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Erinnerungs-Splitter aus DDR-Reise-Erlebnissen (Teil 1)

geschrieben von: Rolf_311

Datum: 14.07.09 07:42

Erinnerungs-Splitter aus DDR-Reise-Erlebnissen
Teil 1: Das "Nachtleben" von Saalfeld


http://img3.imagebanana.com/img/eajmhsbw/img1698380.jpg

Reko-01 im Bahnhof Saalfeld, die erste ihrer Art.
Warnung!
Hier kommen nur wenige Bilder, aber viel mehr Text, als im HiFo üblich!
Also: Weg-klicken...





Die Reaktionen (oft als PM) auf die Artikel-Serie "Leipzig-Gera-Saalfeld" legen die Vermutung nahe, dass es doch überraschend viele Leser in diesem Forum geben wird, die diese Zeiten nicht bewusst erlebt haben. Für alle, die damals nicht reisen konnten / wollten oder noch zu jung waren, will daher etwas von den Rand-Erlebnissen aus der Epoche erzählen.

Als "bekannt" darf ich hier sicher voraussetzen, dass Saalfeld gegen Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre als "Mekka" der Eisenbahn- (speziell der Dampflok-) Freunde gegolten hat.

Größtes Reise-Hindernis war damals die Visum-Pflicht.
Zu den Besonderheiten, Schwierigkeiten oder Nervigkeiten der deutsch-deutschen Grenz-Übertritte habe ich hier vor einiger Zeit bereits Foren-Beiträge (aus der Sicht des Autofahrers) verfasst:

Rüber und nüber... Teil 1, Einreise
[w311.info]

Rüber und nüber... Teil 2, Ausreise
[w311.info]

Rüber und nüber... Teil 3, Tages-Visum Berlin
[w311.info]

Ich beschränke mich daher hier auf die "Innenansichten" der DDR, freilich aus der Sicht des West-Besuchers, der nicht selten Grund zum staunen hatte.


Das "Nachtleben" von Saalfeld

Ein Problem war die Frage einer Unterkunft.
Offiziell ging ja nur privat oder teures Interhotel. Letzteres war nicht unsere Einkommens-Kategorie. Daran rüttelt auch nicht, dass man als West-Reisender im Ruf des "Kapitalisten" stand.

Wir hatten durch Empfehlung einen Kontakt erhalten zu einer Übernachtungsmöglichkeit in einer Saalfelder Pension.
Das war sehr "inoffiziell", vermutlich auch nicht ganz legal, wurde doch das "Geschäft" (mit Westgeld versteht sich) an den staatlichen Regeln vorbei vereinbart. Für uns war's erschwinglich, für DDR-Verhältnisse und gemessen am gebotenen Komfort jedoch üppig honoriert...

Wenn ich unsere Pension "einfach" nenne, ist das schon sehr untertrieben. Das Haus aus der Jahrhundertwende war im Wesentlichen ungeheizt, es gab ein Plumpsklo auf halber Etage im Treppenhaus (nix Wasserspülung) und für die Übernachtung ein Mehrbettzimmer, das wir zuweilen mit anderen Gästen (Arbeiter, Monteure) teilten.
Dusche, Bad, Aufenthaltsraum, Frühstück, Kaffee und sonstige Annehmlichkeiten, die üblicherweise mit dem Begriff "Pension" assoziiert werden könnten, waren schlicht nicht geboten.

Die Betten waren kalt und klamm. Der Anblick von Federbetten machte zunächst Hoffnung, doch der Inhalt der Plumeau's erwies sich aufgrund des Alters schon so krümelig, dass er im Laufe der Nacht zu beiden Seiten des Körpers auswich. Als einzig Wärmendes blieb dann das dünne Tuch der Bezüge. Eigentlich hätte man die Betten in der Nacht dreimal aufschütteln müssen, doch wer veranstaltet im Halbschlaf schon solchen Zirkus. Also die Verhältnisse mit Rücksicht auf die Mitschläfer notdürftig und geräuscharm richten und darauf hoffen, dass der kommende Tag bald anbrechen möge...

