die die gleiche Breite aufweisen, wie die vierachsigen Reko Wagen z. b. der zuvor genannten Hersteller? Also schmaler sind, als die Wagen von Piko und Roco!
Viele mögen die 1-1,5 mm breitenuntershcied nicht stören und mich wiederum ist es egal, welche breite nun die Maßstabsgereue ist - mir wäre nur wichtig, dass die Personenzugwagons der DR in meiner Zugkombi ziemlich gleichbreit sind..."

🤦‍♂️😂🤷‍♂️

Quelle: Stummiforum..

[www.stummiforum.de]




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:14:39:47.
Einen interessanten Beitrag zu dem Thema Mindestwasserstand bei Dampflokkesseln findet man bei YouTube im Video: BR 39 -die legendäre preuß. P 10-. Part 2/4. Hier berichtet ein Lokheizer über eine Rampenfahrt, mit ungeeigneter Kohle auf dem Tender. Man kann nur hoffen, dass das Zustandekommen der Entscheidung, die Fahrt fortzusetzen, so nicht gefallen ist.
Peter Jauch
Hallo Peter,
ich möchte nicht von der Hand weisen, das bei Unglücksereignissen Zeugen verschiedene, auch subjektive Wahrnehmungen haben und diese
naturgemäß alle voneinander abweichen.
Nur darf man hier bei nicht außer Acht lassen, das es für die Zeugen nicht unbedingt Vergleichswerte der Situation zum normalen
Ablauf gibt.
Bei der Aussage von Sabine liegt der Fall jedoch anders.
Sie sagte, das sie regelmäßig mit dem Zug gefahren ist und somit hatte sie auch einen deutlichen Vergleich zwischen den Situationen.

Nehmen wir mal an du stehst jeden Tag am Bahnsteig zur selben Zeit und fast an der gleichen Stelle, der Zug fährt mit sagen wir mal
60 Km/h ein. Das erlebst du jeden Tag, somit hast du unterbewusst eine gewisse Wahrnehmung der für dich normalen Geschwindigkeit, weil es eben jeden Tag so passiert.
Nun kommt aber ein Tag, da stehst du dort und der Zug fährt an dir mit nur 30 Km/h vorbei, so wirst du dich sicherlich fragen warum er
heute so langsam ist, da du für dich eine Abweichung von der Norm wahrgenommen hast.
Ein anderer Fahrgast, der an diesem Tag das erste mal am Bahnsteig war hat natürlich diese Wahrnehmung nicht und kann lediglich sagen,
das der Zug langsam eingefahren ist, kann aber nicht sagen, das es ungewöhnlich war, da er den normalen Ablauf nicht kannte.
Hier gibt es nun zwei Zeugen, der eine kann sagen, das es nicht normal war wie der Zug eingefahren ist, da er täglich dort war
und der andere, der nur sagen kann das der Zug langsam einfuhr, ihm aber nichts Besonderes daran auffiel, da es für ihn keinen Vergleich
gab.
Würde man ihn hinterher fragen, ob der Zug besonders langsam eingefahren ist, so könnte er, wenn überhaupt, nur subjektiv darauf antworten.
Würde man dir dieselbe Frage hinterher stellen, so könntest du sagen, ja er ist besonders langsam eingefahren, ich habe mich
darüber gewundert, sonst ist er schneller gewesen, da ich jeden Tag den Zug nehme.
Somit gewichtet deine Aussage wesentlich schwerer und gibt ein klareres Bild zum Hergang der Ereignisse, da sie nicht subjektiv zu sehen ist.

Re: Heute vor 33 Jahren: Kesselzerknall 01 1516 in Bitterfeld

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 14:54

Hallo,

Dann lasse es mich doch bitte einmal wissen was da in wesentlichen Teilen falsch ist. Mein Bericht entstand auf Grund zeitgenössischer Angaben in den ersten Tagen direkt nach dem Unfall am 27. November 1977. Da es ja speziell um die Frage der Schmelzpropfen geht, dann gleich einmal die Frage die Runde, wie kam die Geschichte zustande, das das Lösen der Schmelzpropfen durch Kesselsteinablagerungen verhindert wurde.

@ MichaelR - die Angabe, das die 01 1516 zwei Tage vor dem Unfall aus dem Raw Meiningen gekommen sein soll wurde damals berichtet und stammt nicht von mir.
@ robertrobertson - Danke für Deine Aufklärung.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:14:55:50.
Hallo itter!

Ich stimme Dir in allem inhaltlich zu - dennoch bleibt das subjektiv, weil es ein Mensch wahrgenommen hat.
Objektiv sind nur Mess-Ergebnisse, die sich reproduzieren lassen.

Aus dem gleichen Grund kann man Dich nicht fuer Geschwindigkeitsueberschreitungen drankriegen, wenn es eben KEIN Messergebnis gibt (anders als in Oesterreich, wo das "geschulte Auge des Gesetzes...", aber lassen wir das).

Natuerlich hat das Indiz-Wirkung und natuerlich hast Du prinzipiell recht - nur die Formulierung ist sachlich unkorrekt.

Gruss

Peter

+++ Ich will gar nicht, dass mich jeder mag - im Gegenteil: Die Sympathie oder Zuneigung gewisser Menschen waere mir hochgradig peinlich.
+++ Friends help you move. True friends help you move bodies.
+++ Rechtschreibfehler sind beabsichtigt: Es gibt immer Menschen, die nach Fehlern suchen - und ich versuche, allen Lesern etwas zu bieten.
Gegen einen kleinen Obolus biete ich sogar Patenschaften fuer meine Schreibfehler an. Und bald ist Weihnachten ...
itter schrieb:
-------------------------------------------------------
>
> Nehmen wir mal an du stehst jeden Tag am Bahnsteig
> zur selben Zeit und fast an der gleichen Stelle,
> der Zug fährt mit sagen wir mal
> 60 Km/h ein. Das erlebst du jeden Tag, somit hast
> du unterbewusst eine gewisse Wahrnehmung der für
> dich normalen Geschwindigkeit, weil es eben jeden
> Tag so passiert.
> Nun kommt aber ein Tag, da stehst du dort und der
> Zug fährt an dir mit nur 30 Km/h vorbei, so wirst
> du dich sicherlich fragen warum er
> heute so langsam ist, da du für dich eine
> Abweichung von der Norm wahrgenommen hast.
>

Hallo,

und welchen Aufschluss könnten beide Varianten jeweils für die Ursache des Kesselzerknalls geben?

Was wäre anders in Bezug auf die eigentliche Ursache der Explosion, wenn der Zug tatsächlich "viel langsamer als sonst" eingefahren wäre? (Eine Abhängigkeit des Zerknalls nur von der Geschwindigkeit der Lok ist ja ausgeschlossen.)

M.E. könnte eine unübliche Verlangsamung nur darauf hinweisen, dass den Lokführer irgendetwas veranlasst hat, von der gewöhnlichen Fahrweise abzuweichen. Den konnte man nie befragen, weil er sofort tot war. Wahrscheinlich hat er gemerkt, dass er ein "Problem" hatte. Mehr als das ließe sich aus diesem Verhalten nicht schließen. Aber was er bemerkt hatte ist nicht mehr klärbar. Nur die Feststellung eines irgendwie gearteten "Problembewusstseins" des Personals Sekunden vor dem Zerknall, das sehr wahrscheinlich war, würde in keiner Weise weiterhelfen.

Man könnte eine signifikante Verlangsamung des Einfahrens als wahr unterstellen - und würde nicht den geringsten Schritt voran kommen.

Die eigentlichen technischen Ursachen des Kesselzerknalls sind Zeugenaussagen von Fahrgästen im Zug und auf dem Bahnsteig nicht zugänglich, da es sich nicht um ein äußere Einwirkung auf den Kessel handelte, sondern es sich nur um Ursachen handeln kann, die innerhalb des Kessels bzw. der Feuerbüchse zu suchen waren. Die sind nur durch technische Untersuchungen am geborstenen Kessel durch technische Sachverständige und sonstige Ermittlungen - gegebenenfalls Absuchen der Fahrstrecke (abgefallene Teile) - zu finden, wenn man sonst nichts hat (Fahrtenschreiber, Diagnosesystem, Funkverkehr gab es damals nicht an der Lok). Hierzu können Fahrgäste zum Explosionszeitpunkt keine verwertbaren Wahrnehmungen gemacht haben. Solche Aussagen sind für dieses Thema völlig unergiebig. Kein Zeuge konnte in der Führerstand sehen geschweige denn irgendetwas Aussagekräftiges bemerken. Die intensive Befragung von Fahrgästen und wartenden Reisenden zu diesem Thema - insbesondere zur Geschwindigkeit des Zuges - war in Bezug auf die Ermittlung der Unfallursache daher gänzlich entbehrlich.

LG

Wolfgang
Moin,

liebe Sabine K.,

man gebe Deiner Beobachtung und dem Erleben der Katastrophe (wer hat schon je einen explodierenden Kessel gesehen und kann noch darüber berichten!)den Rang, den sie verdient, nämlich eine erstklassige Zeugenaussage. Du bist also in dem Augenblick geflüchtet, als die Feuerbüchsdecke zerstört war und der in die Feuerbüchse einströmende Dampf das Feuer durch die seitlichen Luftklappen herausblies - die ersten zwei oder drei Sekunden des zwangsläufigen Katastrophenablaufs. Nun erscheint die Tragik noch größer: Die Beobachtung, daß der Zug ungewöhnlich angeschlichen kam, paßt zu Schnabels Annahme, daß das Wasser ungefähr in Höhe des Bahnhofs Muldenstein (rund fünf km vor dem Bahnhof B.) die Feuerbüchsdecke nicht mehr bedeckte. So könnte der Lokführer noch versucht haben, mit vorsichtigem "Herantasten" bis zum Wasserkran im Bahnhof Bitterfeld zu kommen. Vielleicht sogar ahnend, daß das Wasser im Kessel möglichst nicht schwappen durfte.
Diese Zeugenaussage widerspricht aber der (Hörensagen?) Behauptung von Michael Reimer, der Lokführer habe eine schnelle Einfahrt und Zielbremsung gemacht.

An Gerd Böhmer: Die beiden von mir genannten Quellen, beide antiquarisch über Ebay für faires Geld zu bekommen, sind in ihrer Darstellung wasserdicht. Du wirst darin alles finden, was für die Korrekturen nötig ist.
Jürgen-Ulrich Ebel
Jürgen-Ulrich Ebel schrieb:
-------------------------------------------------------
>Die Beobachtung, daß der Zug ungewöhnlich
> angeschlichen kam, paßt zu Schnabels Annahme, daß
> das Wasser ungefähr in Höhe des Bahnhofs
> Muldenstein (rund fünf km vor dem Bahnhof B.) die
> Feuerbüchsdecke nicht mehr bedeckte. So könnte der
> Lokführer noch versucht haben, mit vorsichtigem
> "Herantasten" bis zum Wasserkran im Bahnhof
> Bitterfeld zu kommen. Vielleicht sogar ahnend, daß
> das Wasser im Kessel möglichst nicht schwappen
> durfte.
>

Hallo,

das entscheidende Problem ist das kleine Wörtchen "vielleicht". So könnte es gewesen sein - oder auch nicht.

Entscheidend ist die Zustandsfeststellung am Kessel.

- Ist diese eindeutig, macht die Zeugenaussage Sinn. Sie wird jedoch "durch die Ursache erklärt" aber erklärt nicht die Ursache.

- Hat die Kesseluntersuchung kein eindeutiges Ergebnis, ist die Zeugenaussage für die Ursachenfeststellung wertlos. Sie könnte allenfalls Hypothesen unterstützen. Einen echten Beweiswert für die Ursache hat sie aber auch dann nicht.

LG

Wolfgang

Re: Heute vor 33 Jahren: Kesselzerknall 01 1516 in Bitterfeld

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 17:42

Hallo,

Na ob Deine Quellen wasserdicht sind möchte ich bezweifeln. Auch Untersuchungsberichte sind nicht immer korrekt, wie es sich in der Vergangenheit gezeigt hat. Solange wie Du mir nicht die wesentlichen Fehler nennst, werde ich bei meiner Sicht der Dinge, die ja auf zeitgenössischen Angaben beruhen bleiben. Immerhin habe ich ja auf meiner Webseite unter dem Bericht zu diesem Unfall auch zwei Quellen benannt und eine dritte Quelle zitiert.
Gerade bezüglich einiger Unfälle der DR vor 1989 haben sich doch auch in den Untersuchungsberichten Unkorrektheiten herausgestellt. Ebenso werden ja die zeitgenössischen Angaben aus dem Buschfunk etwas Wahrheit enthalten.

P.S. Vieles hat in der DDR nicht funktioniert mit einer Ausnahme und das war der Buschfunk ...



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:06:17:50:06.
Hallo!

