Gegen Ende der Semesterferien und kurz vor Beginn des Wintersemesters 1977/78 wollten meine Eltern einmal mehr Verwandte und Freunde in der DDR besuchen. Kurz entschlossen fuhr ich mit in der Hoffnung, wenigstens einige Eisenbahnfotos mitzubringen.
Zur Sicherheit fragte ich am Grenzübergang Herleshausen-Wartha nach, ob man Lokomotiven fotografieren dürfte. Die Auskunft des Grenzers stimmte mich froh: Man durfte – zumindest von Stellen, die der Allgemeinheit zugänglich waren.
Dann fuhren wir ein in die DDR – mit unserem silbernen BMW 3,0 S erregten wir überall Aufsehen. Erste Station war Erfurt. Während meine Eltern den Verwandtenbesuch absolvierten, machte ich den Bahnhof unsicher. Die Auskunft des Grenzbeamten im Hinterkopf traute ich mich, auf dem Bahnsteig Fotos zu machen.
Als erste Lok kam mir der kalt abgestellte Holzroller 211 001 (LEW 8958/61) vor die Flinte, der am 4.10.77 auf einem Abstellgleis zusammen mit weiteren Lokomotiven Ruhepause hatte
(Bild 1)
Die Lüftergitteranordnung des Prototypen entsprach nicht der Serienausführung, wie ich mir bei Lok 211 085, die vis-à-vis stand, klarmachen konnte
(Bild 2)
Als weitere Lok fand ich 118 024 (LKM 275 024/64) vor, eine vierachsige V180
(Bild 3):
Die mir bisher bekannte Lok gleicher Loknummer war blau und hatte Froschaugen... ;-)
Als ich mich undrehte, stand ein Mann hinter mir (in Zivil), der mich fragte, was ich denn hier täte. Auf meine Auskunft "Lokomotiven fotografieren" wollte er mir weismachen, dies sei verboten. Dann entfernte er sich. Immer noch die Auskunft des Grenzbeamten im Hinterkopf machte ich weiter.
Lok 132 142 (LTS 0358/74), 110 384 (nein, keine Bügelfalte! LEW 12893/71) und 106 414 (LEW 11695/67) als "Rispe 13" mussten noch auf den Film
(Bilder 4 bis 6):
Dann kam der "Kollege" wieder und wollte meinen Ausweis sehen. Ich zeigte ihm aber nicht meinen Reisepass, sondern nur meinen BRD-Personalausweis, den er ausgiebig studierte. Dann – Gott sei Dank – gab er ihn zurück und entfernte sich, in meinem Magen ein mulmiges Gefühl hinterlassend.
Am nächsten Tag, dem 5.10.77, gings nach Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß. In Hilbersdorf wollte ich das Bw besuchen, konnte aber zunächst im Bahnhof Hilbersdorf die 254 078 (AEG 5482/42) mit einem gemischten Güterzug aufnehmen
(Bild 7):
Am Bw angekommen, hatte ich Pech, man wollte mich nicht einlassen. Also kehrt marsch und wieder zurück zum Auto. Oberhalb des Rangierbahnhofs hatte man aus dem Auto einen guten Überblick über das Gelände, und so sah ich 50 3027 (Esslingen 4518/42) mit Giesl-Ejektor vorbeidampfen. Mein Vater hielt schnell an und so entstand dieses
Bild 8:
Während ich von oben fotografierte, kam uns ein Trabbi entgegen, dessen Fahrer uns offenbar noch im Rückspiegel beobachtete. Er hielt an und wollte gerade zurücksetzen, als ich schnell ins Auto sprang und nur noch ausrief: "Nichts wie weg hier!". Und wieder stellte sich das mulmige Gefühl in der Magengegend ein – hoffentlich lassen die uns unbeschadet (und vor allen Dingen MIT Filmen) wieder raus!
Am 7.10.77 – nach Übernachtung in Brand-Erbisdorf, der Geburtsstadt meines Vaters und nach Erledigung der Umtausch- und Anmeldeformalitäten – stand Nossen auf dem Programm. Endlich ein Dampf-Bw, in das ich hinein und mich sogar frei bewegen durfte! Kein Fotografierverbot weit und breit!
Lok 50 3113 (MBA 14239/43) mit Quetsch-Esse und Scheibenradsatz stand am Wasserkran, der 26-er Tender wurde gerade aufgefüllt
(Bild 9):
Nach meinem Kenntnisstand waren die 23.10 bereits alle abgestellt. 35 1047 (LKM 123 047/58) stand leider ohne Tender und Treibstangen im Bw-Bereich und machte einen trostlosen Eindruck
(Bild 10):
Das Bw hatte als Heizlok die 50 2948 (Skoda 1360/42) zur Verfügung. Hier steht sie unter dem hohen Heizlokschornstein und schmaucht vor sich hin. Zur besseren Zugänglichkeit hatte man die letzte Kuppelachse ausgebaut
(Bild 11):
Dann wurde es laut nebenan und in 50 3113 kam Leben. Mit ziemlicher Rauch- und Qualmentwicklung machte sie sich davon, einen Güterzug zu übernehmen
(Bilder 12 und 13):
Praktisch zeitgleich und leise hatte sich eine weitere 50er herangeschlichen. 50 2146 (Franco Belge 2368/43) hatte einen Güterzug gebracht und kuppelte nun ab, um im Bw ihre Vorräte zu ergänzen
(Bilder 14 und 15):
Ob diese Lok mit Halbschürze und Scheibenradsatz wohl den Tender der 23 1047 (siehe Bild 10) mit sich führte?
Dann kam das Highlight des Tages. Aus Döbeln kam mit einem Güterzug 58 3037 (LiHo 2015/20, Reko aus 58 1943) herangefahren. Mit ihren Windleitblechen à la 01.5 und dem P10-Tender sah sie interessant aus
(Bilder 16 und 17):
Auch sie spannte ab und fuhr zum Restaurieren ins Bw
(Bild 18):
Auch einen Schrottlokfriedhof konnte man bieten. Einige Fotos möchte ich hier zeigen. Die Lok 50 2347 (Henschel 26678/42) mit ihrer Mittelschürze führte die Reihe an
(Bild 19):
Die Nächste, 58 1042 (Borsig 10211/18), war eine ehemalige Heizlok
(Bild 20):
Neben 35 1010 und 35 1106 stand auch noch 35 1037 (LKM 123 037/58) im Gelände
(Bild 21):
Ein letzte Schrottlokbild zeigt die –leider ziemlich unfotografierbar eingekeilte – 93 230 (Union 2315/17)
(Bild 22), die bis heute als Museumslok überlebt hat:
Wir mussten weiter, wollten wir doch noch in die sächsische Schweiz. Unterwegs überholten wir bei Niederwartha einen dampfgeführten Güterzug. Bei der nächsten Möglichkeit fuhr mein Vater rechts ran und ich schlug mich durchs Gebüsch. Und wer kam heran? Es war die bereits vom Morgen bekannte 50 3113 mit ihrem Güterzug. Im Bild sieht man noch das bekannte Elbe-Pumpspeicherwerk
(Bilder 23 und 24, 7.10.77):
Mit 50 3113 verabschiede ich mich bis zum Teil 2.
Schönen Abend noch!
Martin W.
Edit: Alle Bilder neu bearbeitet.
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