Liebe HiFo-Gemeinde,
wenig beachtet gibt es neben den gern fotografierten und besuchten mechanischen Stellwerken auch Drucktastenstellwerke, die inzwischen ein beträchtliches Alter erreicht haben. Um das älteste Spurplanstellwerk geht es heute: Das am 6. Mai 1956 in Betrieb genommene Stellwerk in Dillingen (Saar) wird 50 Jahre alt. Da ich am Wochenende offline bin, stelle ich den Beitrag schon heute ein. Hoffentlich bringt das vorzeitige Gratulieren dem noch in Betrieb befindlichen Stellwerk kein Unglück!
Zum Hintergrund: Die C. Lorenz AG geht zurück auf eine 1880 von Carl Lorenz in Berlin gegründete Telegraphenbaufirma. Später kamen Fernsprecher, Fernschreiber und Funkanlagen dazu, womit Lorenz neben der Post natürlich auch die Bahn belieferte. Der Stellwerksbau kam erst kurz nach dem Ende des 2. WK dazu und ist eng mit dem Namen Dr.-Ing. Wilhelm Schmitz verbunden. Dieser war lange Zeit bei Siemens&Halske (S&H) bzw. den Vereinigten Eisenbahn-Signalwerken (VES) tätig, er hatte sogar ab 1940 die Prokura für die VES. Zum 1. 4. 1949 aber wechselte er zur C. Lorenz AG, wurde Leiter der Eisenbahnsignalabteilung und trieb die Entwicklung einer Baureihe von Drucktastenstellwerken voran, mit denen Lorenz im Wettbewerb gegen S&H antreten konnte. Diese Zweiteilung des Stellwerksmarktes besteht noch heute: Siemens und Alcatel (die haben Lorenz übernommen) sind die Hauptlieferanten für Stellwerkstechnik der DB Netz AG. Erst langsam fassen weitere Anbieter wie Scheidt&Bachmann, Westinghouse oder Bombardier Fuß.
Lorenz arbeitete anfangs mit Krauss-Maffei (KM) zusammen: Die Innenanlagen (Stelltisch, Relaisanlage, Stromversorgung) kamen von der im Fernmeldeanlagenbau erfahrenen Lorenz, die Außenanlagen (Weichenantriebe, Signalmaste) von KM, die schon lange Zeit mechanische Stellwerke gebaut hatten. Zuerst baute man einige kleine Stellwerke, bei denen die Schaltung ähnlich wie bei S&H individuell nach den örtlichen Verhältnissen geplant werden mußte. Beide Firmen stellten fest, daß man die Planung vereinfachen mußte, auch unter Mehraufwand an Relais, um insgesamt billiger und schneller bauen zu können. Der Schlüssel dazu lag in der Spurplantechnik. Die Entwicklung lief bei Lorenz unter dem Namen TRICON, das steht für
triple connection, weil eine Weichengruppe drei Anschlüsse zu benachbarten Signal- oder Weichengruppen hat. Hier hatte Lorenz die Nase vorn!
Denn Siemens konnte erst etwa ein Jahr später sein erstes Spurplanstellwerk in Kreiensen in Betrieb nehmen. Lesen wir, was die Fachzeitschrift des Signalwesens berichtet:
und außerdem noch ein Bild des Stellwerksgebäudes aus einem anderen S+D-Beitrag von 1956:
Solange jeder Hersteller nur die erste Generation von Spurplanstellwerken baute, unterschied die Bundesbahn zwischen SpDrL und SpDrS (L = Lorenz, S = Siemens). Diese erste Lorenz-Bauart des Spurplanstellwerks bezeichnet man heute als SpDrL20, weil die Signallampen von 20 Watt Leistung verwendet wurden. Später wurden Lampen zu 30 Watt benutzt und noch manche andere Änderung zum SpDrL30 vorgenommen. Bei Siemens gab es SpDrS57 und SpDrS59. Dann verlangte die Bundesbahn ein einheitliches Lastenheft und gleiche Bedienung. Es entstanden die Bauarten SpDrL60 und SpDrS60, die über Jahrzehnte hinweg im größten Umfang bei der DB eingebaut wurden. Zusammenfassend spricht man manchmal von den SpDr60-Stellwerken, unter Auslassung der Herstellerangabe.
Seit einigen Jahren geht es den alten Dr-Stellwerken ebenso an den Kragen wie den mechanischen oder elektromechanischen Stellwerken mit Formsignalen. Gründe dafür sind Ersatzteilmangel, brüchige Isolation der Innenkabel aufgrund ausgegaster Weichmacher und Schäden in der Außenkabelanlage. Ich finde, diese Stellwerke verdienen ebenso die Aufmerksamkeit der Fotografen wie jene mit Formsignalen. Die Signalschirme der Haupt- und Sperrsignale unterscheiden sich noch deutlich von der 1969 eingeführten Einheitsform, die man bei den meisten SpDr60 findet.
Über das erste SpDrL-Stellwerk der DB schrieb ich kürzlich
hier.
Quellen:
[1] Signal+Draht 48(1956)12, S. 196ff.
[2] Festschrift 75 Jahre C. Lorenz AG, Stuttgart 1955