DREHSCHEIBE-Online 

Anzeige

HIER KLICKEN!

 04 - Historisches Forum 

  Neu bei Drehscheibe Online? Hier registrieren! Zum Ausprobieren und Üben bitte das Testforum aufsuchen!
Bilder, Dokumente, Berichte und Fragen zur Vergangenheit der Eisenbahn und des öffentlichen Nahverkehrs - Bilder vom aktuellen Betriebsgeschehen bitte nur im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen veröffentlichen. Das Einstellen von Fotos ist jederzeit willkommen. Die Qualität der Bilder sollte jedoch in einem vernünftigen Verhältnis zur gezeigten Situation stehen.
Dies ist KEIN Museumsbahnforum! Bilder, Meldungen und Fragen zu aktuellen Sonderfahrten bitte in die entsprechenden Foren stellen.
.

Hallo HiFo-Freunde,

dieses Foto aus meiner Sammlung gibt uns einen Einblick in die erste Signal- und Weichenfernsteuerung der Bundesbahn in Nürnberg.

Die Deutsche Bundesbahn nahm 1952 auf der elektrifizierten Strecke Nürnberg - Regensburg ihre erste Signal- und Weichenfernsteuerung
in Betrieb. Die Fernsteuerungsanlage, mit der die etwa 100 km lange Strecke bedient wurde, befand sich in einem früheren Bunker im
Nürnberger Stadtzentrum. - Die Streckentafel, eine verkleinerte Nachbildung der gesamten Strecke mit den dazu gehörenden Signalen und
Weichen, war dabei das zentrale Kommando-Organ für die Fernsteuerung aller Betriebseinrichtungen der Bahnlinie. Der Linienfahrdienst-
leiter - für die gesamte Strecke verantwortlich - war an Hand der Tafel laufend über den Stand der Züge informiert. Die von ihm mittels
Drucktasten vollzogenen Weichen- und Signalstellungen wurden sofort auf der Schalttafel sichtbar. Das Einstellen falscher Fahrwege oder
das Stellen von Signalen auf freie Fahrt bei besetzten Gleisen war dabei technisch ausgeschlossen. - Die Bahnlinie Nürnberg -
Regensburg war damit die modernst ausgestattete Strecke der Bundesbahn.

Über weitere Informationen zum Thema würde ich mich freuen.


Wochenendgrüße

Klaus aus Bonn

-----------------------

Das Foto vom 28.11.52 zeigt: Von den Kommandotischen aus wurde die Streckentafel ständig beobachtet und der technische Ablauf
des Zugverkehrs kontrolliert. Der Linienfahrdienstleiter - vor der Streckentafel stehend - war für den gesamten Betrieb verantwortlich.
Die von den Fahrdienstleitern bislang zu führenden Zugmeldebücher entfielen bei dieser Neuerung, da der gesamte technische Ablauf
zusätzlich auf einem Papierstreifen des Gerätes registriert wurde


http://img183.imageshack.us/img183/2104/sf0400260agv5.jpg

-------------------------------------------------------------------------------------------------
Besucher sind auf meiner Homepage herzlich willkommen:
-------------------------------------------------------------------------------------------------

Das war doch noch bis letztes Jahr sogar im Betrieb

geschrieben von: ET 403

Datum: 15.10.06 11:14

Am 26.11.2005 wurde es außer Betrieb genommen. Ist es wenigstens erhalten geblieben?

Auf der Stellwerks-Seite von Holger Kötting gibt es dazu auch noch einige Bilder:

[www.stellwerke.de]

Gruß ET 403

Re: Das war doch noch bis letztes Jahr sogar im Betrieb

geschrieben von: tyrrell

Datum: 15.10.06 13:16

Ich hatte Anfang der 80er mal die Gelegenheit anläßlich eines "Tags der offenen Tür" das Stellwerk zu besichtigen. Ein sehr interessante Angelegenheit, mal diese Seite der Fernsteuerstrecken kennenzulernen, da ich die "untergeordnete Seite, nämlich die der Fahrdienstleiter an dieser Strecke dank eines Verwanden, der Fdl in Seubersdorf und später in Parsberg war, schon kannte.

Interessanterweise habe mal zufälligerweise privat jemanden kennengelernt, der dort als Praktikant der Firma, die das Stellwerk gebaut hat, gearbeitet hat.