Bei zu geringem Wasserstand gibt es nur eins: Anhalten und Feuer rauswerfen, nicht nachspeisen (in vorliegenden Fall sowieso nicht möglich):

"Hat man den Wasserstand zu tief absinken lassen, so darf man auf keinen Fall Wasser einspeisen, weil dadurch eine große Gefahr hervorgerufen würde.
Kommt nämlich Wasser auf eine genügend heiße Wand, so bildet sich zwischen dieser und dem Wasser eine ständig sich erneuernde Dampfschicht, die isolierend wirkt und eine starke Verdampfung verhindert; indes wird die Wand immerhin schon etwas gekühlt.
In dem Augenblick, in dem die Temperatur so weit abgesunken ist, daß die Dampfschicht nicht mehr schnell genug gebildet werden kann, kommt die ganze heiße Fläche mit Wasser in Berührung und es setzt eine so starke Verdampfung ein, daß durch den plötzlich entstehenden Druck Kesselwände aufreißen können.

Kommen Teile der Feuerbüchse zum Erglühen, so muß, unter welchen Umständen es auch immer sei, das Feuer vom Rost gezogen und der Dampf auf dem schnellsten Wege abgelassen werden.
Die Lokomotive darf erst wieder in Betrieb genommen werden, wenn durch Untersuchung in der Unterhaltungswerkstatt festgestellt ist, daß die Feuerbüchse keinen Schaden genommen hat und etwaige Kesselsteinnester beseitigt worden sind." (Niederstrasser S. 62)

Im Kapitel "Dampfkesselzerknall" geht Niederstrasser nur auf die eintretenden physikalischen Vorgänge bei einer aufgerissenen Kesselwand ein (durch Materialmangel etc.) und nicht auf die Vorgänge, die durch Wassermangel ohne Nachspeisen (s.o.) ablaufen.

Beste Grüße von Rob
Moin Rob,

du zitierst da absolut korrekt - und wenn der Meister und seine Heizer auf der 01 1516 geahnt haben, was ihnen blüht, stellt sich doch die Frage, warum sie nicht das Feuer in den Aschkasten gedrückt haben - es wäre wohl ihre einzige realistische Chance gewesen, den Kesselzerknall noch zu vermeiden.

Wenn ich mich richtig an ältere Quellen erinnere, sollen die Wasserstandsanzeiger auf der Lok defekt gewesen sein. Angeblich mussten da Distanzhülsen aufgesteckt werden, die aber fehlten, weshalb die beiden Männer vorne noch immer glaben konnten, sie hätten gerade noch genug Wasser im Kessel - wiese sie vor Abfahrt nicht die Vorräte ergänzt haben, ist die nächste offene Frage.

Ich halte die Aussagen von Sabine für sehr realistisch, so etwas brennt sich ins Gedächtnis ein! Und ihre Beschreibung von den aus der Feuerbüchse schlagenden Flammen entspricht genau dem Verlauf der Explosion, bevor der Kessel auseinandergerissen wurde.

Bis denne

McS.
Und genau darum geht es und darauf wollte ich hinaus.
Es wurde fast durchgängig in den Beiträgen darüber spekuliert und dargestellt,
das der Tf ausschließlich fahrlässig und unverantwortlich gehandelt haben soll
und nichts bemerkt haben soll. (Eben auch die besagte
schnelle Einfahrt und Zielbremsung)
Hiermit ist zu mindestens diese Behauptung und auch einige andere widerlegt.

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 18:38

Hallo Matthias,

ich habe mich vielleicht nicht klar ausgedrückt und den Text jetzt so ergänzt:
Angenommen, die Aussage zur Kesselstein-Blockade wäre zutreffend, hätte das Personal den Zug anderenfalls (d.h. durch ordungsgemäß öffnende Schmelzpfropfen rechtzeitig gewarnt) vielleicht doch außerhalb des Bahnhofs angehalten oder das Feuer ausgeworfen etc..

Bleibst Du auch dann bei dieser Stellungnahme ? :
> Soll heißen, nein, sie hätten auch dann nicht
> vorher gehalten und das Feuer rausgeworfen... Das
> hätte ja eine massive Zuglaufstörung mit allen
> Konsequenzen nach sich gezogen und die waren
> damals schon recht erheblich. Die versuchten also
> mit allen Mitteln bis in den Bahnhof zu kommen um
> Wasser zu nehmen und damit die Situation zu
> retten. Was bekanntlich schief ging....

Zu meiner Anregung, die Sicherheitseinrichtungen zu überdenken und verbessern, schriebst Du:
> Wie viele Kesselzerknalle gab es aufgrund
> menschlichem Versagen in 153 Jahren Dampfbetrieb
> in Deutschland? Und wie hoch ist die
> Wahrscheinlichkeit bei der heutigen
> Dampflokdichte?

Solche Fragen werden die noch lebenden Opfer/Augenzeugen hier im Forum sicher verwundern und erinnern mich an die Befürworter der Kernenergie, bei der statistisch nur alle "1000" Jahre ein GAU vorkommt.

Wenn ein Kesselzerknall und dessen tödliche Auswirkung durch eine Sicherheitseinrichtung weniger wahrscheinlich gemacht werden kann, sollte man sich um eine Lösung bemühen.
Erst recht, wenn dies vielleicht mit einfachen Maßnahmen erreichbar ist.

Gruß Mathias
McSauerkraut schrieb:
-------------------------------------------------------
> Wenn ich mich richtig an ältere Quellen erinnere,
> sollen die Wasserstandsanzeiger auf der Lok defekt
> gewesen sein. Angeblich mussten da Distanzhülsen
> aufgesteckt werden, die aber fehlten, weshalb die
> beiden Männer vorne noch immer glaben konnten, sie
> hätten gerade noch genug Wasser im Kessel - wiese
> sie vor Abfahrt nicht die Vorräte ergänzt haben,
> ist die nächste offene Frage.

Die offenen Fragen sind in diesem Fall in der Überzahl und werden wohl auch weiterhin nicht beantwortet.
Wenn, müsste man sich ja schon fragen warum sie die 03 kaputt geritten haben und als nächstes wieso man sie überhaupt hat zurück fahren lassen?
Schnabel meinte ja nicht umsonst ironisch das es das einzige deutsche Lokpersonal war, die es geschafft haben in einer Schicht zwei Kessel auszuglühen!
Wir werden das Rätsel nicht lösen.

MfG

"Gibt es zwei- bzw. dreiachsigen Reko-Wagen der DR (Bage, Baage, Dage oder Bagtre), die die gleiche Breite aufweisen, wie die vierachsigen Reko Wagen z. b. der zuvor genannten Hersteller? Also schmaler sind, als die Wagen von Piko und Roco!
Viele mögen die 1-1,5 mm breitenuntershcied nicht stören und mich wiederum ist es egal, welche breite nun die Maßstabsgereue ist - mir wäre nur wichtig, dass die Personenzugwagons der DR in meiner Zugkombi ziemlich gleichbreit sind..."

🤦‍♂️😂🤷‍♂️

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Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Matthias Muschke

Datum: 06.02.14 19:14

1441 schrieb:
-------------------------------------------------------

> Bleibst Du auch dann bei dieser Stellungnahme ?

Wie soll ich das beantworten? Ich habe ja nur gemutmaßt was er/sie höher gewichtet haben - den "Anschiss", oder die Lebensgefahr...
Das man die Situation falsch eingeschätzt wissen wir ja heute.


> Zu meiner Anregung, die Sicherheitseinrichtungen
> zu überdenken und verbessern, schriebst Du:
> > Wie viele Kesselzerknalle gab es aufgrund
> > menschlichem Versagen in 153 Jahren
> Dampfbetrieb
> > in Deutschland? Und wie hoch ist die
> > Wahrscheinlichkeit bei der heutigen
> > Dampflokdichte?
>
> Solche Fragen werden die noch lebenden
> Opfer/Augenzeugen hier im Forum sicher verwundern
> und erinnern mich an die Befürworter der
> Kernenergie, bei der statistisch nur alle "1000"
> Jahre ein GAU vorkommt.
> Wenn ein Kesselzerknall und dessen tödliche
> Auswirkung durch eine Sicherheitseinrichtung
> weniger wahrscheinlich gemacht werden kann, sollte
> man sich um eine Lösung bemühen.
> Erst recht, wenn dies vielleicht mit einfachen
> Maßnahmen erreichbar ist.

Wenn du diesen Vergleich ziehen willst, bitte. Ich glaube aber hier liegen Aufwand und Nutzen weit auseinander. Jede bauliche Änderung an einem Kessel wäre mit Kosten verbunden und es würde mich nicht wundern wenn bestimmte Behörden so etwas mit einer "Neuzulassung" verbinden würden...

Aber du hast ja in deiner Kritik am elektrischen Zugbetrieb auch die als Risikofaktor angeführt, die in Physik geschlafen haben und das ist für mich auch überhaupt kein stichhaltiges Argument. Ich habe gerade heute wieder auf dem Dach einer Ellok gestanden und du kannst dir sicher sein das wir uns mehrfach versichert haben, dass über uns alles stromlos ist! Und das Gefühl ist trotzdem komisch...

MfG

"Gibt es zwei- bzw. dreiachsigen Reko-Wagen der DR (Bage, Baage, Dage oder Bagtre), die die gleiche Breite aufweisen, wie die vierachsigen Reko Wagen z. b. der zuvor genannten Hersteller? Also schmaler sind, als die Wagen von Piko und Roco!
Viele mögen die 1-1,5 mm breitenuntershcied nicht stören und mich wiederum ist es egal, welche breite nun die Maßstabsgereue ist - mir wäre nur wichtig, dass die Personenzugwagons der DR in meiner Zugkombi ziemlich gleichbreit sind..."

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Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 06.02.14 23:37

Ich kann mir einfach nicht vorstellen das diese Lok ohne die Distanshülsen an der unteren Wasserstandsmutter gefahren sein soll.
Das widerspricht allen Erfahrungen der voher auf dieser Lok Dienst tuenden Lokpersonale und drängt diese in die Ecke der Ignoranten von Sicherheitsbestimmungen.
Ich habe auch so manches mal auf dem Stehkesseltritt gestanden und von oben in die Mutter gelugt.
Aber wenn da nichts mehr gezappelt hat dann war eben Schluß mit Lustig.


http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/avatarreinerkov5lsiazqw.jpg
Gruß vom ngird.


dampfachim schrieb:
-------------------------------------------------------
> Hallo Itter,
>
> das kann sein, aber wir werden es nicht mehr
> klären können. Die Beobachtung der Frau ist zudem
> als recht subjektiv zu bezeichnen. Was war dort
> die gewöhnliche Einfahrgeschwindigkeit? Fuhr der
> Zug auf Signal Hf 2 ein? ( dann womöglich mit max.
> 40 km/h ) Womit verglich die Frau die
> Geschwindigkeit? Mit normalen Einfahrten ohne
> Wasserhalt?
> Wie geübt war der Lokführer in schnellen
> Einfahrten mit Zielbremsung zum Wasserkran?
> Einige der Fakten mögen womöglich durch
> Ortskundige zu klären sein.

Die Einfahrt aus Richtung Wittenberg nach Gl. 3 ging auch damals geradeaus und wurde dementsprechend signalisiert. Aber wenn das Ausfahrsignal "Halt" zeigte, war eben "Halt erwarten" am Esig zu sehen, also Hl 10 (nach meiner Erinnerung gab es dort schon ewig Hl-Signale).
Vom Esig bis Bahnsteigende waren es etwa 1500m. Es kam also auch darauf an, ob ein Tf trotz fehlender PZB bei "Halt erwarten" direkt am Esig zu bremsen anfing oder vielleicht erst deutlich später.

> Hat das Lokpersonal die Gefahr womöglich doch
> erkannt? Auch möglich, aber wer soll das bezeugen?
> Die Beobachtungen einer Reisenden sind dafür
> sicher zu ungenau.

Eben deshalb wären Befragungen von Zeugen anfangs wichtig gewesen. Zeugen gab es ja genug, im Zug, auf dem Bahnsteig und im Fahrdienstleiterstellwerk Bt.
Auch wenn sich die Zeugenaussagen zur Einfahrgeschwindigkeit letztlich als unwichtig erweisen. Bei einem Unfall, insbesondere so einem schweren wie hier, sollte immer ergebnisoffen, also anfangs in alle Richtungen ermittelt werden.

Den Zug schon am Esig zum halten zu bringen, trotz freier Einfahrt, wäre aber vermutlich keine gute Idee gewesen wegen des Gefälles in dieses Bereich. Wenn nur noch eine Pfütze Wasser im Kessel war, ging das Lokpersonal vermutlich davon aus, dass es besser ist, 1500m weiter in einem horizontalen Abschnitt versuchen sanft anzuhalten.
Ok, war letztendlich falsch kalkuliert. Aber wenn man eine Chance sieht, den Kesselzerknall zu verhindern...
Danke, genau so sehe ich das auch.
In einem solchen Fall hat man innerhalb kürzester Zeit eine Entscheidung zu treffen,
nur weiß man nicht immer vorher, ob es die richtige war und es spielen dabei eigentlich
immer auch in irgend einer Form Erfahrungen eine Rolle.
Nach dem was hier dazu zu lesen war, hatte der Tf nicht all zu viele Erfahrungen, jedoch
eigentlich der Heizer, der hat diese aber womöglich nicht kommuniziert, was ein gravierender
Fehler war.
Ein sanftes halten im Gefälle hätte wahrscheinlich doch eher das Mittel der Wahl sein sollen,
da es das Leben der beiden und der wartenden Reisenden am Bahnsteig gerettet hätte.
In der Ebene ist die Gefahr des Schwappens erheblich größer als im Gefälle, zumal
das Wasser unweigerlich zurück läuft, sobald man aus einem Gefälle in die waagerechte
kommt. Und genau das scheint trotz aller Vorsicht und im Zusammenspiel hier der Fall gewesen zu sein.
Natürlich hätte es eine riesige Betriebsstörung gegeben und Züge hätten eingleisig am havarierten Zug
vorbeigeführt werden müssen, jedoch wäre dadurch niemand zu Schaden genommen.
Allerdings sehe ich die Schuld nicht nur bei den beiden Personalen, sondern auch bei den
Zuständigen in Wittenberg, die eine angeforderte Wassernahme abgelehnt haben.
Es war ja auch davon hier die Rede gewesen.

