Freudenberg ist eine Kleinstadt in südwestlichen Siegerland, heute verkehrsmäßig bestenfalls noch bekannt durch gleichnamige Abfahrt an der Autobahn A 45 „Sauerlandlinie“. Einst war die Stadt mit dem malerischen Kern aus hübschen Fachwerkhäusern durch eine Eisenbahnstrecke mit der Sieg-Strecke Siegen – Köln in Kirchen/Sieg einerseits und über Olpe/Attendorn mit der Ruhrsiegstrecke Hagen – Siegen in Finnentrop verbunden; der Knoten Olpe bot darüber hinaus Fahrmöglichkeiten in Richtung Gummersbach und Köln.
Die Strecke Kirchen/Sieg – Freudenberg – Olpe – Attendorn – Finnentrop war stets zweigeteilt. Einerseits in den Ast von Freudenberg in Richtung Kirchen/Sieg, andererseits in den Ast von Olpe nach Finnentrop. Dazwischen, also im Abschnitt Freudenberg – Rothemühle – Gerlingen – Olpe war das Verkehrsbedürfnis wegen der geringen Bevölkerungsdichte und der landwirtschaftlich-forstwirtschaftlichen Ausprägung eher unbedeutend. Hinzu kamen topografische Schwierigkeiten, die nicht nur den Bahnbau von Freudenberg in Richtung Olpe erschwerten, sondern auch schwere Durchgangszüge eher behinderten. Mit anderen Worten: Freudenberg – Olpe war stets eine Strecke, die Grenzen zu überwinden hatte, die immer stark trennend wirkten.
Wir schreiben den 8. März 1980, als die Betzdorfer Schienenbus-Einheit (795 456 + 995 514 + 420 + 795 542) als N 6644 Olpe – Betzdorf den Bahnhof Freudenberg erreicht. Damals war die Eisenbahnwelt auch im Asdorftal noch halbwegs in Ordnung, obwohl das dortige Bahnhofsumfeld seinerzeit schon alles andere als einladend war. Bemerkenswert ist das kleine Flügelsignal in Richtung Olpe, das unmittelbar vor der Straßenbrücke steht. Nachdem die Strecke diese Brücke unterquert hat folgt ein Einschnitt, nach der Stillegung zugeschüttet wurde. Zur Orientierung sollte man auch dem unmotiviert endenden Bordsteinfragment rechts Beachtung schenken, das im Vergleichsbild zur Orientierung dienen kann.
Nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem vorhergehenden Bild findet man auf dieser Abbildung. Üppiges Grün, nein, unterlassene Pflege des Selbigen hat sich inzwischen des linken Areals bemächtigt. Ein Autohaus hat sich im Bereich, wo früher Gleise lagen, ausgebreitet und präsentiert dort mehr oder weniger lieblos (verkaufsfördernd?) einige Ladenhüter. Von der Straßenbrücke im Hintergrund ist fast nichts mehr zu sehen, geschweige denn von der schönen Villa oberhalb. Aber der Bordstein, von dem schon die Rede war, ist im Unkraut längs der Straße noch schwach auszumachen. Jene Bordsteinkante ist aber auch fast schon alles, was von früher noch übrig geblieben ist. Man erkennt sien schwach links vom Schotterhaufen.
Besonders deutlich wird dies an der Tatsache, dass der Abschnitt von der Sieg bis nach Freudenberg in den 50er Jahren besonders ausgebaut wurde: Nein, keine hohen Geschwindigkeiten waren hier gefragt, sondern eine extrem dichte Haltestellenfolge, die der überwiegend in Straßennähe und durch die Ortschaften verlaufenden Schiene zur Behauptung gegenüber der Straßen-Konkurrenz dienten – ein Konzept, das viele Jahre lang mit den Schienenbussen VT 95 und VT 98 aufging, dann aber dem Individualverkehr und seinen Ansprüchen geopfert wurde. Der einst bedeutende Güterverkehr der Montan- und Schwerindustrie im Tal der Asdorf hat sich bereits weitgehend verabschiedet, als die Bürger durch die Wahl des eigenen Pkw der Strecke den endgültigen Todesstoß versetzten – immer unterstützt durch ebenso einfältige wie eilfertige Politiker, die Umgehungsstraßen favorisierten, den parallelen Busverkehr stärkten und sich gegen einen privatisierten Pv-Weiterbetrieb der Strecke – denkbar wären als Betreiber immerhin die Westerwaldbahn oder die Siegener Kreisbahn gewesen – stemmten. So fand der Personenverkehr in den frühen 80er Jahren zwischen Olpe und Kirchen/Sieg schnell ein Ende, Güterverkehr gab es eh nur von Kirchen aus bis Freudenberg, und der war dann auch alsbald „erledigt“.
