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Unerfreuliche Bildvergleiche aus Freudenberg (m4B)

geschrieben von: Der Bergische

Datum: 24.08.06 00:12

Freudenberg ist eine Kleinstadt in südwestlichen Siegerland, heute verkehrsmäßig bestenfalls noch bekannt durch gleichnamige Abfahrt an der Autobahn A 45 „Sauerlandlinie“. Einst war die Stadt mit dem malerischen Kern aus hübschen Fachwerkhäusern durch eine Eisenbahnstrecke mit der Sieg-Strecke Siegen – Köln in Kirchen/Sieg einerseits und über Olpe/Attendorn mit der Ruhrsiegstrecke Hagen – Siegen in Finnentrop verbunden; der Knoten Olpe bot darüber hinaus Fahrmöglichkeiten in Richtung Gummersbach und Köln.

Die Strecke Kirchen/Sieg – Freudenberg – Olpe – Attendorn – Finnentrop war stets zweigeteilt. Einerseits in den Ast von Freudenberg in Richtung Kirchen/Sieg, andererseits in den Ast von Olpe nach Finnentrop. Dazwischen, also im Abschnitt Freudenberg – Rothemühle – Gerlingen – Olpe war das Verkehrsbedürfnis wegen der geringen Bevölkerungsdichte und der landwirtschaftlich-forstwirtschaftlichen Ausprägung eher unbedeutend. Hinzu kamen topografische Schwierigkeiten, die nicht nur den Bahnbau von Freudenberg in Richtung Olpe erschwerten, sondern auch schwere Durchgangszüge eher behinderten. Mit anderen Worten: Freudenberg – Olpe war stets eine Strecke, die Grenzen zu überwinden hatte, die immer stark trennend wirkten.


http://img169.imageshack.us/img169/1162/freudenberg01iy6.jpg

Wir schreiben den 8. März 1980, als die Betzdorfer Schienenbus-Einheit (795 456 + 995 514 + 420 + 795 542) als N 6644 Olpe – Betzdorf den Bahnhof Freudenberg erreicht. Damals war die Eisenbahnwelt auch im Asdorftal noch halbwegs in Ordnung, obwohl das dortige Bahnhofsumfeld seinerzeit schon alles andere als einladend war. Bemerkenswert ist das kleine Flügelsignal in Richtung Olpe, das unmittelbar vor der Straßenbrücke steht. Nachdem die Strecke diese Brücke unterquert hat folgt ein Einschnitt, nach der Stillegung zugeschüttet wurde. Zur Orientierung sollte man auch dem unmotiviert endenden Bordsteinfragment rechts Beachtung schenken, das im Vergleichsbild zur Orientierung dienen kann.



http://img381.imageshack.us/img381/7049/freudenberg01asi2.jpg

Nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem vorhergehenden Bild findet man auf dieser Abbildung. Üppiges Grün, nein, unterlassene Pflege des Selbigen hat sich inzwischen des linken Areals bemächtigt. Ein Autohaus hat sich im Bereich, wo früher Gleise lagen, ausgebreitet und präsentiert dort mehr oder weniger lieblos (verkaufsfördernd?) einige Ladenhüter. Von der Straßenbrücke im Hintergrund ist fast nichts mehr zu sehen, geschweige denn von der schönen Villa oberhalb. Aber der Bordstein, von dem schon die Rede war, ist im Unkraut längs der Straße noch schwach auszumachen. Jene Bordsteinkante ist aber auch fast schon alles, was von früher noch übrig geblieben ist. Man erkennt sien schwach links vom Schotterhaufen.



