Für alle, die über Ostern zuhause bleiben (oder auch die „HiFo-Süchtigen“, die’s selbst unterwegs nicht lassen können), habe ich meinen Bericht vom Juni 2005 über meine Osterreise vor 45 Jahren überarbeitet und zeige ihn Euch über Ostern als Wiederholung in drei Teilen. Teil 1 findet Ihr hier: [
www.drehscheibe-foren.de]
Am 28.03.1965 war ich mit meinen Eltern in Norddeich Mole angekommen und hatte mich wehmütig von „unserer“ Rheiner 03 091 verabschiedet, die uns von Hamm hierher gebracht hatte. Noch ein letztes Foto im Kopfbahnhof Norddeich Mole, an der berühmten langen Treppe, an der auch Meister Rotthowe und viele andere schöne Stimmungsaufnahmen gemacht haben, genau so wie unzählige Familienväter fürs Fotoalbum geknipst haben, bevor’s aufs Schiff auf die Inseln(n) ging:
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Fortan war ich auf diesem verdammten Eiland „Norderney“ gefangen. Weit und breit keine Schiene. Wann würde ich endlich wieder…?
Es war, nachbetrachtet, diesmal eigentlich überraschend unkompliziert, meine Eltern davon zu überzeugen, dass ich unbedingt einen Tag Urlaub vom Urlaub auf der Nordsee-Insel brauchte, um in Emden nach alten Loks zu gucken. Ich hatte mich auf mehr argumentative Handstände eingerichtet, zumal das gerade vorher nach hause gebrachte Schulzeugnis - die reine Katastrophe – in den Augen meiner Eltern ausschließlich auf meine Neigung zu Schienen, Rost, Ölschmiere und Dampfloks zurückzuführen war… Nun gut, mir war’s recht, so einfach mal von dieser langweiligen Insel zu kommen, auf der’s außer englischen Piratensendern (mit englischen Beat-Hits von den Beatles, Rolling Stones, Yardbirds usw.) im Radio und die Vorfreude auf die Rückreise nicht viel Interessantes zu geben schien. (Sorry an alle Norderney-Fans für den recht einseitigen Pennäler-Blick!). Schnell ein Ticket gelöst, zu DM 13,00 nach Emden West und zurück!
Am 5. April 1965 war der Tag: Ich bestieg am Anleger das Schiff ´rüber nach Norddeich, um dort im Mole-Bahnhof den Zug (Eilzug?) um 10.28 Uhr nach Emden West zu nehmen. Der stand schon bereit – sogar mit der erhofften Bespannung: P 8 mit dem hier oben wohl üblichen Kastentender! 38 2700 vom Bw Emden war’s:
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Aus meinen Notizen: Der schöne Tender hatte noch ein Fabrikschild – Humboldt 1919, Fabriknr. 91489 (? nicht gut lesbar). Weiter irgendwo unterwegs (in Norden?) 50 112 Bw Emden, mit Kabinentender. In Emden (im Bf West?) notierte ich 01 197 „BD Münster“ und 44 1355 Bw Rheine. Ferner der Hinweis von irgendwem, dass im Bw Oldenburg Rbf noch Loks der BR 80 in Betrieb seien… Es gab eben noch keine zuverlässigen Informationsquellen wie später später EK, Lok-Report und Lok-Rundschau, nein, wir „Lokspäher“ in Lederhosen waren auf Erzähltes angewiesen und auf ein halbwegs vernünftiges Netz von Brieffreunden. Letzteres baute ich gerade mühsam auf – ich sollte dabei etwas später noch einen guten Erfolg haben…
In Emden angekommen machte ich mich auf den Fußweg zum Bw, wo ich in der Lokleitung überraschend freundlich empfangen wurde und sogar einen Schuppenheizer zur Begleitung bekam.
Schon gleich zu Beginn des Rundgangs stieß ich auf das Highlight: Die Emder 82er! Noch nie hatte ich diese Neubauloks gesehen. In zwei langen Reihen standen 82 035, 82 037, 78 438, 82 034, 82 001 ! (Fabrikschild: Krupp 1950, Fabr.-Nr. 2877), 82 027, 82 036, 38 1735, 38 2896 (alle Bw Emden), 44 1290 Rheine, 44 1661 Rheine und 44 1070 Rheine. Alles wurde sorgfältig mit klitzekleinem Bleistiftstummel krakelig in meiner Kladde notiert, einem Taschenkalender 1965, den mein Vater noch übrig hatte:
(Scan 1)
Hier der erste Teil meiner Notizen aus dem Bw, mit dem Hinweis auf „BR 80“ (linke Seite unten):
(Scan 2)
Die leider sehr ungepflegte (Reserve-gestellte?) 82 001:
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Besser sah 82 036 aus (links dahinter 38 2896):
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Weiter notierte ich auf dem Rundgang: 82 037 (s.o., Esslingen 1951 / 4973), 50 3039 Emden, 44 1360 Rheine, 82 024 (Henschel 1950 / 28602), 44 240 Rheine (Schwartzkopff 1939 / 11294), 50 1373 Emden – und dann, das zweite Highlight: 78 528, die letztgebaute 78! Sie wurde im September 1927 beim Bw Rheine in Dienst grestellt. Ich war überrascht, dass sie unter Dampf im Schuppen stand, denn irgendwoher hatte ich die Information, dass die Emder Lok bereits ausgemustert sei. Mein Bw-Begleiter fuhr netterweise die Lok extra für mich aus dem Schuppen an die Drehscheibe:
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Die Lok ist übrigens im Anlieferungszustand im Bw Rheine abgebildet in EK, Ebel/Knipping/Wenzel, Die Baureihe 78, Seite 34
82 037:
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82 035 fährt auf die Drehscheibe, mit sehenswertem Gerödel rechts im Hintergrund:
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Noch schnell ein Foto von der Emder 50 1363 mit ihrem für mich ganz neuen Kabinentender, die offensichtlich zum Ausrücken fertig ist:
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Auf dem weiteren Rundgang notierte ich: 50 2759, 82 028, 38 2530, 38 1855, 38 2777, 50 040, 50 046 (alle Bw Emden), 44 1391 Rheine, 82 026, 82 028 (Henschel 1950 / 28806), 82 027 (dito, F-Nr 28805), 82 034 (Esslingen 1951 / … nicht lesbar), 82 037 (Esslingen 1951 / 4973) und 50 813 (alle Bw Emden).