Die Pensionswirtinnen waren zwei ältere Frauen. Eine ganz hager, Kette-rauchend und ständig hüstelnd, die andere sehr üppig gebaut, mit einer beachtlichen Schwungmasse und noch mehr beeindruckender Oberweite. Bei weitem nicht unser Jahrgang!
Die Damen resistierten in einer kleinen Wohnung des Hauses, die im Gegensatz zu dem Rest des Gebäudes grotesk überheizt war. Auf dem reichlich dimensionierten Kohleofen brutzelte ständig ein undefinierbares Süppchen. Die nicht näher zu identifizierende Masse in dem Topf wandelte sich vermutlich langsam aber stetig zu Leim...

Vor allem die Üppige der beiden Damen hatte meinen Reisebegleiter sehr ins Herz geschlossen. Bei den Begrüßungs-Zeremonien wurde der Kollege innigst geherzt. Der Ärmste versank mit unter so weit in den Untiefen dieser Brust, dass mir zuweilen ernsthafte Bedenken um sein weiteres Wohlergehen kamen.
Es ist aber wohl alles gut gegangen. Von Langzeitschäden oder Spätfolgen ist mir nichts bekannt. – Und wenn, würde ich hier natürlich diskret schweigen!

So wird vielleicht verständlich, dass wir den Aufenthalt in dieser "Pension" auf das unbedingt notwendige Minimum reduzierten.

Das abendliche Gedränge in völlig überfüllten Gaststätten führte meist zu was Essbarem. Notfalls gab's halt Mitropa-Würstchen am Bahnhof.
Herrlich waren allerdings die Preise! Wir konnten die Speisekarte problemlos von unten zu lesen beginnen.
Ich erinnere mich nicht mehr exakt, aber ein komplettes Menü für 6,95 Mark war schon gehobene Preisklasse und meist sehr lecker...
Ein Bier kostete (ja nach Gaststätten-Kategorie) etwa 68 Pfennige.

Natürlich war dann noch rasch ein Blick auf den Bahnhof angesagt.
Dort war es (sogar im Februar) fast so "kuschelig", wie in unserem Nachtquartier.
Die Nachtaufnahmen sind daher Dokument und Nebenprodukt einer Flucht aus den Randbedingungen.

Aber...
...schön war's! – Immerhin gibt es solche und andere Geschichten zu erzählen!

http://img3.imagebanana.com/img/3v19uu1w/img1702b.jpg
Bhf. Saalfeld, 44 0115 am Wasserkran. (5. Feb. 81)
Auf unsere Bitte hatte das Personal freundlicherweise die Triebwerksbeleuchtung zusätzlich eingeschaltet.


http://img3.imagebanana.com/img/51kl6j8c/img1704b.jpg
Bhf. Saalfeld, 44 0689 mit einem Personenzug nach Arnstadt bei der Bremsprobe. (5. Feb. 81)
Leider gab es Leistungen für diese Strecke nur bei Abwesenheit von Fotolicht oder jenseits unseres Informationsstandes.



Sorry:
Von mir kommen keine Beiträge und Bilder für die DSO-Foren, bis die Umleitungen rückstandsfrei weg sind!




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:12:28:19:40:56.

Das ist das Salz in der Suppe! . . .

geschrieben von: Hartmut Riedemann

Datum: 14.07.09 10:03

Lieber Rolf,

ich bin ja nun kein guter Geschichtenerzähler, nie gewesen, umso größer ist die Freude, wenn wieder jemand mehr gerade auch dieses Feld beackern kann. Herzlichen Dank für die Einblicke und ich freue mich sehr auf weitere Folgen!

