Hallo zusammen,
die Überschrift könnte auch lauten:
Auf den Spuren der Bayerischen Ostbahn, denn ein Relikt der selbigen wird im folgenden virtuell mit dem Schienenbus befahren werden und zwar im September 1989, fast 130 Jahre nach deren Bau und Eröffnung. (Achtung: überwiegend Bahnsteigbilder und Bilder aus der Schienenbusperspektive).
Die Nebenbahn Neufahrn (Niederbay) – Radldorf ist eine eher unauffällige und nicht besonders spektakuläre Nebenbahn. Wenn man sich eine Bundesbahnstreckenkarte anschaut, fällt nicht viel mehr auf, als daß sie auf 26 Kilometer Länge sieben Zwischenstationen hat und hinter Perkham die Grenze zwischen der BD München und der BD Nürnberg verläuft. Ihre Geschichte ist jedoch vielseitiger als man annehmen mag und ihr Ursprung liegt bei der Bayerischen Ostbahn AG.
Die Königlich privilegierte Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen wurde 1856 gegründet, weil man im niederbayerischen und oberpfälzer Raum befürchtete, ohne Bahnverbindungen wirtschaftlich ins Hintertreffen zu geraten. In den Jahren zuvor waren vom Staat wichtige Eisenbahnlinien erbaut worden, die das Königreich Bayern von Süd nach Nord und von West nach Ost durchquerten, jedoch nur die großen Zentren anbanden. Aus finanziellen Gründen und aufgrund fehlender Erfahrungswerte bezüglich der längerfristigen Rentabilität der Eisenbahn schien dies dem Staat erstmal genug des Streckenbaus zu sein. Dank eines 1856 erlassenen Gesetzes war es jedoch möglich private Eisenbahngesellschaften zu gründen, die mit Hilfe von staatlichen Zuschüssen finanziert werden konnten.
Am 19. März war das Gesetz durch, am 12. April wurde die Ostbahn gegründet und am 3. November 1858 konnte schon der Streckenabschnitt München – Landshut eröffnet werden. In München hatte die Ostbahn ihren eigenen Bahnhof nördlich des Staatsbahnhofs, etwa an der Stelle des heutigen Starnberger Flügelbahnhofs. Damals zweigte die Strecke noch auf Höhe der heutigen Donnersbergerbrücke beim Werksgelände von Krauss & Co, das vor der Fusion mit Maffei dort ansässig war, nach Norden ab und führte über die heutige Landshuter Allee aus München hinaus.
Der nächste Abschnitt bis Regensburg und darüber hinaus über Schwandorf – Amberg bis nach Nürnberg wurde im Folgejahr 1859 eröffnet, immerhin stolze 212 Streckenkilometer. Um möglichst kostengünstig zu bauen wurde nördlich von Landshut nicht der (heutige) direkte Weg nach Regensburg gewählt, sondern eine topographisch günstigere Variante dem Tal der Kleinen Laber folgend durch den Gäuboden bis Geiselhöring und von dort parallel zur Donau nach Regensburg. Die dadurch entstehenden höheren Kosten der Betriebsführung wurden erst später erkannt und eingestanden.
Auf Dauer hat sich der Verlauf dieses Verkehrsweges als nicht vorteilhaft erwiesen, so daß ab 1870 eine Linienverbesserung einsetzte. 1873 wurden die Abschnitte Neufahrn – Obertraubling und Sünching – Radldorf – Straubing eröffnet. 1875/76 wurde die Ostbahn schließlich verstaatlicht.
Das größte Teilstück des ursprüngliche Verlauf nach Regensburg ist auch heute noch als eher unauffällige Nebenbahn Neufahrn – Geiselhöring (– Radldorf) in Betrieb, die ziemlich geradlinig durch den flachen niederbayerischen Gäuboden führt.
Die Eisenbahnsituation 1859/60. Hellgrau sind die später gebauten Linien. Die beiden Strecken Landshut – Geiselhöring – Regensburg und Geiselhöring – Straubing wurden zeitgleich am 12. Dezember 1859 eröffnet. Straubing – Passau war im drauffolgenden Jahr fertig gestellt. Für einige Jahre war Geiselhöring eine wichtige Verkehrsdrehscheibe, nicht nur in seiner Funktion als Trennungsbahnhof, sondern für die Relation Regensburg – Passau auch als Spitzkehre. Geiselhöring war Lokbahnhof mit mehrständigen rechteckigen Remisen und dazwischenliegender Schiebebühne. Außerdem gab es eine Wagenhalle, eine Güterhalle, eine Drehscheibe und diverse Gleisanschlüsse.
