Hallo HiFo-Gemeinde,
heute melde ich mich mal wieder außer der Reihe am Samstag, vom Plandampf-"Finale" im Werratal; mit dem Nebeneffekt, daß es sich um einen genauen Jahrestag-Bericht handelt:
Höddelbusch? Wer kennt denn das, um Gottes Willen? Damals, ja damals war das einer der Namen, über die man sprach, meißt ehrfurchtsvoll, zumindest in den einschlägigen Kreisen der Lokfahrensmänner von Köln-Eifeltor und Gremberg und so weiter. Und bei diversen Kantinengesprächen mit den Grembergern bekam ich auch etwas vom "Flair" von Höddelbusch mit.
Höddelbusch? Man sucht das meißt vergebens auf Landkarten. Bahnhofsverzeichnisse? Fehlanzeige! Was war da nur los? Die Gremberger erzählten jedenfalls sagenumwobene Dampf-Geschichten: Militärverkehr, NATO und Panzer, Eifel und schwierigste Aufgaben. Manchmal hatte ich natürlich den Eindruck, daß die Sagen, je nach der Latte der Striche auf den Bierdeckeln, deutlich zunahmen. Bis dann einmal bei ebensolchen Gesprächen "dienstliche" Fahrplananordnungen die Runde machten. Das war ein Hammer! Anzahl der Züge bei Manövern, Lasten der Züge: phänomenal. Auch ich war jetzt Höddelbusch-infiziert: dort mußte ich unbedingt mal hin!
In den Herbstferien 1971, vom 12. zum 13. Oktober war es dann soweit: Ich durfte einen Frühdienst nach Höddelbusch mitmachen. Von dieser sehr außergewöhnlichen Tour möchte ich heute berichten.
Die unten gezeigten Fotos sind dabei heute nur zweitrangiges Beiwerk.
Am 12. bin ich zunächst in aller Herrgottsfrühe auf dem Führerstand der 052 428 als Zuglok des "BU", dem Belgischen Urlauberzug, von Siegen (Planabfahrt: 3:34 Uhr) nach Troisdorf (und weiter Lz nach Gremberg) gefahren. Planheizer war damals mein Freund der Albrecht. Wir haben dann den ganzen Tag über in Köln "botanisiert" (auf deutsch: eisenbahnfremdes Verhalten). Das richtige "Ding" hatte dann Dienstbeginn gegen 23:00 Uhr, wieder in Gremberg. Planlokführer war der Herbert, mit seinem zweiten Mann, dem Wolfgang, einem recht stämmigen Studentenheizer, der das allerdings mehr der Verdienstmöglichkeiten wegen tat. Albrecht und meine Wenigkeit, wir waren heute Gäste. Zugeteilt für den Höddelbuschdienst war die 050 143, ein gutmütiges Arbeitspferd.
Nach der üblichen Vorbereitung (Wasser, Kohle und Öl) fuhren wir nun gegen Mitternacht zunächst Lz über die Südbrücke, vorbei am Bw Eifeltor, nach Kalscheuren, dort wo die nicht elektrifizierte Eifelbahn abzweigt. Auf der ruhigen Rollfahrt studierte der Herbert seine Fahrplananordnung und teilte uns dann mit, daß unser Zug wegen nennenswerter Überlast eine Schub-290 erhalten sollte. Allenthalben etwas Enttäuschung. Auch damals gab es also schon entsprechende Hiobsbotschaften. Nun, in Kalscheuren hatten wir längere Standzeit, es war nicht allzuviel dort los; unser Zug sollte auch der erste einer größeren Anzahl an diesem 13.Oktober werden, also Ruhe vor dem Sturm. Dann, irgendwann rollte ein mächtiger Panzerzug, vorne mit 140 bespant, langsam ein; die 140 kuppelte ab und verschwand. Aber: von einer 290 bisher keine Spur! Nach kurzer Rücksprache mit dem Zugführer, dem von einer Schiebelokleistung nichts bekannt war, ergab sich nun langsam die Gewißheit, daß man wohl von uns das Geschäft alleine erwartete. Schon ehrfurchtsvoll marschierte der Albrecht mal schnell den Zug entlang, addierte die Wagengewichte, zählte die Panzer und kam dann mit einer recht grob geschätzten Gewichtszahl zurück, die über 150to jenseits der für die BR50 vorgesehenen Grenzlast lag! Ich erinnere mich noch an die Kommentare, die der arme Zugführer bei der Bremszettelübergabe zugerufen bekam, hatte er doch beim addieren auf die Tonne genau exakt die FPLO-Grenzlast zusammengerechnet. Das konnte alles hinten und vorne nicht stimmen. Nachdem der Streit mit dem Zugführer abgehandelt war, war nun bei allen die Stimmung perfekt! Der Albrecht verständigte sich mit dem Wolfgang darauf, daß man sich ja mal abwechseln könne, wenn es doch zu arg würde; der Herbert freute sich, jetzt doch mal ordentlich die Dampf-Sau spielen zu lassen und ich war jetzt sowieso im Dampf-Himmel nach Höddelbusch.