Besonders deutlich wird dies an der Tatsache, dass der Abschnitt von der Sieg bis nach Freudenberg in den 50er Jahren besonders ausgebaut wurde: Nein, keine hohen Geschwindigkeiten waren hier gefragt, sondern eine extrem dichte Haltestellenfolge, die der überwiegend in Straßennähe und durch die Ortschaften verlaufenden Schiene zur Behauptung gegenüber der Straßen-Konkurrenz dienten – ein Konzept, das viele Jahre lang mit den Schienenbussen VT 95 und VT 98 aufging, dann aber dem Individualverkehr und seinen Ansprüchen geopfert wurde. Der einst bedeutende Güterverkehr der Montan- und Schwerindustrie im Tal der Asdorf hat sich bereits weitgehend verabschiedet, als die Bürger durch die Wahl des eigenen Pkw der Strecke den endgültigen Todesstoß versetzten – immer unterstützt durch ebenso einfältige wie eilfertige Politiker, die Umgehungsstraßen favorisierten, den parallelen Busverkehr stärkten und sich gegen einen privatisierten Pv-Weiterbetrieb der Strecke – denkbar wären als Betreiber immerhin die Westerwaldbahn oder die Siegener Kreisbahn gewesen – stemmten. So fand der Personenverkehr in den frühen 80er Jahren zwischen Olpe und Kirchen/Sieg schnell ein Ende, Güterverkehr gab es eh nur von Kirchen aus bis Freudenberg, und der war dann auch alsbald „erledigt“.

Was blieb war eine desolate Infrastruktur, an vielen Stellen durch Straßen und andere Baumaßnahmen unterbrochen und teilweise heute als Radweg genutzt.

http://img381.imageshack.us/img381/7705/freudenberg02pw5.jpg

Die Betzdorfer 052 908 steht am frühen Morgen des 29. August 1975 im Bahnhof Freudenberg vor der Übergabe 69809 in Richtung Betzdorf. Die Sonne scheint noch gegen 6 Uhr früh nicht richtig über den Höhenzug, so dass der ausfahrende 798 nur teilweise im Licht ist. Obwohl die Bahnhofsgleise seinerzeit schon leicht gestutzt waren, wirkt der Bahnhof mit seinem Portal-Ladekran noch einigermaßen komplett. Die Güterwagen wird die 50er auf ihrer Rückfahrt in Richtung Betzdorf auf mehrere Gleisanschlüsse verteilen. Danach fährt sie leer von Niederfischbach nach Betzdorf, um im dortigen Bw Wasser zu nehmen.



http://img169.imageshack.us/img169/619/freudenberg02aan9.jpg

Muss man zu diesem Bild noch viele Worte verlieren? So stellte sich die Situation vor ein paar Wochen dar. Eine Brache. Wahrscheinlich wird in den kommenden Wochen die Freifläche noch mit irgendeiner Fürchterlichkeit belegt werden – ein Lagerplatz oder ein Parkplatz schweben mir spontan vor. Im ehemaligen Empfangsgebäude befindet sich noch eine Gaststätte, große Teile des Gebäudes sind aber auch – wie der Vorplatz und Teile des Gleisfelds – von einem Autohaus belegt. Schöne neue Welt...


Der Bahnhof Freudenberg, von dem hier „bildlich die Rede“ sein soll, war offenbar hinsichtlich seiner (Rand-)Lage zur Stadt hin nie eine erste Adresse, sondern stets eine Art notwendiges Übel. Die Umgebung lässt noch heute diesen Rückschluss zu, obwohl dies vor 80 Jahren vielleicht nicht so krass in Erscheinung getreten sein muss – wer weiß... Heute jedenfalls gehört das frühere Bahnhofsgelände zu den von Autohäusern, leicht merkwürdig wirkender Gastronomie, von alter Schmuddelindustrie und modernem Beton-Gewerbebau geprägten Gegenden, die einem das Fürchten lehren können. Es fehlt natürlich auch nicht die charakteristische Würze aus Brachfläche, Erdreichhügeln und zusammengeschobenem Gemüllke – alles in allem also ein Ort, dem man sich in fotografischer Hinsicht nur mit Widerwillen und einem gewissen Maß an Abscheu nähert; insbesondere natürlich dann, wenn man zumindest die leicht besseren Verhältnisse in den 80er Jahren noch in Erinnerung hat.

Genau mit diesem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend war ich vor ein paar Wochen in Freudenberg, um an alte Erinnerungen anzuknüpfen. Zwei dieser im Bild festgehaltenen Erinnerungen präsentiere ich hier – im Kontrast zu den unlängst entstandenen Aufnahmen. Man sagt immer, dass das Bessere der Feind aller guten Dinge sei. Wenn man dieses Sprichwort anhand der Freudenberger Bilder verifizieren wollte, könnte man schwer ins Grübeln geraten...