Beste Grüße
Hartmut
Hallo Rolf,
so habe ich die DDR nicht erlebt, allenfalls beruflich die Nachwendezeit.
Meine einzige Reise mit spontaner Quartiersuche hatten wir mit VW-Bus als Rückfallebene im Sommer durchgeführt.
Umso mehr freut es mich, daß Du Deine Erlebnisse hier niederschreibst, zumal auch meine Kinder die DDR nur aus Erzählungen kennen.
Viele Grüße
Stefan

https://abload.de/img/db-251902-4003812-titu8k49.jpg

Re: Erinnerungs-Splitter aus DDR-Reise-Erlebnissen ....

geschrieben von: 010522

Datum: 14.07.09 11:36

..... gut aufgearbeitet Rolf so daß es mich selbst zum Schmunzeln verleitet.

Anderseits bedauere ich euch von tiefsten Herzen das ihr zwangsläufig in so einer Unterkunft sprich Pension gelandet seit.
Es gab auch andere Möglichkeiten das werden mir die Eisenbahnfreunde bestätigen können. Die ebenfalls wie du schreibst, " ..... im Ruf des "Kapitalisten" standen denen es in der Beziehung Unterkunft weitaus besser ging.
Sie nicht frieren mußten in kalten Betten, sie zusätzlich Thüringer Gastfreundlichkeit vom feinsten genießen konnten.
Plumpsklo war ein Fremdwort dafür gab ein bescheidenes Einheitsbad wo der Eisenbahnfreund sich ausgiebig morgens und abends nach belieben frisch machen konnten.
Früh am Morgen der heißer Kaffee mit einen ordentlichen Frühstück die Geister und Lust auf Dampf auf angenehme Art weckte.
Dennoch hoch interessant deine Schilderung aus der anderen Ecke die im Wesentlichen wiedergibt wie es damals mitunter auch ablief.

Nachteil,- Nachtaufnahmen die im Rahmen blieben weil es dann am Abend zur Party über ging mit vorheriger kräftigen Stärkung bei Schnitzel/Steak, Bier und Schnaps bis zum frühen Morgen.
Wobei die Verweildauer im angenehmen warmen Bett somit auch oft viel zu kurz kam.

>> Aber...
...schön war's! – Immerhin gibt es solche und andere Geschichten zu erzählen! <<
Da stimme ich dir Rolf uneingeschränkt zu.


Bild 1: Heizer Klotz mit den ich auch mehrmals gefahren bin es war ein seltsamer Kauz mit den richtigen Namen dazu.
Hier war er mit mir auf der Saalebahn unterwegs, wir mußten eine Kreuzung in Uhlstädt abwarten.

http://img196.imageshack.us/img196/4353/44601ii.jpg


Bild 2: Es freut mich das euch das Lokpersonal entgegen gekommen ist was nicht immer der Fall war..
Zu der Zeit hatte ich vom 01.- 13. Februar Urlaub konnte euch nicht vor die Linse fahren.

Bild 3: Es war eine interessante Leistung leider im späten Zeitfenster.

Immer noch grinsend Ralf

http://img187.imageshack.us/img187/949/p7041352profii.jpg

Re: Erinnerungs-Splitter aus DDR-Reise-Erlebnissen (Teil 1)

geschrieben von: sc

Datum: 14.07.09 13:00

Hallo Rolf,

danke für Deine tollen Schilderungen von Ein- und Ausreise, oft genug in dieser Form erlebt. Zitat eines Grenzers: "Herr Carstens, gucken Sie mal so wie auf dem Passbild"

