Heute vor 15 Jahren - die letzte Schicht auf Emil Mayrisch
Der 18. Dezember 1992 war ein schicksalhafter Tag für das Aachener Bergbaurevier. An diesem Tag wurde die Grube Emil Mayrisch in Siersdorf als letztes Bergwerk des Eschweiler Bergwerksvereins geschlossen. Am Ende der Frühschicht wurde der geschmückte letzte Förderwagen voll Kohle an das Tageslicht geholt und damit endete hier die Kohleförderung. Kurz vor dem Weihnachtsfest, mitten in der Adventszeit, musste dieser traurige Anlass begangen werden. Genau heute vor 15 Jahren.
Lok 2 der Grube Emil Mayrisch am 18. Mai 1992
Obwohl das Bergwerk Sophia-Jacoba in Hückelhoven nördlich von Siersdorf noch bis zum 27. März 1997 Kohle fördern durfte, war die Schließung der Grube Emil Mayrisch ein symbolhafter Schlusspunkt. Emil Mayrisch war einstmals der Hoffnungsträger für die Zukunft des Wurmreviers, und es war im permanenten Abwärtsstrudel der Bergbaukrise die letzte Bastion des Eschweiler Bergwerksvereins, auf die man alle Anstrengungen zum Überleben konzentriert hatte - am Ende vergeblich.
Am 18. Dezember 1992 lag eine merkwürdige Stimmung über dem Bergwerk. Manches erschien noch völlig alltäglich, wie etwa die sich eindrucksvoll drehenden Seilscheiben des stählernen Fördergerüsts über dem Schacht 1. Anderes wiederum erschien leblos und melancholisch. An der Hängebank hatte man versucht, einen festlichen Rahmen zu schaffen, um den Schlussakt in Würde zu Ende zu bringen. Wandtafeln kündeten von der Geschichte des Bergwerks und der Leistung der Bergleute. Ein großformatiges Bild zeigte das imposante Wahrzeichen, den 71 m hohen, kühn in den Himmel ragenden Förderturm und vermittelte etwas von dem Glanz vergangener Jahre und dem Stolz des Steinkohlebergbaus.
Die Bergleute, von denen manche in blütenweißer Arbeitskluft erschienen waren, standen mit den Besuchern, die allesamt noch mit Schutzhelmen ausgestattet worden waren, in der großen Halle einträchtig beisammen. Zum Schichtende kamen schließlich noch viele Bergleute in ihrer geschwärzten Untertage-Montur dazu.
Zu diesem denkwürdigen Ereignis war aber auch große Politprominenz gekommen. So brachte ein BGS-Hubschrauber den damaligen Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und ein Polizeihubschrauber den Ministerpräsidenten des Landes, Landesvater Johannes Rau, auf das Grubengelände. Auch der 1. Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau und Energie, Hans Berger, und der EBV-Vorstandsvorsitzende Günter Meyhöfer waren anwesend. Die Festreden, mit denen die beiden Politiker sich beweihräuchern wollten, wie intensiv sie doch für die Erhaltung des Bergwerks gekämpft hatten und die Schließung bis hier hin verhindern konnten, fanden keinen Beifall, wurden mit einzelnen Pfiffen und Zwischenrufen bedacht. Man merkte, wie Blüm und Rau von ihren Texten abließen und versuchten, auf andere, einvernehmliche Themen abzugleiten. So betonte Bundesarbeitsminister Blüm die vorbildliche Integrationsleistung im Bergbau, appelierte an das Gemeinschaftsgefühl und rief zum Kampf gegen die Rechten auf, während Ministerpräsident Rau wieder einmal die Aufbauleistung der Bergleute in der Nachkriegszeit und den Wirtschaftswunderjahren bemühte. Doch die Bergleute wußten in schmerzhafter Erinnerung an den Stillegungsbeschluss der Bonner "Kohlerunde" vom Dezember 1987 durchaus, wer die Totengräber ihres Bergwerks waren. Sie ließen sich nicht einlullen, die Stimmung blieb unterkühlt.
Bevor schließlich der symbolische Augenblick nahte, den letzten mit Kohle gefüllten Grubenwagen hereinzurollen, stimmte ein Knappenchor das traditionelle Lied "Glück auf, der Steiger kommt" an. Lautstark, ergriffen, stolz und trotzig, teils mit Tränen in den Augen, stimmten die Bergleute ein. Besonders die Textstelle "...Glück auf, Glück auf, Ihr Bergleut seid ganz brave Leut..." wurde betont. Gleich anschließend wurde die silbern gestrichene Lore mit der symbolischen letzten "Emil-Mayrisch-Kohle" hereingefahren, es wurden Erinnerungsfotos aufgenommen, man nahm vielleicht noch einen Kohlebrocken mit - und das war es dann.......
Langsam zerstreute sich die Menge, die arbeitende Bevölkerung trennte sich von der Prominenz, die Bergleute fanden sich in kleinen Gruppen an verschiedenen Arbeitsplätzen zusammen, zogen sich zurück. Demnächst würden sich die Wege trennen..... - Wußte man, ob man so noch einmal zusammenfindet? An diesem Nachmittag wurde an manchen Stellen eine Flasche Bergmannsschnaps geöffnet, um den Kummer zu betäuben.
Der rechte Bergmann hat sich noch einen gelben Sicherheitshelm des EBV als Souvenir mitgenommen, während der linke in seiner Aldi-Tragetasche klirrende Flaschen trägt......
Die Kumpels von der Grubenbahn finden sich in dem kleinen Stellwerk zusammen.
Über dem Grubenbahnhof lag an diesem Nachmittag eine ungewohnte Ruhe, die Kumpels vom Bahnbetrieb hatten sich in dem kleinen Stellwerk der Grubenbahn zusammengefunden. Ich unternahm noch einen kleinen Rundgang über das Bergwerksgelände, das für Eisenbahnfreunde zumeist verschlossen war, suchte noch einmal die vor sich hin schmauchenden Dampflokomotiven 2 und 5 sowie die kalt an der Werkstatt stehende Lok 4 auf, die so oft das Ziel der fotografischen Begierde waren. Etwas Vertrautes ging verloren.
Lok 4 war an der Werkstatt kalt abgestellt.
Während Lok 2 am kleinen Stellwerk vor sich hin schmaucht, zeigt das Signal in der Ferne Hp 0 – für immer?
Mit einem Kloß im Hals und einem kleinen Kohlebrocken in der Jackentasche begab ich mich vom Gelände.
Auch wenn das alles heute vergangen ist --- Glück auf, Emil Mayrisch!
Roland Keller