Am Samstag spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft im WM-Viertelfinale in Kapstadt gegen Argentinien. Wir hingegen müssen uns noch etwas gedulden, bis wir diese schöne Stadt erreichen und setzen die Fahrt erst einmal Richtung Kimberley fort.
Hier die Links zu den bisherigen Teilen der Reise:
1. Einleitung / Durch das Highveld nach Klerksdorp
2. Mit den Klassen 23 und 25NC von Bethlehem über Thaba Nchu nach Bloemfontein
3. Bloemfontein, die Hauptstadt des Dampfes
Eine Landkarte mit unserer Reiseroute findet ihr
hier
Die Stadt Kimberley liegt an der Magistrale Johannesburg – Kapstadt und ist das Zentrum des südafrikanischen Diamantenabbaus. The „Big Hole“ ist das Tagebaurestloch der ehemaligen Kimberley Mine, aus der bis 1914 Diamanten gefördert wurden und wird als das größte je von Menschenhand gegrabene Loch bezeichnet.
Auch für die Bahn hat Kimberley eine große Bedeutung. Der sehr auskunftsfreudige Locomotive Foreman des Depots Baconsfield erläutert die aktuelle Situation: Das Depot beheimatet neben einigen Diesel- und E-Loks die Dampflok-Klassen 12AR, 19D, 24, 25 und 25NC. Hinter Kimberley beginnt die Great Karoo, eine Halbwüste, die den Einsatz von Kondenslokomotiven der Klasse 25 erforderlich machte. Nachdem die Elektrifizierung 1961 Beaufort West erreichte und von dort nach de Aar ab 1974 Diesellokomotiven eingesetzt wurden, verloren die 25er ihr angestammtes Einsatzgebiet. Inzwischen ist die kostenintensive Wartung der Kondensloks (die mit 10.000 U/Min drehenden Turbinen müssen nach 6 Monaten ausgetauscht werden) nicht mehr zu vertreten. Der Rückbau der Kondenseinrichtung ist im SAR-Werk Salt River bei Kapstadt in vollem Gange. Monatlich verlassen drei umgebaute Maschinen (25 „Converted“) das Werk. Die noch verbliebenen 25er werden zusammen mit den 25NC im Mischplan eingesetzt. Selbst im Rangier- und Arbeitszugdienst sind die gewaltigen Maschinen anzutreffen. Der Locomotive Foreman hat eine hohe Meinung von den Kondensloks. Er zeigt uns eine Berechnung des Wasserverbrauchs, nach der die Klasse 25 mit 6.800 Gallonen Wasser 500 Meilen zurücklegen kann. Die Klasse 24 nimmt in ihrem Vanderbilt-Tender 8.800 Gallonen auf und in einem zusätzlichen Wasserwagen nochmals 10.000 Gallonen. Mit diesem Vorrat werden knapp 100 Meilen erreicht.
Es ist später Nachmittag und die in der Sonne glänzenden Lokomotiven sind perfekt ausgeleuchtet. Wir erklären dem uns begleitenden Lokomotive Foreman anhand mitgebrachter Fotos die für Lokporträts wünschenswerte „Bellingrodt-Stellung“ (Gestänge unten). Sofort teilt er zwei seiner Leute ein, um alle erreichbaren Lokomotiven in dieser Position fotogerecht aufzustellen.
Auf der 234 km langen Strecke von Kimberley nach de Aar werden von 48 täglichen Zügen 45 mit Dampf befördert. Ausnahme sind der Blue Train sowie zwei Ganzzüge zum Transport von Manganerz: Bei einem Gewicht von 7.000 Tonnen werden diese 1,2 km langen Züge von fünf Diesellokomotiven der Reihe 34 gezogen. Der längste und schwerste jemals auf dieser Strecke gefahrene Zug hatte ein Gewicht von 14.255 Tonnen, bestand aus neun Loks, 200 Waggons und war 2,5 km lang.
