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 04 - Historisches Forum 

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Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
Hallo HiFo- Freunde,

nein, der Kalender ist nicht verrutscht. Es ist noch nicht Freitag.
Die folgenden Bilder sind aber für das Einläuten eines schönen Wochenendes nicht geeignet.
Sensible Seelen sollten eventuell vom Betrachten der Bilder Abstand nehmen.
Heute präsentiere ich euch die letzten Bahnbilder, die mein Vater im Jahr 1966 angefertigte. Leider war der Anlass für diese Bilder kein erfreulicher. Es war Freitag, der 18.11.66. Am Vorabend geschah auf der Frankfurt – Königsteiner Eisenbahn das bislang schwerste Eisenbahnunglück in der Region. Es forderte 7 Tote und ca. 70 zum Teil schwer Verletzte.
Was war passiert ?
Im Bahnhof Hornau setzte sich ein abgestellter Triebwagenzug, bestehend aus Steuerwagen, Beiwagen und Triebwagen (führend der VS 204) in Bewegung. Als Ursache wurde ein technischer Defekt angegeben. Damals wurde auch über nicht angezogene Bremsen beim Abstellen des Zuges bis hin zu Manipulation spekuliert. Eine Person soll sich angeblich im Zug befunden haben. Diese (unbesetzte ?) führerlose Garnitur gewann auf abschüssiger Strecke schnell an Fahrt, durcheilte die Bahnhöfe Kelkheim und Münster mit zunehmender Geschwindigkeit. Eilige Bemühungen, den Zug abzulenken, blieben ohne Erfolg. So prallte er bei Oberliederbach unvermittelt mit dem entgegenkommenden Feierabendzug P2177, geführt von Lok 262 und 7 Personenwagen auf gerader Strecke zusammen.
Die Lokmannschaft erkannte das sich anbahnende Desaster, bremste den Zug noch stark ab und rettet sich durch Sprünge aus dem Führerhaus.
Der Esslinger Steuerwagen VS204 zerplatzte auf der Front der Dampflok. Dach und Seitenwände schoben sich wie eine Decke über die Lok und den ersten Wagen, während sich der gesamte Wageninhalt und die Drehgestelle vor der Lok auftürmten. Auf diese Trümmer stieg der folgende Beiwagen auf und wurde im ersten Drittel schwerst beschädigt. Der am Schluss laufende Triebwagen blieb im Gleis stehen. Seine Front drückte sich allerdings in den Mittelwagen, da er über dessen Puffer rutschte.
Durch den Aufprall wurde der Dampfzug ruckartig gestoppt. Die Lok schützte den direkt hinter ihr laufenden Personenwagen, während die Wagen 2, 3 und 4 des Zuges ineinander rutschten, sich verkeilten und schwer beschädigt wurden. Wagen 5 bis 7 blieben im Gleis stehen.
Der durch den Aufprall erzeugte Knall war mit dem Wind über viele Kilometer weit zu hören.
Mein Vater war durch die Abendnachrichten auf dieses Ereignis aufmerksam geworden und fuhr am nächsten Morgen zur Unfallstelle. Als er dort eintraf, war die Bergung der Opfer bereits erfolgt. Die Aufräumungsarbeiten der Trümmer hatten aber noch nicht begonnen. Die Unfallstelle war durch einige wenige Einsatzkräfte von Polizei, THW und Feuerwehr gesichert, aber trotzdem ungehindert zugänglich.
Von der Straße aus konnte man das ganze Ausmaß überblicken.
http://img249.imageshack.us/img249/5436/99035oberliederbach1811qz0.jpg



Über die Lok schoben sich Dach und Wände des VS204.
http://img150.imageshack.us/img150/7826/99034oberliederbach1811wc2.jpg

http://img217.imageshack.us/img217/4143/99033oberliederbach1811or7.jpg

http://img86.imageshack.us/img86/2389/99032oberliederbach1811bh2.jpg

http://img217.imageshack.us/img217/2830/99031oberliederbach1811pz2.jpg



Im Zug traf es den 2. bis 4. Wagen. Es waren die Wagen 26, 25 und 21. In diesen Wagen kamen 7 Insassen zu Tode.
Die Rettungsmannschaften schnitten unter den Fenstern die Seitenwände auf um festgeklemmte Opfer zu bergen.
http://img150.imageshack.us/img150/4796/99030oberliederbach1811na9.jpg