Noch in völliger Dunkelheit machten wir uns auf den Weg durchs "Vorgebirge": nach der Ausfahrt in Kalscheuren nahm unser Zug so langsam Fahrt auf. Es ging alles etwas zäher voran, als ich das von der Sieg gewohnt war, der Wolfgang schaufelte, und so langsam lieferte die 50 Klänge ab, die im Bereich Lieblar und Weilerswist ohne weiteres den morgendlichen Weckdienst ersetzten. In Euskirchen kamen wir am Bahnsteig-Wasserkran zum Halten und ergänzten hier noch einmal unsere Vorräte. Inzwischen begann der morgendliche Berufsverkehr Richtung Köln.
Für uns wurde es nun arg! Nach einem Stoßgebet begann der Kampf. Knallharte Ausfahrt unseres Panzerzuges aus Euskirchen, so hatte ich die Gremberger noch nie erlebt (und danach auch nur noch die Arnstädter "Atomlok" 50 3688).... Wir nahmen Fahrt auf und passierten akustisch eindrucksvoll die Burg Veynau und die beiden Bahnhöfe mit den schönen Namen Satzvey und Katzvey. Nun beteiligte sich auch der Albrecht am Schaufelgeschäft: Unablässig, Schaufel um Schaufel. Die 143 war heute willig, sie produzierte Dampf ohne Ende und so entschloß sich der Herbert, die Stadt-Durchfahrt Mechernich, schön im Anstieg und leichten Bogen gelegen, ultimativ zu gestalten: Unser Panzerzug zog triumphal-knallend seine Bahn entlang der Mechernicher Häuserzeilen. Heijeijei, da hatte aber nicht nur der Schornstein gewackelt! Mit durchaus anerkennenswertem Schwung ging es so in den Anstieg zum Kaller Berg: jetzt war klar, wo hier der Hammer hing. Der Triumphzug trieb uns noch bis in den Bereich von Scheven und dann wurde es total eng. Die Lasten zerrten gnadenlos am Zughaken und nahmen uns alles, was den Begriff Geschwindigkeit verdient hätte.
Plötzlich brachen alle Fronten gleichzeitig in sich zusammen: Geschwindigkeit weg, Dampfdruck weg, Feuer kaputt, dann noch Kesselwasser weg und oh Schreck, beim Blick nach hinten auf den Tender, auch die Kohle weg. Einen so leeren Tender hatte ich ja noch nie gesehen; der Wolfgang und der Albrecht hatten ganze Arbeit geleistet. Bei kaum noch Schrittgeschwindigkeit und einem kränklichen Gepuffel tauchte vorne der fast erlösende Tunnelmund des Kaller Tunnels auf: Was nun tun? Weiter, weiter. Die Luftpumpe hatte ihren Betrieb inzwischen auch bereits eingestellt, hoffentlich hielten die Bremsen (offen). Mit letzter schwächlicher Anstrengung wurde der Brechpunkt überschlichen.