Aber es gab auch andere Storys:
Einreise nach Ostberlin am 23. Mai 1979. Da am Vortag 01 2065 nach Gdynia gefahren war, musste sie mit dem E 315 zurück kommen. Ich entschloss mich daher, bevor ich mit meiner damaligen Freundin weiter nach Thüringen fahren wollte, morgens noch einmal allein in Ostberlin einzureisen. Offensichtlich meinten die Zöllner an der Bornholmer Straße, da ich nun den vierten Tag in Folge am Grenzübergang auftauchte, ich wolle die DDR ausspionieren und fingen an mich und mein Auto sehr gründlich zu filzen. Der Aufforderung, die Heizungsschläuche zu demontieren kam ich allerdings nicht mehr nach, sondern erwiderte freundlich, dass ich nicht wüsste wie das geht. Der Zöllner dürfe es gern selbst machen, aber er hätte auch dafür Sorge zu tragen, dass anschließend alles wieder ordnungsgemäß montiert werde ... Sofort war die Kontrolle beendet, sodass ich gerade noch rechtzeitig zur Falkenberger Chaussee kam...

Oder:
Nach einem fotografisch erfolgreichen Tag in Meck-Pomm fuhr ich abends ich reichlich müde Richtung Heimat, wobei sich die Grenzkontrolle an diesem Tag sehr ungewohnt gestaltete. Ich fuhr damals einen Golf und war bei der Zollkontrolle gerade ausgestiegen um die Sitzbank vorzuklappen, als die Zöllnerin zu mir meinte: „Ach Sie kennen das ja schon alles, gute Weiterfahrt.“ Die Zeit der Passkontrolle wollte ich nutzen die Insektenleichen von meiner Frontscheibe zu entfernen – ich war gerade halb fertig, als ich meinen Pass wieder in Händen hielt und ganz verdutzt fragte: „Darf ich noch eben meine Scheibe zu Ende putzen?“...

Oder:
Andere Tour durch Meck-Pomm: Laut Karte gab es eine Verbindungsstraße zwischen zwei geplanten Fotostandpunkten, die deutlich kürzer war als der Weg über die Hauptstraßen. Was störte es mich, dass sie nur weiß gezeichnet war. Sah auch anfangs recht gut aus, Nur wurde der Weg dann deutlich breiter und die Spurrillen tiefer. Irgendwann war der Punkt erreicht, wo es nur noch hieß Augen zu und durch – und ja nicht anhalten, denn sonst wäre ich wohl dauerhaft in der Einöde Meck-Pomms stecken geblieben. Irgendwo auf der nicht enden wollenden Strecke kamen mir zwei große LPG-Trecker entgegen – warum hatten die bloß so breite Zwillingsreifen. Als die Fahrer sahen, dass ich mühsam versuchte, die Spur zu finden, die am wenigsten nach versinken aussah, fuhren sie ganz rechts an den Rand und ließen mich passieren. Außerdem wurde irgendwann das Auto deutlich lauter, da ich die Verbindung zwischen Vor- und Endschalldämpfer aufgerissen hatte.
Jedenfalls bin ich wider Erwarten durchgekommen und fuhr den Rest des Tages mit Ferrari-Sound durch die Gegend. Die durchgehende Schlammkruste reichte übrigens von den Vorderrädern, über die Türgriffe bis etwa zur Mitte der hinteren Seitenfenster. So kam ich auch abends am Grenzkontrollpunkt Boizenburg an. Der Zöllner, der mich natürlich schon von weitem gehört hatte, ging einmal langsam um mein Auto, schaute mich dann an und meinte grinsend: "Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, wir haben in der DDR auch schon befestigte Straßen"

Erinnerungen...

Danke für's Anstoßen Rolf
und
Grüße aus HH
Stefan

Hier geht es zu meiner Homepage https://www.stefancarstens.de/wp-content/uploads/2021/08/052180_Ng16825_Banner.jpg
Diese angeblich kürzeste Verbindung kenne ich in der Mark als Weg zu einer Russenkaserne mit heftig fuchtelndem Wachpersonal, die aber nur Kaugummit wollten ...

Danke für die tolle Idee, Rolf!