1.) Neufahrn (Niederbay) im September 1989. Der Nto 5316 (798 649 und 998 872) bietet um 10:38 Anschluß nach Straubing. Eine Minute vorher verlässt der auf Gleis 2 stehende D 467 München – Görlitz den Bahnhof.
Nach dem Umzug der Rosenheimer Schienenbusse nach Mühldorf übernahmen diese den Dienst auf der Strecke. Sie erlösten die Schienenbusse vom Bw Hof, die von hier aus einen ziemlich weiten Weg in ihr Heimat-Bw hatten.
2.) Die Ausfahrt Richtung Regensburg. Noch regeln Formsignale den Betrieb. Doch die dahinterstehenden Lichtsignale kündigen schon die baldige Inbetriebnahme des (nach Murnau) zweiten ESTW der Bundesbahn. Dabei handelte es sich um einen Prototypen von SEL (Standard Elektrik Lorenz), Inbetriebnahme Ende 1989. Rechts der zweiständige Lokschuppen, der noch von der Bahnmeisterei genutzt wurde.
3.) Das stattliche und für die kleine Ortschaft Neufahrn fast überdimensionierte Empfangsgebäude im darauffolgenden Jahr. Es stammt aus dem Jahr 1873 und wurde zeitgleich mit der neuen Verbindung nach Regensburg fertiggestellt. Ob es je in seinem vollen Umfang als Direktionsgebäude der Ostbahn genutzt wurde, ist nicht ganz klar. Zwei Jahre später kam ja schon die Verstaatlichung der Bahngesellschaft.
Es gibt auch die nicht ganz ernst gemeinte Anekdote, daß die Baupläne der Bahnhöfe von Straubing und Neufahrn verwechselt wurden, weil die etwas größere Stadt Straubing ein wesentlich kleineres Gebäude besitzt – wobei dieses schon ein paar Jahre länger existierte.
Bevor die Strecke 1926 elektrifiziert wurde, besaß der Bahnhof Neufahrn eine Bahnsteighalle.
4.) Los geht die Fahrt mit dem Roten Brummer um 11:38 auf dem Straubinger Gleis. Dabei wird an der Einfahrt die letzte mit Formsignalbrücke der BD München passiert. Ursprünglich war sie mit zwei Signalen bestückt, zuletzt nur noch mit dem der Nebenbahn. Das Signal der Hauptstrecke steht links daneben.
5.) Die Signalbrücke am frühen Abend des gleichen Tages. Der Blick geht um 18:02 aus dem N 4389 Regensburg – Landshut, der von 141 024 geschoben wird. Das Esig des Straubinger Astes zeigt ebenfalls Hp 1 und kündigt den Nto 5329 an.
Ab den 1980er Jahren war die Strecke Neufahrn – Straubing kursbuchmäßig in die KBS 930 integriert. Davor gehörte der Abschnitt zur genau 100 Kilometer langen KBS 875 (ex 424 d) Neufahrn – Straubing – Miltach – Cham, von der nur noch klägliche 10 Kilometer übrig sind: KBS 875 Straubing – Bogen.
Es gab stets nur wenige von Neufahrn bis Cham durchgehende Züge. Dafür gab es in Straubing gute Anschlüsse in beide Richtungen und nur Wartezeiten von wenigen Minuten. 1977 gab es nordwärts noch zwei, südwärts noch einen Zug, der die gesamte Strecke durchfuhr.
So verließ der 5315 um 5:09 den Bahnhof Cham und erreichte nach 30 Zwischenhalten um 8:11 Neufahrn. Einzig in Oberlindhart wurde durchgefahren, ansonsten in jeder Station gehalten.
In Neufahrn gab es um
8:31 8:15 (korr. danke an E18-Fan) Anschluß nach München, Ankunft um 9:23.
Zum Vergleich: über die Hauptstrecken-Verbindung Cham – Schwandorf – Regensburg – Landshut – München war man nur knapp eine Stunde kürzer unterwegs.
Man fuhr um 6:20 in Cham ab und kam auch um 9:23 in München an. Ähnliche Zeiten hat man auch heute noch mit RE und ALX.