???

geschrieben von: Michael Kelter

Datum: 07.02.14 03:54

52 8186 schrieb:
-------------------------------------------------------
> Das Lokpersonal war vollkommen nüchtern , Alkohol
> war nicht im Spiel, insofern nicht vorzuwerfen.


Hallo!

Wer belegt das ?

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 07.02.14 12:25

Halo Matthias,

Zu meiner Anregung, die Sicherheitseinrichtungen
zu überdenken und verbessern, schriebst Du:

> Jede bauliche Änderung an einem
> Kessel wäre mit Kosten verbunden und es würde mich
> nicht wundern wenn bestimmte Behörden so etwas mit
> einer "Neuzulassung" verbinden würden...

Erst einmal über zielführende Änderungsmöglichkeiten an den Schmelzpfropfen nachdenken. Leider ist noch niemand auf meine Überlegungen eingegangen oder hat eigene Vorschläge gebracht.

> Aber du hast ja in deiner Kritik am elektrischen
> Zugbetrieb auch die als Risikofaktor angeführt,
> die in Physik geschlafen haben und das ist für
> mich auch überhaupt kein stichhaltiges Argument.

Wie gesagt sind die Zerfallserscheinungen in unserer Gesellschaft Realität. Die Verwahrlosung der Jugend und das Sabotage- und Terorranschlagisiko gegenüber den leicht zugänglichen Fahrleitungsanlagen nimmt zu.
Beim "Saufen bis der Arzt kommt" oder anderen "Leistungsbeweisen" helfen auch Physikkenntnisse nicht mehr.
Alle el. Strecken wie HGV einzuzäunen ist unbezahlbar und unwirtschaftlich, abgesehen von anderen Komplikationen (z.B. Verinselung), die damit einhergehen.

Gruß Mathias

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 07.02.14 17:16

Nochmal...

Über diesen Unfall ist auch 1977/78 schon so viel Papier produziert worden. Vor mir liegt der Fragenkatalog des Transportpolizeiamtes Halle, das daraufhin erstellte Gutachten, mehrere Aktenvermerke, Schnabels Text und ein Stapel Fotos vom Ereignisort. Es ist alles detailgenau erforscht; allerdings muß notwendigerweise ein Gutachten auf Hypothesen über den Ablauf des Unglücks verzichten. Von Frau Kalweit war zu hören, daß die zuständige Transportpolizei anscheinend nur in geringem Umfang Zeugen befragt hat. Sie, die mitten im Geschehen gestanden hatte, die vom explodierenden Kessel mit glühenden Kohlestückchen überschüttet worden war, wurde nach Hause geschickt.

Im Gutachten steht auf Seite 10: " Entsprechend der Zeitermittlung, die benötigt wird, das Feuerbüchsmaterial auf die im Bericht des Staatlichen Amtes für die Überwachung WTL, Labor Halle, angegebene Temperatur zu bringen, wird die Feuerbüchsdecke etwa ab Muldenstein ohne Wasser gewesen sein. Ein Nachspeisen war nicht möglich, da der Wasservorrat im Tender verbraucht war.(...)
Der weitere Fahrtverlauf läßt darauf schließen, daß das Personal den Wassermangel bemerkt hat und in Bitterfeld Wasser nachnehmen wollte."

Schon 1977 stand ebenfalls folgender Tatbestand fest: "Die langsame, durch Zeugenaussagen bestätigte Einfahrt in den Bahnhof Bitterfeld..." Frau Kalweit hat mittlerweile ihre Angaben weiter präzisiert (sinngemäßig): Sie war in Sorge um ihren Anschluß in Leipzig und beobachtete deshalb ungeduldig und genau das verspätete Einlaufen seit dem Sichtbarwerden des Zuges hinter der Brücke Zörbiger Straße. Der Zug war so langsam, daß sie meinte, er würde VOR dem Bahnsteig zum Halten kommen. Neben ihr unterhielt sich das Großelternpaar mit dem Enkelkind (die alle drei zu Tode kamen) darüber, ob sie dem Zug entgegen vorlaufen sollten. In diesem Moment begann der Ablauf der Katastrophe.
Frau Kalweit stand direkt neben des südlichen Treppe zu Bahnsteig 3/4 auf dem Bahnsteig und legt Wert darauf, sich der Ereignisse genau erinnern zu können. Sie sprang zur Treppe, duckte sich einige Stufen abwärts und wurde von glühenden Kohlenstücken getroffen. Direkt neben diesem Abgang schlug der Kessel mit dem Rest der Rauchkammer zum nachfolgenden Lokfahrgestell hin zeigend auf, nachdem er sich mindestens einmal senkrecht überschlagen und dabei die Rauchkammer stark deformiert hatte. Der Mischvorwärmer lag deshalb mehrere Meter hinter dem Kessel.

Das völlig ungewöhnliche "Schleichen" des Zuges über zumindest eine übersehbare Distanz von fast einem Kilometer ist also eine Tatsache. Und richtigerweise bringt das Gutachten dieses damit in Verbindung, daß zumindest der Lokführer wußte, daß er, die Lok und der Zug in Gefahr waren. Ohne das Wörtchen "vielleicht" zu benutzen, halte ich für diese Beobachtung nur noch zwei mögliche Szenarien für denkbar:

1. Der Lokführer wollte noch vor dem Bahnhof anhalten, um größeres Unheil zu verhindern. Das plötzliche Abblasen der Sicherheitsventile, das Zeugen beobachteten, spricht für ein wenn auch vorsichtiges Anbremsen und das Zurückschwappen von Wasser. Durch den nun beginnenden Dampfaustritt war das Personal nach Sekunden handlungsunfähig, der Zug rollte langsam weiter und wurde erst durch das Entgleisen des Fahrgestells zum Stillstand gebracht. Frau Kalweit berichtete von starkem "Qualm"austritt aus der Lok. Dieser allerdings wäre sehr unwahrscheinlich, denn Qualm entsteht nur nach dem Feuern oder beim Schließen des Reglers bei noch nicht durchgebranntem Feuer nach dem Auflegen. Vermutlich war das also Dampf - eine Nachfrage dazu läuft noch.

2. Der Lokführer wollte vorsichtig bis zum Wasserkran (am südlichen Bahnsteigende) schleichen und das mit möglichst wenig Bewegung im Kessel tun. Auch der noch junge Lokführer Schirdewein war bei seiner Ausbildung über die Gefahren von Wassermangel belehrt und mit drastischen Fotos konfrontiert worden. Ob ihm die Zwangsläufigkeit des Zurückschwappens auch bei leichtem Anbremsen bewußt war, muß dahingestellt bleiben. Auch bei diesem Szenario markiert das Abblasen der Sicherheitsventile den Beginn des Unfallgeschehens.

Schon bevor der Zug "schleichend" den Anfang des Bahnsteigs erreichte, war die Zerstörung der Feuerbüchsdecke im Gange, das legen die Zeugenaussagen über Dampf- und Flammenaustritt nahe. Das Lokpersonal konnte das Führerhaus nicht verlassen und war nach Sekunden handlungsunfähig. Der Zug rollte ungefähr noch bis zur Mitte des Bahnsteigs 3, und der Kessel lag 35 Meter weiter vorne in Höhe des Bahnsteigtunnels.

Unter Punkt 3.1 des Gutachtens wird auf Seite 4 über den vorgefundenen Zustand der Versorgungs- und Kontrolleinrichtungen des Kessels berichtet. Sicherheitsventile und Wasserstandmesser waren intakt. Das Kesseldruckmanometer war so zerstört, daß man nichts mehr ablesen konnte. Die Hubanzeige der Kolbenspeisepumpe war intakt. Die Dampfstrahlpumpe war intakt, Die Mischvorwärmer-Speisepumpe war stark zerstört, enthielt aber Wasserreste, so daß man von einem Funktionieren ausging. Die Kesselspeiseventile waren zerstört und nicht zu prüfen. Die Feuerbüchse hatte wasserseitig keine Kalkablagerungen. Alle Schweißnähte waren intakt, nur die Schweißungen der Deckenstehbolzen waren abgerissen. Interessant ist, daß ein Schmelzpropfen im Gutachten nicht erwähnt wird. Jedenfalls ist in einer kalkfreien Feuerbüchse das Zusetzen eines Schmelzpropfen auszuschließen.

Ich bin der Meinung, daß - ausgenommen dem von mehreren beobachtete Zerknall der 42 1883 an der Mosel - bislang kein anderes Zerknall-Unglück in Deutschland durch Zeugen genauer beschrieben, in seiner Vorgeschichte erforscht und in den Auswirkungen dokumentiert worden ist. Viel Platz für ein "Vielleicht" oder "niemals aufklärbar" bleibt da nicht. Lokführer wie Heizer haben in fast unbegreiflichem Unfang falsch gehandelt, sich selbst durch eine Mischung aus gegenseitiger Mißachtung und fast laienhafter Gleichgültigkeit gegenüber Dienstpflichten und technischen Unbedingtheiten ums Leben gebracht und leider viel zu viele Unschuldige mit sich genommen. Darunter ein dreijähriges Mädchen, daß mit Oma und Opa der aus Berlin kommenden Mutter unbedingt sofort die neue Puppe zeigen wollte...

Jürgen-UIlrich Ebel
Lieber Nordexpreß,

Du kommst hier mit Dialektik. Die Ursache des Zerknalls ist seit 1978 glasklar festgestellt, es gibt Analysen, von wo aus die Stehbolzenabrisse begonnen haben, wie die Deckenrisse verlaufen sind, Materialanalysen, Untersuchungen aller relevanten Bauteile, zig Beweisfotos. Eine Ursache braucht aber auch einen Auslöser. Und der Auslöser ist sehr wohl durch Zeugenaussagen geklärt worden: Das Abbremsen, dadurch das Zurückschwappen des Wassers und die enorme Erhöhung des Kesseldrucks, den die überhitzte Stehkesseldecke nicht mehr halten konnte. Und das ist nur deshalb bekannt, weil Leute die Sicherheitsventile plötzlich blasen sahen, und dann Flammen und Dampf um die Lok.
Im übrigen erlaube ich mir angesichts der Eisigkeit Deiner Sätze den Verweis auf den letzten Satz meines langen Textes.

Jürgen-Ulrich Ebel

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 07.02.14 18:02

Hallo Jürgen,

Meinen herzlichsten Dank für Deinen Beitrag. Es hat mich jetzt erstaunt zu lesen, das in dem Untersuchungsbericht die Geschichte mit dem Schmelzpropfen nicht erwähnt wurde. Wurde doch gerade die Geschichte mit den Schmelzpropfen, ebenso wie der schlechte Unterhaltungszustand der Leipziger und teilweise Berliner Lok unter den Eisenbahnfreunden in den Tagen nach dem Unfall heiß diskutiert. An der Stelle eine Nachfrage: war die 01 1516 vor dem Unfall aus Meiningen gekommen, oder stand die Lok auf Abruf für einen Raw-Aufenthalt ?

Der Kessel zerknallt auch ohne Schwappen

geschrieben von: RobRobertson

Datum: 07.02.14 18:38

Hallo!

In mehreren Beiträgen war hier zu lesen, dass das Zurückschwappen von Wasser auf die freiliegende Feuerbüchse den Kesselzerknall hervorruft.
Das ist zwar richtig, aber passiert offenbar nicht sofort (siehe Beschreibung nach Niederstrasser).

Ein Kesselzerknall kann aber auch schon dann eintreten, wenn die Feuerbüchsdecke nur noch von Dampf bedeckt wird, z.B. beim Vorschwappen des Wassers beim Bremsen oder beim Fahren im Gefälle. Dann kommt der (Naß-)dampf des Kessels mit einer Temperatur von ca. 240 Grad Celsius mit der nun nicht mehr ausreichend durch Wasser gekühlten Feuerbüchsdecke in Berührung, die durchaus 800 - 900 Grad entwickeln kann.
Der Dampf nimmt diese (Wärme-)Energie auf und sein Volumen steigt im Quadrat zur Temperatur: bei Verdreifachung der Temperatur auf 720 Grad steigt das Volumen um das neunfache, im vorliegenden Fall von 15 auf 135 "atü" (oder ganz korrekt von 1,5 auf 13,5 MPa). Das hält kein 01-Kessel aus.
Nach allem, was hier im Forum geschrieben wurde, meine ich, dass "Bitterfeld" auf letzteren Fall zurückzuführen war: die Feuerbüchse war seit Muldenstein freiliegend.