http://img410.imageshack.us/img410/4989/99029oberliederbach1811ga6.jpg

http://img217.imageshack.us/img217/188/99028oberliederbach1811dl3.jpg



Während die beschädigten Wagen erst einmal in Unterliederbach abgestellt wurden, schleppte man die Lok nach Höchst. Am Sonntag, dem 20. November fuhren wir dort hin, um nach ihr zu sehen. Diese Lok wurde 1954 von Henschel neu als Nr.7 an die FK geliefert. Sie war erst kurz vorher von einer Hauptuntersuchung zurückgekehrt. Ihre solide Konstruktion hatte dem leichten Esslinger Steuerwagen Einiges entgegenzusetzen. Daher hatte sie den Zusammenstoß auch relativ gut weggesteckt.
http://img516.imageshack.us/img516/8437/99027hchst201166ff5.jpg

Sie wurde im AW Nied wieder Instand gesetzt und konnte im März des Jahres 1967 wieder ihren Dienst aufnehmen. Ihr schöner Schlot mit Krempe wurde allerdings durch einen einfachen, geraden ersetzt. So stand sie dann noch bis 22. August 1969 in Betrieb.
Die Wagen des Unglückszuges wurden alle abgestellt. Die Kleinbahn fuhr fortan mit einer, von der DB angekauften Garnitur B3y- Wagen.
Die Reste des VS204 wurden an der Unfallstelle zerlegt, Mittel- und Triebwagen wurden später wieder repariert.
Während der Reparatur der 262 wurde der Lokfahrbetrieb durch die 261 und fallweise dem Einsatz von Loks der Reihen 50 und 94 aufrecht erhalten.


So, ihr Lieben, hier möchte ich für heute wieder schließen. Reinhard Gumbert hat mir signalisiert, dass er im Anhang noch weitere Bilder der beschädigten Fahrzeuge beisteuern will.
Jetzt habe ich euch im Laufe von 14 Monaten 1000 Bilder gezeigt. Mit dabei waren sämtliche Bilder des Jahres 1966, die schönen, aber auch, wie hier, die unschönen. Leider gehörte aber auch das zur Eisenbahn des Jahres 1966 dazu und stellt heute ein außergewöhnliches Zeitdokument dar.
Morgen zeige ich euch wieder zum Auftakt des Wochenendes Bilder aus der Dampfzeit, diesmal Gießen, Frühjahr 1967.
Also, bis dahin.

Viele Grüße

Michael Fischbach






1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:06:27:23:41:59.

*schluck*

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 22.11.07 18:32

das ist aber heftig gewesen, was da passiert war! Ein sehr einfühlsamer Bericht über ein Ereignis, das (leider) auch zur Eisenbahn gehört
Hallo Michael,

ein Bericht der beeindruckt und nachdenklich macht. Sehr bestürzt hat mich aber das Bild des VS204, der sich um die Dampflok stülpt. Das habe ich in seiner ganzen Tragweite erst beim 2. Anschauen registriert.

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Wolfgang Zitz

http://abload.de/img/stwksf4_2a_bannereqqrv.jpg -- Meine Beiträge in DSO-Hifo
Im Anschluß an den Bericht von Michael Fischbach hier einige weitere Aufnahmen, die ich wenig später, am 20.11.1966 gemacht habe.

Zum Hergang, aus meiner Erinnerung: Ein dreiteiliger VT war von Ffm-Höchst gekommen und endete in Kelkheim Hornau. Während der Wendepause ging der Lokführer „mal austreten“. In der Zwischenzeit rollte die nicht ausreichend festgebremste VT-Einheit im leichten Gefälle los, der Lokführer erreichte sie nicht mehr, und die Einheit nahm von den Taunushöhen hinunter Richtung Frankfurt Fahrt auf. Der Bahnhof Kelkheim konnte nicht mehr rechtzeitig alarmiert werden, um den führerlosen Zug auf ein Stumpfgleis zu lenken, so war die Katastrophe unabwendbar. Denn von Höchst her war P 2177 mit der Dampflok 262 Richtung Königstein unterwegs, und es gab vor Kelkheim keinen besetzten Bahnhof mehr. So prallten die Züge zwischen Ober- und Unterliederbach frontal aufeinander.

