Streckenwanderung nach Münsterbusch - 100% frei von Lokfotos
Zwischen dem 19. und 26. Juli 2007 wurde die Güterzugstrecke von Stolberg Hbf nach Münsterbusch hier im HiFo erstmals beleuchtet. Zum zweiten Jahrestag dieses Threads lade ich heute zu einem virtuellen Spaziergang entlang der Strecke nach Münsterbusch ein.
Die Zeitmaschine ist auf den November 1978 eingestellt.
Zu dieser Zeit fand auf der Strecke Stolberg Hbf - Münsterbusch schon kein regelmäßiger Zugverkehr mehr statt. Die Strecke war zwar noch nicht offiziell stillgelegt. Der Bahnhof Münsterbusch wurde aber vom Wagenladungsverkehr nicht mehr erreicht, weil es in seiner Umgebung keine potentiellen Güterverkehrskunden mehr gab.
(Bild 1)
(aus den „Stolberger Nachrichten“ vom 18. Februar 1977)
Dieses Vorstadium zu Stillegung und Rückbau der Strecke gab mir den Impuls, die Strecke „irgendwann“ noch einmal fotografisch festzuhalten. Aber die mir vertraute Münsterbuscher Strecke lag ja unmittelbar vor meiner Haustüre - kein Grund, dazu besondere Eile an den Tag zu legen.
Irgendwann - das wurde dann der 5. und der 8. November 1978, weil es an diesen Tagen ein klares sonniges Fotolicht gab, weil ich am Monatsanfang vom frischen Taschengeld ein paar Schwarzweißfilme gekauft hatte und weil ich an diesen Tagen nichts Besseres vorhatte. Im Bewusstsein, dass die Strecke in absehbarer Zeit wohl verschwinden würde, und mit meinen Erinnerungen aus bewusst wahrgenommenen Stolberger Dampfloktagen zwischen 1973 und 1975 im Hinterkopf, versuchte ich, die für mich markanten Punkte bildlich zu konservieren.
Die ersten 500m vom ehemaligen Streckenbeginn an der Abzweigung am „Schnorrenfeld“ bis zum Bahnübergang Spinnereistraße muss ich in diesem Beitrag vorenthalten, weil mein Fotospaziergang seinerzeit erst an diesem Bahnübergang begann.
Am Bahnübergang Spinnereistraße hieß es wegen des angewachsenen Autoverkehrs ab Ende der 60er Jahre „Halt für Zugfahrten“.
(Bild 2)
Hier musste der Zug anhalten und durfte den Bahnübergang erst nach Postensicherung überqueren. Das Anfahren in der Steigung bereitete den bergauf fahrenden Güterzügen häufig Probleme. Für mich war das ein Ort mit hohem Erlebniswert. Hier konnte man dicht neben der 50er stehend hautnah erleben, wie sich die Loks kraftvoll stampfend wieder in Bewegung setzten und mitunter die Erde erzittern ließen.
(Bild 3)
Manchem Lokführer passierte es hier, dass ihm „die Pferde durchgingen“ und der junge Zuschauer wurde von den schleudernden Rädern und dem wirbelnden Gestänge anfangs regelrecht erschrocken. Später wurde solcherlei heimlich ersehnt oder mit klammheimlicher Freude genossen. Und häufig erlaubten sich die Lokführer, beim Anfahren noch einen Mark-erschütternden Achtungspfiff loszulassen, der hier - dicht zwischen den umliegenden Häusern, doppelt gut wirkte. Die Anwohner trugen das alles wohl mit Gleichmut, sie kannten es ja nicht anders…..
(Bild 4)
Zwischen den Bahnübergängen Spinnereistraße und Buschstraße befand sich bis Juni 1975 der Gleisanschluss der Firma „Aktienspinnerei Aachen“, im Volksmund kurz „ASA“ genannt. 1978 war er kaum noch zu erkennen.
(Bild 5)
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Privatwegübergang - ein Wort, das ich besonders mit der Münsterbuscher Strecke verbinde.
(Bild 8)
(Bild 9)
(Bild 10)
Zwischen den Bahnübergängen Spinnereistraße und Buschstraße gab es eine ganze Reihe davon.
(Bild 11)
In den 60er Jahren wurde das Lokpersonal hier mit einer doppelten Läutetafel angewiesen, auf diesem Streckenstück „durchzuläuten“. In meinen Kindheitserinnerungen gibt es noch das Bild von der Dampflok, die am Bahnübergang Spinnereistraße die Glocke anstellt und dann unter anhaltendem Bimmeln und Stampfen in Richtung Münsterbusch davon fährt.
(Bild 12)
In den frühen 70er Jahren stellte man hier die abgebildeten Pfeiftafeln auf und sorgte dafür, dass der Münsterbuscher Zug fortan wegen seines Pfeifkonzertes in Stolberg weithin zu hören war.
(Bild 13)
1975 war ich so geübt, die Loks 050 788, 051 565 und 052 692 an ihrem Pfeifen zu erkennen, weil deren Tonlage sich etwas von der anderer Stolberger Loks unterschied. Außerdem konnte man auch gewisse Eigenheiten der Lokführer ausmachen - mancher liebte kurze Pfiffe, andere bevorzugten langanhaltende Pfiffe und wieder andere versuchten sich an auf- und abschwellenden „Melodien“.
Bis in Sichtweite des Bahnübergang Buschstraße bin ich schon als „Dreikäsehoch“ gekommen, als ich mich einmal unbemerkt von zu Hause absetzte und mit dem Dreirad zu einem dort gelegenen Garten gefahren bin, wo man vom Bürgersteig aus den hier gehaltenen Hühnern zuschauen konnte. Als dann in einiger Entfernung der Zug nach Münsterbusch vorbeistampfte, waren die Hühner allerdings Nebensache….