Aus meinen Notizen, mit dem Bestand der Emder P8 (rechts):
(Scan 3)
Zurück an der Lokleitung traf ich noch einen „Lokspäher“. Wir kamen schnell ins Gespräch – er erzählte vom Dampfbetrieb in und rund um Emden, ich brachte ihn mit meinen Erlebnissen aus Frankfurt zum Staunen. Wir tauschten die Adressen aus: Es war HORST FOEGE ! In krakeliger Schrift in meinem Notizbuch: Horst Foege, 297 Emden, Gräfin-Anna-Str. 9 – eine lange Brieffreundschaft schloß sich an! Viel später verloren wir uns dann wieder aus den Augen (da mögen die Damen in den Vordergrund gerückt sein!?), doch vor einigen Jahren trafen wir uns im DSO, noch vor Gründung des HiFo, wieder.
Hier Horsts Eintragung seiner Postanschrift in meinem speckigen Notizbuch:
(Scan 4)
Nun ging’s zu Fuß entlang der Strecke von Emden Hafen wieder zurück zum Bahnhof Emden West (wohl über den „Schwarzen Weg“. Fast alle Zufahrtsstraßen zu Bws hießen „Schwarzer Weg“… Hier war noch richtig lebhafter Verkehr. – Zunächst hier meine Notizen:
(Scan 5)
...und dazu die Fotos:
03 1081 überraschte mich offensichtlich, weshalb ich an der Klappbrücke zum Außenhafen nur diesen Nachschuß zuwege brachte:
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Immerhin gut zu sehen: die geschlossene Kohlenkastenabdeckung, anders als bei 01 1097 (in Teil 1).
82 035 machte sich ebenfalls auf den Weg (man beachte das markante Mietshaus rechts und die Straße noch ohne Autos…):
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03 1081 auf dem Weg Lz zurück in den Bf Emden West (liefen die 03.10 im Winterplan 64/65 noch planmäßig nach Emden?):
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Und am Bf Emden West nochmals 78 528, jetzt mit Leerreisezug zum Bereitstellen:
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Falls es interessiert, hier der in der Lokleitung notierte Dampflokbestand am 5.4.1965:
38 1735, 1853, 1855, 2530, 2777, 2896, 3005, 3021, 3635 (es fehlt merkwürdigerweise 2700)
50 031, 040, (046 fehlt, siehe oben), 148, 1316, 1363, 1373, 1658, 1758, 1884, 2203, 2448, 2482, 2742, 2743, 2745, 2749, 2759, 2812, 2877, 2903 (3029 fehlt hier)
78 025, 528
82 001, 011, 024 - 028, 033 – 037
- Aufstellung offensichtlich lückenhaft! Ich weiß nicht mehr, woher genau ich sie notiert habe.
Zufrieden fuhr ich wieder zurück nach Norddeich Mole und auf die Insel. Abends gab’s dort auf Vaters Transistorradio wieder die englische Hitparade, auf einem der hier gut zu empfangenen Piratensender, die auf rostigen Kuttern in steuerfreien internationalen Gewässer vor der belgischen Küste dümpelten. Auch darüber führte ich Buch, um später, wieder zurück zuhause in Frankfurt, in den allfälligen Diskussionen über die musiktechnischen Ereignisse während der Osterferien mithalten zu können:
(Scan 6)
Aus der Liste ist dem einen oder anderen sicherlich auch heute noch bekannt: "Eight Days a Week" von den Beatles, allerdings in jener Woche "nur" auf Platz 4...
Ich hoffe, es hat wieder Spaß gemacht. - Teil 3 gibt’s morgen, der vorletzte Scan 5 verrät’s schon: Rückfahrt am 19.04.1965 von Norddeich nach Frankfurt.
Schöne Grüße aus Aachen –
Reinhard Gumbert