Er erzählte mir, daß es mal bei einem Starkregen zu einem Totalausfall der Zugnummernmeldeanlage gekommen ist. Sein Job war es dann, Zettelchen mit den Zugnummern an die Stelltafel zu kleben. Die Informationen über die Standpunkte der Züge erhielt das Stellwerk telefonisch von den Fahrdienstleitern an der Strecke.

Hätte ich gerne live gesehen :-D

Es lebe die 50mm-Brennweite!

Erklärende Worte zu Technik und Konzept der Anlage

geschrieben von: Gruppentaste

Datum: 16.10.06 14:58

Klaus Wedde schrieb:
-------------------------------------------------------
> dieses Foto aus meiner Sammlung gibt uns einen Einblick in die erste Signal- und Weichenfernsteuerung der Bundesbahn in Nürnberg.

Hallo,

das Linienstellwerk habe ich einige Wochen vor der Außerbetriebnahme im letzten November noch besucht. Zum Schluß waren noch Ochenbruck, Postbauer-Heng, Neumarkt, Seubersdorf, Parsberg, Beratzhausen und Undorf als Bahnhöfe in Betrieb (und sind es heute auch im nachfolgenden ESTW).
Feucht war früher auch mit auf der Tafel, wurde dann aber im Zuge des Baues der S-Bahn (und dem damit verbundenen Umbau) aus dem Linienstellwerk rausgenommen und später mit auf das ESTW Fischbach aufgeschaltet. Die anderen Betriebsstellen, die früher noch Bahnhöfe waren, haben bis zum Schluß als Blockstellen weiter existiert.
In sofern ist mal interessant ein Bild aus den Eröffnungstagen zu sehen.

Die Anlage bestand nicht nur aus dem Linienstellwerk mit Fernsteuerung, sondern auch aus damals neuen Relaisstellwerken der Bauform Dr I vor Ort. Diese wurden im Regelfall nicht besetzt. Ausnahmen waren Parsberg und Neumarkt, welche meines Wissens fast immer besetzt waren.

Die ferngesteuerten Stellwerke ließen sich in mehreren Betriebsarten betreiben. Dies wurde durch Leuchtbuchstaben über/unter den entsprechenden Teilen der Tafel angezeigt.
D: Durchleitbetrieb, also im Prinzip Selbststellbetrieb immer über das durchgehende Hauptgleis, der Linien-Fdl schaut nur zu, was die Anlage macht.
F: Fernsteuerbetrieb, der Linien-Fdl kann komplett fernsteuern und z.B. auch eine Fahrstraße in die Überholung einstellen.
O: Ortsbetrieb, das Stellwerk ist örtlich besetzt und aus der Fernsteuerung heraus genommen.

Die beiden im Regelfall besetzten Stellwerke Parsberg und Neumarkt hatten nur die Betriebsarten O und B. B steht für Befehlsbetrieb. Hierbei konnte der Linien-Fdl über die Tafel nur vorgeben, ob die durch den Fdl vor Ort einzustellende Fahrstraße über die durchgehenden Hauptgleise oder in die Überholung als solche gehen sollte, jedoch nicht genau in welches Gleis. Auf dem Stelltisch in Parsberg/Neumarkt blinkte dann die Ausleuchtung entsprechend dem Befehl des Linien-Fdls auf. Nach Einstellen der entsprechenden Fahrstraße und Festlegung, ging das dann in Standlicht über und der Linien-Fdl sah dann, daß der Befehl ausgeführt wurde. Also ganz klassisch Befehlsabgabe -> Befehlsempfang -> Zustimmungsabgabe -> Zustimmungsempfang.

