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 04 - Historisches Forum 

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Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Am Samstag spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft im WM-Viertelfinale in Kapstadt gegen Argentinien. Wir hingegen müssen uns noch etwas gedulden, bis wir diese schöne Stadt erreichen und setzen die Fahrt erst einmal Richtung Kimberley fort.

Hier die Links zu den bisherigen Teilen der Reise:
1. Einleitung / Durch das Highveld nach Klerksdorp
2. Mit den Klassen 23 und 25NC von Bethlehem über Thaba Nchu nach Bloemfontein
3. Bloemfontein, die Hauptstadt des Dampfes


Eine Landkarte mit unserer Reiseroute findet ihr hier


Die Stadt Kimberley liegt an der Magistrale Johannesburg – Kapstadt und ist das Zentrum des südafrikanischen Diamantenabbaus. The „Big Hole“ ist das Tagebaurestloch der ehemaligen Kimberley Mine, aus der bis 1914 Diamanten gefördert wurden und wird als das größte je von Menschenhand gegrabene Loch bezeichnet.

Auch für die Bahn hat Kimberley eine große Bedeutung. Der sehr auskunftsfreudige Locomotive Foreman des Depots Baconsfield erläutert die aktuelle Situation: Das Depot beheimatet neben einigen Diesel- und E-Loks die Dampflok-Klassen 12AR, 19D, 24, 25 und 25NC. Hinter Kimberley beginnt die Great Karoo, eine Halbwüste, die den Einsatz von Kondenslokomotiven der Klasse 25 erforderlich machte. Nachdem die Elektrifizierung 1961 Beaufort West erreichte und von dort nach de Aar ab 1974 Diesellokomotiven eingesetzt wurden, verloren die 25er ihr angestammtes Einsatzgebiet. Inzwischen ist die kostenintensive Wartung der Kondensloks (die mit 10.000 U/Min drehenden Turbinen müssen nach 6 Monaten ausgetauscht werden) nicht mehr zu vertreten. Der Rückbau der Kondenseinrichtung ist im SAR-Werk Salt River bei Kapstadt in vollem Gange. Monatlich verlassen drei umgebaute Maschinen (25 „Converted“) das Werk. Die noch verbliebenen 25er werden zusammen mit den 25NC im Mischplan eingesetzt. Selbst im Rangier- und Arbeitszugdienst sind die gewaltigen Maschinen anzutreffen. Der Locomotive Foreman hat eine hohe Meinung von den Kondensloks. Er zeigt uns eine Berechnung des Wasserverbrauchs, nach der die Klasse 25 mit 6.800 Gallonen Wasser 500 Meilen zurücklegen kann. Die Klasse 24 nimmt in ihrem Vanderbilt-Tender 8.800 Gallonen auf und in einem zusätzlichen Wasserwagen nochmals 10.000 Gallonen. Mit diesem Vorrat werden knapp 100 Meilen erreicht.

Es ist später Nachmittag und die in der Sonne glänzenden Lokomotiven sind perfekt ausgeleuchtet. Wir erklären dem uns begleitenden Lokomotive Foreman anhand mitgebrachter Fotos die für Lokporträts wünschenswerte „Bellingrodt-Stellung“ (Gestänge unten). Sofort teilt er zwei seiner Leute ein, um alle erreichbaren Lokomotiven in dieser Position fotogerecht aufzustellen.

Auf der 234 km langen Strecke von Kimberley nach de Aar werden von 48 täglichen Zügen 45 mit Dampf befördert. Ausnahme sind der Blue Train sowie zwei Ganzzüge zum Transport von Manganerz: Bei einem Gewicht von 7.000 Tonnen werden diese 1,2 km langen Züge von fünf Diesellokomotiven der Reihe 34 gezogen. Der längste und schwerste jemals auf dieser Strecke gefahrene Zug hatte ein Gewicht von 14.255 Tonnen, bestand aus neun Loks, 200 Waggons und war 2,5 km lang.

Die Strecke verläuft teilweise schnurgerade und ermöglicht hohe Geschwindigkeiten. Der Locomotive Forman berichtet von der Fahrt mit einer 25 und einem Caboose, in dem ein schwer verletzter Rangierer von Da Aar nach Kimberley transportiert wurde. Auf diesem wie er sagt „Devil’s Race“, wurden 80 Meilen (ca. 130 km/h) erreicht. Nach einem schweren Unglück im Jahre 1973 wurde die Streckenhöchstgeschwindigkeit auf 50 Meilen (gut 80 km/h) reduziert.