In diesem Sinne wünscht ebenso tiefgreifende wie weitreichend Erkenntnisse beim Lesen und Betrachten

Der Bergische!



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2006:08:24:00:24:44.

deprimierend :/ (o.w.T)

geschrieben von: -kbf-

Datum: 24.08.06 00:17

(Dieser Beitrag enthält keinen Text)

Derlei unerfreuliche Bildvergleiche stimmen immer ...

geschrieben von: Rübezahl

Datum: 24.08.06 00:49

... nachdenklich. Ich kenne die Strecke auch noch und habe ein wenig Foto- und Filmmaterial.

Gerade solche Strecken waren es, die mich zum Eisenbahnfreund werden ließen. Die heute noch betriebenen Nebenbahnen mit den gerupften Gleisanlagen, den häßlichen, neuen Bahnsteigen samt Plumspunkt reißen mich überhaupt nicht vom Hocker. "Sei froh, daß da noch was fährt", noch weniger, denn das, was da kommt hat mit meiner Eisenbahn eigentlich nur noch die Spurweite gemeinsam !

Der Schnitt heute ist für mich wesentlich härter als seinerzeit der Abschied vom Dampf. Und zum Ablichter von Werbeflächen auf Elloks möchte ich nicht werden - dann lieber Bierdeckel sammeln, o.ä. ...

Sehr schöner krasser Fotobeitrag

findet

Rübezahl

Deine Einst-Jetzt-Vergleiche ...

geschrieben von: Norb€rtNL

Datum: 24.08.06 00:50

... haben für mich, bei (oder gerade wegen) aller Unerfreulichkeit, hohen dokumentarischen Wert. Wäre es nicht auf die Dauer eine Idee, aus einer Auswahl davon ein infrastrukturkritisches Buch zusammenzustellen und es, sagen wir mal, anlässlich des 'Börsengangs' von Die Bahn oder im Vorfeld einer der nächsten Kommunalwahlen feil zu bieten? Ich kann nur die Geschichte markttechnisch nicht so gut einschätzen im Moment. Aber mit guten Texten wie dem zu diesem Posting, wer weiss ... Übrigens, an entsprechenden Kommunalpolitikern mangelt es in der Gegend, in der ich zur Zeit gerade lebe, auch nicht. Hier ist es die Strecke von Kleve über Kranenburg nach Nijmegen, deren gewiss sinnvolle Inbetriebnahme als private Lightrail-Verbindung mit allerlei einander verstärkenden Verhinderungsüberlegungen auf die endlos lange Bank geschoben wird.

Grüße,
Norbert



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2006:08:24:00:51:56.

Einst & jetzt Buch....

geschrieben von: Rally01

Datum: 24.08.06 06:00

Hallo Norbert,
auch wir versuchen schon seit 25 Jahren!!Politiker zu irgendwelcher Sachen zu überreden.
Bis hin zu Europa Abgeordnete ,quer durch alle Parteien.
Vergiß es!!!! Die denken alle nur an ihren Vorteil und sonst garnichts.
Und wenn dann wirklich mal ein Komunalpolitiker für irgendetwas zu begeistern ist, dann kann(oder will) er kein Geld locker machen,oder seine Kompetenz endet .....
Fazit: In Deutschland gibt es keine Bahnlobby .
meint
Rally

Das tut weh, ....

geschrieben von: Günter T

Datum: 24.08.06 12:06

Hallo Bergischer,

da stockt einem doch der Atem, wenn man den Bahnhof Freudenberg noch so im Kopf hat, wie man ihn vor knapp 30 Jahren kennen gelernt hatte: 795, 798, Köf ... Ganz zu schweigen von den Menschen, die dort arbeiten und reisen konnten.
Anpassung bzw. Veränderung muss sicherlich sein, aber so etwas wirft man doch - bildlich gseprochen - nicht einfach auf den Müll! Derartige Verachtung und Kurzsichtigkeit hat System; wir werden hiervon noch viel mehr erleben.