Jürgen
Hallo Rolf, hallo Stefan,

ich habe die DDR und ihre Grenzformalitäten nur einmal erlebt, bei einem Tagesausflug 1972 nach Ost-Berlin. Das ging über den Grenzübergang Friedrichstraße ("Tränenpalast"), endlose Schlange, unfreundliche Grenzorgane (ich war damals gerade 16 und entsprechend leicht zu beeindrucken!). Als wir endlich durch waren, hatten wir 5,00 MDN (Ostmark) in der Hand, damals war der Zwangsumtausch noch so niedrig. Selbst durch intensives S-Bahn-Fahren (10 Pfennig pro Fahrt) und einen Imbiß (Bockwurst mit Kartoffelsalat und eine Limo - knitschsüß war das Zeug, kostete den krummen Betrag von 1,93 MDN) war es nicht möglich, das Geld loszuwerden; als ich nachmittags dann wieder am Tränenpalast ankam, hatte ich folglich noch ca. 1,30 MDN übrig. Die Zöllnerin barsch: "Führen Sie Zahlungsmittel der Deutschen Demokratischen Republik mit sich?" Meine Antwort: "Ja, 1,30 MDN." - "Das dürfen Sie nicht ausführen!" Toll, wo sollte ich jetzt hin mit den Alu-Chips? Ich muß wohl etwas verloren geschaut haben, denn die Zöllnerin wies auf eine Sammelbüchse auf dem Tresen (fragt mich nicht, wofür da gesammelt wurde) und schnauzte: "Da einwerfen!"
Das habe ich brav gemacht und durfte ausreisen - als ich am Lehrter Stadtbahnhof endlich Westberliner Gebiet erreichte, habe ich drei Kreuze gemacht.

Dieses Erlebnis sowie der später von mir ausgübte Beruf machten mir sowohl aus persönlichen wie dienstlichen Gründen (mein Dinstherr hatte wohl Angst, ich könne von der Staatssicherheit angeworben werden) bis zur Wende spätere Reisen in die DDR unmöglich.

Eine Straßenerlebnis wie das von Stefan hatte ich allerdings dann im März 1990: Ich tourte damals durch die späteren Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. An jenem Tage war Rheinsberg mein Ziel. Die Karte wies eine Verbindungsstraße nach Rheinsberg aus (später lernte ich dann, daß Kartenmaterial der DDR sich nicht unbedingt durch Zuverlässigkeit auszeichnet, als ich eine Brücke über den Oder-Spree-Kanal zwischen Friedersdorf und Erkner benutzen wollte, die es seit 1945 nicht mehr gibt und ich fast mit meinem Auto in Kanal gelandet wäre...). Am Beginn der Straße kam mir denn auch ein Pkw entgegen, was ich dahin gehend interpretierte, daß da, wo der durchgekommen war, ich auch durchkommen würde. Nach wenigen Kilometern endete der feste Belag ("Katzenköpfe") und wurde durch einen Sommerweg abgelöst. Noch einige Kilometer weiter endete der Sommerweg, es blieb eine Sandpiste. Solange mein Auto in Fahrt blieb, ging das ja noch. Aber dann geschah das, was Stefan geschehen ist: Gegenverkehr, allerdings keine Trecker, sondern sowjetische Militärfahrzeuge (Lkw, Schützenpanzer), die gar nicht daran dachten, Platz zu machen, so daß ich anhalten mußte. Das Wiederanfahren nach Vorbeifahrt der Militärs war dann harte Arbeit, weil mein Audi mit der Vorderachse ungefähr 0,40 Meter tief im Sand eingewühlt stand und herausgeschaukelt werden mußte (zum Glück war ich nicht allein im Wagen, sonst stünde ich vielleicht heute noch dort).

Als mir dann auf der Rückreise in Marienborn ein Grenzer "Gute Reise!" wünschte, wußte ich irgendwie: diese DDR wird nicht mehr viel älter...

Wir haben die DDR zum Glück auch nicht immer so erlebt.
Es hat sehr freundliche Kontakte gegeben, die sich zum großen Teil bis heute erhalten haben.