Als ich am 20.11. an die Unfallstelle fuhr, waren die ersten drei Wagen des P 2177 in Unterliederbach abgestellt. Die Schäden hielten sich „eigentlich“ in Grenzen, die Dampflok hat viel von dem Aufstoß aufgefangen. Schlimm war allerdings, dass, wie so oft bei Unfällen mit Bi-Wagen, der zweite Wagen hinten auf den dritten aufgestiegen ist. Dort hat es auch sechs der sieben Toten gegeben. Das siebte Todesopfer war der einzige Fahrgast im führerlosen VT, der erst einen Tag nach dem Unfall in den Trümmern des VS 204 gefunden wurde. . – Im Bild von links nach rechts = in Fahrtrichtung des Zuges von vorn: FK 27, FK 26, FK 25

(1)
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/37/607837/3830333633663632.jpg


Die zweite und dritte Einheit des führerlosen Zuges, VS 202 (im Bild rechts; mittlere Einheit im Zug) und VT 101 (links; in Fahrtrichtung hintere Einheit) in Oberliederbach:

(2)
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/37/607837/3334393035393338.jpg


Die Reste des VS 204, der sich auf die Dampflok 262 geschoben hatte, an der Unfallstelle:

(3)
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/37/607837/3430666332643831.jpg


In Frankfurt-Höchst war die Unfall-Lok 262 abgestellt. Sie hat nur relativ geringe Schäden davongetragen:

(4)
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/37/607837/6563616130336564.jpg


Dementsprechend war sie schon wenige Monate später wieder auf der Kleinbahn Frankfurt-Königstein im Einsatz. Wir sehen sie hier am 31.03.1967 vor dem P 2177 Ffm-Höchst - Königstein, dem Unglückszug vom 17.11.1966, an der damaligen Unfallstelle. Den Wagenpark hatte die Kleinbahn inzwischen von der DB übernommen. An der Unfallstelle lagen auch viereinhalb Monate nach dem Unfall noch Klein-Trümmer herum.

(5)
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/37/607837/3965646436636437.jpg


Grüße aus Aachen –
Reinhard Gumbert


Edit: Sorry, ich habe jetzt erst bemerkt, daß auch Michael schon über den Hergang des Unglücks berichtet hat. Soweit mein Bericht von seinem abweicht, ist seiner sicherlich korrekter, denn ich berichtete nur aus der Erinnerung.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2007:11:22:18:59:30.

Re: Ergänzender Bericht zum Hergang und weitere Fotos (m 5 B)

geschrieben von: ehemaliger Nutzer

Datum: 22.11.07 19:15

Lieber Michael Fischbach,lieber Reinhard Gumbert!
Sehr intessante Fotos! Die Dampflok war gut kontstruiert und hat den heftigen Aufprall ganz gut weggesteckt. Recht erschreckend der Zustand der Vierachser, der Erste, der völlig aufgeraucht ist, auch den 2 Wagen hat´s heftig erwischt...
Vielen Dank an Euch Beiden aus Berlin von
thomas.splittgerber.b

Meine Güte...

geschrieben von: Guido Rademacher

Datum: 22.11.07 19:17

Das sind beeindruckende aber auch erschütternde Bilder. Mit welcher Wucht der Zusammenstoß gewesen sein muss, läßt das Bild mit dem, wie Michael es nannte, zerplatzten VS204 erahnen.

http://www.guidorademacher.de/Banner.jpg

Re: Bilder aus der Dampfzeit

geschrieben von: Gerd Tierbach

Datum: 22.11.07 19:39

Michael Fischbach schrieb:
-------------------------------------------------------

> Jetzt habe ich euch im Laufe von 14 Monaten 1000
> Bilder gezeigt. Mit dabei waren sämtliche Bilder
> des Jahres 1966, die schönen, aber auch, wie hier,
> die unschönen.


Lieber Michael,

dafür gilt es mal ein ganz dickes dankeschön zu sagen. Nicht nur wegen den Bildern, sondern auch wegen den sehr guten Beschreibungen, die du mit hinzu stellst.


Beste Grüße

Gerd

gt

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Heftig... das stimmt nachdenklich. Gut aber, dass Dein Vater auch so etwas damals festgehalten hat. Die Bilder gefallen mir, dennoch will ich angesichts des Ereignisses nicht von "schönen" Bildern sprechen. Nennen wir es lieber "aussagekräftige Bilder".

