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= J =
Jean Blanchy (rechts) und die 232.E.722 die er als Machine titulaire hatte seit sie nach dem Umbau das Atelier
von Tours verlassen hatte bis zum Löschen des letzten Feuers -
Photo Maurice Maillet, Vapeur - Hommes et Machines
La Bête Humaine, eine Verfilmung des Romans von Emile Zola – eigentlich nur bedingt ein ‚Eisenbahn-Film’ da es in der Geschichte im Grunde um etwas anderes geht: die Abgründe der Bestie Mensch …
Ein heikles Thema – Frauen schweigen dazu aus persönlichen verständlichen Gründen viel zu oft. Ich halte das für verkehrt und sehe darin eine unangebrachte Selbstbeschränkung die uns nicht voran bringt. Da das Thema nun einmal mit diesem Film immanent im Raum steht, möchte ich aus meiner Sicht ein paar Anmerkungen dazu machen – vielleicht hilft es ein wenig mehr gegenseitiges Verständnis zu wecken. Ehrlich gesagt, ich bewundere Frauen die sich mit diesen Themenkreisen beruflich-sachlich befassen – wie die Gerichts-Psychiaterin Heidi Kastner die den Fall Josef Fritzl untersucht hat oder meine Freundin FA, die sich mit diesen Dingen aus juristischer Sicht befassen will. Ich könnte das nicht! Ich möchte aber betonen, ich anerkenne auch diejenigen Männer, die sich in kritischen Situationen von eskalierender Gewalt selbstlos eingesetzt haben - leider in Fällen wie dem von der Münchner S-Bahn wohl überall bekannt gewordenen auch mit tragischen, schlimmsten Folgen für sich selbst! Der Fall hat mich sehr traurig gemacht.
Aber ich möchte meine Leser nicht gleich zu Beginn abschrecken, daher zum Film:
Als ich den Film 'La Bête Humaine' das erste Mal sah, war ich noch zu jung und zu unbedarft um zu verstehen um was es eigentlich ging und das war wohl gut so: ich sah es als eine Art ‚Krimi’ mit irgendeinem merkwürdigen Geheimnis: am Ende war die Frau tot, der Mann richtete sich selbst – warum? keine Ahnung, damals wollte ich es garnicht wissen. Mich hatte seinerzeit am meisten beeindruckt – einige Grundkenntnisse zu Dampflokomotiven hatte ich schon – der weiche, ruhige Lauf der Vier-Zylinder-Verbund Maschine im weiten Bogen, entlang der Bahnsteigkante und in einer anderen Einstellung bei der Fahrt auf den Tunnel zu. Die Führerstands-Ausstattung fand ich äußerst primitiv, in der Hinsicht lagen meine Vorstellungen noch weit oberhalb der Realität. Als ich viel später das erste Mal im Zug hinter einer Dampflok fuhr (die Lok-Nr ist mir soeben entfallen) war ich entsetzt über den stoßenden, rauhen Lauf; alle meinten das sei normal aber ich konnte es nicht glauben! An diesem Tage markierte ich mir im Geiste die Zwillings-Bauweise mit drei dicken roten Fragezeichen von denen zwei bis heute nicht so recht verschwinden wollen.
Jean Gabin wirkt als Mécanicien überzeugend; die Szene Wasserfassen zeigt einen erstaunlich simplen, schwergängigen, handbetätigten Mechanismus, bei dem mangelnde Reaktion am Ende der Wasser-Rinne böse Folgen haben muß. Die Fahrt-Szenen sind in der berühmt-berüchtigten you-tube Qualität nicht sonderlich gut zu beobachten - im Kino waren sie eindrucksvoller.
Doch als ich vor zwei Jahren den Film wieder gesehen hatte, lag mein Augenmerk auf etwas anderem:
Zwar bot die Szene in voller Fahrt Blick entlang dem Umlauf nach vorn wieder ein ‚Ah!’-Erlebnis – doch beeindruckender, nein: beklemmender fand ich die Handlung in der Wohnung am Bahnhof: die Stimmung ist zuerst angenehm vertraut, die Frau sucht seine Nähe, doch er fühlt sich hin und her gerissen; dann schließlich küssen sie sich, er streichelt sie zärtlich: seine schweren, rauhen Hände – wieder stimmig der Lokführer der täglich mit der großen Maschine umgeht – tasten vorsichtig sanfte Berührungen. Dann wendet er sich abrupt von ihr ab, sie ist verwirrt, weiß sie doch nichts davon welch gefährliches Ringen in seinem Kopf vorgeht. Wieder Nähe, wieder liebevolle Berührungen. Doch plötzlich schlägt sein Ausdruck um, in seinem Gesicht zuckt etwas anderes auf: kalte Brutalität! Die zärtliche Berührung am Hals wandelt sich zum schraubstock-festen Griff!