Diese Kontakte wollten jedoch geknüpft sein und da wir keine verwandtschaftlichen Beziehungen in die DDR hatten, gestaltete sich aller Anfang etwas schwierig.

Die hilfreichen Freunde waren allerdings nicht überall.
So erinnere ich mich an eine Tour in den Norden der DDR, wo ich mehrere Tage nur im Auto übernachtet hatte. Mit Kombi, Luftmatratze + Schlafsack kein Problem...
Doch spätestens nach drei Tagen fühlt man sich ohne Dusche irgendwie ... abgestanden.
In Rostock hatte ich dann zufällig ein schönes Hallenbad entdeckt und konnte mich gut "restaurieren". Die Sache mit der Badehose war zu improvisieren.
Im übrigen kannte mich dort ja niemand! ;-))

Viele Erlebnisse sind persönlicher Art und sollen das auch bleiben.
Die Episoden, die unbedenklich öffentlich dargestellt werden können und dann auch noch hier in's Thema passen, sind eher begrenzt.

Eigentlich wollten wir ursprünglich ja nur mal gucken. Aus einer (!) Reise wurde dann rasch noch eine und so weiter...
Schnell hatte das "Fieber" gepackt und es war nicht nur "Dampflok-Fieber", es war wohl auch "DDR-Fieber". In erster Linie war es der Kontakt zu den Freunden. Es waren aber auch Reise-Eindrücke von einer noch so unverbauten weiten Landschaft, die sooo andere Lebensart, die oft noch ursprünglich erscheinenden Ortsbilder, manchmal absolut leere Straßen, endlose Alleen, wertvolle Baudenkmäler und vieles mehr...

Jedenfalls war der Reisepass schneller voll Stempel und musste rascher erneuert werden, als erwartet. Die offiziell erlaubte Anzahl von Besuchs-Tagen (30 ?) hatten wir häufig überschritten, ohne dass dies je beanstandet worden wäre.
Die Vorfahrt an der Grenze war schon Routine. Ich habe immer darauf gewartet, mal von einem der Grenzer per Handschlag begrüßt zu werden: "Ach, Sie schon wieder..."
Die Abteilung war aber wohl personell sehr gut besetzt! Dort gab es erkennbar keinen Mangel.

Ich möchte die Zeit nicht idealisieren, vor allem will ich Mauer, Grenze und Spitzelwesen nicht zurück.
Doch die heutige Zeit ist mir teilweise fremder, als die DDR mir je vorkam.

Grenzkontrollen ...

geschrieben von: Montzenroute

Datum: 14.07.09 16:47

Danke für diesen Erinnerungen auslösenden "Wortbeitrag".

Im Oktober 1976 war ich (damals noch 16) mit meinen Eltern auf Freundesbesuch im Spreewald und kamen abends gegen 20 Uhr an den Übergang Bornholmer Straße in Berlin. Schon während der Wartezeit auf die Abfertigung fiel uns auf, dass wir es wohl mit einer Gruppe besonders "linientreuer" Grenzbeamter zu tun hatten. Umso stiller wurde es im Auto.

Schließlich Vorfahrt am Kontrollposten. Mein Vater musste unter anderem seinen gesamten Tascheninhalt auf einem Tisch ausbreiten ... Dann folgte der Blick auf die Ausfuhrliste, die mit dem Posten "1 DIesellokmodell" begann.

"Diesellokmodell ... H0 oder TT?"
"H0 - die 130."
"Was? Wo hamse die denn gefunden? Die habe ich noch nie gesehen."
"Soll ich die mal auspacken?"
"Na klar!"

Und so breitete ich auf dem Autodach meine mitgebrachten Schätze aus. Die 130, eine Garnitur Rekowagen, einige Güterwagen - alles mit unwirklichem Licht beleuchtet von den schon angesprochenen DDR-Grenzlaternen. Auf eilig im Auto gefundenen Notizblöcken haben wir dann gegenseitig unsere Anlagenpläne skizziert und uns ausgiebig darüber unterhalten, was wir bei unserem Aufenthalt an Bahnen gesehen hätten.