Hypothese: Vielleicht hatte der Heizer im Bewußtsein der Gefahr seit Muldenstein nicht mehr nachgelegt und gehofft, dass der Dampf die fünf km bis Bitterfeld noch reicht. Dann hätte die beschriebene langsame Einfahrt zwei Ursachen haben können: einmal aus Vorsicht und zum anderen wegen beginnendem Dampfmangel. Hätte er nachgelegt, wäre der Zerknall möglicherweise noch auf freier Strecke passiert.

Ich weiß, die 01.5 war für 16 atü ausgelegt, aber normalerweise beläßt der Heizer den Kesseldruck etwa ein "atü" unterhalb der Höchstmarke, um ein wenig Spielraum nach oben zu haben, falls z.B. plötzlich ausserplanmäßig abgebremst werden muss. Das führt zum Anstieg des Kesseldrucks und würde bei Fahren mit Höchstdruck die Sicherheitsventile ansprechen lassen. Eine Weiterfahrt unter Dampf wäre erst wieder möglich, wenn sie wieder geschlossen sind, weil das Abblasen während der Fahrt unter Dampf die Gefahr des Wasserüberreißens birgt. Und wenn die Lok kaputt geht, hat man auch nichts gekonnt.

Wie Niederstrasse schon schrieb: bei zu niedrigem Wasserstand unter allen Umständen Feuer raus und Dampf ablassen.

Beste Grüße von Rob

PS: Es ist verständlich, wenn versucht wird, das Lokpersonal aus Kollegialität oder Sympathie für die "alten Fahrensmänner" zu entlasten, aber nach allem, was bekannt ist, waren sie es, die fahrlässig gehandelt haben.
Manche Beiträge zu ihrer Verteidigung erinnern an die Artikelserie im "modelleisenbahner" von 1982 zur Katastrophe von Genthin 1939, wo der Autor dem Lokführer als Entschuldigung eine mögliche Kohlenmonoxidvergiftung attestierte, obwohl nichts darauf hindeutete. Die Ermittlungen sind zwar nicht explizit darauf eingegangen, hatten aber ergeben, dass er für seinen rücksichtslosen Fahrstil bekannt war; er hatte bereits mehrfach haltzeigende Signale überfahren.

BITTE NICHT ALS EINEN PERSÖNLICHEN ANGRIFF WERTEN!

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 10.02.14 09:13

Lieber Gerd Boehmer,

01 1516 hatte vom 6.12.1976 bis zum 7.1.1977 ihre letzte Zwischenuntersuchung L5 im RAW Meiningen. Die letzte Bedarfsausbesserung L0 war vom 17.5. bis 16.6.1977.
Ob die Lok "w" fürs Raw gemeldet war, ergibt sih nicht aus meiner BB-Kopie. Leider ist das auch eine "Sparkopie", in der der Kopierende Kessel und Tender wie auch Bögen völlig unterschlagen hat. Wo ist das Buch heute? Wer hat eine vollständigere Kopie?

Ergänzend zu meinen - und den anderen jüngsten - teils sehr qualifizierten (Danke!) Anmerkungen: Im Gutachten wird im Text kein Schmelzpropfen erwähnt, es befindet sich im Anhang als Nr.7 aber ein Lichtbild, das den ausgelaufenen Schmelzpropfen zeigt. Ein Schmelzpropfen war aber nicht in der Lage, die durch plötzlichen Druckanstieg infolge Wasser-Zurückschwappens entstandene Dampfmenge schnell genug abzuleiten. Das Lichtbild zeigt durch Größenvergleich der benachbarten Stehbolzen, daß der Schmelzpfropfen höchstens einen Querschnitt von rund 1,5 cm freigegeben hat und auch noch Bleireste einen Teil des Querschnitts blockieren. Da die Feuerbüchsdecke mangels Wassers ungefähr ab Muldenstein überhitzte, spätestens aber ab den Muldeflutbrücken, muß über längere Zeit Dampf in die Feuerbüchse abgeleitet worden sein. Und daraus ergeben sich wieder neue Fragen.
Jürgen-Ulrich Ebel

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: McSauerkraut

Datum: 10.02.14 13:28

Moin,

danke an Jürgen Ebel und Rob für die letzten Beiträge und die klaren und viele Zweifel beseitigenden Worte. War meine Erinnerung also falsch - es wäre dann aber auch mehr als Fahrlässigkeit gewesen seitens des Personals.

Zu ihren Fehlern (Wasservorrat nicht ergänzen bzw. nicht prüfen etc.) wäre dann noch ein weiterer hinzugekommen.

Die Stehkesseldecke muss praktisch schon vor Bremsbeginn trocken gewesen sein, denn das Abblasen der Sicherheitsventile deutet auf eine plötzliche, sehr starke Drucksteigerung im Kessel hin, die nur auf rasches Verdampfen des auf die Stehkesseldecke zurückschwappenden, gut 200°C heißen Wassers zurückzuführen ist. Die dabei auftretende ebenso starke Abkühlung der glühenden Stehkesseldecke hat diese buchstäblich zerrissen - Schmelzpropfen nützen da nichts mehr, ob sie funktionieren oder nicht.

Das Personal hätte - bei Ansprechen des Schmelzpropfens - das Feuer durch den Kipprost in den Aschkasten kippen müssen, das wäre m.E. die einzige kleine Chance gewesen, das große Übel zu verhindern. Das haben sie aber nicht getan, auch haben sie wohl nicht versucht, mit geöffneten Regler (extrem riskant, baut aber Kesseldruck ab!) Dampf rauszunehmen ...

Inwieweit sich LF und Heizer durch vorschriftsmäßiges Verhalten (falls da überhaupt solches noch vorlag) selbst und andere ums Leben brachten? Wir werden es nie wissen, den Opfern sei an dieser Stelle nochmal tiefes Mitgefühl ausgesprochen.

Und zu Matthias Muschke: Was ist ein Menschenleben wert? Heute wäre auf so einer Lok ein eltektronisches Sichehreitssystem vorhanden, dass entweder Alarm gibt (z.B. akustisch) oder sogar automatisch das Feuer löscht ... Derlei Möglichkeiten gab es damals nur bedingt.

Bis denne

McS.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:17:17:23:45.

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: dampfachim

Datum: 10.02.14 13:55

Hallo McS,

welches Sicherheitssystem? Ich fahre fast täglich Dampflok, aber technisch hat sich zu 01 516 nichts geändert und die Vorschriften zum Wasserstand sind auch immer noch die gleichen.

Die Sache mit dem Regler vergiß mal. Diese Dampfmengen kann keine irgendwie geartete Einrichtung an der Lok abführen. Und schließlich sollte der Zug ja halten und nicht mit Höchstgeschwindigkeit und voll geöffnetem Regler durchfahren.

Es gibt nur eine Möglichkeit und die hast Du ja auch richtig erkannt. Feuer raus und auf keinen Fall Wasser nachspeisen. Und das sofort, unverzüglich, sowie ein Unterschreiten von NW eintritt, besser noch wenn es absehbar unvermeidlich eintreten wird ( scheinbarer Wasserstand ). Wenn das Lokpersonal diese elementaren Vorschriften eingehalten hätte, man hat ja offenbar den knappen Vorrat im Tender gekannt, wäre niemandem ein Haar gekrümmt worden und auch die Lok wäre unversehrt geblieben. Da hätte es nur Ärger mit den Vorgesetzten wegen der Zuglaufstörung gegeben. Alle anderen hier angestellten Überlegungen sind Quatsch.

Viele Grüße

Dampfachim

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 10.02.14 15:53

Hallo Jürgen,

Vielen Dank für die Angaben. Ich werde zum nächsten Update meiner Homepage die Hinweise anbringen, das die Lok nicht vor dem Unfall aus dem Raw Meiningen gekommen war, das es sich bei meinem Text um eine zeitgenössische Darstellung in meinen Aufzeichnungen aus den Tagen nach dem Unfall handelt und auch einen Link zu dieser Diskussion setzen. Denn wie Du zum Schluss richtig geschrieben hast, bleiben immer noch einige Fragen ...

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Matthias Muschke

Datum: 10.02.14 17:07

McSauerkraut schrieb:
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> Und zu Matthias Muschke: Was ist ein Menschenleben
> wert? Heute wäre auf so einer Lok ein
> eltektronisches Sichehreitssystem vorhanden, dass
> entweder Alarm gibt (z.B. akustisch) oder sogar
> automatisch das Feuer löscht ... Derlei
> Möglichkeiten gab es damals nur bedingt.

Habe ich irgendwo den Wert eines Menschenlebens herabgesetzt? Es ging darum heute quasi die Dampflok neu zu erfinden und den für mich abwegigen Vergleich mit einem AKW. Wenn man solche Massstäbe ansetzen will dürfte man sich weder in einen Zug oder ein Auto setzen, weil die Gefahr dabei umzukommen ja permanent gegeben ist. Und ich fahre täglich Auto und Zug...

MfG

"Gibt es zwei- bzw. dreiachsigen Reko-Wagen der DR (Bage, Baage, Dage oder Bagtre), die die gleiche Breite aufweisen, wie die vierachsigen Reko Wagen z. b. der zuvor genannten Hersteller? Also schmaler sind, als die Wagen von Piko und Roco!
Viele mögen die 1-1,5 mm breitenuntershcied nicht stören und mich wiederum ist es egal, welche breite nun die Maßstabsgereue ist - mir wäre nur wichtig, dass die Personenzugwagons der DR in meiner Zugkombi ziemlich gleichbreit sind..."

🤦‍♂️😂🤷‍♂️

Quelle: Stummiforum..

[www.stummiforum.de]

Kesselzerknall: Ursache und Wirkung

geschrieben von: eifelindianer

Datum: 10.02.14 19:16

.



5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:04:14:15:31:36.

Re: Kesselzerknall: Ursache und Wirkung

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 10.02.14 20:06

Soweit die Lehrbuchtheorie...

die uns nicht unbekannt ist. Hinzu kommt aber auch noch das Moment "Chaos", das dafür sorgt, daß es keineswegs "die" nach Schema ablaufende Kesselexplosion gibt. Ich habe mich schon vor Jahren mit mehreren Veröffentlichungen zum Thema geäußert, die letzte davon über eine "gutartig" verlaufende Explosion einer 043 der Bundesbahn. Bei dieser verhüteten im AW nachlässig eingeschweißte Stehbolzen das Schlimmste, weil sie sich der Reihe nach lösten. Direkte Ursache waren ein verstopfter Wasserstand und ein natürlich zusätzlich erforderlicher Personalfehler. Ein Davonfliegen des Kessels ist keineswegs zwingend - bei der 04 entleerte er sich nach unten. Weiterhin gab es Kesselzerknalle, die von Material- oder Bearbeitungsfehlern des Langkessels ausgingen. Dadurch wurden die betroffenen Maschinen meist auf die Seite geworfen. Schließlich waren in alter Zeit Zerknalle häufig, die von Materialfehlern ausgingen. Ich habe das Foto eines Zerknalles aus dem Jahr 1892 im Harz hier, bei dem der Langkessel einer dreifach gekuppelten Güterzuglok aufriß und wegflog. Lokführer und Heizer überlebten das Unglück in ihrem winzigen Führerhaus.

Allgemein bekannt ist der hochfeste Stahl St47K, den man als besonders hochwertig ansah, und der es erlaubte, dünnere Kesselbleche zu verwenden. Die Folgen sind allgemein bekannt. Jedenfalls sollten wir der Personale gedenken, die aus heiterem Himmel und völlig vorschriftsmäßig arbeitend aus dem Leben gerissen wurden, weil der Kessel im Normalbetrieb zerriß. Friedrich Witte ist zu danken, daß er 1953 gegenüber dem in dieser Hinsicht dickfelligen Bundesbahn-Vorstand die Verantwortung für den Weiterbetrieb der schon damals sehr intensiv eingesetzten 01.10 ablehnte, und damit den Schwarzen Peter für den Weiterbetrieb der inzwischen skandalös schadanfälligen Altbaukessel aus St47K den Oberbeamten zuschob. Die sicher nicht aus Sorge um die Personale, sondern um ihrem warmen Plätzchen zuliebe einem Auftrag für neue Kessel umgehend zustimmten. Es bleibt aber ein Skandal, daß die letzte 50 mit einem solchen Kessel erst 1968 und die letzte 41 erst 1970 aus dem Dienst gezogen wurden.

Eine ausgeglühte Feuerbüchsdecke verursacht übrigens auch keineswegs zwingend einen Zerknall. Und ein "Zerknall" kann sich auch so abspielen, daß nur ein Teil der Feuerbüchsdecke aufreißt und sich der Dampf in die Feuerbüchse entleert. Vollständig geschweißte Kessel sind in dieser Hinsicht eigentlich enorm widerstandsfähig. Allerdings setzt das voraus, daß das Personal nicht bis zur letzten, bittersten Konsequenz einen Fehler an den nächsten reiht.


Ob das Unglück in Bitterfeld fürs Lehrbuch taugt?


Jürgen-Ulrich Ebel

kein abwegiger Vergleich

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 10.02.14 20:49

Hallo Matthias,

ich verstehe nicht was Du hier abwegig findest:
Zu meiner Anregung, die Sicherheitseinrichtungen zu überdenken und verbessern, schriebst Du:
> Wie viele Kesselzerknalle gab es aufgrund
> menschlichem Versagen in 153 Jahren Dampfbetrieb
> in Deutschland? Und wie hoch ist die
> Wahrscheinlichkeit bei der heutigen
> Dampflokdichte?