Und auf die Gießen-Bilder morgen bin ich schon gespannt!

Viele Grüße, Sven
Hallo Michael, hallo Reinhard,

das sind wirklich beklemmende Bilder, aber trotzdem danke, dass ihr das uns nicht vorenthaltet, irgendwie gehört auch das dazu. Die Fotos von Michael sind an Brisanz nicht zu überbieten, seit dem man durch Reinhards Bericht weis, dass zum Zeitpunkt der Aufnahmen noch ein Toter in den Trümmern von VS 204 gelegen haben muss. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie der aussah... Das ist wirklich nichts für schwache Gemüter.

kondensierte Grüße, Stefan

https://www.drehscheibe-online.de/foren/file.php?099,file=190387
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Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. Wer sich über Signaturen aufregt, hat sonst nix zu sagen.
Hallo Michael,

ergänzen möchte ich noch, das der Lokführer der 262, Herr Reus mit der Hand das Feuer aus der Feuerbüchse gezogen hat. Somit wurde ein noch größerer Schaden mit weiteren Totes Opfern verhindert. Hierfür hat Lokführer Reus das Bundesverdienst Kreuz erhalten
viele Grüße

Ralf

Vielen Dank an Michael und Reinhard!

geschrieben von: Friedberger_Dampfesel

Datum: 22.11.07 21:14

Hallo Ihr beiden,

vielen Dank für Eure Beiträge dieses traurigen, aber dennoch dokumentierenswerten Ereignisses. Hier wird wieder deutlich, daß die Eisenbahn auch sehr dunkle Seiten haben kann.

Waren die Fahrzeuge der FKE damals noch ohne INDUSI unterwegs? Dann hätte das Unglück vielleicht verhindert werden können.

Fragt sich

Frank
(Friedberger_Dampfesel)

@ Michael: Ich freue mich schon auf Deinen morgigen Beitrag zum Thema Eisenbahn in Gießen!!! ;-)

Auch für die Feuerwehr ein Hammer-Einsatz

geschrieben von: Der Bergische

Datum: 22.11.07 23:29

Die Feuerwehr Frankfurt hatte seinerzeit neu drei schwere Rüstwagen erhalten, von denen sich einer im Originalzustand in Sammlerhand befindet. Alle drei Fahrzeuge waren damals bei dem Unfall im EInsatz, eines ist auf einem der Bilder auch am Unfallort zu erkennen.

http://img265.imageshack.us/img265/1694/dsc2877ib6.jpg


So sieht das Fahrzeug heute aus. Der Besitzer, Thomas Knauf aus Lage/L., schreibt in seinen Aufzeichnungen zu dem Fahrzeug:

Im Laufe seiner Dienstzeit mußten die Rüstwagen sich bei zahlreichen schweren Einsätzen bewähren. Die erste Bewährungsprobe mußten alle drei Frankfurter Rüstwagen am 17. November 1966 geben. Bei einem frontalen Zusammenstoß eines mit 350 Personen besetzten Zuges und einem Triebwagen auf der eingleisigen Strecke Frankfurt – Königstein bei Oberliederbach der Königsteiner Kleinbahn, wurde schweres technisches Gerät erforderlich. Der Zusammenprall war derart heftig, daß sich die Dampflokomotive etwa 30 Meter tief in den Leichtstahl-Triebwagen bohrte. Außerdem wurden vier der sieben Wagen des Personenzuges ineinandergeschoben. Mehrere Personen wurden eingeklemmt und konnten sich nicht mehr selbst aus den verkeilten Trümmern befreien. Die Frankfurter Branddirektion ordnete den Ausnahmezustand an und forderte Unterstützung bei der Feuerwehr der US-Army sowie der Berufsfeuerwehr Offenbach an. An den Rettungs- und Bergungsarbeiten beteiligten sich außerdem ein Großaufgebot von Freiwilligen Feuerwehren und Rettungsdiensten aus dem Main-Taunus-Kreis. 80 Verletzte wurden gerettet, 7 Tote geborgen. In einem Bericht der Zeitschrift „Brandschutz“ Ausgabe Februar 1967 lobte der damalige Branddirektor Dipl.-Ing. Ernst Achilles die „schweren Rüstwagen“ in der Fachpresse.

Es grüßt

Der Bergische!