Nun bergab runter nach Kall, als wäre nichts gewesen. Umsetzen und jetzt auf die gemütliche Nebenbahn nach Schleiden: Tender voraus durch Gemünd und dann die berühmte Ortsdurchfahrt Olef: Nach der Anstrengung waren nun die Gedanken an ein zünftiges Frühstück. Da unser Panzerzug hier ohnehin zu Fuß durch den Ort geleitet wurde, verließ der Albrecht rasch den Führerstand, sauste in eine Bäckerei und orderte mit der Bemerkung, er habe nicht viel Zeit, sein Zug fahre soeben draußen vorm Schaufenster vorbei, eine Tüte voll belegte Brötchen. Dann, noch eine Windung entlang des Olef-Tales, und plötzlich waren wir angekommen! Aber was heißt angekommen, was war denn das: Höddelbusch, mein Gott, das war ja nichts. Ein Gleis, eine Laderampe. Eigentlich war ich jetzt etwas enttäuscht. Übrigens: heute scheint Höddelbusch überhaupt nicht mehr zu existieren; weder Generalkarte noch [
www.stadtplandienst.de] kennen den Namen. Die Anlage ist aber im Satelliten-Bild gut zu erkennen.
Nach dem Umsetzen und Abladen der Panzer ging es vorwärts wieder zurück bis Kall. In Gemünd hatten wir beim Hinweg größere Holzmengen am Gleis erspäht. Also hielten wir dort erstmal an und ergänzten unsere arg dezimierten Brennstoffvorräte von Hand. Unser Etappenziel Eifeltor ohne nennenswerte Restkohle anzusteuern erschien uns trotz der Talrichtung unangebracht. Zum Glück hat uns beim Holzladen niemand gesehen. Nach dem erneuten Umsetzen in Kall gings nun wieder Tv weiter Richtung Köln. Und nun rollte auch langsam der weitere Manöververkehr an; neben einem Panzerzug mit 215 kam uns ein weiterer dampfgeführter entgegen. In Kalscheuren übergaben wir den Leerpark erneut an die elektrische Konkurrenz und fuhren schleunigst in's Bw Eifeltor, wo unsere Lok zunächst wieder versorgt wurde, bevor es über den Rhein in's heimatliche Gremberg ging.
Ein grandioser Dampftag war zu Ende. Und wann immer anschließend mal irgendwo der Name Höddelbusch fiel, bekam ich unweigerlich Gänsehaut.
Nun wie angekündigt noch etwas Illustration zur Geschichte vom Panzerzug:
Bild 1: 050 143 steht vor dem leeren Panzerzug in Höddelbusch zur Rückfahrt eifelabwärts bereit. Im Bild ist der Zugführer mit den begnadeten Rechenkünsten zu sehen.
Bild 2: Einfahrt auf den Marktplatz von Olef mit der oft fotografierten Ortsdurchfahrt und vorneweg laufendem Warn-Personal; hier mal aus 50er-Perspektive
Bild 3: Durch diese Gasse mußte man durch, dahinter war dann der Haltepunkt Olef
Bild 4: Halt in Gemünd, nachdem wir Mengen an Holz geladen hatten. Aus dem Führerstand schauen Herbert und Wolfgang heraus.
Bild 5: Begegnung mit 052 899, ebenfalls mit Panzerzug auf dem Weg nach Höddelbusch. Den Kollegen steht der Kampf noch bevor. Ich erinnere mich noch gut, daß der Wolfgang in diesem Moment ganz hinten auf der Tenderschräge stand und den Kollegen mit beiden hochgerissenen Armen die Schaufel entgegenstreckte, er strahlte und sah aus wie ein schwarzer Imperator, der soeben zum Wohle seines Volkes den Drachen bezwungen hat...
Bild 6: Bei der Einfahrt in's Bw Eifeltor begrüßte uns die gut gepflegte Nr.1!
Bild 7: Am Ablaufberg werkelte die 094 561, während hinten die Hammer Umschmeißlok E44 501 mit dem "Lehrhilfszug" der DB in Eifeltor Station macht.
Soviel für heute und ein schönes Wochenende
Gruß
Donni
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2016:02:21:15:10:46.