Dazwischen kurze Stichprobenkontrolle des Autos. Geschenkte Pflanzen zur Grabpflege in Berlin, deren Wert wir "nahe null" angesetzt hatten - "ach, das Grünzeug interessiert doch nicht". Ein neues DR-Kursbuch, das auf keiner Ausfuhrliste auftauchte - "na, Kursbuch ist doch wohl Pflichtausstattung".

Als wir alle nur noch redend um die Eisenbahn auf dem Autodach herumstanden, verlor unser Hintermann die Geduld und hupte. "Unser" Grenzer bat für einen Moment um Entschuldigung, ging zu dem anderen Wagen und sagte: "Auto leeren und Rückbank ausbauen." "Aber ..." "Keine Widerrede! So lange das Auto nicht leer ist, passiert hier nüscht."

Dann kam er zu uns zurück, verabschiedete sich von allen mit Handschlag und sagte "Vielleicht sehen wir uns ja irgendwo mal wieder?"

Übrigens gab es damals auch noch VoPo-Posten, die an der Berliner Stadtgrenze Personenkontrollen durchführten - mit Wachhäuschen und Schranke. Die wurden erst Ende der 70er abgeschafft.

Grundsätzlich überwog aber - auch bei Reisen von und nach Berlin - das Gefühl wahrhaft "grenzenloser" Erleichterung nach der letzten DDR-Kontrolle - ein Gefühl, das mir immer noch präsent ist, wenn ich einen der ehemaligen Checkpoints auf der Autobahn passiere.
Für einen in Aachen aufgewachsenen Jugendlichen war das alles nur unbegreiflich.

Montzenroute

Re: Erinnerungs-Splitter aus DDR-Reise-Erlebnissen ...

geschrieben von: 010522

Datum: 14.07.09 17:45

.... hallo Rolf will mich nicht rein hängen in das von euch erlebte.
Doch in deinen zweiten Beitrag sind viele erfreuliche Gedankengänge
die ich durchaus mit dir teilen kann.

Mit Spannung werde ich gern weitere Beiträge dieser Art von euch
verfolgen.

Unsere gemeinsamen schönen Seiten die es auch gab für die Eisenbahnfreunde aus West und Ost
damals zu DDR Zeiten möchte ich nicht missen.
Oft nicht vorstellbar für viele die hier mit lesen.

http://img170.imageshack.us/img170/9162/ralfuberndotk1989i.jpg

Gruß Ralf

Dienstwagen der Reichsbahn...

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 14.07.09 19:29

Ja, das waren herrliche Zeiten - als Alternative zu den Interhotels gab es auch die preiswerten Inter-Campingplätze. Für Saalfeld-Besuche habe ich immer jenen in Großbreitenbach benutzt: Und abends war immer Hochstimmung; Ossis und Wessis gemeinsam am Grill und beim Bier...

Mein schönstes Erlebnis hatte ich 1979 bei der Ausreise über Helmstedt: Als Lehrling (Wessi) hatte ich mir einen Skoda S 100 gekauft, die waren ja gebraucht spottbillig zu haben, gut zu reparieren und in der DDR fiel man damit nicht so auf. Andere Zeitgenossen hatten ihre Autos mit allen möglichen Aufklebern verziert; ich hatte meine Fahrertür mit großen Klebebuchstaben dekoriert: "Deutsche Reichsbahn, 03 2058, Bw Lutterstadt-Wittenberg"... Also Ausreise nach ein paar Tagen DDR-Dampf über Marienborn/Helmstedt: Ein junger, nicht gerade besonders "helle" erscheinender DDR-Grenzer kontrollierte die Papiere, alles war ok, dann betrachtete er die Fahrertür meines Skodas und sagte: "Das geht aber nicht, mit einem Dienstwagen der Reichsbahn dürfen Sie aber nicht ausreisen". Ich hätte am liebsten laut losgelacht! Nur mit Mühe konnte ich ihn von der Harmlosigkeit der Beschriftung überzeugen und endlich Richtung Heimat ausreisen...

