Verehrte HiFo-Gemeinde,
bei der Essener Verkehrs-AG hat es an einigen Bahnen -wie bei vielen anderen Verkehrsbetrieben auch- gelegentlich bauliche und farbliche Veränderungen gegeben. Ich möchte hier über ein Fahrzeug der EVAG berichten, das im Laufe der Zeit häufiger Verwandlungen erfahren hat.
Der
EVAG Einrichtungs-Gelenktriebwagen 1615 war der Wagennummer nach scheinbar der 15. einer Lieferung von später insgesamt 69 sechsachsigen Straßenbahnen. Eigentlich kein Grund, dieses Fahrzeug besonders hervorzuheben. Denn so gesehen, war es eines von vielen, die zwischen 1958 und 1966 in mehreren Serien von der DÜWAG bzw. zwei von DWM (Berlin) geliefert wurden und in den Folgejahren gemeinsam mit den vierachsigen Großraumwagen das Bild der Straßenbahn in Essen bestimmten.
So hielt Tw 1615 in elfenbeinfarbiger Lackierung ab Werk unter seiner vorherigen Nr. 615, die er bis Juli 1960 trug, irgendwann in den Monaten vor dem Nummerntausch auf Linie 7 Richtung Gelsenkirchen Hbf. aus der Innenstadt kommend, die Gertrudi-Kirche links hinter sich lassend, am Viehofer Platz, um eine Traube von wartenden Menschen aufzunehmen.
Ein entgegenkommender Zweiachser verlässt im gleichen Moment die Altenessener Strasse, die an dieser Stelle noch bis zum 24. Oktober 1969 von der Straßenbahn befahren werden kann. Der Wagen hat gerade das in Bau befindliche Haus passiert, in dem ich in den 70er Jahren im oberen Geschoss des Öfteren laut aufschreien werde. Immer dann, wenn die dort praktizierende Zahnärztin in meinen im Jugendalter auftretenden ersten Zahnlöchern ohne Betäubung den Bohrer aufheulen lässt.
Wagen 1615 wartet sicherlich noch den Aufbauwagen ab, um auch daraus Fahrgäste zu übernehmen. Dieser trägt zu dieser Zeit eine Wagennummer zwischen 820 bis 833 und wird ebenfalls im Juli 1960 in 1401 bis 1426 seine zweite Umzeichnungselle erleben.
Die Bahnarbeiter im Stellwerk „Eno“ ahnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass am 25. März 1986 gegen 22:00 Uhr –während die umliegenden Bewohner von einer im Fernsehen gesendeten „DALLAS“-Folge eingelullt werden- ein entgleisender Güterzug mit lautem Getöse die Metallstelzen wegreissen werden wird. Ein Schüttgutwaggon wird allerdings ein gänzliches Abknicken des Stellwerks verhindern und bis zum Eintreffen von drei rettenden Kränen für zwei Tage die Aufgaben der Stützpfeiler übernehmen.
EVAG 615 am Viehofer Platz zw. 1958 und Juli 1960
Hinweis: Diese Abbildung einer Kopie muss einer älteren Broschüre entstammen; das Copyright liegt beim Bildautor. Auf evtl. Wunsch der betreffenden Person wird das Bild von mir selbstverständlich hier entfernt. Die Veröffentlichung dient lediglich Vergleichszwecken.
Der sechsachsige Gelenktriebwagen 1615 wird noch in bis in die siebziger Jahre in weitgehend unveränderter Form seine Runden drehen.
Bis ihm 1974 eine besondere Rolle zufällt: er ist auserkoren, in annähender Form das neue Farbkleid der in Planung befindlichen Stadtbahnwagen in rot-weiss-grau zu präsentieren. Und nicht nur das; er wird in Anlehnung der künftigen Fahrzeuge einen runden Frontscheinwerfer gegen zwei rechteckige Halogen-Scheinwerfer tauschen und einen motorisch betriebenen Einholmstromabnehmer bekommen. Eine ausfahrbare Trittstufe an der zweiten Tür sowie eine neue Armaturentafel mit modernen Pictogramm-Tasten runden die Änderungen ab.
Hier präsentiert er sich am 21. September 1974 im Rahmen des Tags der offenen Tür in geänderter neuer Lackierung im Betriebshof Stadtmitte.