Durch Abgleich mit Berichten von Tatabläufen und von psychologischen Untersuchungen ist heute erkennbar: sehr stimmig gespielt ---- woher hatte Jean Gabin das damals? wie hatte er sich hinein versetzen können in dieses finstere Verlangen um es so gut nachzuspielen? Damit möchte ich wohlgemerkt keinerlei Unterstellung andeuten, doch der Gedanke kam mir beim Ansehen unwillkürlich.
Ob allerdings in dieser Situation einem Lokomotiv-Pfiff tatsächlich solche eine heilsame Wirkung innewohnen könnte? Ich weiß es nicht.
Unrealistisch scheint zunächst die Reaktion der Frau. Nach ersten Schrecken: kein Ärger, keine Abscheu sondern: besorgtes Mitleid – mit
ihm! Sicher wird sich mancher männliche Zuschauer gefragt haben: können Frauen wirklich so ‚bescheuert’ sein?
Ja und nein!
Die Frage geht am Kern vorbei. Es zeigt sich da ein fundamentaler Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Psyche: wo der Mann bei Gefahr zu allererst sich selbst zu sichern sucht, da denkt die Frau noch an den Partner und ist bereit ihre eigenen Bedürfnisse zurück zu stellen (gut, ja: gibt's auch anders-herum, klar). Durch die damalige konservative Gesellschafts-Norm gefördert und übersteigert wurde diese Bereitschaft zur selbstaufopfernden Hingabe als typisch weibliche Tugend (‚ist für die Familie da’), aber auch als Schwäche angesehen (‚kann nicht auf eigenen Beinen im Leben stehen’) und diente übrigens mittelbar als Begründung Frauen von vielen Berufen auszuschließen in denen Verantwortung zu tragen war (eigentlich unlogisch, denn selbst in der traditionellen Familie trugen sie doch immer Verantwortung: für die Kinder, für die Ernährung z B). Weil wir diese Mächte die da in ihm wirken nicht nachvollziehen (können), erscheint uns der Mann mit seinen inneren Problemen statt gefährlich eher hilfs- und schutzbedürftig wie ein Kind – ein fataler Irrtum!
Heute, bei den allmählich beinahe täglich wie Bleistaub auf uns niederrieselnden Meldungen grausamer Sexual-Delikte – vergewaltigt und mit Eisenstange verprügelt, mit mehrfachem Schädelbruch und vielfachen Halswirbel- Rippen- und Becken-Frakturen im Krankenhaus gestorben – mit 33 Messerstichen im Kornfeld abgeschlachtet und angezündet, Mädchen überlebt knapp – eingesperrt und stundenlang vergewaltigt – vergewaltigt und getötet – ritueller Sexual-Mord – monatelang als Sklavin eingesperrt – jahrelang als Sklavin eingesperrt – Tochter jahrelang eingesperrt und mißbraucht – mit der jahrelang eingesperrten und mißbrauchten Tochter Kinder gezeugt – .. noch mehr Kinder gezeugt – etc etc etc, sollte es kaum noch eine Frau geben bei der in einer Situation wie im Film gezeigt nicht der innere Alarm schrillen würde – und doch!
Rückblende: Klassen-Kameradinnen mit 15 .. 17; mehr als einmal hatte ich es kommen sehen und eine betreffende gewarnt – aber sie ging doch weiter mit einem Typen der sie anfangs aufmerksam umworben hatte, dann immer mehr zum Tyrannen geworden war; wie oft glaubte ein Mädchen ‚ihn’ ändern zu können wenn sie nur in ihrer Liebe fest zu ihm fest stünde! Bis sie eines Tages nach einem extremen Gewalt-Excess als Elends-Bündel zu mir kam und mich anflehte ihr aus der Beziehung zu dem gewalttätigen Typen wieder heraus zu helfen – und ich einfach helfen mußte und dadurch in den Konflikt mit hinein gezogen wurde! Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber meist waren wir Mädchen auf uns allein gestellt: helft euch selbst – sonst hilft euch niemand!
Doch das waren – sind! – keineswegs Fälle von Triebtätern, das war / ist Ausdruck einer ganz alltäglichen Brutalität gegenüber Frauen die sich in den letzten Jahren eher mehr auszubreiten scheint, eine Brutalität die für uns Frauen entfremdend wirkt, von Jungs bzw Männern im Allgemeinen jedoch mit achselzuckender Gleichgültigkeit beiseite gelegt zu werden scheint: ‚Ich mach’s nicht, also was geht’s mich an?’
Statistisch sind heute mehr als 10 % aller Frauen in Deutschland Opfer sexuell motivierter Gewalt geworden!
Über die Zeit habe ich so manchen meiner Korrespondenten in einer E-Mail mit meinen Gedanken und Fragen zu einem aktuellen Fall oder zum Grundsätzlichen ‚belästigt’ – selten kam dazu eine Antwort, oft kam überhaupt garnichts mehr; einige wenige schrieben eine kurze, seltsam teilnahmslos anmutende Bemerkung dazu, nur drei oder vier Leute schrieben konkretere Antworten aus denen ich positiv etwas entnehmen konnte.
