In diesem
Beitrag über meinem Besuch im Bw Emden hatte ich ja schon darauf verwiesen, dass mir bei der Fahrt in Lingen eine im dortigen Lokbahnhof angestellte 55er (pr. G 8.1) aufgefallen war. Auch auf der Rückfahrt habe ich darauf geachtet und zwei Fotos aus dem fahrenden Zug geschossen. Man weiß ja nie . . .
Jedenfalls war damit klar, was am kommenden Tag, also dem 02.07.1970, zu unternehmen war:
Der Stadt und vor allem dem Bahnhof Lingen war ein Besuch abzustatten.
Etwa um 10 Uhr war ich in Lingen und ging auf Suche nach der Lok. Nach einigen Irrungen und Wirrungen im Lingener Straßennetz hatte ich sie endlich gefunden.
Und da stand sie, meine erste 55er! Etwas gefleddert zwar, aber immerhin.
055 176-2 ex 55 4176 des Bw Duisburg-Wedau steht ausgemustert im Bereich des ehemaligen Lokbahnhofs Lingen.
Also 55 4176; damals wusste ich nichts über diese Lok, außer dem, was aus ihren Anschriften hervorging und aus dem EK, dass sie am 03.12.1969 ausgemustert worden war.
Aber schauen wir zunächst auf die Anschriften:
Ein schön gefertigtes Blechnummernschild, die angeschraubten Schilder für den abnehmbaren Schornsteinaufsatz und die schönen Schilder zur Beheimatung. Und nein: Ich habe bis auf ein einziges Mal nie Werkzeug auf meinen Fototouren bei mir gehabt. Die Schilder sind dann wohl mit der Lok in den Schrott gewandert.
Was wissen wir heute über 55 4176? Dank Ingo Hütter, Rolf Wiso, dem EK-Buch aus 1976, einigen Stationierungsverzeichnissen und ein paar eigener Unterlagen ergibt sich folgendes Bild:
Gebaut wurde die Lok im Jahre 1916 bei den Linke-Hofmann-Werken in Breslau mit der Fabriknummer 1321. Zugeteilt wurde sie der Direktion Kattowitz mit der Betriebsnummer 5243, nach Rolf Wiso erfolgte die Abnahme wahrscheinlich am 31.12.1916. 1922 (16.07. nach R. Wiso) erfolgt sie Umzeichnung in Oppeln 5243 und zum 01.01.1925 in 55 4176.
Einen ersten Beheimatungsnachweis gibt es zum 31.10.1925, da ist sie im Bw Kandrzyn stationiert.
Am 01.01.1943 taucht sie als Ostabgabelok/Frontlok auf Ausbesserung wartend in der HBD Süd auf.
Die klassische Ansicht von vorne, wenn da nicht ein paar Teile fehlen würden, z.B. die Kolben in den Zylindern, oder die Lampen . . .
Das Gebäude rechts hinten gehört zum Lokbahnhof Lingen.
Ende September 1944 tauchte unsere Lok dann als Schadrückführlok in der RBD Münster auf, wird repariert und im November 1944 in die Niederlande als Leihlok abgegeben. Nach Ende des Krieges verblieb die Lok bei den NS und erhielt zunächst die Nummer NS 4325, die im Oktober 1945 auf NS 4125 geändert wurde.
Wurde die Mehrzahl der bei den NS verbliebenen deutschen Loks im Jahre 1947 über die RBD Münster (Bw Gronau und Rheine) zurückgegeben, kam 55 4176 am 09.09.1947 wohl gleich an die RBD Essen.
Viel ist auch hier am Tender nicht mehr dran, aber wenigstens noch eine Laterne. Schön zu sehen ist auch der Hebel, an dem der Seilzug angreift, damit vom Führerstand aus der Deckel über dem Einlauf des Wasserkastens geöffnet werden kann. Rechts in den Gleisen ist die Schlacke- oder Untersuchungsgrube des Lokbahnhofs zu erkennen.
Im Jahre 1950 befand sie sich im Bw Duisburg-Ruhrort Hafen, dort nachgewiesen für die Stichtage 01.07.1950, 15.09.1952, 15.11.1952. Vermutlich im Jahre 1953 (Notiz von Herrn Oesterling: 11.1953) wurde sie zum Bw Duisburg-Wedau umgesetzt und verblieb dort vermutlich durchgehend bis zur z-Stellung am 26.09.1969. Jedenfalls kann sie an den folgenden Stichtagen im Bw Wedau nachgewiesen werden: 28.08.1958, 31.12.1958, 19.11.1960, 31.12.1962, 06.1964, 31.12.1964, 31.12.1966, 31.03.1967, 31.12.1967. Ab dem 01.01.1968 trug sie dann die neue Nummer 055 176-2, die vermutlich aber erst im Laufe des Jahres 1968 montiert worden ist. Am 03.12.1969 erfolgte dann, wie schon erwähnt, die Ausmusterung.