Was blieb war eine desolate Infrastruktur, an vielen Stellen durch Straßen und andere Baumaßnahmen unterbrochen und teilweise heute als Radweg genutzt.
Die Betzdorfer 052 908 steht am frühen Morgen des 29. August 1975 im Bahnhof Freudenberg vor der Übergabe 69809 in Richtung Betzdorf. Die Sonne scheint noch gegen 6 Uhr früh nicht richtig über den Höhenzug, so dass der ausfahrende 798 nur teilweise im Licht ist. Obwohl die Bahnhofsgleise seinerzeit schon leicht gestutzt waren, wirkt der Bahnhof mit seinem Portal-Ladekran noch einigermaßen komplett. Die Güterwagen wird die 50er auf ihrer Rückfahrt in Richtung Betzdorf auf mehrere Gleisanschlüsse verteilen. Danach fährt sie leer von Niederfischbach nach Betzdorf, um im dortigen Bw Wasser zu nehmen.
Muss man zu diesem Bild noch viele Worte verlieren? So stellte sich die Situation vor ein paar Wochen dar. Eine Brache. Wahrscheinlich wird in den kommenden Wochen die Freifläche noch mit irgendeiner Fürchterlichkeit belegt werden – ein Lagerplatz oder ein Parkplatz schweben mir spontan vor. Im ehemaligen Empfangsgebäude befindet sich noch eine Gaststätte, große Teile des Gebäudes sind aber auch – wie der Vorplatz und Teile des Gleisfelds – von einem Autohaus belegt. Schöne neue Welt...
Der Bahnhof Freudenberg, von dem hier „bildlich die Rede“ sein soll, war offenbar hinsichtlich seiner (Rand-)Lage zur Stadt hin nie eine erste Adresse, sondern stets eine Art notwendiges Übel. Die Umgebung lässt noch heute diesen Rückschluss zu, obwohl dies vor 80 Jahren vielleicht nicht so krass in Erscheinung getreten sein muss – wer weiß... Heute jedenfalls gehört das frühere Bahnhofsgelände zu den von Autohäusern, leicht merkwürdig wirkender Gastronomie, von alter Schmuddelindustrie und modernem Beton-Gewerbebau geprägten Gegenden, die einem das Fürchten lehren können. Es fehlt natürlich auch nicht die charakteristische Würze aus Brachfläche, Erdreichhügeln und zusammengeschobenem Gemüllke – alles in allem also ein Ort, dem man sich in fotografischer Hinsicht nur mit Widerwillen und einem gewissen Maß an Abscheu nähert; insbesondere natürlich dann, wenn man zumindest die leicht besseren Verhältnisse in den 80er Jahren noch in Erinnerung hat.
Genau mit diesem merkwürdigen Gefühl in der Magengegend war ich vor ein paar Wochen in Freudenberg, um an alte Erinnerungen anzuknüpfen. Zwei dieser im Bild festgehaltenen Erinnerungen präsentiere ich hier – im Kontrast zu den unlängst entstandenen Aufnahmen. Man sagt immer, dass das Bessere der Feind aller guten Dinge sei. Wenn man dieses Sprichwort anhand der Freudenberger Bilder verifizieren wollte, könnte man schwer ins Grübeln geraten...
In diesem Sinne wünscht ebenso tiefgreifende wie weitreichend Erkenntnisse beim Lesen und Betrachten
Der Bergische!
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2006:08:24:00:24:44.