EVAG 1615 Betriebshof Stadtmitte 21.09.1974 TdoT
Die architektonische Schmetterlingsform der Essener Grugahalle mit ihrem unübersehbaren Hinweis auf das Sommerfest 1978 sowie die Kirmesatmosphäre im Hintergrund an diesem sonnigen 20. August 1978 lenken leicht von der inzwischen vorgenommenen äußerlichen Veränderung, die unser Triebwagen seit seiner „Neuvorstellung“ erfahren hat, ab. Selbst die Besucher des Sommerfestes verschwenden keinen Blick auf das weiße Stirnband, das den Dachbereich von Wagen 1615 inzwischen ziert.
EVAG 1615 Gruga 20.08.1978
Keine zwei Monate später ist unser Sechsachser wiederum auf Linie 11 nunmehr an der Endschleife Gruga in einem neuen Farbkleid und neuem Logo unterwegs. Angepasst an die inzwischen seit 1977 eingeführte übliche Lackierung in den Stadtfarben Gelb/Blau wurde wahrscheinlich im Rahmen einer Hauptuntersuchung das äußere Erscheinungsbild grundlegend geändert. Ausgerüstet mit einem Messe-Vorsteckschild steht der Wagen abfahrbereit Richtung Essen-Karnap
EVAG 1615 Gruga Endschleife 15.10.1978
Dem aufmerksamen Betrachter fällt im Vergleich zu den letzten beiden Bildern und der Aufnahme vom 07.07.1991 sicherlich der irgendwann in den Folgejahren eingeführte tiefere Blaustich beim umlaufenden Mittelzierband und im unteren Bereich auf. Darüber hinaus ist dem Wagen ein weiteres Bestandteil seines ursprünglichen Aussehens zurückgegeben worden.
Dabei kann ich nur mutmaßen, dass Probleme durch verschmutztes Regenwasser aus den Bereichen der Dachwiderstände am Fahrzeug oder bei ein- und aussteigenden Fahrgästen zum Rückbau der im Jahr 1974 entfernten Regenrinne unterhalb der Dachkante führten.
EVAG 1615 Betriebshof Stadtmitte 07.07.1991
Eine angedachte Verlängerung zum Achtachser durch Einfügen eines Mittelteils mit zusätzlichem Einbau linksseitiger Türen zur Verwendung in Tunnelstrecken mit Mittelbahnsteig hätte Triebwagen 1615 zu einem einige Jahre längeren Einsatz verholfen. Dieser Umbau wurde allerdings nach entsprechenden Überlegungen wieder verworfen.
Stattdessen zeigte sich, dass im Zeitalter der modernen Stadtbahnwagen und der inzwischen gelieferten Niederflurwagen keine Verwendung für unser einst so ansehliches Fahrzeug gegeben war. Und so kam es zur letzten Veränderung des Fahrzeugs: Abstellung und spätere Verschrottung.
So lag im Mai 1996 der einst so stolze Gelenkwagen verbeult und mittig getrennt auf der Seite liegend auf einem Schrottplatzgelände in Essen-Kray. Wagen 1615 gesellte sich so noch einmal zu den zuletzt vorhandenen DÜWAG-Sechsachsern 1638, 1639, 1647 und 1668.
Einer im Beitrag von Joachim Leitsch am 14.01.2007 bereits angesprochenen seit ca. 1981 andauernden Tradition folgend, wurde auch hier die am Fahrzeug noch vorhandene Reklame unkenntlich gemacht.
EVAG 1615 (links), 1647 oder 1668 (rechts unten), 1638 (rechts oben); jeweils B-Teile
Alle Fakten habe ich nach meinem Kenntnisstand niedergeschrieben.
Sollten sich dennoch im Eifer des Geschehens Fehler eingeschlichen haben oder ich Daten oder Tatsachen unrichtig wiedergegeben haben, so bin ich für jede Richtigstellung dankbar.
Sollte einem Leser ein Foto des Tw`s in der Farbe elfenbein aus der Zeit vor 1974 in Farbe vorliegen, würde ich mich über eine Einstellung des Bildes sehr freuen.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2008:12:01:22:46:42.