Beste Grüße

Martin

Re: Dienstwagen der Reichsbahn...

geschrieben von: Steinbacher

Datum: 14.07.09 19:41

Hallo Rolf,

in der beschriebenen Pension bei den Madames Matzkowski (so hießen die glaube ich)
waren mein Bruder Werner und ich auch mehrfach. Einmal war auch Ludger Kenning dabei .
Es war mitten im Winter bei ca. minus 15 Grad, und wir waren froh, ein warmes Quartier
zu haben. Es war nämlich in der DDR gar nicht so einfach, ein Quartier zu bekommen.
Draußen in Saalfeld tobte ein Schneesturm, aber wir haben trotzdem noch
Nachtaufnahmen von 01.5, 44 und 95ern gemacht. Was nimmt man nicht alles für die
geliebten Dampfloks auf sich.

Viele Grüße vom Steinbacher.

Re: Dienstwagen der Reichsbahn...

geschrieben von: Schnaufer

Datum: 14.07.09 20:23

Und wo bitte kann man die mal sehen....?



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:07:14:20:23:35.

Re: Dienstwagen der Reichsbahn... > Klever mit dem .....

geschrieben von: 010522

Datum: 14.07.09 20:24

...Skoda S 100, da warst du nicht der einzige Martin wenn ich mich so recht erinnere.

Ja den Einfallsreichtum waren da keinen Grenzen gesetzt.
Nur mal ein Beispiel, da lief doch plötzlich mitten im Bw ein mir bekannter Wessi über den Weg in voller DR Lokpersonal - Tracht und Taschenuhr an der Kette zur Tarnung.

Gruß Ralf
Tolle Randszenen der Eisenbahnfotografiererei, die hier hochkommen, sehr interessant und spannend zu lesen. Danke für den Anstoß, Rolf, ich bin schon gespannt auf Deine Fortsetzungen.

Schöne Grüße aus Aachen -
Reinhard Gumbert
Hallo Rolf,

ich habe jetzt mit Muse Deinen Bericht und die Anhängsel gelesen, leider oder zum Glück, je wie man es sieht, habe ich da wenig zu bieten.

Gruß, Thomas
Hat die Muse Dich auch geküßt? Wenn ja, bitte erzählen!

Viele Grüße,

Jürgen

Schön zu lesen und manchmal musste ich lachen..

geschrieben von: david777

Datum: 16.07.09 20:44

als damaliger Ossi hätte ich damals gerne den einen oder anderen hier schreibenden Wessi kennengelernt, weil unsere Westverwandtschaft war nicht an uns interessiert (mein Onkel ist immer noch derjenige hart arbeitende Wessi, der es zu was gebracht hat im Gegensatz zu uns "armen" Ossis, mein Vater hatte aber nur 5 Kinder groß gezogen....)
Gerne hätte ich auch ggfs. etwas vermittelt, Bekannte hatte ich ja damals einige in der Republik. Allerdings hatte ich damals auch schon eine Stasiakte, das wurde mir irgendwann klar.....

Weiter solche Geschichten!

micha

Re: Schön zu lesen und manchmal musste ich lachen..

geschrieben von: DR01

Datum: 16.07.09 21:52

Ja, war immer gut in der DDR...und drei Jahre nach der Wende outete sich mein bester Kumpel dort als IM der Stasi...gg...
Meine Akte habe ich daraufhin angefordert...ein Teil kam nach sechs Jahren, aber es gibt angeblich noch "Aufzeichnungen" von anderen Stasidienststellen.....


Gruß...Wolfgang



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2009:07:16:21:57:22.