Danke für diesen Beitrag

Es grüßt
Günter

Re: Unerfreuliche Bildvergleiche ...

geschrieben von: Te

Datum: 24.08.06 13:35

... vom "Bergischen" lese ich immer wieder gerne. Denn es war ja nicht der erste und es wird hoffentlich (oder sollte ich besser leider sagen ?) nicht der letzte sein. Mit viel Ortskenntnis und tollen alten Erinnerungsbildern die die Gegenüberstellung erst möglich machen klicke ich bei Dir immer gern rein. Auch weil es immer was interessantes zu lesen gibt...
Eigentlich müßte man Deine Beiträge die Du hier eingestellt hast zu diesem Themenbereich mal auf einer (vielleicht) bergischen Webseite präsentieren wo sie dauerhaft übersichtlich zugänglich wären.

Das sich Politiker für die Bahn einsetzen werden - das werden wir wohl erst erleben, wenn das Auto aus irgendwelchen Gründen als das wahrgenommen werden muß was es ist: Nämlich ein Umweltzerstörer. Und wenn die Industrie merkt das sie mit den Autos und mit der Technik drumrum kein Geld mehr verdienen kann. Und wenn der Einzelne ebenfalls merkt das sich das Autofahren nicht mehr lohnt. Oder es gar verboten oder eingeschränkt würde. Es sind doch bitteschön nicht nur die Politiker die hier falsche Weichen stellen. Jeder einzelne Bürger, Autofahrer ist doch auf das Auto getrimmt. Und jeder schreit auf wenn das Autofahren teurer wird, Gebühren mehr werden usw. Kann sich ernsthaft jemand vorstellen auf das Auto zu verzichten ? Das dürften nur ganz, ganz wenige sein. Man hat sich selbst abhängig gemacht, da hilft kein Jammern. So aber wird weiter gewurstelt, werden Bahnstrecke stillgelegt und abgebaut. Solange bis nur das übrig ist was man mal in den siebziger Jahren ein "betriebswirtschaftlich optimales Netz" nannte.
Naja,- so ist das eben. Ich glaube nicht das sich daran in den nächsten Jahren viel ändern wird. Das gilt auch für die Bausünden die der "Bergische" immer so nett in seine Berichte "einpflegt" ...
Billig und Beliebig. Effizient - das muß es heute sein. Und so sieht es dann eben auch aus !
Gruß Thomas

Doch noch eine vorsichtig-erfreuliche Nachricht

geschrieben von: Der Bergische

Datum: 24.08.06 21:29

Einen Dank an diejenigen, die sich ein meinen Beiträgen erfreuen und dies hier auch in schriftlicher Form hinterlassen.

Überlegungen, solche Bilderpaare in größerem Umfang in einem Buchprojekt zu zeigen, bestehen schon seit einiger Zeit. Da ich selbst auch seit einigen Monaten verlegerisch tätig bin, sind mir die Probleme sehr wohl vertraut. Es gibt zur Zeit einen kleinen Silberstreif am Horizont, dass ein solches Projekt realistische Aussichten auf Verwirklichung in 2007 haben könnte - ganz bewußt vorsichtig ausgedrückt. Dafür wäre allerdings ein hohes Maß an Interesse seitens der Leserschaft notwendig. Und: Da ich selbst nur ganz bestimmte Regionen mit solchen Aufnahmen abdecken kann und das angedachte Buch dann regional durchaus beschränkt sein würde, könnte sich anderen Autoren - Verkaufserfolg einmal vorausgesetzt - damit eine Chance für weiterführende Bände aus anderen Gegenden bieten.

Soweit die bisherigen Überlegungen. Einen interessierten Verlag gibt es schon, aber Verträge sind noch keine geschlossen. Man wird halt sehen, was sich aus den bislang ernsthaften Gesprächen noch entwickeln wird.

Es grüßt

Der Bergische!

Begeisterung am Thema dürfte der ...

geschrieben von: Rübezahl

Datum: 25.08.06 01:41

... Wolfgang Herdam Fotoverlag in Gernrode/Harz finden. Dort wurde schon manches Thema angepackt, von dem die "Großen" meinten, es gäbe keinen Markt dafür.

Kontakt über [www.herdam.de].

Gruß ins Bergische

Rübezahl