Ein unbefestigter Dienstweg begleitet die Strecke. Als wir auf dieser „Wellblechpiste“ (mit dem Auto nur befahrbar unter 60 oder über 90 km/h) einen mit der Klasse 25NC bespannten Zug verfolgen, sind wir erst bei einer Tachoanzeige von 70 Meilen (ca. 112 km/h) gleichauf. Dann brechen wir die Verfolgung ab, weil die Schränke unseres Campingbusses anfangen sich ihres Inhaltes zu entledigen. Die Lokbesatzung nimmt es mit dem Tempolimit wohl nicht so genau, bzw. es hat sie der sportliche Ehrgeiz gepackt. Jetzt ist uns klar, weswegen dieser Streckenabschnitt den Beinamen „Kyalami-Rennbahn“ trägt, benannt nach der Grand-Prix-Rennstrecke zwischen Johannesburg und Pretoria.

Die kommende Nacht verbringen wir in unserem Campingbus mitten in der Karoo unweit der Strecke. Ein Lagerfeuer, Würstchen vom Grill und Ingwer-Bier lassen die eiskalte und stockfinstere Nacht erträglich werden. Der zum Greifen nahe Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre und eine nicht endende Prozession von Dampfzügen haben sich für immer ins Gedächtnis eingeprägt.


Die heutige Route von Kimberley nach de Aar

http://img51.imageshack.us/img51/2365/0400karte.jpg



Die Aufnahmen im Depot Kimberley entstanden am 02.09.1975, die Streckenaufnahmen am 03.09.1975



http://img714.imageshack.us/img714/4020/040119750902.jpg

(1) Klasse 24 Nr. 3670 mit zusätzlichem Wasserwagen



http://img715.imageshack.us/img715/230/040219750902.jpg

(2) Blick auf den Lokschuppen des Depots Kimberley Baconsfield.



http://img714.imageshack.us/img714/5545/040319750902.jpg

(3) (4) (5) Porträts der verschiedenen 25er-Bauarten
– Non Condenser



http://img33.imageshack.us/img33/8862/040419750902.jpg

(4) - Condenser



http://img94.imageshack.us/img94/3425/040519750902.jpg

(5) - Condenser converted



http://img411.imageshack.us/img411/6083/040619750902.jpg

(6) Der umgebaute Kondenstender mit seinem ungewöhnlichen Aussehen wird von den südafrikanischen Eisenbahnern als Worshond (Afikaans für Wursthund = Dackel) bezeichnet



http://img33.imageshack.us/img33/6088/040719750902.jpg http://img96.imageshack.us/img96/1971/040819750902.jpg

(7) (8) Frontalansicht der Kondens-25



http://img404.imageshack.us/img404/9737/040919750903.jpg

(9) Eine 25 „converted“ zwischen Kimberley und Kraankuil


http://img175.imageshack.us/img175/8660/041019750903.jpg

(10) „In the middle of nowhere“ – Der kleine Ort Kraankuil, in etwa auf halber Strecke zwischen Kimberley und der Aar, ist umgeben von einer unwirtlichen Steppenlandschaft und war zu Dampfzeiten Anziehungspunkt für Eisenbahnfreunde aus aller Welt



http://img251.imageshack.us/img251/148/041119750903.jpg

(11) Welche Kraftverschwendung: Eine Kondens-25 vor einem kurzen Arbeitszug



http://img197.imageshack.us/img197/511/041219750903.jpg

(12) Ein erhöhter Standpunkt in Kraankuil bot meistens die Aussicht auf zwei Dampfzüge ……



http://img641.imageshack.us/img641/6527/0413119750903.jpg

(13) …. und einen Blick über die Weite der Halbwüste Great Karoo



http://img291.imageshack.us/img291/5048/0413219750903.jpg

(14) Das Signalwesen in Südafrika ist ein Relikt aus viktorianischer Zeit. Die unter britischer Krone befindliche Südafrikanische Union erhielt erst am 11. Dezember 1931 die Unabhängigkeit von Großbritannien.


http://img718.imageshack.us/img718/3296/041319750903.jpg

(15) Fünf Dieselloks der Klasse 34 sind erforderlich, diese über einen Kilometer lange Wagenschlange zu befördern.