Da Du von der Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls sprichst, habe ich geantwortet: Solche Fragen werden die noch lebenden Opfer/Augenzeugen hier im Forum sicher verwundern und erinnern mich an die Befürworter der Kernenergie, bei der statistisch nur alle "1000" Jahre ein GAU vorkommt.

Wenn ein Kesselzerknall und dessen tödliche Auswirkung durch eine Sicherheitseinrichtung weniger wahrscheinlich gemacht werden kann, sollte man sich um eine Lösung bemühen.
Erst recht, wenn dies vielleicht mit einfachen Maßnahmen erreichbar ist.

Du schriebst dazu:
> Es ging darum heute quasi die
> Dampflok neu zu erfinden und den für mich
> abwegigen Vergleich mit einem AKW. Wenn man solche
> Massstäbe ansetzen will dürfte man sich weder in
> einen Zug oder ein Auto setzen, weil die Gefahr
> dabei umzukommen ja permanent gegeben ist.

Abwegig ist es, Menschenleben unnötig aufs Spiel zu setzen. Wie kommst Du darauf, ich wolle die Dampflok quasi neu erfinden, wenn ich ein sicherheitsrelevantes Bauteil für überdenkenswert halte ?
Vielleicht muss man nicht einmal etwas Neues erfinden und es reicht ein Blick über den Zaun, in diesen Fall in die USA. Adolf Wolff berschreibt die dort gebräuchlichen Si-Einrichtungen so (Ausschnitt):

Da eine Entblößung der Feuerbüchsdecke ohne Verschulden der Lokomotivmannschaft durch verstopfte Wasserstände eintreten kann, ist es erklärlich, dass man die Kessel mit selbstständigen Warneinrichtungen versieht. Schmelzpropfen genügen nicht, auch wenn sie in größerer Zahl angebracht sind, auch sind sie wenig zuverlässig. Deshalb sind verschiedene Einrichtungen entwickelt worden, die beim Absinken des Wasserstandes unter die NW-Marke Alarmpfeifen auslösen. Am bekanntesten sind die Bauarten der Nathan und der Barco Manufacturing Co. Die erste und ältere Bauart benutzt durch Berührung mit Dampf statt Wasser hervorgerufene Ausdehnung eines längeren Rohres zur Steuerung eines Pfeifenventils, während dieses bei der zweiten Art durch Abfallen eines Schwimmers in einem besonderen kleinen Schwimmerkasten in Tätigkeit gesetzt wird. (...) Die Barco-Warnlage hat den großen Vorteil, nur aus zuverlässigen Bauteilen zu bestehen und nicht von der Wirkung der Wärmedehnungen oder Einsätzen aus leichtschmelzendem Metall abhängig zu sein.

Es gab also bereits einfache und vor allem rechtzeitig auslösende Si-Einrichtungen – damals noch ohne das Ausfallrisiko heutiger elektronischer Bauteile...
Jürgen Ebel schrieb mir, dass die Nathan Co. sogar eine selbsttätig feuerlöschende und dampfablassende Vorrichtung entwickelt hatte.

Gruß Mathias



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:02:10:20:58:03.

Re: Kesselzerknall: Ursache und Wirkung

geschrieben von: dampfachim

Datum: 10.02.14 22:34

Hallo Jürgen-Ulrich,

der Fall Bitterfeld wird seit Jahren bei der Lokführerausbildung beispielhaft herangezogen, zeigt er doch anschaulich und fast noch gegenwärtig, wie sich derartige Fehler im Dampflokbetrieb rächen.
Natürlich endet nicht jedes Ausglühen der Feuerbüchsdecke in einem Kesselzerknall, wie man ja auch im Zusammenhang mit dem Fall Bitterfeld anschaulich sehen kann. Bei 03 121 ist es ja nicht zum Äußersten gekommen und doch war die Feuerbüchsdecke ausgeglüht.

Eines soll aber dieser, hoffentlich letzte, Kesselzerknall für immer verhindern. Schlendrian und Gleichgültigkeit haben im Eisenbahnbetrieb und in diesem Fall im Dampflokbetrieb nichts zu suchen. Und wenn ich dann an die 01 509 unter Obhut der UEF denke...
Aber lassen wir das.


Viele Grüße

Dampfachim

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: S&B

Datum: 10.02.14 22:35

>>- ausgenommen dem von mehreren beobachtete Zerknall der 42 1883 an der Mosel - bislang kein anderes Zerknall-Unglück in Deutschland durch Zeugen genauer beschrieben,...<<

Hallo Jürgen-Ulrich,
weißt Du, wo ich die Augenzeugenberichte nachlesen kann?
Grüße
Ulrich

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 11.02.14 09:08

42 1883

Der Kesselzerknall der Lok 42 1883 am 12.10.1951 wurde auf Veranlassung der DB-Hauptverwaltung ausführlich behandelt während der 8. Sitzung des Lokomotiv-Ausschusses der Bundesbahn vom 18. bis 21. Dezember 1951 in Maulbronn und am 5. Januar 1952 in Siegen. Anwesend war nahezu die gesamte Gilde hochrangiger Dampflokfachleute der DB, u.a. (alphabetisch): Dormann (zuständige ED Mainz), Düring (Lok-Vers.-Amt Minden), Keppner (EAW Schwerte), Kinkeldei (EAW Ingolstadt), Dr. Müller (Vers.A.Minden), Schmidt (Bmktr des EZA Minden), Wagner ("der" Wagner, seit kurzem im Ruhestand), Witte (EZA Minden).
In der Niederschrift dieser Sitzung belegt diese Angelegenheit den Tagesordnungspunkt 11 auf den Seiten 103 bis 147 und die Anlagen 20 bis 28.

Bei Interesse kann ich gegen Kostenersatz Fotokopien machen.

Jürgen-Ulrich Ebel

Re: Eine Nachfrage

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 11.02.14 09:41

Laut Dienstvorschrift hätte der Personallokleiter das Personal als Fahrgast nach Hause schicken müssen. Dummerweise gingen schon Anfang der 70er Jahre viele Lokführer und Heizer lieber in die Produktion was dazu führte das er keine Reserven hatte.

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 11.02.14 09:47

01 1516

Im Gutachten zum Unfall der 01 1516 steht auf Seite 4 zur Untersuchung der beiden sichergestellten sichtbaren Wasserstands-Anzeigern:

" Die Wasserstandsarmaturen beider sichtbarer Wasserstandseinrichtungen zeigten allseitig freie Durchgänge und volle Gangbarkeit. Die funktionstüchtige Wasserstandsanzeige des Kessels war gegeben. Die Markierungen für den niedrigsten Wasserstand waren vorhanden."

Im Gegensatz dazu steht die verschiedentlich erhobene Behauptung, die eigentliche Unfallursache sei das Fehlen von Distanzhülsen an den Marcotty-Wasserständen gewesen, mit denen diese an die Normalausführung hätten angepaßt werden müssen. Der früheste Nachweis dieser Behauptung findet sich in der österreichischen Zeitschrift "Lokomotive" von 1978. Nicht verschwiegen sei, daß sich in diesem Beitrag und einer folgenden Ergänzung mehrere Fehler befinden, so u.a. die Behauptung, der Wasserstandsanzeiger im Tender sei schadhaft gewesen.

Aus einem Beiblatt des Gutachtens ergibt sich, daß bei der L6 (Raw Meiningen 6.12.76 - 7.1.77) im Stehkessel 122 Stehbolzen gewechselt wurden. Die regelmäßigen Fristarbeiten führte anschließend das Bw Berlin-Schöneweide aus. Die beiden Schmelzpfropfen wurden zuletzt am 17.11.1977 gewechselt. Ist es möglich, daß ein Dreivierteljahr lang während aller Fristarbeiten und des Alltagseinsatzes ein Falschanzeigen der Wasserstände hätte unbemerkt bleiben können? Auch die bis jetzt immer wieder erhobene Behauptung, Wasserstände, und / oder die Schmelzpfropfen seien durch Kalkablagerung verlegt gewesen, ist ja widerlegt: Die Lok wurde mit dosiertem Wasser betrieben. Leichten Kalkansatz zeigen auf den Beweisfotos die Stehbolzen und Queranker, die Feuerbüchsdecke und der fotografierte Schmelzpfropfen sind kalkfrei.

Jürgen-Ulrich Ebel

wie viele Schmelzpfropfen sind sinnvoll ?

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 15.02.14 13:08

Hallo Rob,

danke für Deine Erklärungen zum Kesselzerknall. Offensichtlich befasst Du Dich maschinenbaulich mit der Sache und kannst vielleicht noch mehr zum folgenden sagen:

In meinem Niederstrasser (9., unveränderte Auflage, 1957) steht zu Schmelzpfropfen (SP) schon nichts mehr; die DB hat auf diese Bauteile wohl seitdem verzichtet.

Wie ich eben von einem Ingenieur und Heizer der Zillertalbahn erfahren habe, sind SP dort nach wie vor in Gebrauch und werden streng überwacht. Vor jedem Anheizen werden die Wasserstandsanzeigen geprüft und der Zustand der SP mit der Taschenlampe kontrolliert. Dabei wird z.B. festgestellt, ob der in der Kohle enthaltene Schwefel den Bleiausguss abgezehrt hat. Dies würde aber allenfalls zu einer vorzeitigen Auslösung des SP führen.
Entgegen der im thread übereinstimmenden Meinung erstickt der aus den SP austretende Dampf das Feuer, da er die Luft in der Fb verdrängt und zugleich die Luftzufuhr durch Rohre und Luftklappen verhindert.
Ob der austretende Dampf dazu ausreicht, hängt von der Anzahl der SP ab.

Wie ich Adolf Wolff zitierte, hat man die SP in den USA später durch zuverlässigere Warneinrichtungen ergänzt oder sogar ersetzt – das ging aus seinem Text nicht genau hervor.

Der SP-Hersteller Nathan Co. empfiehlt in der US-Cyclopedia, 10. Ausgabe, 1938, S. 285:
2 SP je 0,3 sq. in. Dampfström.querschnitt je 400 sq. in. Rauchgasquerschnitt. Die Stehkesselskizzen dazu zeigen in Längsrichtung 4 und Querrichtung 3, d.h. insgesamt 12 SP in einem US-amerik. Großkessel.
Fraglich ist, ob das nur aus Werbezwecken der Nathan Co. so dargestellt wird oder tatsächlich üblich war.
In den meisten Großkesseln waren es wohl nur 3, auch in der H8 der C&O. Das habe ich jedenfalls aus einem Bericht zum Kesselzerknall einer H8 in Erinnerung.
Die 01.5 hatte 2 SP.

Gruß Mathias
Die Schuldfrage konnte abschließend nicht genau geklärt werden. Da war zum einen das Lokpersonal, das nicht dafür gesorgt hatte, dass man genügend Wasservorräte dabei hat - zum anderen stellte sich aber auch die Frage, warum bei einer erst kürzlichaus dem RAW Meiningen kommenden Lok die Sicherheitsbolzen so versintert sind, dass sie versagen. Vermutlich hat man trotz der Zweifel dem getöteten Lokpersonal die alleinige Schuld gegeben. Tote können sich nicht mehr rechtfertigen und nicht mehr wehren. Das hat man ja auch in Radevormwald 1971 praktiziert.

Sicherheitsbolzen versintert?

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 16.02.14 12:51

Lieber Zauberer, ich gebe zu, dass der Beitragsfaden sehr lang ist. Trotzdem wäre es die Mühe wert gewesen, zumindest die Beiträge von Hernn Ebel mal zu lesen, bevor man pauschal Verschwörungstheorien postet.

Danke und Grüße vom ESD

...könnte Nüsse enthalten...

Re: Sicherheitsbolzen versintert?

geschrieben von: Zauberer

Datum: 16.02.14 15:11

Eisenschweindompteur schrieb:
-------------------------------------------------------
> Lieber Zauberer, ich gebe zu, dass der
> Beitragsfaden sehr lang ist. Trotzdem wäre es die
> Mühe wert gewesen, zumindest die Beiträge von
> Hernn Ebel mal zu lesen, bevor man pauschal
> Verschwörungstheorien postet.
>
> Danke und Grüße vom ESD

Wer das zu verantworten hatte, dass die Schmelzpfropfen mit Kesselstein zugesetzt, also versintert waren, ist nie geklärt worden. Und auch in den Beiträgen von Herrn Ebel wird nur eines deutlich: das Lokpersonal hatte das nicht ausschließlich zu verantworten. Nur ist das leider fast überall üblich, die Schuld an Unglücksfällen eines solchen Kalibers denen in die Schuhe zu schieben, die als Verantwortliche tätig waren und beim Unglück um kamen. Das ist nämlich für viele sehr bequem: ein Toter ist ein trefflicher Sündenbock. Der kann sich nämlich nicht mehr äußern, sich nicht mehr rechtfertigen und kann auch nicht vor Gericht gestellt werden. Der Rest braucht sich nicht zu äußern - auch in der DDR brauchte man sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen. Zudem sind die Konsequenzen für ein Unternehmen bei Unglücken dieser Größenordnung sehr umfangreich.

