Moin, moin, liebe Inselbahnfreunde und Wangerooge-Fans!
Wie bereits angekündigt, setze ich meine kleine W'ooge-Reihe fort - mit dem vierten und letzten Teil. Die drei vorangegangenen findet ihr hier:
1966/69: [
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1989 [
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1990 [
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Prolog:
Wie im ersten Teil schon gesagt, verbindet (bzw. verband) mich mit der Wangerooger Inselbahn eine genau 36 Jahre andauernde Freundschaft. Als ich 1963 als Zehnjähriger erstmals alleine dorthin in die Sommerfrische "abgeschoben" wurde und ein uriges Meterspurbähnchen vorfand, das mit seinen Köfs, den dunkelgrünen Um- und Altbaupersonenwagen sowie dem unglaublich vielfältigen, großteils antiken Güterwagenpark ein seltsam verniedlichtes Abbild der mir bereits vertrauten "großen" Bundesbahn abgab, wurde schlicht eine neue Stufe meiner damals schon ausgeprägten Eisenbahn-Narretei gezündet. Während meiner beiden folgenden Inselbesuche 1966 und '69 fand ich eine "gute, alte Bekannte" vor, denn am Erscheinungsbild der Bahn hatte sich kaum etwas geändert, wenn man von den EDV-Nummern der Loks mal absieht.
In den 20 Jahren danach verfolgte ich das Geschehen leider nur noch aus der Ferne, indem ich alles über das Bähnchen las, was mir in Form von Büchern und Zeitschriftenartikeln vor die Nase kam. Die Anfänge der "bunten" Phase, zunächst vom "Pop"-Farbversuch an D-Zugwagen inspiriert, dann aber schnell zur profitablen Ganzreklame mutiert, versetzten der "Fernbeziehung" einen ersten leichten Knacks. Andererseits kam mit "Heinrich" aus Juist, den in einer Nacht- und Nebelaktion von Gerd Wolff (an seinen Vorgesetzten in der BD Hannover vorbei!) nach W'ooge importierten Mudauer Wagen und schließlich dem hochinteressanten "Nachlass" vom stillgelegten Nachbarbetrieb auf Spiekeroog genug neues/altes Rollmaterial dazu, um die Sehnsucht am Köcheln zu halten ;-)
Und so war mir auch der Betrieb, wie ich ihn 1989 erlebte, seltsam vertraut. Mit Genugtuung stellte ich damals fest, dass man bei der Renovierung des Mudauer Zuges wieder tief in den Farbtopf gegriffen und eine neue Variation des Anfang der 70er unterbrochenen Pop-Farbprogramms aufgelegt hatte, kombiniert mit halbwegs dezenter Flankenreklame. "Aufgelegt" trifft's ganz gut, denn ein bisschen kam es mir wie frisches Make-up für die in die Jahre gekommene "Lady" vor. Übrigens war vorgesehen, die abgewirtschafteten Umbauwagen auch noch einmal in die HU zu schicken und mit unterschiedlich lackierten Fensterbändern aufzuhübschen. Leider blieb es bei zwei Wagen.
Als ich 1991 im Niedersachsen-Teil der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Artikel von Hans-Wolfgang Rogl fand - Überschrift "Wangerooger Inselbahn kommt zur Kur nach Perleberg" -, glaubte ich wirklich noch an eine umfassende Sanierung der vorhandenen KBi. Mit dem Eintreffen der seltsam fehlproportionierten Rekowagen aus dem Werk Wittenberge mit ihren kleinen Fensterchen war diese Illusion dann gegessen. Ich verstehe bis heute nicht, wie man sich ausgerechnet auf Wangerooge von den Übersetzfenstern trennen konnte - zumal Wittenberge etwa gleichzeitig erstmals Wagen des Schmalspur-Rekotyps mit Übersetzfenstern auslieferte, und zwar an die ZOJE. Wahrscheinlich hat man dafür die im Tausch angelieferten Alt-Wangerooger geplündert ...
Kurz: Die "babyblaue" Phase (offenbar soll die Farbe maritimes Flair rüberbringen) hat mich "meiner" Inselbahn entfremdet. Ich habe sie trotzdem weiterhin besucht. Zum 100-jährigen Jubiläum 1997 musste ich natürlich auch unbedingt hin. Weil während des vierwöchigen Einsatzes der DEV-"Franzburg" kein Urlaub drinlag, gönnten wir uns einen Tagesausflug von Hannover aus. Anreise nach Harle völlig stillos im eigenen PKW, anders wäre es nicht zu schaffen gewesen. Leider finde ich meine Dias von diesem Inselbesuch nicht mehr (alle anderen Magazine sind selbstverständlich vollzählig <in-den-Hintern beiß>). Also mache ich jetzt gleich mit den Bildern von 1999, dem dritten und letzten Franzburg-Gastspiel weiter. Anreise diesmal sauteuer per LFH (Luftverkehr Friesland Harle), weil die Tiden anders keinen Tagesaufenthalt zugelassen hätten. Vorhang auf:
Bild 1 zeigt alle sechs Stangenloks,
Bild 2 vier davon abgestellt vor dem Lokschuppen. Die Rumänen 399 105 und 106 machten bekanntlich jahrelang Probleme; die Gemeinder-Loks und Heinrich waren schadhaft oder mit Fristablauf zur Passivität verdammt:
Bild 3: Die Ablösung der alten HF130C-Derivate war schon eingetroffen. Beide Schöma-Loks, 399 107 und 108, liefen im Plandienst (eine mit einem Zugstamm, die andere mit dem Zwei-Wagen-Reservezug), waren aber noch nicht endgültig abgenommen. Deshalb trugen sie auch noch keine Nummern, sodass ich nicht weiß, welche hier mit ihrem Zug den Bahnhofsbereich verlässt.