Ich könnte noch viel zu diesem Thema schreiben weil ich durch FA und durch aktuelle Medien-Berichte immer wieder darauf gestoßen werde und es mir dann wieder im Kopf umgeht. Hier nur soviel:
was im innersten Kern ist es, weshalb manche Männer zu extremer Gewaltanwendung neigen und
was ist es was diese Männer dazu treibt Frauen zu schlagen, oft ihre
Freundin, die ihnen Vertrauen entgegen gebracht hat?
was empfinden sie dabei? denken Männer überhaupt darüber nach
warum sie es tun und was sie damit bei den Frauen
anrichten? ist es die
absolute Macht über einen anderen Menschen woran sie sich hoch ziehen? und warum müssen sie diese Macht
zerstörerisch ausüben?
Das würde ich
wirklich gerne wissen um es wenigstens rein ‚funktionell’ begreifen zu können, wenn auch nicht zu
verstehen. Aber wenigstens könnte frau dann zwischen dem einen und dem anderen besser differenzieren – nein?
Zurück zum Film.
Die spätere Kill-Szene ist mit künstlerisch-filmischen Mitteln nur angedeutet – wie das in diesen Filmen üblich war, auch in den ‚Film Noir’ die ihre Spannung nicht durch ‚draufhalten’ mit der Kamera auf nackte Brutalität (für mich ein Zeichen zunehmender Desensibilisierung und Primitivität) sondern durch facettenreiche Charaktere, raffinierte Plots erreichten.
Das ‚danach’ ----- ist es ‚gut gespielt’? Er ist niedergeschlagen, vielleicht sogar desorientiert, hat große Mühe sich auf seine Berufspflichten zu besinnen, wirkt deprimiert – vielleicht ist es fast zu philosophisch gespielt: er hat verloren (gegen seine Finstermacht) und dadurch hat auch das Leben seinen Sinn verloren ..
Häufig steht in heutigen Berichten über ähnliche Morde, der Täter ging unmittelbar danach sogar unter Menschen; ahnungslose Zeugen sagen dann später aus „er wirkte völlig ‚normal’ und unauffällig“ – was einerseits erschreckend klingt, anderseits garnicht einmal so abwegig ist: er hat seinem übermächtigen Verlangen nachgegeben, den Gewalt-Rausch ausgelebt und dürfte danach erst einmal Ruhe davor gehabt haben, dürfte also einen relativ ‚entspannten’ Moment erlebt haben? – zumindest wenn er nicht über seine Tat reflektiert hat und nach Fall-Berichten scheinen die Täter genau das zu vermeiden, oder es fehlt ihnen einfach etwas was uns erst zu sozialen Wesen werden läßt, das jedoch nach neuesten Erkenntnissen der Verhaltensforschung auch höher entwickelte Tiere kennen: Mitleid!
Häufig heißt es: „der Täter zeigt keinerlei Reue, keinerlei Mitleids-Regung ..“
Wer als Getriebener allerdings tief in sich spürt etwas ist fundamental falsch gelaufen, abgrundtief und irreversibel falsch, der muß wohl unausweichlich in größte seelische Bedrängnis geraten und so ist der Schluß des Films wieder eindrucksvoll gespielt: das tiefe Selbstzerwürfnis in dem er noch routinemäßig sein Berufshandwerk beginnt, dann seinen Seelendruck seinem langjährigem Kompagnon anvertrauen muß, der ihn kennt und der schon geahnt hatte daß etwas passiert ist – dann aber wird die Ausweglosigkeit, die Schuld ihm mehr und mehr bewußt und er faßt einen letzten wilden Entschluß: sein Leben zu beenden.
Hätte er als Lokführer dabei nicht an den Zug denken müssen?
Nach regulären Kriterien selbstverständlich und er wird am Beginn des Films durchaus als zuverlässiger, verantwortungsbewußter Mann dargestellt – doch in dieser Situation den radikalst-möglichen letzten Schritt zu tun und alles zu beenden, da sind all das keine Kriterien mehr, da hat nichts von dieser Welt noch Bedeutung. Niemand fällt es leicht sich selbst um zu bringen – es braucht all die restliche Energie, Entschlußkraft und Tatkraft und so scheint mir die leicht verrückt wirkende Szene gut vorstellbar, als er ohne Vorwarnung mit wildem Blick ruft „Ich bring mich um!“ – nur noch eines im Sinn: „Es gibt keine Lösung, keinen Ausweg mehr! mach es, du mußt es tun! tu es jetzt! denk nicht mehr nach, zieh es durch! spring!“ und sofort in den Tender steigt, den Kohlenberg hinauf und ohne zu zögern über den Rand springt.
= J =
Erfreulicher sind sicher die französischen Szenen
-> hier <-
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2010:11:09:16:55:34.