http://img683.imageshack.us/img683/7883/041419750903.jpg

(16) Mit dem Geräusch eines Düsenjets nähert sich eine Kondenslok der Klasse 25 dem Fotostandpunkt



http://img197.imageshack.us/img197/6973/041519750903.jpg

(17) Dieser „Mitzieher“ einer 25NC entstand bei ca. 110 km/h aus dem fahrenden Auto heraus


http://img717.imageshack.us/img717/4427/041619750904.jpg

(18) Die Klasse 25 ist mit einer Gesamtlänge von 32,7 m eine imposante Erscheinung (zum Vergleich: BR 45 LüP 25,7 m)



http://img227.imageshack.us/img227/259/041819750904.jpg

(19) (20) In den beiden folgenden Fotos fahren umgebaute 25er an umfangreichen Kakteenfeldern vorbei. Den Hintergrund bilden sog. „Koppies“, kleine, pickelartige Hügel, mit denen die Karoo im südlichen Teil durchsetzt ist.



http://img139.imageshack.us/img139/9676/041719750904.jpg

(20)



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:07:06:14:26:10.
Hallo Rainer,

wiederum sehr beeindruckend!

Ich kannte Photos aus Kraankuil, ein früh verstorbener Würzburger Bekannter war mehrmals dort vor Ort.

Gruß, Thomas
Auf diese Folge habe ich mich besonders gefreut, und meine Erwartungen wurden glatt übertroffen, denn du lieferst gleich noch interessante Infos mit. Naja, für mich eigentlich keine neuen Infos, aber eine weitere Quelle mit neuen Beispielen. Und der Blick in die Rauchkammer ist für mich wie eine Offenbarung! Darf ich die Bilder der 25er in groß für meine Sammlung haben, bitte???

Heute Abend geht wiedermal eine Mail an die SAR-Leute raus.

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
Kondenslok.de (temporär offline) + Industrial Railways of Indonesia SIG (fc)
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.
Rechtzeitig vor dem Fussball-Klassiker bringt Rainer uns einen echten Dampf-Klassiker.
Möge das Spiel morgen auf ähnlich hohem Niveau sein...
Danke!

Für mich ist die Strecke noch mit einem netten Erlebnis verbunden: da ich damals wenig Zeit hatte, ließ ich mich von einem Taxifahrer aus Kimberley an der Strecke "aussetzen" und vereinbarte eine Abholung am Abend.
Im Laufe des Nachmittags zog ein heftiges Gewitter auf. Die flache leere Landschaft wurde von immer mehr Blitzen durchzuckt.
Die Aussicht, hier noch 3 Stunden ohne Fluchtmöglichkeit zu stehen, war nicht so prickelnd.
Und schon kommt mein Fahrer mit dem Uralt-Mercedes angezuckelt. Er hatte seine Kamera genommen, festgestellt, dass die Belichtung ohnehin nicht mehr für Streckenaufnahmen ausreichte und beschlossen, mich früher abzuholen.
Bin ihm heute noch dankbar :-)

? zur vorgesetzten Rauchkammertür

geschrieben von: 03 1008

Datum: 02.07.10 18:36

Hallo Rainer,

vielen Dank für die Fortsetzung! Obwohl ich normalerweise insbesondere an Zugaufnahmen interessiert bin und die entsprechenden Fotos auch entsprechend genossen habe, hat mich doch die Schuppenaufnahme der 25er mit geöffneter Rauchkammertür besonders fasziniert, weil man hier endlich einmal die Saugzugturbine und das über ein Kegelradvorgelege angetriebene Schaufelrad des Saugzuggebläses sehen kann. Leider kann ich nicht erkennen, wie die erst später vorgesetzte, im Umriss umgekehrt tropfenförmige Rauchkammertür luftdicht verschlossen werden konnte. Die Löcher im Rauchkammertürring stammen ja wohl noch von der ursprünglich angebrachten konventionellen "äußeren" Rauchkammertür der amerikanischen Bauart. Wenn man diese Gewindelöcher weiter benutzt hat, muss das ja eine elende Fummelei gewesen sein (was allerdings nicht viel heißen muss). War das (Blech?-)Gehäuse der tropfenförmigen Tür an der ursprünglichen äußeren Tür befestigt?

Hat jemand eine Idee?

