Nach einer längeren Pause zeige ich heute wieder eine polnische Schmalspurbahn.
Als ich im Juni 1991 mit einem Freund den Resten des Normalspur-Dampfbetriebes in Polen nachspürte, hielten wir uns auch ein paar Tage im Raum Ełk auf. Die Dampflok-Umläufe hatten vormittags eine längere Pause, so daß wir etwas „fremdgingen“.
Da gab es in Ełk auch noch eine Schmalspurbahn, die die Stadt in östlicher Richtung verließ, sich irgendwo im Nirgendwo gabelte, und deren beide Endpunkte ebenfalls irgendwo im Grünen lagen:
Hier habe ich die Schmalspurbahn rot markiert, die Normalspurstrecken grün.
Da ich sämtliche Informationen über diese Bahn aus dem Internet bezogen habe, nenne ich hier nur die wichtigsten Eckdaten und verweise für Details auf die entsprechenden Links.
Gebaut wurde die Bahn als meterspurige „Lycker Kleinbahn AG“ in der Zeit des I. Weltkrieges. Noch vor Kriegsbeginn wurden die Strecke nach Sawadden (der südliche Ast) und die nördliche Strecke bis Borschimmen in Betrieb genommen. Der Abschnitt bis Turowen wurde noch 1918 fertiggestellt.
(Wer die Karte des Deutschen Reiches zur Hand nimmt, wird hier andere Ortsnamen finden, Turowen nennt sich „Auersberg“ und Sawadden heißt „Grenzwacht“. Diese Namen entstammen jener finsteren Epoche unserer Geschichte, als insbesondere in Ostpreußen slawisch klingende Ortsnamen durch deutsche ersetzt wurden. In meinem Beitrag werde ich die jetzt gebräuchlichen polnischen Namen verwenden, die ohnehin den zur Zeit des Bahnbaus benutzten unverkennbar ähneln.)
Erwähnenswert in der Geschichte der Kleinbahn ist noch, daß sie ab 1945 von der PKP betrieben und 1952 auf 750 mm Spurweite umgebaut wurde.
Am 22.6.1991 nutzen wir erstmals das vormittägliche Fahrplanloch, um uns an die Schmalspurbahn zu pirschen.
In Kałęczyny harrten wir gespannt der Eisenbahn, die da kommen werde:
Es kam dieser Personenzug, gezogen von einem Lokomotivchen, das sich Lyd 1-203 nannte und ein C-Kuppler mit außenliegender Blindwelle war.
Mit Hilfe der Karte des Deutschen Reiches, damals der einzigen brauchbaren Karte für die Gegend, folgten wir dem Streckenverlauf auf Feldwegen. Das Kopfschütteln eines Bauern, dessen Pferdefuhrwerk wir überholten, verstanden wir leider erst etwas zu spät:
Zunächst kam der Zug zurück, die Fotostelle bei Laski Małe befriedigte uns allerdings nicht:
Inzwischen hatte uns der Bauer mit seinem Pferdefuhrwerk wieder eingeholt. Mit Händen und Füßen versprach er uns Hilfe. Wir warteten gespannt, ob er uns mit seinem Pferd herausziehen wollte. Doch dann brachte er einen Traktor mit. Mein Freund fotografierte das Gespann. Allerdings reichte der Strick auf dem Foto nicht. Erst mit einer schweren Eisenkette konnte er uns herausziehen:
Den Rest des Tages verbrachten wir mit der Erkundung der weiteren Umgebung, am Nachmittag schauten wir dann aber doch noch auf dem Kleinbahnhof vorbei.
Hier stand Lyd 1-220 im Abendlicht in Ełk Wąsk.:
Nach dem Malheur vom Vortag versuchten wir unser Glück noch einmal. Dieses Motiv bei Laski Małe gefiel uns wesentlich besser.
Wieder trafen wir Lyd 1-203:
Doch auch die Gegenrichtung mit dem Storchennest reizte uns, so daß wir hier auch die Rückleistung abwarteten:
Am nächsten Tag hatte dichter Nebel unser Frühprogramm verhindert. Wir entschlossen uns daher, mit der Schmalspurbahn mitzufahren.
Im Kleinbahnhof stellten wir fest, daß es hier auch „richtige“ Lokomotiven gab: Lxd 2-247 stand mit einem Schotterzug im Bahnhof Ełk Wąsk.:
Unser Zug wurde mit Lyd 1-220 bespannt:
Im Endbahnhof Turowo mußte unsere Lok umsetzen:
Daß die Strecke hier sozusagen im Nichts endete, lag daran, daß dahinter bis 1945 die Ostgrenze des Deutschen Reiches war. Auch unter polnischer Regie wurden beide Streckenäste nie weitergebaut.
Auf der Rückfahrt gab es in Borzymy einen längeren Aufenthalt:
Kreuzung mit Lxd 2-247 und ihrem Schotterzug!
Zurück in Ełk, fotografierten wir noch das Umsetzmanöver:
Während wir übrigens mit Holzklasse in dem rumänischen Neubau-Wagen Vorlieb nehmen mußten, pflegte das Personal in der „Polsterklasse“ der Ruhe. In der Mitte des Packwagens stand nämlich ein altes Sofa! Ich höre noch heute die Flöhe husten ;-)
Dieser Schneepflug mit der EDV-Nummer 00 00 92 23 007-7 war mir auch ein Foto wert:
Danach erkundeten wir noch ein paar stillgelegte Bahnstrecken, bevor wieder Normalspur-Dampf angesagt war.
Zwei Jahre später fuhr ich noch einmal in jene Gegend, diesmal mit meiner Frau. Die Eisenbahn war hierbei eigentlich Nebensache, auf der Normalspur sah es auch eher traurig aus. Doch als meine Frau diesen Zug in Borzymy sah, brach sie in schallendes Gelächter aus (Lyd 1-208 am 14.7.1993):
Bei Grądzkie fotografierten wir die Fuhre noch einmal:
Der politische Systemwechsel hat die polnischen Eisenbahnen besonders schwer getroffen. So hat die PKP sämtliche Schmalspurbahnen stillgelegt. Ein Teilstück dieser Bahn ist jedoch als
Museumsbahn erhalten geblieben.
Deutschsprachige Informationen zu dieser Bahn findet Ihr z. B.
hier und bei
Wikipedia.
Hier findet Ihr noch Informationen zu der Bahn in polnischer Sprache.
Für die Freunde polnischer Schmalspurbahnen habe ich meine bisher im HiFo verfaßten Beiträge überarbeitet:
Witaszyce - Zagórów
Gniezno - Powidz
Nowy Dwór Gd. - Malbork
Jetzt wünsche ich viel Vergnügen beim Anschauen!
Stefan
Edit: Bilder und polnische Buchstaben überarbeitet
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:11:13:07:39:23.