Hallo,
es war im Frühjahr 1988, die Abschlußprüfungen der 10. Klasse waren ebenso wie die anschließenden (letzten) Sommerferien in Sichtweite, als sich zwei Leipziger Straßenbahnfreunde die Frage stellten: Was tun in eben dieser Ferienzeit? Urlaub mit den Eltern kam irgendwie nicht mehr in Frage, aber man wollte einfach mal raus. Und das nicht nur als Tagestour. Irgendetwas, was man vorher (aus Altersgründen) noch nie gemacht hat und was man vielleicht später nie wieder tun würde – warum auch immer. Bezahlbar sollte der Spaß sein, und etwas fürs Hobby Straßenbahn sollte auch dabei herausspringen. So reifte der Gedanke, mit dem Fahrrad durch die halbe Republik zu fahren und dabei einige bislang nicht oder nur unzureichend besuchte Straßenbahnbetriebe „abzufrühstücken“.
Was für eine durchgeknallte Idee! Hunderte Kilometer mit dem Fahrrad, welches die Ortsausgangsschilder von Leipzig praktisch noch nie von hinten gesehen hat, dazu mit Gepäck für 1-2 Wochen... Also wurde erstmal ein Test gemacht, ob das überhaupt ansatzweise funktionieren könnte. Als Ziel wurde das nicht ganz 40 km entfernte Merseburg auserkoren, denn dort fuhren (im Gegensatz zum Stadtgebiet Halle) noch regelmäßig Gothawagen, wenn auch nur als E-Wagen im Leuna-Berufsverkehr. An einem Tag Anfang Juni 1988, der eigentlich der Prüfungsvorbereitung zu widmen war, machten wir uns auf den Weg nach Merseburg bzw. Leuna. Einige der dabei entstandenen Bilder möchte ich jetzt zeigen.
Bild 1+2
Am Pfalzplatz in Leuna biegt ein aus Richtung Bad Dürrenberg kommender Tatra-Großzug der Linie 5 zum Leuna-Haupttor ab.
Bild 3
In der Gegenrichtung ist dieser Großzug unterwegs.
Bild 4
Dann tauchten die E-Wagen auf, um auf der linienmäßig nicht genutzten Strecke über die Rössener Brücke Aufstellung zu nehmen. Den Anfang machte allerdings diese Tatra-Traktion *) mit Tw 1086 an der Spitze und Fahrtziel Schkopau.
Bild 5
Als nächstes kam der Wende-Großzug, bestehend aus Tw 1031+Bw 150+Tw 1030 und Ziel Ammendorf.
Dies war die Stammleistung des Wende-Großzuges, aber warum? Wendete dieser Zug über Gleiswechsel vorm Betriebshof Ammendorf und nicht in der Gleisschleife? Oder war das einfach nur der einzige ständig verfügbare 3-Wagenzug für diese sicher stark frequentierte Leistung?
Bild 6
Nach einer weiteren Tatra-Traktion ging es dann endlich mit den ersehnten Gotha-Wagen **) los. Der Fahrer des Tw 792 hat noch etwas Pause, bevor die Fahrt nach Bad Dürrenberg beginnt,
Bild 7
Ebenfalls nach Bad Dürrenberg, aber über Leuna-Haupttor, führte die Fahrt dieses von Tw 762 geführten Zuges.
Bild 8+9
Als Letztes setzte sich auch der Zug mit Tw 792 in Bewegung.
Wir traten danach wieder den Heimweg nach Leipzig an, der Test für Mensch und Fahrrad verlief weitgehend zufriedenstellend. Es folgten Wochen der Planung, ganz nebenbei mußte auch reichlich Überzeugungsarbeit bei den Eltern geleistet werden. Neben der Liste der Straßenbahnbetriebe bildete das Jugendherbergs-Verzeichnis eine wichtige Grundlage. Letztendlich sah der Plan in 2 Wochen die Strecke über Lübbenau (von dort Abstecher per Bahn nach Cottbus) – Frankfurt/Oder – Berlin (einschließlich der 3 kleineren Betriebe östlich von Berlin) – Potsdam – Brandenburg – Magdeburg – Dessau zurück nach Leipzig vor. Nach 3 Wochen Ferienjob auf dem heimatlichen Postamt für die finanzielle Grundlage ging es am 31.7.1988, einem Sonntag mit optimalem Wetter, endlich los.
Um es vorweg zu nehmen: Bis zum Ende haben wir es nicht ganz geschafft, aber bis Potsdam sind über 500 Aufnahmen entstanden, von denen ich in den nächsten Tagen (jeweils passend) eine Auswahl präsentieren möchte.
(wird fortgesetzt)
Viele Grüße
Uwe Berger
*) Bitte hier keine Diskussionen über den Begriff „Traktion“! Für die Zugbildungsvariante aus 2 Tatra-Triebwagen gehört er in etlichen Betrieben (so auch in meinem „Heimatbetrieb“ Leipzig) zum alltäglichen und offiziellen Sprachgebrauch, also werde auch ihn entsprechend verwenden.
**) Zu den Gotha-Wagen zähle ich auch die eigentlich als T2D/B2D bezeichneten CKD-Nachbauten. Wagenlisten dazu gibt es auf [
www.tram-info.de] und [
www.gothawagen.de] .
Bei den Straßennamen wurde nach Möglichkeit die Namen von 1988 verwendet. Waren diese mangels Stadtplänen u.ä. nicht herauszubekommen, habe ich im Zweifelsfall auf die aktuellen Namen zurückgegriffen. Hinheise und Berichtigungen dazu nehme ich dankend entgegen.