Viele Grüße, Helmut

Re: ? zur vorgesetzten Rauchkammertür

geschrieben von: 52 2006

Datum: 03.07.10 08:13

Die Rauchkammertür zu öffnen musste wegen der vielen Schrauben in der Tat einiges an Arbeit gewesen sein. Aber das war nur alle 6 Monate für Wartungsarbeiten an der Turbine nötig, denn die 25er hatten einen "Self Cleaning Frontend", bei dem mittels diverser Umleitbleche und einem höheren Druckunterschied in der Rauchkammer und dem sogenannten Char-Ejektor (also einem Dampf betriebenen Hilfsbläser der schwer zugängliche Ecken der Rauchkammer förmich leer saugte), die gesamte Lösche mit den Rauchgasen des Kessels ausgeworfen wurden. Im Artikel über die 25 auf unserer Seite ist eine Zeichnung drin, die die Rauchkammer von der Seite im Querschnitt zeigt, dort ist die geschickte Anordnung der Umleitbleche zu erkennen. Ansatzweise ist das auch auf dem Foto zu erkennen, die Bleche sind an der Rauchkammertür befestigt, man sieht da so ein dreieckiges Blech, an dem eines dieser Bleche befestigt ist. Das Auswerfen der Lösche war übrigens einer wichtigsten der Gründe für den Austauschintervall der Saugzugturbine, die ausgeworfene Lösche schliff regelmäßig die Lüfterblätter der Turbine so ab, dass sie ihre benötigte Förderleitung verlor. Bis man Mitte der 1950er zu der Erkenntnis kam, dass diese Lüfterräder Verschelißteile waren, und wie die SAR diese relativ kostengünstig selbst herstellen konnte, auch das ist eine kleine Episode im Artikel zur 25 auf der Kondenslok-Webseite, Link dahin siehe meine Signatur :).

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
Kondenslok.de (temporär offline) + Industrial Railways of Indonesia SIG (fc)
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.




2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:07:03:08:25:47.
Moin Rainer!

Auch Dein heutiger Beitrag fasziniert mich sehr, denn Deine gekonnten Schilderungen laden zur "geistigen Mitreise" förmlich ein.

Auf Deinen aufnahmen sind wiederum einige Details erkennbar, die eben besonders in der dortigen Region ihren Sinn machen:

Die Bahnschwellen (Sleepers) sind grundsätzlich aus Beton - manchmal auch aus Stahl, und die Telegrafenmasten werden ebenfalls so nach und nach auf Beton oder Stahl umgerüstet. Oder anders ausgedrückt: Weitgehendst sind dieses und ähnliche Dinge möglichst nicht aus Holz - wegen der Termiten!

Für diese wiederum gelungene Fortsetzung dankt Dir - mit Grüßen wenige km nach Süd-Ost

Helmut



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:07:03:13:22:57.
Eine wunderschöne Fortführung Deiner Serie, Rainer, die ich mit besonderem Vergnügen verfolge: War ich doch genau zwei Jahre vor Dir dort und finde viele Erinnerungen in Deinen SAR-Beiträgen! Heute ganz besonders: Kraankuil war uns 1973 einen zweitägigen Aufenthalt wert, schließlich gab's dort ja sogar ein kleines Hotel. Und, wie auch 1975 noch, jede Menge "Turbo"-Dampf! Mit Rauhreif am frühen Morgen und Hochsommer gegen Mittag...

Ich freue mich schon auf die Folge 5 und grüße recht schön aus Aachen (gefühlt kurz vor dem Schmelzpunkt...) -
Reinhard
Moin Rainer,

mit dieser Folge zeigst Du, wie es an der Rennbahn Kimberley - De Aar ausgesehen hat, von der ich bislang nur viel gelesen, aber noch nie Aufnahmen gesehen habe. Ich bin begeistert!

Auch die Hintergrundinformationen sind höchst interessant, insgesamt wieder ein toller Beitrag!

Vielen Dank fürs Einstellen!

Gruß
Detlef

Wieder einfach fantastisch! :-) (o.w.T)

geschrieben von: Roni

Datum: 04.07.10 13:00

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)
lg, Roni - [raildata.info] - Meine DSO-Reportagen Teil 1 (2005 bis 06/2019): [www.drehscheibe-online.de] - Meine DSO-Reportagen Teil 2 (neueste): [www.drehscheibe-online.de]
https://raildata.info/raildatabanner1.jpg