Erwähnenswert ist auch noch das Eilzugpaar E 3316/17, das bis 1990 verkehrte und Straubing direkt an die Landeshauptstadt München anband. Zwischen München und Landshut wurde elektrisch gefahren,
in Landshut wurde eine Diesellok davor gespannt.
6.) Erste Station ist von Neufahrn kommend der Hp Oberlindhart bei km 3,6, der noch über ein altes Stationsschild und Bogenlampen verfügt. Im Hintergrund jenseits des unbeschrankten BÜ sieht man das Vr 1 zeigende Einfahrtvorsignal vom Bahnhof Niederlindhart.
Bis in die 50er Jahre war die Strecke wie auf vielen niederbayerischen Nebenbahnen eine Domäne der Baureihe 70 (Pt 2/3). Abgelöst wurde sie von der Baureihe 64 und schließlich übernahm der Uerdinger das Regiment. Während der Personenverkehr seit den 60er Jahren verdieselt war, kam im Güterverkehr bis in die 70er Jahre noch die Baureihe 50 zum Zug, vor allem im Herbst, wenn zur Rübenkampagne lange Güterzüge gefuhren wurden.
Bis 1985 stellte das Bw Plattling den Fuhrpark. Nach dessen Auflösung waren 798 vom Bw Hof (!) hier eingesetzt. Erst als der Rosenheimer Schienenbusbestand nach Mühldorf verlegt wurde, kamen diese Fahrzeuge hier zum Einsatz.
7.) Bahnhof Niederlindhart (km 5,3). Der Bahnhof ist besetzt und mit einem mechanischen Einheitstellwerk von 1957 ausgestattet. Dieses ersetzte das vormalige Bayerische Stellwerk. Das gleiche gilt für die Bahnhöfe Laberweinting und Geiselhöring. Diese drei Bahnhöfe hatten Einfahrtsignale, aber keine Ausfahrtsignale.
Im Jahr 1974 erprobte die DB an der Strecke Neufahrn – Straubing erstmalig die vereinfachten Lichtsignale für Nebenbahnen, die unter Beibehaltung der mechanischen Einfahrtsignale an den Ausfahrtsgleisen der Bahnhöfe aufgestellt wurden.
Der Flügel des Einfahtsignals lässt sich im Hintergrund leicht ausmachen.
8.) Es folgt der malerische Hp Mallersdorf (km 6,9).
9.) Um die Kurve herum erscheint das noch genutzte zweiseitig angeschlossene Ladegleis. Die Bahn transportierte noch Zuckerrüben ins Zuckerwerk in Plattling.
10.) Einfahrt in den Bahnhof Laberweinting. Auch hier stehen an den Einfahrten Formsignale...
11.) ... und an den Ausfahrten vereinfachte Lichtsignale. Das Bahnhofsgebäude präsentiert sich noch ziemlich ursprünglich als niederbayerische Landstation. Rechts daneben üblicherweise ein Landmaschinenhandel.
12.) Der Bahnhof Geiselhöring. Seine einstige Bedeutung lässt sich hier noch ausmachen. Es ist der größte Bahnhof der Strecke, der 1989 noch immer mit zahlreichen Gleisanschlüssen versehen war. Auf Gleis 3 wartet ein stattlicher Güterzug die Überholung durch den Schienenbus ab. Die Hochbordwagen kündigen schon die bevorstehende Rübenkampagne an.
Vom ehemals 4-teiligen Empfangsgebäude steht nur noch ein Teil. Ursprünglich hatte es einen langen Mittelbau und ein weiteres quer stehendes Gebäude.
12a.) Eine Karte zur Veranschaulichung der diversen Streckenänderungen. Seit Fertigstellung der Bahn Straubing – Passau im Jahre 1860 mußten die Züge zwischen Passau und Regensburg in Geiselhöring Kopf machen. Um dieses Hindernis aus dem Weg zu schaffen wurde am 1. Juli 1873 die Verbindung Straubing – Radldorf – Sünching geschaffen.
Dadurch ergab sich ein Gleisdreieck, zumal die Verbindung Geiselhöring – Sünching noch nicht unmittelbar darauf stillgelegt wurde, sondern bis 1896 noch als Lokalbahn im Personenverkehr betrieben wurde. Trotz Widerstands der Bevölkerung wurde am 30. September das "Sünchinger Bockerl" eingestellt.
Zeitgleich wurde die geänderte Anbindung der Geiselhöring-Straubinger Strecke in Radldorf eröffnet. Diese hatte allen Anschein nach nur einen betriebsfinanziellen Hintergrund um mit einer verkürzten Linienführung die neue Hauptstrecke zu erreichen und auf gemeinsamer Trasse weiter bis Straubing.
