Ob so mancher Tag, über den man liebevoll das Mäntelchen des Vergessens ausgebreitet hat, wieder zurück ins Licht der Erinnerung gezerrt gehört, kann man ja geteilter Meinung sein.
Zumindest gehört aber der Tag, über den hier zu berichten ist, in die Kategorie des lieber Vergessens – wären da nicht auch ein paar Eisenbahnbilder an jenem Tag entstanden, die das Zerren zurück in das Licht der Erinnerung gerade noch so rechtfertigen.
Hochzeit war angesagt, Hochzeit meines Onkels in der Heimatstadt seiner zukünftigen Ehefrau, in Nordenham. Solcher Art Familienfeierlichkeiten begegnete der Autor dieser Zeilen als damals pubertierender gerade erst 16-Jähriger mit noch größerer skeptischer Zurückhaltung, als das auch heute noch der Fall ist.
Insbesondere, wenn dann die Teilnahme an einer solchen Feier von der zukünftigen Tante auch noch davon abhängig gemacht worden war, dass „auf jeden Fall die Haare ab müssen“!
Da hatte ich mich doch gerade gegen Eltern, Großeltern, Lehrern und sonstigen Wohlmeinenden und ihren Argumenten durchgesetzt („Meinst Du nicht, dass Du mal wieder zum Friseur gehen solltest?“; „Du siehst ja aus wie ein Mädchen“; „Ein deutscher Junge gehört mit langen Haaren nicht aufs Gymnasium“; so oder so ähnlich lauteten diese Argumente) und meine Haare länger wachsen lassen – und nun das!
Aber so zwischen den Zeilen gelesen bot sich doch eine Lösungsmöglichkeit an, ich bleibe einfach zu Hause. Gute Idee, in meinen Augen, aber nicht in denen meiner Eltern. Also wurde ich dazu verdonnert, einerseits zur Hochzeit mitzukommen, andererseits zum Friseur zu gehen, was ich dann aber bis zum letztmöglichen Termin hinauszögerte.
Wie gesagt, die Trauung sollte in Nordenham, im dortigen Stadtteil Friedrich-August-Hütte, stattfinden, zum einen in der dortigen Kirche und zum anderen die Feier im Kasino der Friedrich-August-Hütte.
Da wir damals noch kein eigenes Auto besaßen, wurden wir auf mehrere Pkw der Verwandten aufgeteilt. In Erinnerung ist mir noch die Mitfahrt bei einem Onkel meiner Mutter in einem Ford-Taunus „Badewanne“ und dem ständig steigenden Ärger bei meinem Vater, ob des wahrlich haarsträubenden Fahrstils des Onkels.
Weitere Erinnerungen an Trauung und anschließender Feier sind so gut wie nicht vorhanden, ebenso wenig an die Rückfahrt, das oben erwähnte Mäntelchen wirkt . . .
Jedenfalls habe ich die erstbeste Gelegenheit genutzt, mich abzusetzen und ein wenig das Umfeld des Kasinos zu erkunden und dabei glücklicherweise meine Kamera mitgenommen.
Hatte die GOE (Großherzogliche Oldenburgische Eisenbahn) 1873 die Eisenbahnlinie von Hude nach Brake eröffnet und von Brake nach Nordenham bereits zwei Jahre später, dauerte die Verlängerung bis Blexen noch einige Jahre. Sie wurde erst am 10.04.1905 eröffnet mit den Zwischenbahnhöfen Kabelstraße, Friedrich-August-Hütte, Werftstraße und Einswarden.
Die Friedrich-August-Hütte (zur 1906 gegründeten Metallwerke Unterweser AG zugehörig) ist eine Zinkschmelze und später kommt eine Bleihütte hinzu. Vielleicht ist dem einen oder anderen noch das große Rindersterben in Nordenham in Erinnerung, was durch defekte Filter der Bleihütte im Jahr 1972 ausgelöst wurde.
Zunächst nutzte ich die Gelegenheit, mir die auf dem Bahnhof abgestellten Güterwagen genauer zu betrachten, wir schreiben den 28.03.1969.
Bild 1:
Dabei gerät mir dieser ehemalige Omm 55 vor die Linse, der nun E 040 heißt, die Nummer 5080003-8 trägt und sich im EUROP-Park der DB befindet. Den dahinter befindlichen Wagen ohne Bremsen kann ich nicht genau identifizieren, Anschriftenfragmente scheinen auf einen ehemaligen Omm 53 hinzudeuten.
Ein Blick ist sicherlich auch der Bahnbus und die dahinter befindlichen Häuser der Siedlung Friedrich-August-Hütte wert. Die Wiese zwischen Bahngelände und Straße ist heute weitgehend bebaut.