Dabei sollte doch schon lange klar sein, dass die Unfallverhütungsvorschriften bei der Bahn so detailliert sind, dass die einer alleine gar nicht außer Kraft setzen kann. Meist ist es so, dass Katastrophen im Bahnverkehr das Ergebnis eines Konglomerats von kleinerem Fehlverhalten, Schlendrian und Fehleinschätzungen über einen längeren Zeitraum sind, die gerne auch mal bis in höchste Ebenen hinein reichen. Man wird nie erfahren, was genau auf dem Führerstand der Lok abgelaufen ist. Wir wissen nur: die Schmelzpfropfen sind nicht aufgegangen, das Feuer in der Feuerbüchse wurde nicht - wie vorgesehen - automatisch gelöscht. Sonst wäre die Lok einfach stehen geblieben und nichts wäre passiert, außer dass das Personal einen Haufen Ärger bekommen hätte.

Auch beim Unglück in Dahlerau 1971 ist im Grund nichts wirklich rüber gekommen. Das Unglück wäre zu vermeiden gewesen, hätte zwischen Fdl und Tf Funkkontakt bestanden. Sowas gab es aber damals nicht. Genau das hatten aber weder der Tf, noch der Fdl zu verantworten. Wer von den beiden den entscheidenden Fehler gemacht hat, konnte auch nie geklärt werden.

Re: Sicherheitsbolzen versintert?

geschrieben von: Nordexpress

Datum: 16.02.14 18:41

Zauberer schrieb:
Wir wissen nur: die
> Schmelzpfropfen sind nicht aufgegangen, das Feuer
> in der Feuerbüchse wurde nicht - wie vorgesehen -
> automatisch gelöscht. Sonst wäre die Lok einfach
> stehen geblieben und nichts wäre passiert, außer
> dass das Personal einen Haufen Ärger bekommen
> hätte.


Was hat Jürgen-Ulrich am 10.04.2014 als Zusammenfassung aud dem Gutachten Schnabel gepostet? Das hier:

Ergänzend zu meinen - und den anderen jüngsten - teils sehr qualifizierten (Danke!) Anmerkungen: Im Gutachten wird im Text kein Schmelzpropfen erwähnt, es befindet sich im Anhang als Nr.7 aber ein Lichtbild, das den ausgelaufenen Schmelzpropfen zeigt. Ein Schmelzpropfen war aber nicht in der Lage, die durch plötzlichen Druckanstieg infolge Wasser-Zurückschwappens entstandene Dampfmenge schnell genug abzuleiten. Das Lichtbild zeigt durch Größenvergleich der benachbarten Stehbolzen, daß der Schmelzpfropfen höchstens einen Querschnitt von rund 1,5 cm freigegeben hat und auch noch Bleireste einen Teil des Querschnitts blockieren.


(Unterstreichungen von mir)

Was wir wirklich wissen ist: Der Propfen war da, und hat auch (teil-)funktioniert hat. Eine Funktionsbehinderung durch irgendwas ist weit und breit nicht festgestellt. Der volle Nachweis würde erst mit dem Gutachten und dem Bild selbst geführt, aber diese Aussage hat für ein Forum Überzeugungskraft genug.

Der Mär vom verklebten Schmelzpropfen ist damit widerlegt. Wenn Du einen Nachweis hättest, dass das Ding trotzdem nicht funktioniert hat, bist Du natürlich wieder im Geschäft. Dein Beitrag wäre dann - aber nur dann - sinnvoll gewesen.

Und was folgt übrigens weiter aus dem Gutachten Schnabel zum Schmelzpropfen?
Bitterfeld beweist, dass der Schmelzpropfen kein taugliches Sicherheitsinstrument ist. Solche Unfälle kann er eben nicht verhindern. Er hat nicht hinreichend zuverlässig funktioniert - Teile noch im Loch - und seine Funktion hat tatsächlich nicht ausgereicht, um die bei Kesseln dieses Kalibers auftretenden Drücke gefahrlos abzuführen. Da kann man n icht mehr drumrumschreiben.
Das Ergebnis wäre nicht anders, wenn er mit Kesselstein zugesetzt gewesen wäre, denn mit so etwas ist im laufenden Betrieb zu rechnen und es ist nicht durch Wartung im Betrieb sicher zu verhindern. Wer sich drauf verlassen will, schafft gefährliche Zusatzrisiken durch "Wiegen in falscher Sicherheit" ("kann ja nix passieren, Schmelzpropfen...).

Also taugt sowas nichts. Das hat Adolff Wolff vorher schon geschrieben und ist duch Schnabel unwiderlegbar praktisch nachgewiesen.


Warum war das Ding noch drin? Vor Bitterfeld musste jeder Sicherheitsingenieur, der auf die Idee gekommen wäre, es wegen erkannter Wirkungslosigkeit wegzulassen, befürchten, dass ihm im "casus knaxus" von der ganzen Meute seiner Kollegen vorgeworfen worden wäre: Nur passiert, weil Du das allgemein anerkannte unverzichtbare Sicherheitsinstrument "Schmelzpropfen" weggelassen hast! DU bist das ganz allein schuld!
Nach Bitterfeld kann der sagen: Liebe Kollegen, nutzt eh nichts, siehe Unfallanalyse Bitterfeld. (Das er das schon vorher gewusst hat und schon vorher hätte sagen können, wäre ihm nicht so gut bekommen, weil der Rest der Fakultät unwiderlegbar das Gegenteil behauptet. Mehrheit siegt in solche Fällen.)

LG

Wolfgang

Re: Schmelzpfropfen

geschrieben von: pm16152

Datum: 16.02.14 23:55

Hallo!

Da kann ich dir voll beipflichten. Du schaltest die Fahrleitung aus, hängst die Erdungsstange ein und wenn du aufs Dach kletterst kribbelts in den Knien

mfG Peter.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: McSauerkraut

Datum: 17.02.14 17:19

Moin zusammen,

nu mal langsam, liebe Leute.

Schmelzpropfen hatten NIEMALS die Funktion, das Feuer zu löschen, sie waren Warninstrumente, die dem Personal noch ein paar Sekunden Luft verschaffen sollten, dass Feuer in den Aschkasten zu befördern.

Wenn siedendes Wasser von höherem Druck und entsprechender Temperatur (bei 16 bar Kesseldruck 201°C) in normalen Umgebungsdruck kommt, verdampft es blitzartig mit einer Volumenvermehrung um einen Faktor etwa 1700! Also aus 1 l Wasser werden in weniger als 1 Zehntel Sekunde rund 1700 l Dampf. Das löscht das Feuer nicht, macht aber ordentlich Krach und Nebel.

Der plötzliche Anstieg des Wasserdampfgehaltes in der Feuerbüchse führt dabei allerdings auch zu einer gewissen Abkühlung des Rauchgases, das kann u.U. sogar ausreichen, die glühende Stehkesseldecke soweit zu kühlen, dass sie gerade nicht aufreißt, der Kesseldruck baut sich aber dadurch alleine nicht ab (oder nur recht langsam). Das Personal kann aber möglicherweise noch das Feuer rausreißen ...

> Der Mär vom verklebten Schmelzpropfen ist damit
> widerlegt. Wenn Du einen Nachweis hättest, dass
> das Ding trotzdem nicht funktioniert hat, bist Du
> natürlich wieder im Geschäft. Dein Beitrag wäre
> dann - aber nur dann - sinnvoll gewesen.
>
> Und was folgt übrigens weiter aus dem Gutachten
> Schnabel zum Schmelzpropfen?
> Bitterfeld beweist, dass der Schmelzpropfen kein
> taugliches Sicherheitsinstrument ist. Solche
> Unfälle kann er eben nicht verhindern.

soll er ja auch gar nicht - es ging immer nur darum, dem Personal noch eine letzte Chance zu geben, den großen Knall doch noch zu vermeiden.

>
> Warum war das Ding noch drin? Vor Bitterfeld
> musste jeder Sicherheitsingenieur, der auf die
> Idee gekommen wäre, es wegen erkannter
> Wirkungslosigkeit wegzulassen, befürchten, dass
> ihm im "casus knaxus" von der ganzen Meute seiner
> Kollegen vorgeworfen worden wäre: Nur passiert,
> weil Du das allgemein anerkannte unverzichtbare
> Sicherheitsinstrument "Schmelzpropfen" weggelassen
> hast! DU bist das ganz allein schuld!
> Nach Bitterfeld kann der sagen: Liebe Kollegen,
> nutzt eh nichts, siehe Unfallanalyse Bitterfeld.
> (Das er das schon vorher gewusst hat und schon
> vorher hätte sagen können, wäre ihm nicht so gut
> bekommen, weil der Rest der Fakultät unwiderlegbar
> das Gegenteil behauptet. Mehrheit siegt in solche
> Fällen.)
>
> LG
>
> Wolfgang

Und falls ich mich wiederhole: Auch mit zwei voll funktionstüchtigen Schmelzpropfen wäre der Kessel der 01 1516 unter den gegebenen Umständen mit Sicherheit zerknallt! Die Fehler wurden vorher gemacht, indem nicht rechtzeitig Wasser genommen wurde und indem offenbar ungeachtet dessen weitergeheizt wurde. Und hier gibt es auf Fragen nach dem "Warum? Wieso" leider keine Antwort, das haben die beiden Männer auf der Lok mit ins Grab genommen.

Warum waren die Schmelzpropfen noch drin? Vielleicht eine alte, nicht geänderte Norm? Manche alter Zopf ist sehr langlebig, und manchmal hat so'n Ding ja auch wat genützt ...

Und noch eine Frage: Sagt das Schnabel-Gutachten eigentlich etwas über den Zustand des Feuers aus? War der Rost verschlackt oder einigermaßen frei? Hätten die also bei der 01 1516 überhaupt noch das Feuer nach unten befördern können?

VG

McS.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: Nordexpress

Datum: 17.02.14 21:56

Hallo,

über das "warum" und "wieso" gibt es, sofern es das Personal betrifft, deswegen keine Antwort, weil das nicht der Zweck des Verfahrens und des Gutachtens gewesen sein kann.

Die Ermittlung des genauen Fehlverhaltens des Personals hätte nur einen Sinn gemacht, wenn dieses noch am Leben gewesen wäre. Weil es tot war, konnte es nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Was genau es falsch gemacht hatte, spielte keine Rolle mehr, denn dafür konnte es ja kein strafrechtliches und disziplinares "Nachspiel" mehr geben. Also waren in diesen Punkten keine Erhebungen mehr zu machen, diese waren schlicht überflüssig.

Von Bedeutung konnte nur noch sein, ob auch andere "Mist gebaut" hatten, ob technischen Schwächen zu dem Unfall geführt hatten und ob Verbesserungen in der Verhaltensweise des Personals erforderlich waren. Letztere Frage stellte sich aber nicht mehr, nachdem wegen der funktionsfähigen Wasserstände fest stand, dass beide über viel zu lange Zeit den Wasserstand nicht ausreichend kontrolliert haben konnten; das Wegsehen ist nur durch Vorsatz ausreichend zu erklären. Die unterlassene richtige Abhilfe: "Feuer raus, wenn trocken" war auch bekannt. Da es dafür hinreichende und selbst erklärende Verhaltensregeln gab, war da nichts zu verbessern. Was auf diese Kardinalfehler zusätzlich noch "oben drauf" kam, war völlig egal.

LG

Wolfgang

PS: Wie war das noch bei der christlichen Seefahrt: Die Kapitäne sind mit den Schiffen untergegangen, es konnte deswegen kein Seegerichtsverfahren mehr geben, sie waren darum ehrenhaft verschieden - und deren Familie konnte ihre Hinterbliebenenpension behalten, weil der Reeder vorher niemanden unehrenhaft entlassen konnte.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: S&B

Datum: 17.02.14 22:37

>>Schmelzpropfen hatten NIEMALS die Funktion, das Feuer zu löschen, sie waren Warninstrumente, die dem Personal noch ein paar Sekunden Luft verschaffen sollten, dass Feuer in den Aschkasten zu befördern. <<

Hättest Du die Nerven, bei blasenden Schmelzpfopfen noch das Rost runterzukurbeln und dann die Feuertüre zu öffnen, um das Feuer rauszuharken? Ich nicht. Ich würde abspringen und laufen, so schnell ich kann...
Grüße
Ulrich

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: Nordexpress

Datum: 17.02.14 23:07

Oh,

irgendwann würdest Du auch wieder eingefangen und nach Zählung der Toten und Verletzten....

LG

Wolfgang

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: McSauerkraut

Datum: 18.02.14 10:33

Moin Ulrich,

ob ich die Nerven häte? Keine Ahnung - wäre ich Dampflokführer, vielleicht, doch so muss ich das in Frage stellen.

S&B schrieb:
-------------------------------------------------------
> >>Schmelzpropfen hatten NIEMALS die Funktion, das
> Feuer zu löschen, sie waren Warninstrumente, die
> dem Personal noch ein paar Sekunden Luft
> verschaffen sollten, dass Feuer in den Aschkasten
> zu befördern. <<
>
> Hättest Du die Nerven, bei blasenden
> Schmelzpfopfen noch das Rost runterzukurbeln und
> dann die Feuertüre zu öffnen, um das Feuer
> rauszuharken? Ich nicht. Ich würde abspringen und
> laufen, so schnell ich kann...
> Grüße
> Ulrich

Aber ich will dir mal kurz eine Geschichte erzählen, passierte etwa 1952/53 bei der New York Central auf einer Niagara. Die hatten, wie die meisten großen US-Loks der späten Jahre, Feuerschirmtragrohre, also Wassergekühlte Tragrohre in der Feuerbüchse, die unter vollem Kesseldruck betrieben wurden.