Rein technisch und konzeptionell war die Anlage als epochal zu bezeichnen, denn sie gab ein Konzept vor, daß damals in Europa wegweisend war, sich aber in Deutschland bis auf dieses eine Mal nicht durchsetzen konnte. Hier wurde nämlich eine Strecke zwischen zwei Knotenpunkten (Nürnberg Hbf und Regensburg Hbf) komplett durchrationalisiert, einheitlich ausgestattet und von einem Punkt aus bedient. So konnte man gegenüber der Alttechnik einen erheblichen Rationalsierungseffekt und Personaleinsparung vor Ort erreichen. Deshalb war im Rücken des Betrachters des Bildes ein weiterer Raum in gleicher Weise für die Fernsteuerung der Strecke nach Würzburg vorgesehen, die aber nie realisiert wurde.
Das Konzept, zuerst die Strecken zwischen den Knoten stellwerkstechnisch durchzurationalisieren und fernzusteuern, den Knoten aber erstmal auszulassen, ist in den Folgejahren (etwa ab 1954) von etlichen Bahnverwaltungen Europas (insbesondere Skandinavien) konsequent durchgezogen worden, weshalb dort die mechanischen Stellwerke heute nur noch ganz vereinzelt anzutreffen sind. Bei der DB konnte man sich dazu nie durchringen und hat solche Komplettaktionen erst so richtig zur ESTW-Zeit gemacht, aber auch da nicht überall. Stattdessen konzentrierte man sich auf die Knotenrationalisierung.

Deshalb (und aus anderen Gründen) ist diese Anlage technisch in der LST-Landschaft der DB Zeit Lebens ein Exot geblieben. Man konnte sich später leider nicht mehr zu einer so durchgreifenden und konsequenten Durchrationalisierung einer Strecke durchringen. Die Auswirkungen davon spüren wir bis heute in Form eines immensen Investitionsrückstaus und bunt gemixten Zoo an Stellwerkstechniken.

Schöne Grüße

Gruppentaste

"Vor meiner Black Mamba geht jeder Schaffner in die Knie."
Harald Schmidt in mobil 04/2009 über seine BahnCard100
Hallo Klaus,

wieder einmal ein außerordentlich interessanter Beitrag, danke!

Viele Grüße

Hans-Joachim

.

Hallo Gruppentaste,

herzlichen Dank für die ausführlichen Informationen.


Grüße von

Klaus aus Bonn

.

Hallo ET 403 und tyrell,

habt herzlichen Dank für Eure Informationen nebst Bildlink.


Grüße von

Klaus aus Bonn

Re: Das war doch noch bis letztes Jahr sogar im Betrieb

geschrieben von: Luckydad

Datum: 22.10.06 16:29

Danke auch von mir für die Ausführliche Beschreibung.

Ich hätte nur noch eine Kleinigkeit hinzuzufügen, der Linienfahrdienstleiter konnte nur Fahrstraße einstellen, aber keine Einzelweichensteuerung (z.B. für Rangierbewegungen) vornehmen. Dazu mußte das Stellwerk örtlich besetzt werden.

Gruß Udo
aus Fürth (Bay)

Albert Dobmaier hatte große Pläne...

geschrieben von: befehlsturm

Datum: 24.10.06 14:04

Hallo Gruppentaste,

ich habe mir die Fernsteuerzentrale und eines der Ortsstellwerke, nämlich Neumarkt (Opf), auch noch in Betrieb ansehen können. War schon erhebend zu sehen, wie man das Betriebszentralenkonzept vor 50 Jahren umsetzen konnte. Schade nur, daß es mir nicht vergönnt war, tiefer in die Anlage einzudringen und den Relaisraum in Aktion zu sehen.

Zum Hintergrund möchte ich noch ergänzen: Die Signaltechnik wurde in den dreißiger bis fünfziger Jahren maßgeblich durch Prof. Dr.-Ing. Albert Dobmaier vorangetrieben. Dobmaier war in den 50er Jahren Signalreferent bei der HVB. Er kaum ursprünglich aus dem Fernmeldewesen, hatte die technische Entwicklung des Basa-System mit Trägerfrequenz-Weitstreckenübertragungen Mitte der 30er Jahre geleitet und dort Großes vollbracht. Im Signalwesen wollte er eine ähnliche Automatisierung mithilfe von Relais wie im Fernsprech- und Fernschreibselbstwähldienst erreichen. Schon Ende der 30er Jahre schwebte ihm das Drucktastenstellwerk vor. Im Gegensatz zu vielen Signaltechnikern mißtraute er nicht den Relaisschaltungen zum Herstellen von Fahrstraßenabhängigkeiten.