Oft erlebt, aber eigenartigerweise nie fotografiert - das Bild des hier auf einer langen Geraden bergauf schnaufenden Dampfzuges.
(Bild 14)
Zwischen dem Bahnübergang Buschstraße und dem unteren Bahnübergang Heinrichstraße war die Bahntrasse eine beliebte Abkürzung. Dort entstanden diese beiden Fotos.
(Bild 15 )
(Bild 16)
So idyllisch konnte eine Güterzugstrecke neben schwermetallhaltigen Schlackenhalden fotografiert werden.
(Bild 17)
Die widerstandsfähigen Birken entwickelten auch im Schatten der Zinkhütte kräftige Gestalt. Am Bahndamm wuchs ein relativ hartes Gras, auf dem man mit einem Stück Pappe unter dem Hosenboden prima die Böschung hinunter rutschen konnte. Und zur Dampflokzeit wuchsen hier noch reichlich „Galmeiveilchen“, eine nur auf schwermetallhaltigen Böden vorkommende seltene Veilchenart, die man einstmals unbekümmert abpflückte und nach Hause trug, um der Mutter ein kleine Freude zu bereiten.
Im Rücken des Fotografen sah es indes so aus:
(Bild 18)
Die letzte Kurve vor der Spitzkehre
(Bild 19)
Die Spitzkehre! - d a s besondere Merkmal der Münsterbuscher Strecke.
(Bild 20)
(Bild 21)
An den Stellhebeln der Doppelkreuzungsweiche hatte mancher ansonsten brave Eisenbahner bisweilen derbe Flüche von sich gegeben, weil die Weichenzungen sich nur sehr mühsam bewegen ließen. Aber dennoch hat es nach meinen Beobachtungen niemand geschafft, die Weichenstellhebel beim Umlegen aus ihrer Verankerung heraus zu reißen.
(Bild 22)
Idyllisch und lauschig mutet auch der von Bäumen umgebene Westteil der Spitzkehre an.
(Bild 23)
(Bild 24)
Im Nachhinein wundere ich mich, warum ich hier nicht viel öfter Züge fotografiert habe. Aber als Jungspund wusste ich die Einzigartigkeit dieser Anlage noch nicht einzuordnen. Außerdem war die anschließende Bergfahrt zum Bahnhof Münsterbusch mit geschobenem Zug und das anschließende Rangieren im Bahnhof für den jugendlichen Fotografen irgendwie spannender.
Unmittelbar vor dem Güterbahnhof Münsterbusch kreuzte die Heinrichstraße nochmals die Bahnanlagen.
(Bild 25)
Links führt das Gleis zur Spitzkehre hinab. Hinter der im Hintergrund sichtbaren Leitplanke verläuft das von der Spitzkehre zum Stolberger Hauptbahnhof führende Gleis. Etwa bei dem Lampenmast kreuzt das Anschlussgleis zur ehemaligen Gaserzeugung der Zinkhütte ebenfalls die Heinrichstraße.
Die Gleisanlagen des Güterbahnhofs Münsterbusch waren überschaubar. Auf der Ostseite gingen die Gleisanlagen der Bundesbahn in Anschlussgleise der „Heinrichshütte“ genannten Zinkhütte über.
(Bild 26)
(Bild 27)
(Bild 28)
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Weniger überschaubar waren dagegen die Gleisanlagen auf der nördlich angrenzenden Haldenfläche, wo sich einstmals u.a. die Gaserzeugungsanstalt der Zinkhütte befand. Bis Mitte 1977 befand sich hier ein Schrottplatz, der diese Gleisanlagen teilweise als Ladegleise benutzte, teilweise aber auch unter Schrott begraben hatte. 1978 präsentierte sich dieses Areal in wüstenähnlichem Ambiente.
(Bild 30)
(Bild 31)
Hier hatte man vom Haldenrand über das Anschlussgleis hinweg einen Ausblick auf die tiefer liegende Bundesbahnstrecke entlang der Heinrichstraße (vgl. Bild 17 bis 19).
(Bild 32)
(Bild 33)
Schon 1978 war eine Haldenverwertungsfirma damit beschäftigt, die Schlackenhalde teilweise abzutragen und die Böschungen abzuflachen. Große Teile der Halde wurden mit diesem Bagger abgetragen, den ich in seinem schaurig-schönen Haldenambiente ablichtete, weil er seinerzeit schon nostalgisch war.
(Bild 34)
Und so sah die Bahnhofsausfahrt von Münsterbusch in Richtung Spitzkehre aus.
(Bild 35)
Mein Heimweg führte mich damals auch noch an diesem Oldtimer vorbei, der als Füllbild vor der Schlackenhalde verewigt worden ist. Er kommt hier als off-topic auch noch einmal zum Vorschein...
(Bild 36)
Heute ist die 1978 noch sichtbare schroffe Haldenlandschaft verschwunden und der verbliebene Haldenkörper übererdet und begrünt.
Aber während sich die scheinbar sanierte Halde mit ihren Umweltproblemen wieder zurückmeldet und tiefe Spalten in ihrer Überdeckung zeigt, und während viele Gebäude der stillgelegten Zinkhütte immer noch vorhanden sind, ist die Güterzugstrecke nach Münsterbusch selbst vielen Einheimischen kaum noch bekannt.
Dennoch - bei mir ist die Erinnerung geblieben. Bis heute……