Der Lok ist bei voller Fahrt eines dieser Rohre geplatzt, es wurde ziemlich heiß und sehr feucht auf dem Führerstand. Der Heizer hat das Feuer binnen Sekunden in den Aschkasten gekippt, der Lokführer den Regler aufgerissen und den Zug damit weiter rollen lassen. Beide erlitten nicht ganz leichte Verbrühungen, blieben aber bis zum Stillstand auf der Lok. Hätte der Meister den Regler geschlossen, es hätte noch einen Kesselzerknall geben können, so hatten die beiden sehr, sehr viel Glück, wobei man hinzufügen muss, es handelte sich um ein außerordentlich erfahrenes, älteres Personal. Die Maschine wurde nochmals für ihre letzten zwei Jahre repariert. Ähnliche Geschichten gibt es auch von der DB (z.B. Cochemer Tunnel, Rohrschaden auf der 01(?) mit schwersten Verletzungen von Heizer und Lokführer, der eine soll raus auf den Führerstandsumlauf geklettert sein und Regler und Bremsventil einhändig bedient haben - ich weiß aber nicht, ob er den Arm danach noch behalten konnte).

Du solltest das Verantwortungsbewusstsein und Mut und Tapferkeit der alten Dampflokmänner nicht unterschätzen (klingt pathetisch, passt hier aber genau)!

Schönen, unfallfreien und erfolgreichen Tag wünscht dir und allen Lesern

McS.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: dampfachim

Datum: 18.02.14 13:00

Hallo an alle,

warum in aller Welt reitet das ganze Forum egal weg auf den Schmelzpfropfen herum? Die Kette der schweren Fehlhandlungen dieses Lokpersonals beginnt viel, viel früher, noch auf der 03 121. Die Versäumnisse der Berliner Kollegen, das Personal überhaupt im Dienst zu belassen, dürfen natürlich nicht unerwähnt bleiben.
Aber die eklatanten Fehler setzen sich auf der 01 516 fort. In Berlin beim Vorbereitungsdienst an der fremden Lok kein Wasser genommen. Das Personal wusste spätestens ab Wittenberg, dass es dringendst Wasser braucht, irgendwie und schnellstens. Schon hier hätte ein erfahrener Lokführer die Weiterfahrt mit fast leerem Wasservorrat verweigert. Ob ihm vom Dienstzeig B&V das Wassernehmen gestattet wurde, oder nicht, ist hier nicht die Frage. Er hätte ohne neues Wasser nicht abfahren dürfen. Mit Streckenkenntnis und Erfahrung hätte er gewusst, wie viel Wasser (+ Sicherheitsreserve) er unbedingt bis Bitterfeld braucht. Die Tender hatten Schwimmer mit Skala, also war das gut abzulesen. Notfalls hätte er sich in Wittenberg weigern müssen, abzufahren und in letzter Konsequenz dort die Lok entfeuern müssen. Mir braucht keiner erklären, dass man nach der Weiterfahrt nicht mitbekommen hat, dass sowohl Tender-, als auch Kesselwasserstand endgültig zur Neige gehen. Die Speisepumpe hat auf jeden Fall schon weit vor Muldenstein ausgesetzt und das hat der erfahrene Heizer garantiert bemerkt. Auch die schwindende Säule im Wasserstandsglas hat er auf jeden Fall gesehen. Das Lokpersonal hatte somit alle Zeit der Welt, rechtzeitig und richtig zu reagieren, nämlich das Feuer vom Rost zu holen. Speiseversuche können wir in diesem Fall ja außer Acht lassen. Es war ja kein Wasser mehr da. Nachspeisen ist in diesem Fall ja auch strengstens verboten. Und das alles, bevor Schmelzpfropfen auslaufen und irgend eine Gefahr besteht. Die einzige Gefahr war ja wohl eine dienstliche Bestrafung, die ja schon im Fall der 03 auf die Beiden wartete. Also ist auch ohne Kenntnis der genauen Ereignisse auf dem Führerstand alles bekannt, was dort falsch gemacht wurde. Natürlich wären einzelne Details noch von Interesse. An der Schuldfrage und der Verantwortung ändert das alles nichts.

Überhaupt, das Lokpersonal...
In Eisenbahnerkreisen ist seit Jahren bekannt, dass Beide wie Hund und Katz waren. Zerstritten und unversöhnlich. Lokführer S. war für seine rasante und brutale Fahrweise bekannt und im Schnellzudienst auf der Dampflok noch relativ unerfahren. Und der Heizer war ein sehr erfahrener Mann. Er hatte nicht mehr lange bis zum Ruhestand. Man darf voraussetzen, dass er die Risiken kannte. Wer weiß, ob er nicht grundsätzlich bei dieser Fahrweise Probleme hatte, den Wasserstand im Glas auf der üblichen Höhe zu halten (ohne NW zu unterschreiten natürlich). Allein die Probleme auf der 03 121 deuten ja schon darauf hin, dass der Lokführer absolut keine Rücksicht auf den Heizer nahm, denn auf der 03 hatte er mit der Strahlpumpe noch eine funktionierende Speiseeinrichtung zur Verfügung und die hätte die Lok ganz vorschriftsmäßig und sicher auch bis ins Bw Lichtenberg gebracht, ohne dass die Lok weiter beschädigt wurde. Derartige Fälle mit defekten Speisepumpen waren und sind im Dampflokdienst ja überhaupt nichts ungewöhnliches und gefährliches. Wenn man auf diesen Umstand Rücksicht genommen hätte, gäbe es zumindest diese Vorgeschichte mit 03 121 nicht. Wenn...!!!
Also, überhaupt kein Anlass, die Beiden in irgend einer Art zu glorifizieren oder zu entschuldigen. Beide haben unglaublichen Mist gebaut und nicht nur selbst teuer dafür bezahlt, sondern auch noch Unschuldige mitgerissen. Und allein das ist die größte Tragödie im Fall Bitterfeld.

Ich wiederhole mich. Die Schmelzpfropfen, ob nun vorteilhaft, oder nicht, spielen in diesem Fall nur eine ganz unbedeutende Nebenrolle.


Viele Grüße

Dampfachim

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: BTTB

Datum: 18.02.14 13:28

Das Thema sollte geschlossen werden. Es wurde alles gesagt und der letzte Beitrag von Achim faßt die wichtigsten Fakten nochmal zusammen. Das Personal war nun mal schuld, da gibt es nichts dran zu rütteln. Durch das ewige hin- und her-diskutieren werden die Opfer am Bahnsteig auch nicht wieder lebendig.

Stefan

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: dampfachim

Datum: 18.02.14 13:33

Hallo Stefan,

warum sollte das Thema geschlossen werden. Das sehe ich nicht so. Auch wenn Schuldfrage und Schmelzpfropfen genug durchdiskutiert wurden, gibt es ja noch immer die Möglichkeit, dass noch irgend welche Zeugenaussagen auftauchen, die u.U. beschreiben, was (von außen sichtbar) überhaupt noch auf der 01 516 geschah.

Viele Grüße

Dampfachim

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: RobRobertson

Datum: 18.02.14 19:46

Hallo!

S&B schrieb:

"Hättest Du die Nerven, bei blasenden Schmelzpfopfen noch das Rost runterzukurbeln und dann die Feuertüre zu öffnen, um das Feuer rauszuharken? Ich nicht. Ich würde abspringen und laufen, so schnell ich kann..."


Das Feuer muss nicht rausgeharkt werden, es fällt von selber via geöffneten Aschkasten janz nach unten - und setzt nach einiger Zeit die Holzschwellen in Brand.
Außerdem signalisieren die schmelzenden Schmelzpropfen, dass noch eine kleine Frist bis zum grossen Knall bleibt, die eine Chance für's eigene Überleben bietet. Beim Abspringen aus 120 km/h besteht die nicht.

Beste Grüße von Rob

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: Sabine K.

Datum: 18.02.14 19:58

Hoffentlich wird das Thema nicht geschlossen…..
In den letzten Wochen habe ich so viel über dieses schreckliche Unglück erfahren, was mir ohne dieses Forum hier nie gelungen wäre.
Manches, was ich am 27. November 1977 selbst erlebt habe, konnte ich mit Hilfe der Forenteilnehmer besser verstehen- darüber hinaus habe ich nun Kenntnis über den Ablauf des Unglücks- aber auch darüber, wie eine Verkettung mehrerer Fehlhandlungen an diesem Tag zu dem Kesselzerknall geführt haben.
Sobald es passt, werde ich nach Arnstadt ins Eisenbahnmuseum fahren. Ich denke, es wird Zeit, daß ich mich meinen Ängsten stelle und werde mir die Schwesterlok der 01 516 anschauen….hoffentlich verlässt mich nicht im letzten Moment der Mut.
Nachdem ich hier so viel gelesen und erfahren habe, möchte ich für mich die technischen Begriffe in ein „Bild“ bringen- hoffentlich schaffe ich das.
Lieben Dank für die persönlichen Mails, in denen ich über viele technischen Dinge informiert worden bin. Besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn Ebel. Seine Fragen und Antworten haben mich direkt in die Vergangenheit versetzt, alles war wieder gegenwärtig. Das war für mich der erste Schritt zur Bewältigung der Eindrücke, die ich damals hatte.
Im Nachhinein bedaure ich sehr, daß ich mich damals nicht getraut habe, danach zu fragen, was wirklich passiert ist. Was mit den anderen Menschen, die mit mir auf dem Bahnsteig standen, geschehen ist- wie sie es für sich verarbeiten konnten.
Ich habe das damals komplett ausgeblendet, was wohl auch dem Umstand geschuldet war, daß es von offizieller Seite nie eine Nachfrage gab.
Grüße von Sabine

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: S&B

Datum: 18.02.14 19:59

Schön, daß sich hier so viele Helden tummeln. :-)
Ich gehöre nicht dazu.
Grüße
Ulrich

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: dampfachim

Datum: 18.02.14 20:13

Hallo Rob,

da sieht man einmal wieder, mit wie wenig Sachverstand hier gepostet wird. Hauptsache, man diskutiert mit. Deine Äußerungen gehen weit an den Tatsachen vorbei.

Folgende Dinge sollte man dazu wissen.

1. Die 01.5 Kohle hatte einen Kipprost.
2. Das Feuer wäre in den Aschkasten gefallen und nicht auf die Schwellen. Ob die 01.5-Aschkästen vom Führerstand, oder über außen angebrachte Schwenkhebel, wie bei den 39E-Kesseln, geöffnet wurden, kann ich aus der Entfernung jetzt nicht sagen, tut aber im Moment auch nichts zur Sache.
3. Der Kipprost, der über eine Kurbel vom Führerstand aus bedient wurde, umfasst nur einen Bruchteil der Rostfläche. Will man das Feuer vom Rost entfernen, muss man es mit den Schürgeräten in dieses "Loch" in der Rostfläche kratzen, denn es fällt nicht alleine vom Rost. Ist natürlich bei blasenden Schmelzpfropfen ziemlich "heiß", aber das ist nicht relevant. Die Fehlerkette begann viel, viel früher.

Und ich sage es nochmals. Vergesst die Schmelzpfropfen endlich.


Viele Grüße

Dampfachim

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: Jürgen-Ulrich Ebel

Datum: 20.02.14 17:57

Moin,

ich finde es frustrierend, wenn hier von Leuten mit Sachverstand legitimerweise kontroverse Meinungen und Thesen ausgetauscht werden, und dann kommt nach zig Beiträgen wieder einer an und serviert altes, unverstandenes Zeug, was schon drei- oder viermal durchdiskutiert worden ist. Die versinterten, verkalkten... Schmelzpfropfen - ich kann´s nicht mehr lesen! Nehmt´s doch endlich mal zur Kenntnis: Die Lokomotive war technisch in gutem, manche, die in diesen Tagen auf ihr fuhren, sagen, sie war in sehr gutem Zustand. Sie kochte sehr gut Dampf, und die nach dem Unglück aufgenommenen Fotos zeigen eine wasserseitig sehr saubere Feuerbüchse. Lediglich an einigen Stehbolzen und Querankern ist Weiß zu erkennen. Was die Verdampfungsfähigkeit nicht verschlechtert.
Der arme Heizer war mit Recht sauer auf diesen Lokführer. Wie sollte er auf 03 2121 Dämpfe mit dem Injektor zaubern, wenn die Mivo-Pumpe ausgefallen war, und dieser Lokführer dennoch mit langem Arm fuhr?