Die Strecke verläuft teilweise schnurgerade und ermöglicht hohe Geschwindigkeiten. Der Locomotive Forman berichtet von der Fahrt mit einer 25 und einem Caboose, in dem ein schwer verletzter Rangierer von Da Aar nach Kimberley transportiert wurde. Auf diesem wie er sagt „Devil’s Race“, wurden 80 Meilen (ca. 130 km/h) erreicht. Nach einem schweren Unglück im Jahre 1973 wurde die Streckenhöchstgeschwindigkeit auf 50 Meilen (gut 80 km/h) reduziert.
Ein unbefestigter Dienstweg begleitet die Strecke. Als wir auf dieser „Wellblechpiste“ (mit dem Auto nur befahrbar unter 60 oder über 90 km/h) einen mit der Klasse 25NC bespannten Zug verfolgen, sind wir erst bei einer Tachoanzeige von 70 Meilen (ca. 112 km/h) gleichauf. Dann brechen wir die Verfolgung ab, weil die Schränke unseres Campingbusses anfangen sich ihres Inhaltes zu entledigen. Die Lokbesatzung nimmt es mit dem Tempolimit wohl nicht so genau, bzw. es hat sie der sportliche Ehrgeiz gepackt. Jetzt ist uns klar, weswegen dieser Streckenabschnitt den Beinamen „Kyalami-Rennbahn“ trägt, benannt nach der Grand-Prix-Rennstrecke zwischen Johannesburg und Pretoria.
Die kommende Nacht verbringen wir in unserem Campingbus mitten in der Karoo unweit der Strecke. Ein Lagerfeuer, Würstchen vom Grill und Ingwer-Bier lassen die eiskalte und stockfinstere Nacht erträglich werden. Der zum Greifen nahe Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre und eine nicht endende Prozession von Dampfzügen haben sich für immer ins Gedächtnis eingeprägt.
Die heutige Route von Kimberley nach de Aar
Die Aufnahmen im Depot Kimberley entstanden am 02.09.1975, die Streckenaufnahmen am 03.09.1975
(1) Klasse 24 Nr. 3670 mit zusätzlichem Wasserwagen
(2) Blick auf den Lokschuppen des Depots Kimberley Baconsfield.
(3) (4) (5) Porträts der verschiedenen 25er-Bauarten
– Non Condenser
(4) - Condenser
(5) - Condenser converted
(6) Der umgebaute Kondenstender mit seinem ungewöhnlichen Aussehen wird von den südafrikanischen Eisenbahnern als Worshond (Afikaans für Wursthund = Dackel) bezeichnet
(7) (8) Frontalansicht der Kondens-25
(9) Eine 25 „converted“ zwischen Kimberley und Kraankuil
(10) „In the middle of nowhere“ – Der kleine Ort Kraankuil, in etwa auf halber Strecke zwischen Kimberley und der Aar, ist umgeben von einer unwirtlichen Steppenlandschaft und war zu Dampfzeiten Anziehungspunkt für Eisenbahnfreunde aus aller Welt
(11) Welche Kraftverschwendung: Eine Kondens-25 vor einem kurzen Arbeitszug
(12) Ein erhöhter Standpunkt in Kraankuil bot meistens die Aussicht auf zwei Dampfzüge ……
(13) …. und einen Blick über die Weite der Halbwüste Great Karoo
(14) Das Signalwesen in Südafrika ist ein Relikt aus viktorianischer Zeit. Die unter britischer Krone befindliche Südafrikanische Union erhielt erst am 11. Dezember 1931 die Unabhängigkeit von Großbritannien.
(15) Fünf Dieselloks der Klasse 34 sind erforderlich, diese über einen Kilometer lange Wagenschlange zu befördern.
(16) Mit dem Geräusch eines Düsenjets nähert sich eine Kondenslok der Klasse 25 dem Fotostandpunkt
(17) Dieser „Mitzieher“ einer 25NC entstand bei ca. 110 km/h aus dem fahrenden Auto heraus
(18) Die Klasse 25 ist mit einer Gesamtlänge von 32,7 m eine imposante Erscheinung (zum Vergleich: BR 45 LüP 25,7 m)
(19) (20) In den beiden folgenden Fotos fahren umgebaute 25er an umfangreichen Kakteenfeldern vorbei. Den Hintergrund bilden sog. „Koppies“, kleine, pickelartige Hügel, mit denen die Karoo im südlichen Teil durchsetzt ist.
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