Nachdem tatsächlich jemand eine Fortsetzung gefordert hat (Danke, 52 2006!!!), will ich noch ein paar Eindrücke indischer Breitspur zum besten geben.
Wie bereits gesagt, der Breitspurdampf ging mit einer Geschwindigkeit zu Ende, daß es einem schwindelig werden konnte. Die Zentren waren vor allem im Norden des Landes zu finden: Richtig was los war 1993 im Punjab bis hinein in den Raum Delhi und Modarabad, in der Gangesebene nödlich von Patna, in West Bengalen und auch in der Nähe der Darjeelingbahn hatten wir so einiges gesehen. Neben einzelnen kleineren Einsatzgebieten natürlich, wie z.B. Varanasi. Bei meinem Zweiten Besuch 1997 war davon absolut nichts mehr zu finden. Breitspurdampf gab es nur noch auf diversen Industriebahnen, wie z.B. hier im Stahlwerk Kulti, nicht weit entfernt von Kalkutta. Drei Satteltankloks waren hier vorhanden, um innerhalb des recht verstreuten Werksgeländes ein paar Wagen Schrott durch die Gegend zu fahren. Ehrlich gesagt: ich muß mich einfach drauf verlassen, daß es sich um ein Stahlwerk handelt, denn irgendwelche Produktionshallen habe ich nicht zu Gesicht bekomen. Statt dessen fuhren wir mit dem Dienstwagen des Chefs durch eine Art Dschungel mit schwach erkennbaren Gleisen, wo wie zufällig herumliegende Schrottberge auf mindestens ebenso schrottige Niederbordwagen verladen wurden. Ein recht bizarrer Anblick, wenn über die völlig eingesumpften und zerfahrenen Gleise eine Dampflok daherkommt...
...um einen pufferlosen Wagen (Verfallserscheinungen!) aus dem Weg zu ziehen, damit dieser Dampfkran schaurig schwnkend hinterherzuckeln konnte!
Wohl gemerkt, das Ganze in einer regelrechten grünen Hölle, die so gar nicht zu einem Montanbetrieb passen wollte. Übrigens gab es noch die Manikpur Colliery in der Nähe von Bilaspur, die über eine ganze Reihe von Vorkriegs-Schlepptenderloks verfügte. Solche Typen wie eine XE waren auf der Staatsbahn auch 1993 schon längst nicht mehr zu sehen. Wir fuhren dennoch nicht hin – nicht, weil die Lust dazu fehlte, sondern die Indian Railways hatten uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Als wir gerade von Darjeeling zurück in Richtung Varanasi gekommen waren, um einen Zug in Richtung Bilaspur zu suchen, war gerade eben ein solcher Express just in der Nähe von Bilsapur von einer Brücke gestürzt. Die Folge: 95 offiziell zugegebene Tote. Der Grund für die Katastrophe las sich schaurig: „Discontinuity of Track“ – es fehlte vor der Brücke schlichtweg ein Stück Gleis!!! Natürlich war hierdurch die Strecke über Tage blockiert – und ein Umweg über Delhi hätte den gesamten Rest der Reise unmöglich gemacht. Also verzichteten wir auf Manikpur. Zum Trost sei aber trotzdem ein Bild einer XE gebracht, aufgenommen 1993 in der Zementfabrik Chunar in der Nähe von Varanasi.
Es war ein hartes Stück Arbeit, bis zur Lok vorzudringen: Erst war der Sicherheitschef des Werks nicht da, dann war Mittagspause, dann mußte erst einmal unser Ansinnen geprüft werden, dann ein Stündchen Smalltalk... Als wir endlich hinein kamen, stand die Sonne bereits völlig falsch und zu allem Überfluss hatte die XE gerade Auswaschtag, Aber im Gegensatz zur links stehenden WG war sie noch immer im Einsatz.
Doch genug davon – widmen wir uns dem „richtigen“ Betrieb. Man stelle sich vor: man stellt sich an eine Strecke und weiß, das alle Züge mit Pacifics bespannt werden. So etwas war 1993 im Punjab vereinzelt noch durchaus möglich. Da gab es die Stromlinienloks der Reihe WP in den BWs Modarabad, Saharanpur und Ludhiana, die leichteren WL in Firozpur und die Mikados vom Typ WG u.a. in Lakhsar und Bathinda. Eine sichere Bank für Stromlinie war die Strecke von Jalandhar nach Pathankot. Früh morgens ging es nach Jalandhar, abends zurück. Die Abendleistung hatte ich im ersten Teil gezeigt (die Doppelausfahrt mit der WL) , hier nun die morgendliche Hinleistung. Oje, die Lok hatte schon bessere Zeiten gesehen, als wir sie im März 1993 abgelichtet hatten! Mittlerweile hatte die Vekleidung etwas an Vollständigkeit eingebüßt und der Pflegezustand hätte auch besser sein können. Aber dennoch: wenn sie so im Morgendunst daherjagte – das war was!