Sechs oder sieben Minuten Verspätung in Lichtenberg, in Jüterbog schon plan, in Wittenberg plan, und in Muldenstein ungefähr sechs Minuten vor der Zeit - der Mann fuhr trotz des knappen Wassers (den Anzeiger sah er doch bstimmt alle paar Minuten an), als wenn er noch tonnenweise Wasser in Reserve hätte. Es liegt nahe, daß in Wittenberg der Heizer gemeint hat: Wird schon noch reichen - was es auch getan hätte, wenn der Lokführer nicht von Wittenberg bis Muldenstein alles rausgeholt hätte, was die Lok konnte - doch warum? Wollte er eine Zeitreserve fürs Wassernehmen schaffen? Dafür aber die Lok trockenfahren und alles riskieren? Ich will nicht ausschließen, daß der Heizer, als dann bei Muldenstein die Pfropfen schmolzen und in jeder Minute 90 Kubikmeter Dampf ausströmten, endgültig in Wut geriet und den @#$%& rechts, der beide in Lebensgefahr gebracht hatte, körperlich attackierte! Warum der Heizer das Feuer nicht rauswarf: In der Tat waren die Schwenkhebel dafür so wie beim 03 und 41 Reko-Kessel außen. Wer kann noch beweisen oder widerlegen, ob der Heizer nicht doch versucht hat, im dichten Dampf das Feuer nach Öffnen der Feuertür wenigstens in den Aschkasten zu scharren? Niemand hat nach dem Unglück nach den Schürgeräten im Tender geschaut. Niemand hat in den Dom geschaut, ob der Regler offen war. Vom Rost war nach der Explosion fast nichts mehr an seinem Platz.

Nicht vergessen sei, daß bei blasenden Schmelzpropfen und offenstehender Feuertür nicht nur viel heißer Dampf, sondern auch große Mengen von giftigem CO-Gas und SO2 ins Führerhaus dringen. Auch bei geschlossener Tür passiert beides, wenn auch in geringerer Menge.
Ein Zeuge im Zug berichtet von starken Dampfschwaden ab Muldenstein; dieselbe Beobachtung machten Zeugen, die den Zug in Bitterfeld nahen sahen. Solche Dampfmengen mit vergeblichen Speiseversuchen mittels der Strahlpumpe zu erklären, wie es der Versuchsbericht tat, geht in die Irre, denn der alte Heizer wußte genau, daß er nichts mehr zum Speisen hatte, und eine Strahlpumpe erzeugt keine derartige Freisetzung von Dampf. Was macht man in einer solchen Situation - kein oder kaum Atmen im heißen Dampf und Gas möglich, der Zug ab Muldenstein im leichten Gefälle, der einzige Platz, an dem im Führerhaus nicht unmittelbare Lebensgefahr bestand, der hintere türnahe Bereich. Also Steuerung auf Mitte, Regler zu und dorthin. Danach gab es keine Aktion des Personals mehr, die Menschen im Zug bemerkt hätten, oder die die Zeugen in Bitterfeld sehen konnten. Rollte der Zug ungebremst, langsamer werdend? Jedenfalls tat er das, zum Schluß über etliche hundert Meter beobachtet. Das Abblasen der Sicherheitsventile als Vorbote der Explosion - dazu brauchte es keine Bremsung, denn das passierte rund 30 Sekunden, nachdem der Zug aus dem Gefälle in die Ebene gelangt war und das Kesselwasser zu schwappen begann. Ich hätte spätestens jetzt, vor dem Bahnhof, gebremst und wäre abgesprungen. Auch das hätte Leben gerettet, denn die Fahrgäste im Zug waren recht gut geschützt. Der Zug rollte fünf, sechs Minuten seinem Verderben entgegen, was Lokführer und Heizer wissen mußten. Ich denke, es spricht vieles dafür, daß es bis zum Beginn der Explosion keinerlei - weder falsche, noch richtige - Handlung des Personals mehr gab, weil dieses durch Dampf- und Gaseinwirkung bewußtlos war. Man vergesse nicht, daß die DB die Schmelzpropfen aus genau dem Grund abgeschafft hat, weil ausströmender Dampf und Gas das Personal stark gefährdeten. Abgesehen davon, daß die Pfropfen unzuverlässig waren.

Natürlich ist das eine Hypothese, und daß wir es nie wirklich wissen werden, brauche ich nicht in einem Folgekommentar zu lesen. Mir gab es in den Berichten einfach zu viele Widersprüche, die schon damit begannen, wann das Unglück überhaupt geschah - man liest sowohl von einer Ankunft von zwei wie auch vier Minuten vor Plan. Auch fanden sich Angaben, der Kessel sei unmittelbar nach dem Anhalten des Zuges explodiert. Natürlich falsch, doch unerklärlich bleibt es, daß der Zug das entgleiste Fahrgestell nach Wegfliegen des Kessels noch 45 Meter weiterschob, obwohl die Zerstörung der Bremsarmatur im Führerstand eine sofortige Bremsung hätte auslösen müssen. Die Zusammenfügung der Details aus den Berichten, die Beweisfotos, die Zeugen im Zug und auf dem Bahnsteig, sie haben die Informationen über das Geschehen so verdichtet, daß viele Fragen beantwortet sind, die damals nicht gestellt wurden. Auch damals wäre eine gerichtsmedizinische Untersuchung, ob das Personal noch handlungsfähig war und das Unglück hätte verhindern können, durchaus zielgerichtet gewesen. Hatten die Männer CO aufgenommen? Und die Frage nach dem Sinn der Schmelzpfropfen hätte sich daran anschließen müssen.

Richtig schrieb ein Vordiskutant: Personal tot, Fall geklärt, keine weiteren Ermittlungen nötig. Ich neige mittlerweile dazu, die Rolle des Heizers an diesem Tag als tragisch zu bezeichnen. Was ich über den Lokführer denke, steht weiter oben. Sicher sinnvoll ist es, bei der Ausbildung von Lokführern und Heizern in noch größerem Umfange Maßnahmen zu üben, wie man im Falle einer trockenen Feuerbüchsdecke und beginnender Matratzenbildung noch zu einem schadlosen Ende kommt. Es gibt ja für die verschiedenen Schadensstufen jeweils unterschiedliche Abhilfemaßnahmen, deren Verwechslung auch Schlimmes nach sich ziehen können. In verschiedenen Beiträgen klangen Themen dazu an. Schmelzpropfen der Einfachbauart - sie sind doch wohl eher abzulehnen, da sie ein trügerisches Sicherheitsgefühl vermitteln. Sage niemand, im Museums- oder dem heutigen Planbetrieb wäre eine solche Verkettung von Falschhandlungen nicht denkbar. Gerade solche Annahmen schaffen die trügerische "Sicherheit", aus der Schlimmes entstehen kann.

Jürgen-Ulrich Ebel

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: gunter.wolfen

Datum: 21.09.14 11:23

Zum Glück habe ich endlich ein Forum über das Unglück in Bitterfeld gefunden. Ich stand auf dem Bahnsteig 3/4.
Der D-Zug fuhr pünktlich um 16.08 Uhr ein. Da ich grundsätzlich in D-Zügen hinten einsteige, lief ich dem Zug entgegen.
Als die Lok auf meiner Höhe war, schaute ich zum Lokführer hoch. Er lehnte am Lokfenster und beobachtete die Einfahrt.
Was mir auffiel war ein rötlicher Schein im Führerstand. Die Geschwindigkeit des einfahrenden Zug würde ich als normal
bezeichnen. Das ich aber immer subjektiv zu betrachten. Der Zug ist auch nicht sehr langsam gefahren, sondern man sieht ihn
bei der Einfahrt sehr zeitig. Man hatte das Gefühl, daß er steht.
Als die Lok vorbei war, gab es plötzlich einen Knall.Ich rannte dem Zugende entgegen und brachte mich hinter dem Bahnhofsmissionsgebäude
in Sicherheit. Der ganze Bahnsteig war in Dampf eingehüllt. Wir verliesen den Unglücksort über den Bahnsteig 5/6 in Richtung Tunnel.
Auf Gleis 5 Lag einer vom Lokpersonal tot auf dem Gleis. Der Anblick war schrecklich.
Am nächsten Tag schilderte ich bei der Tpansportpolizei mein Erlebnis. Ich wurde auch ein zweites Mal zum Unglück vernommen.
Jetzt zur Frage von Sabine K.!
Ich benötigte ca ein Jahr zur Bewältigng der Katastrophe. Immer wenn eine Dampflok zu sehen war, verschwand ich.
Man kann das Unglück verdrängen, vergessen wird man es nie.
Heute würde ich sogar mit einer Dampflok mitfahren.
Vor mehreren Monaten war in der Zeitschrift" Der Modelleisenbahner" auf einem Bild die 1516 zehn Wochen vor der Explosion
abgebildet. Das Bild hängt jetzt über meinem Schreibtisch.
Ich hoffe, daß ich mit meiner Schilderung vielleicht einige Fragen beantwortet habe.

MfG

Gunter

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: itter

Datum: 21.09.14 12:46

Ich finde es schön, das es doch immer noch Augenzeugen gibt, die sich hier zu dem Thema äußern
und durch dieses Forum das Erlebte für sich aufarbeiten können und dies mit anderen teilen.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: Sabine K.

Datum: 30.09.14 18:05

Spannend zu lesen, wie Gunter das Unglück erlebte....
Inzwischen habe ich mich meinen Ängsten gestellt, war in Arnstadt im Lokschuppen.
Nach anfänglicher wirklich großer Panik bin ich in Begleitung eines ehemaligen Dampflokführers auf den Führerstand der Schwesterlok der damaligen Unglücksmaschine geklettert.
Das war eine unglaubliche Erfahrung! Angst, Neugier, Aufregung....es war so spannend und interessant.
Seit diesem Zeitpunkt haben mich die Dampfloks "gepackt", besonders beeindruckt mich die Hingabe der Dampflokführer an die Pflege und Wartung der stillgelegten und noch fahrenden Loks.
Ich kann es nur empfehlen: egal, wie lange es her ist, man sollte alles aufarbeiten, was einem Angst macht.

Grüße von Sabine



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2014:09:30:18:17:51.

Re: Schmelzpropfen

geschrieben von: DuKabina?!

Datum: 07.10.14 15:50

Hallo allerseits,

bin erst heute auf diesen Beitragsbaum gestoßen. Vielen Dank an Sabine und Gunter, die als Augenzeugen schilderten, was sie damals erlebt haben.

Dank und Respekt, uns an Euren Erinnerungen an dieses Unglück teilhaben zu lassen.

Grüße
Jens

Tolle Recherche!

geschrieben von: Bahnhasser

Datum: 18.08.15 21:15

Es werden sich wohl immer wieder Leute finden die, aus welchen Gründen auch immer, nach diesem Thema suchen.
Ich bin über Wikipedia und dann, neugierig geworden, über Google hierher gekommen und habe den gesamten Thread am Stück gelesen. Hochinteressant!

Besonders hervorzuheben sind für mich 52 8186, MichaelR, Dampfachim und vor allem Jürgen Ulrich Ebel mit dem offiziellen Untersuchungsprotokoll.

Zu MichaelR, was geht einem durch den Kopf wenn man die Unglücksraben kurz vor der Rückfahrt noch trifft und der Lokführer, eben noch eine 03 ausgeglüht, scherzt von wg. er soll die Lok nicht kaputt fotografieren und kurze Zeit später sind sie tot. Du hast ja dann auch wahrscheinlich die letzten Aufnahmen der 01 und ihrem Personal gemacht..

Ich bin selbst Tf und es bewegt einen immer wenn man so etwas liest, man fragt sich wie man selbst gehandelt hätte?

Habe mal meinen Opa angerufen (heute 90) seinerzeit Lokführer, später Brigadelokführer in Halle P und ihn gefragt ob damals der Vorfall die Runde gemacht hat und was Er und die Kollegen dazu meinten?
Er sagte nur, dass es Thema im Dienstunterricht war, aber zumindest in seinem Umfeld unter den Kollegen gar nicht so sehr diskutiert wurde.

Das ein Wasserhalt in Wittenberg untersagt wurde hält er für unmöglich wenn der Lokführer das gemeldet hat. Für ihn unvorstellbar, dass ein Lokführer dann von seiner Meinung wieder abweicht und sagt, dass reicht doch noch bis Bitterfeld und fährt weiter. Nur der Lokführer konnte das entscheiden und keine Dienststelle etwas anweisen wenn er für seine Meinung einstand.

Habe ihn auch mal gefragt welche Stellung der Heizer damals hatte, ob der gar kein Mitspracherecht hatte bei der Fahrt? Seiner Meinung nach hatte der Heizer das sehr wohl und es war sogar seine Pflicht den Lokführer auf gefährliche Situationen, oder Betriebsstoffsituationen hinzuweisen die dieser dann auch nicht einfach ignorieren konnte.
Hätte ihn mal fragen sollen, ob der Lokführer dann immer die letzte Entscheidung fällte auch gegen den Heizer. Konnte der Lokführer das auch wenn es eine Betriebsgefahr zur Folge hatte?

Auf die Frage was seiner Meinung nach die beiden auf der Lok zu der Weiterfahrt veranlasst haben könnte? bekam ich nur ein knappes Weiß ich nicht, ich war nicht auf der Lok, spekuliere ich auch nicht, damit war das Thema durch :)

Hatte ich mir wirklich mehr erhofft von ihm weil ich wirklich dachte es wäre damals in aller Munde gewesen. Heut zu Tage wird ja auch jedes bekannte Ereignis unter den Kollegen heiß diskutiert. Na gut, die Nachrichtenlage ist ja auch eine völlig andere..

Grüße



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2015:08:18:21:18:04.