Die ersten Versuche reiner Relaisstellwerke blieben wegen den 2. Weltkrieges stecken, siehe [www.blocksignal.de], erst 1948 wurde bei der DB das erste Dr I-Stellwerk in Betrieb genommen. Für den Wiederaufbau setzte Dobmaier voll auf die Dr-Technik. Zu dieser Zeit studierten die deutschen Signaltechniker auch, welche Entwicklungen in den USA stattgefunden hatten. Dort war die erste CTC-Streckenfernsteuerung bereits 1937 in Betrieb genommen worden, und CTC war in den vierziger Jahren zum Industriestandard der US-Bahnen geworden und wurde gerade während des Krieges eifrig gebaut, weil man damit die als Nachschwubwege dienenden Strecken nach Westen für wenig Geld wesentlich in der Leistung steigern konnte.

Von den riesigen Vereinfachungs- und Einsparpotentialen beeindruckt, wollte Dobmaier die Signalanlagen der Bundesbahn auf ähnliche Weise entwickeln. In erstaunlich kurzer Zeit, 1948 - 1951, wurden sämtliche für die Betriebszentrale nötigen Komponenten entwickelt. Zugnummernmeldeanlagen waren schon in Köln im Einsatz, die Fernsteuerung zum ersten Mal 1951 auf der Cornberger Rampe.

Die Strecke Nürnberg - Regensburg wurde als Testfall gewählt, weil mehrere Umstände dafür günstig waren. Die vorhandenen Stellwerksanlagen waren größtenteils alt und standen zur Erneuerung an. Im Zusammenhang mit der Elektrifizierung hätten sowieso Signalstandorte geändert und die Blockanlagen erdfrei umgebaut werden müssen. Schließlich lagen auf der Strecke relativ einfache betriebliche Verhältnisse vor, denn es gab nur spärlichen örtlichen Verkehr, auf den meisten Unterwegsbahnhöfen waren nur einfache Rangierarbeiten zu verrichten. Der Großteil der Züge durchfuhr die Strecke, es gab nur sehr wenig "einbrechenden" Verkehr. Der Betrieb war für die beiden Linienfahrdienstleiter, die nach Richtungen getrennt arbeiteten, anhand des Zuglaufschreibers stets leicht überschaubar. Hätte man z. B. irgend eine der Hauptlinien im Ruhrgebiet auf diese Weise steuern wollen, wären die Linienfdl völlig überfordert gewesen!

Für epochal halte ich die Anlage allemal. Nur war die Personalersparnis am Anfang nicht so groß wie es scheinbar möglich war. Es gab anfangs noch zahlreiche schienengleiche Bahnsteigzugänge, die durch Haltepunktwärter gesichert wurden. Außerdem blieben die kleinen (ferngesteuerten) Bahnhöfe zumindest in der Tagschicht besetzt, denn es mußten ja auch Fahrkarten verkauft und Güter abgefertigt werden. Erst im Laufe mehrerer Jahrzehnte wurden die Bahnsteigzugänge nach und nach so umgebaut, daß nur noch Neumarkt und Parsberg besetzt blieben, und das auch nur, weil eine Fernbedienung im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen war. Umbauten an der Anlage gestalteten sich schwer, weil - und das ist bei einer "Nullserie" verständlich - vieles Einzelanfertigung war. Das Ganze wurde eben in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft, egal wie!

Die Anlage hatte zahlreiche Besucher. Der Hersteller Siemens konnte danach einige Exportaufträge für diese Technik verbuchen und so auf dem Weltmarkt einen gewissen Marktanteil gegen die CTC-Marktführer General Railway Signaling Co. in Rochester, NY und Union Switch & Signal Co. in Swissvale, PA erreichen.

In einem seiner Signal & Draht-Artikel schreibt Dobmaier über die Betriebszentralen, man solle in den Basa-Gebäuden der Direktionssitze gleich genügend Räume für solche Zentralen vorsehen, man werde bald zu Ausführung schreiten! Nun ja, wie viele von Dobmaiers innovativen Vorschlägen blieben die Pläne irgendwo in den Mühlen der Bundesbahn stecken.

Wenn ihr im DB-Museum Nürnberg vom Hauptgebäude über die Straße am Zuführungsgleis entlang zur neuen Fahrzeughalle geht, kommt ihr durch den Innenhof der ehemaligen BD Nürnberg. Rechts des Weges steht ein trutziger Betonklotz, der Basa-Bunker. Darin stand das Linienstellwerk. Was ist daraus geworden? Für mich als Signalfreak waren die 2-3 Stunden darin viel schöner als das ganze Museum, bei dem mir nach den jünsten Umbauten nurmehr graust!

Martin Balser.