Bild 4: Nur ihretwegen hatte ich das W'ooge-Hopping per Flieger auf mich genommen - Tante Franzburg, die während des ganzen Tages mit dem zweiten Hauptzugstamm schweren Dienst schob.
Bild 5: Schwerer Dienst ist mehr als wörtlich zu nehmen. Wir hatten uns in Erwartung der Rückleistung vom Anleger auf dem Deichschart postiert, aber der Zug kam und kam nicht. Nach ungefähr einer Stunde ließ sich im Westen eine kräftige Rauchwolke sehen, die aber nur im Schritttempo näher kam - noch viel langsamer, als von der Inselbahn gewohnt. Als der (geschobene) Zug endlich in Sichtweite kam, wurde klar, was ihn ausbremste: Der Besetzungsgrad war etwa so, wie in der Tokioter U-Bahn zur Rush Hour ;-). Es rumpelten sechs überladene Personenwagen durchs Deichtor, danach drei bis zur Lastgrenze vollgepackte vierachsige Gepäckcontainer-Flachwagen, dann die völlig überforderte kleine Maschine und dahinter zwei außerplanmäßig angehängte, uralte Zweiachs-Flats, die alles Gepäck hatten aufnehmen müssen, das auf den Vierachsern keinen Platz mehr fand.
Bild 6: Nachschuss
Bilder 7 bis 13: Am späten Nachmittag fuhren wir mit dem vorletzten Planzug zum Anleger, um die Reise zurück aufs Festland anzutreten. Ich hatte mich auf der Plattform des KBDi postiert, um über die jetzt leeren Flachwagen hinweg stets die Lok im Visier zu haben.
Bild 14: Letztes Foto von Bord. Die Franzburg drückte die inzwischen schon wieder beladenen Flachwagen an den mittlerweile auch schon wieder vollbesetzten Zug zurück. Im Hintergrund naht der zweite Zugstamm. Und dann war mein Film alle, und ich hatte keine Reserve dabei. Das ist sehr schade, denn was jetzt kam , wäre ein paar Fotos wert gewesen. So muss ich die Geschichte leider ohne Illustration erzählen.
Bild 15: Er hier, der ehemalige KD2i 63164 (hier noch mal mein Foto von 1990), jetzt als 63048 wieder dem G-Wagenpark zugeschlagen, hatte den ganzen Tag lang einsam am äußersten Ende des Anlegers gestanden, am Prellbock des südlichen Ladegleises. Daneben war ein kleines Transportboot vertäut.
Die Franzburg wurde von ihrem Zug abgekoppelt, fuhr ans Ende der Mole und nahm dort das kleine Wägelchen auf den Haken. Dann ging es zurück, und zwar mit erheblicher Rauchentwicklung und stetigem Geläut der Signalglocke - um den Zug herum, wo sie dann mit 63048 am dorfseitigen Ende ankuppelte, um den Zug wieder nach Hause zu bringen. Als die kleine Fuhre an unserem Logenplatz auf der MS Wangerooge vorbeizuckelte, wurde mir der Sinn des ständigen "Bim-Bim-Bim" klar: Trotz der Rauchfahne war durch die Fenster der Falttür im Waggon eine sorgfältig drapierte Niedersachsenflagge zu erkennen. Da wurde also ein auf dem Festland verstorbener Insulaner auf seinen Weg zur letzten Ruhestätte gebracht, und die DEV-Lokmannschaft bereitete ihm einen ebenso rührenden wie würdigen Abschied. Ich gestehe, dass ich Tränen in den Augen hatte, nicht nur wegen des beißenden Qualms.
Epilog:
Das war auch für mich ein bewegender, würdiger Abschied von "meiner" Inselbahn, die mich in ihrer heutigen, modernisierten Form nicht mehr wirklich interessiert. Ich sage das ohne Bitterkeit - die meisten von uns haben im Bereich ihrer Spezialinteressen eben ein klar definiertes Zeitfenster im Fokus, sonst würden wir uns ja auch nicht hier im HiFo tummeln.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich freue mich, dass es die W'ooger Inselbahn immer noch gibt, dass ihr Betrieb immer noch gemütlich abgewickelt wird und dass sie sogar noch Güter befördern darf - mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal. Aber die enge persönliche Beziehung musste einer schönen Erinnerung Platz machen. Immerhin: 36 Jahre sind ja schon was ;-)
Grüße aus HH,
Helmut
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:01:30:17:19:25.