In bestem Licht präsentiert sich hier die Maschine, sähen nur die Zylinder nicht so hohl aus . . .
Auch der Tender hat einige Reparaturen über sich ergehen lassen müssen.
Das AW Lingen war zuletzt Unterhaltungswerk für die Loks der Baureihe 55.25, von denen 1966 noch 95 Stück im Erhaltungsbestand waren, verteilt auf die Direktionen Essen 25, Frankfurt 10 und Köln 70. Vermutlich im AW Lingen hat auch unsere 55 4176 in ihrer Zeit beim Bw Duisburg-Wedau Rangierfunk erhalten.
Leider habe ich weder in Rheine noch in Lingen Anfang der 70er Jahre weitere G 8.1 gesehen, die dort zur Reparatur weilten oder auf dem Weg nach/von dort waren.
Schöne Ansicht, aber es fehlen doch viele Teile, die Steuerung, die Treibstange, sogar eine Kuppelstange. Aber Luftpumpe und Druckluftkessel sind noch vorhanden, ebenso wie die Glocke hinter dem Schlot. Auf diesem Bild ist auch mehr vom ehemaligen Lokbahnhof Lingen zu erkennen. Es handelt sich um einen drei- oder viergleisigen Ringschuppen, selbst die Drehscheibe liegt noch zu diesem Zeitpunkt, deren Durchmesser ich max. auf 16 m schätze.
Wenn man aber schon mal die Gelegenheit hat, eine Lok in aller Ruhe zu inspizieren, dann sollte man das auch tun. Und die Gelegenheit habe ich genutzt.
Ein Blick vom Tender ins Führerhaus offenbart, dass auch hier einiges abgebaut worden ist, was wohl noch wieder zu verwenden war. Schauen wir trotzdem mal genauer hin: Da fällt uns zunächst das Rohr im Tender auf, hierin wurden die mitzuführenden Schürgeräte gelagert. Deutlich ist der eingenietete Feuerlochring zu sehen in der Stehkesselrückwand. Schräg links darüber befindet sich das Mehrfachventil für die Nässeinrichtungen (Rauchkammer, Aschkasten, Kohlekasten). Die Kohlenässeinrichtung ist hier noch vorhanden und in der Mitte des Abschlussblechs des Führerhauses zu erkennen. Schräg rechts oberhalb des Mehrfachventils befindet sich das Wasserstandsglas. Die zweite erforderliche Wasserstandsprüfeinrichtung ist hier auf der Lokführerseite in Form von drei Prüfhähnen zu sehen. Zwischen diesen beiden Einrichtungen ist noch das Kesselschild erkennbar, dessen Daten ich mir leider nicht notiert habe. Links am vorderen Ende des Kohlenkastens des Tenders ist noch das Gestänge der Wurfhebelbremse zu sehen.
Wenn uns das Feuerloch schon so anlacht, werfen wir doch mal einen Blick hinein. Unten ist der für preußische Loks typische lange schmale Rost zu sehen, links und rechts die Stehkesselseitenwände und vorne die Front, die in die Rohrwand übergeht. Hinter allen Kreisen, bis auf die Rohre, verbergen sich die sogenannten Stehbolzen.
Die Kamera etwas höher gerichtet zeigt die Stehkesseldecke und die Rohrwand. Die Rohre größeren Durchmessers sind die Rauch-, die kleineren Durchmessers die Heizrohre. Im Übrigen, diese beiden Innenaufnahmen sind ohne Blitz entstanden.
Zum Schluss sollen dann auch die Blicke aus den Frontfenstern der Heizer- und Lokführerseite nicht fehlen, links die Heizer-, rechts die Lokführerseite. Wie zu sehen, fehlt der Vorwärmer auf dem Umlauf der Heizerseite, dafür gibt es gute Sicht nach vorne. Während der Lokführer doch die dicke Luftpumpe im Blickfeld hat.
Falls allerdings jemand die Betriebsbuch-Daten dieser Lok abgeschrieben haben sollte, ich würde mich über genauere Informationen sehr freuen.
Viel Spaß und
beste Grüße
Hartmut
Bilder restauriert von Benutzer Riedemann Archiv am 12.12.2016; Bearbeitung: uk-old
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