Auf dem Satelitenbild lassen sich die alten Bahntrassen noch ohne weiteres ausmachen: [
maps.google.de]
In Geiselhöring unterbrechen wir die Schienenbusfahrt kurz und begeben uns ins Jahr 1984 zurück. Am 28.10.1984 fand anlässlich des 125-jährigen Jubiläums „125 Jahre Eisenbahn München - Landshut - Donau“ in Geiselhöring ein Bahnhofsfest mit Fahrzeugausstellung statt. Der Isartalbahner war dort. Von ihm stammen die folgenden Bilder und Texte:
13.) 10-teiliger 601 als Pendelzug Straubing - Neufahrn[Ndb]passiert den Ort Sallach Richtung Neufahrn[Ndb]. Der Platschari auf der Seite könnte „Alpen-See-Express“ heissen.
14.) ECM-Pendelzug mit 211 295 röhrt von Neufahrn[Ndb] kommend durch Sallach.
15.) Der 601 fährt in Geiselhöring Richtung Straubing aus, links die Ausstellungsloks 218 393 und 50 778.
16.) Gepflegte Bahnsteige und Blumenkästen in Geiselhöring, ausgestellt 50 778 und dahinter 211 276.
17.) Hochbetrieb im Landbahnhof
Die V 100 hat bereits umgesetzt, als Dreiteiler fährt der Nto 5320 (Neufahrn[Ndb] - Straubing) ein, voran der 798 736 und als Anhängsel 998 121 und 998 792. Im Hintergrund die Ausstellungsfahrzeuge 50 778 und 211 276.
18.) Die Schienenbusgarnitur rangiert auf das Gleis, auf dem der ECM-Zug steht, denn es steht die Kreuzung des 601er-Pendelzugs an.
19.) Der ECM-Zug im Ganzen, jüngstes und ältestes Fahrzeug direkt zusammengekuppelt. Die Wagen im einzelnen:
Bayerischer Localbahnwagen B Post L bay 01 9416, Bj 1903 | Abteilwagen Cd-21b 45 150, Bj 1924 | Abteilwagen C-21 45 410“ [ehem LBE 625], Bj 1925 | Eilzugwagen C4i-36 74 324 in Filmlackierung, Bj 1939 | Schnellzugwagen C4ü-38 19 462 [17 548“] ebenfalls in Filmlackierung, Bj 1940.
Das Münchner Kindl 211 295 (Krauss-Maffei) war grade mal 22 Jahre jung!
20.) Der 601 ist aus Straubing kommend eingefahren.
21.) Ausfahrt aus dem Nebengleis nun frei, der rote Brummer darf los Richtung Straubing. Die ausgestellten Wagen im Hintergrund wollten nicht auf`s Bild
22.) Das Ganze von hinten, rechts die ausgestellte 211 276. Der ECM-Zug ist fertig zur Pendelfahrt Richtung Neufahrn[Ndb], der Ferntriebwagen darf natürlich voran.
23.) Wieder vorwärts ins Jahr 1989 und weiter unterwegs nach Straubing. Bis zum Hp Perkam verläuft die Strecke nach Nordost und biegt vom weiterlaufenden alten Bahndamm dann scharf nach Nordwest ab. Dort wird die sich gemütlich dahinschlängelnde Kleine Laber überquert. Dahinter kündigt eine Bake schon das Einfahrtsignal von Radldorf an, wo die Hauptstrecke erreicht wird.
24.) Dort wo die Einfädelungskurve bei Radldorf beginnt wird diese Brücke unterfahren über die der Schafhöfener Weg führt.
25.) Das Dorf Radldorf erhielt erst mit der geänderten Linienführung und der Einfädelung der Nebenbahn im Jahr 1896 einen Bahnhof.
Hier knattert der Nto 5316 um 11:10 aus Gleis 3 und begegnet einer 150, die einen Güterzug von Passau nach Regensburg befördert. Nach Straubing ist es nun nicht mehr weit. 10 Kilometer, die der Schienenbus in 9 Minuten bewältigt haben wird.
Hier gehts weiter zu Teil 2: [
www.drehscheibe-foren.de]
April 2023, DSO-Username geändert: aus Djosh wurde doku-des-alltags – sonst ändert sich nix ;-)
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:07:16:18:22:05.