Da wir erstaunlicherweise einen extrem fähigen und vor allem: begeisterungsfähigen Taxifaherer zwecks Zugverfolgung angeheuert hatten, sind an diesem Morgen gleich mehrere brauchbare Aufnahmen entstanden. Und dann – wir befinden uns im Punjab! – fand all dies in einer sehr gepflegten Gegend statt, deren Bewohner sehr nett und gebildet waren. So machte Zugverfolgen Spaß! Hier zum Beispiel kachelte die WP bereits lautstark im Hintergrund herum. als plötzlich ein Bus bis an die Schranke heranrollte. Als ich leicht entsetzt den Fahrer bat, eventuell 5 Meter zurückzusetzen könne, erntete ich nicht etwa das erwartete fassungsloses Staunen, sondern hörte nur „of course, Sir, I don´t want to spoil your foto!“ Und schwupps, war der Bus weg. Hier das Resultat:
Einige Minuten später ging es mit Volldampf weiter. So eindrucksvoll wie hier hatte ich eine WP leider nie wieder erlebt – genau genommen hatte ich danach nur noch eine einzige in Delhi zu Gesicht bekommen, und das bei recht trübem Wetter.
WPs fuhren auch von Ludjhiana nach Lohian Khas. Hier hatten wir zwar eigentlich eine WL erwartet, aber wir wollten und auf keinen Fall beklagen. Dieser Tag litt stark unter dem völlig bescheuerten Chauffeur, der uns nicht nur mehrfach beinahe unter den Zug gesetzt, sondern uns auch um Haaresbreite eine Frontalkollision mit einem LKW besechert hätte. Egal, ein paar Aufnahmen haben wir dennoch hinbekommen. Hier eine Szene auf halber Strecke mit einem südwärts fahrendem Zug...
Und hier der unmittelbare Blick um 180 Grad gedreht mit dem Gegenzug. Wie man sieht, gibt es auch im Punjab andere Religionen als den Hinduismus. Die überhohe Mauer um die Moschee herum zeigt aber, das das Zusammenleben nicht unbedingt immer reibungslos funktioniert.
Der nächste Tag brachte fototechnisch rein gar nichts, weil angesichts des gerade stattfindenden Hollifestivals kein Taxi aufzutreiben war (ich berichtete im ersten Teil davon). Wie wir den Tag vertrieben und welche Folgen das hatte, entnehme man bitte ebenfalls dem ersten Teil. Falls jemand nicht glaubt, daß es tatsächlich ein Bier namens Godfather Superstrong High Power Beer gibt – bitte sehr, hier der Beweis
Von dem etwas anstrengenden Morgen danach sei hier diese von Firozpur nach Jalandhar bretternde WL gezeigt. Diesmal nicht mehr vom Bett aus aufgenommen, sondern nach einer Nerven- und Mageninhaltaufwühlenden Hochgeschwindigkeitsfahrt ein paar Kilometer weiter.
Einer der besten Orte Indiens in Sachen Breitspurdampf war Saharanpur. Falls sich jemand hier an das Foto mit der WG erinnert, deren Zug gerade gestürmt wird: hier der gleiche Zug ein paar Minuten später, nach Lokwechsel auf WP. Die Szene hat sich deutlich beruhigt, und sogar die, die hier Aussteigen wollten haben es trotz Ansturm der anderen endlich aus dem Zug heraus geschafft. Die Bahnsteigüberführung allein ist schon sehenswert. Endlich ein Bahnhof ohne Kloake zwischen den Gleisen!
Das BW hatten wir zwar schon, aber hier haben wir noch eine Szene mit eine WP aus Ludhiana. Nicht mehr alle Loks sind noch betriebsfähig, aber noch wird aller Orten repariert und geputzt...
Jetzt ein wenig Landschaft. Am Oberlauf des Ganges liegt die heilige Stadt Haridwhar, von wo aus zwei
Stichstrecken ins Gebirge nach Dheera Dhun und Rishikesh führen. Hier also endlich einmal Breitspurdampf und Berge! Selbst zwei Tunnels vervollständigen das Bild, jedoch sind die Fotos davon nicht unbedingt super geworden. Ich bringe also lieber zwei Aufnahmen jeweils direkt vor und hinter den Tunnels, die zwischen Haridwhar und dem Abzweigebahnhof liegen.
Hier wurden wir übrigens Zeuge, wie eine extrem wütende Hundemeute eine zunächst völlig entsetzte Horde Affen auf einen Baum jagte. Als sich die Affen kurz danach wieder beruhigt hatten, fingen sie in aller Ruhe an, die unten weiterhin herumtobenden Hunde bis zur Weißglut zu ärgern. Man muß dazu lediglich ein Stück weit den Stamm herunterrutschen und seinen Greifschwanz provozierend in genau der richtigen Höhe über den Hunden hin und her wedeln, daß sie so eben nicht hineinbeißen können – in etwa wie in Tom-und-Jerry–Filmchen. DAVON hätte ich dann doch gerne Video gemacht... Zum Glück fanden die Hunde gewisse Fotografen überhaupt nicht interessant!
An dieser Stelle wollen wir nun den Punjab verlassen. Weiter geht´s im nächsten Teil mit WG´s in West Bengal und den letzten Hauptstreckeneinsätzen auf Meterspur in Rajastan.
Beste Grüße, Christoph