Während ich dabei war, mir die Wagen anzusehen, hörte ich hinter mir Motorengeräusche, Klingeln und Hupen. Ich drehte mich um und sah das hier:
Bild 2:
Aus dem südlichen Anschlussgleis, das bis an die Kaje an der Weser geht, der Friedrich-August-Hütte nähert sich diese Fuhre dem Bahnhof, um ein paar Güterwagen wieder an die DB zurückzugeben. Das Bild zeigt zudem die Johannastraße, die Bahnhof und Werksgelände trennt.
Bild 2a:
Aus dem vorherigen Bild herausgezogen, zeigt sich die Lok noch einmal etwas größer, besser bekomme ich das Bild leider nicht hin.
An der Lok könnte „Nr. 1“ stehen, auffällig sind weiterhin der veränderte Abgashutzen (sieht üblicherweise bei DWK-Loks etwas anders aus), die Leiter zum Vorbau und die am Fuße der Leiter liegenden roten Dinge, die zwei Klingeln auf dem Vorbau und das „niedliche“ dritten Spitzenlicht.
Nach einiger Suche bin ich fündig geworden. Laut [
www.loks-aus-kiel.de] handelt es sich um die Lok DWK 1938/618 vom Typ 220 B der Bauart B-dm.
Der Loklebenslauf wird dort wie folgt dargestellt:
14.06.1938 Auslieferung an RLM - Reichsluftfahrtministerium, Berlin, für Luftmuna Schierling
__.__.19xx an Hans Wülfert, Fleischwarenfabrik, Dachau
__.__.1951 an GMW - Gewerkschaft Mechernicher Werke, Mechernich "8"
25.10.1951 Antrag auf Genehmigung der Inbetriebnahme
__.__.195x Umzeichnung in "20"
__.03.1958 Schließung der Bleihütte [Lok noch 1960 in Mechernich vh] [bereits zum 31.12.1957 wurde der
Erzbergbau eingestellt]
__.__.1961 an Preussag - Preußische Bergwerks- und Hütten-AG, Werk Georgschacht, Stadthagen [31.12.1962 vh]
__.__.1963 an Metallwerke Unterweser AG, Friedrich August-Hütte, Nordenham
__.__.1968 => Preussag Boliden Blei GmbH, Nordenham [1981 als Reservelok vh]
vor 1985 ++
Bild 3:
Nachdem die Lok zu weiteren Rangierarbeiten verschwunden war, habe ich mich wieder den Güterwagen gewidmet. Hier sehen wir den ehemaligen Ktmms 65 mit der nun gültigen Bezeichnung Tds 928 und der Nummer 5730729-1. Interessant ist, dass der Wagen dort mit geöffnetem Dach abgestellt ist. Rechts ist ein Gs der SNCF zu entdecken, bei dem mir besonders das Längsprofil oberhalb der Beschriftung auffällt.
Bild 4:
Hier ist nun der im vorherigen Bild links stehende Wagen zu sehen. Es ist ein ehemaliger Ktmm 65, nunmehriger Td 928 mit der Nummer 5633284-2. Links davon befindet sich wieder ein französischer Gs mit dem auffallenden Längsprofil.
Bild 5:
Dieses Bild ist der eigentliche Grund für diesen Beitrag.
Volker Klemm wünschte sich für seine Erzählungen Bilder, die die entsprechenden Situationen wiedergeben. Um wieder einmal einen Kreis zu schließen: Bitte schön!
Ein Bremer 515 ist mit seinem Steuerwagen auf dem Weg nach Blexen. Leider fehlt mir das Kursbuch vom Winter 1968/69, um die Zugnummer nennen zu können. Und ebenso leider habe ich mir auch nicht die Fahrzeugnummern notiert. Mit Dank an Alberto: Es handelst sich um Pt 3913 Bremen Hbf (14:05 Uhr) - Blexen (15:52 Uhr).
Wer wohl am Fahrpult sitzen mag, Volker?
Dann war es wieder Zeit, sich den familiären Angelegenheiten zu widmen . . .
Am nächsten Morgen konnte ich allerdings vor der Heimfahrt noch ein paar Minuten abzwacken, der Güterzug aus Blexen musste unbedingt aufs Bild.
Bild 6:
212 015-2 (V 100 2015) des Bw Oldenburg Hbf wartet auf die weitere Fahrt Richtung Hude im Bf Friedrich-August-Hütte. Man achte auch auf die Häuser der Siedlung Friedrich-August-Hütte im Hintergrund sowie auf die Laterne (auch schon im vorhergehenden Bild).
Um die Suche ein wenig leichter zu machen, wir befinden uns hier: [
maps.google.de]
Ein wenig Spaß mit den Bildern wünscht wie immer mit den
besten Grüßen
Hartmut
Bilder restauriert von Benutzer Riedemann Archiv am 18.12.2016; Bearbeitung: uk-old (HagSch)
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:12:18:19:15:59.