Vor fast 30 Jahren fassten Klaus Scholz, einer meiner Eisenbahnfreunde, und ich den Plan, Dampflokfotos in Südtirol und Oberitalien zu machen. Bekannt war, dass in einigen Depositi (Deposito = Bahnbetriebswerk der FS) noch mehrere Dampfloks unter Dampf standen und die Baureihenvielfalt noch recht groß war. Allerdings waren die Zugleistungen eher mager.
Zur Planung gehörte eine Anmeldung bei der FS in Rom, von wo aus eine Fotoerlaubnis per Telegramm gerade noch rechtzeitig eintreffend erteilt wurde. Diese Fotoerlaubnis öffnete uns dann tatsächlich alle Türen.
Die Reise wurde mit Vater Scholz' rotem Käfer (Ihr wisst schon: digitale Heizung: heiß – kalt, Scheibenwaschwasserbehälter unter Druck vom Reservereifen, keine Tankanzeige, dafür auf Reservetank mittels Fußhebel umschaltbar, was auch beim Überholvorgang am Berg natürlich benutzt werden musste...) durchgeführt und sollte am 26./27.9.76 mit einem Besuch in Murnau, Oberammergau und Garmisch beginnen (davon ein anderes Mal). Am 28.9.76 gings dann über Innsbruck via Brennerstraße und Jaufenpass nach Merano (Meran).
Dort erwartete uns bereits die erste FS-Dampflokomotive, eine Lok der Gruppe 740 (1'Dh2-2'2'T22, Vmax 65km/h, 980PS, 116,6t Gesamtgewicht, 470 Lokomotiven), die Lok 740.293, von OM 1920 gebaut, die im Deposito neben dem schönen Sheddachschuppen – leider kalt – fotografiert werden konnte (
Bild 1):
Die Lok war – für Südtirol sicher nicht untypisch – mit einem Schneepflug unter der Pufferbohle ausgerüstet. Im Schuppen standen – leider unfotografierbar – einige Schätze des italienischen Eisenbahnmuseums, unter anderem auch die 422.009, eine ehemalige G8. Bemerkenswert im Bild auch die mit einem Schwinghebel ausgerüstete Handweiche.
Nächste Station war Bolzano (Bozen). Im Areal des Deposito "tummelten" sich leider nur zwei Dampfloks. Die eine – 740.038, von OM 1911 gebaut – ist hier zwischen den Kohlenbergen im
Bild 2 zu sehen:
940.022 – die andere – gehörte zur Gruppe 940 der 1'D1'h2t-Tenderloks (gebaut von OM 1922, 65km/h, 980PS, Dienstgewicht 87,3t) und könnte fast als italienische 93er bezeichnet werden. Der Langkessel ist mit dem der Gruppe 740 austauschbar.
940.022 schmaucht hier zwischen Kohlebergen vor der Drehscheibe vor sich hin, die im Hintergrund noch zu erahnen ist (
Bild 3):
Bild 4 erlaubt uns einen Blick ins nächste Deposito. Wir befinden uns mittlerweile in Trento (Trient), wo 940.019 (OM 1922) auf dem Kanal steht und mittels Wasserkranschlauch betankt wird. Auch diese Lok besitzt einen Schneepflug:
Abschmierarbeiten und kleinere Reparaturen werden vom Personal gerade erledigt,
Die interessante Lokschuppenanlage mit ihren nicht minder interessanten Fahrzeugen (links vielleicht ein Aln 556, rechts eine E424) hatte uns nicht weiter aufgehalten, es waren ja keine Dampfloks....
In der Zwischenzeit, während wir 940.019 von allen Seiten bewunderten, machten sich die beiden Kameraden vorne an der Lok zu schaffen... (
Bild 5)
....um die Rauchkammer zu öffnen und auch hier nach dem Rechten zu sehen (
Bild 6):
Wunderschön, dieser Wasserkran mit Schlauch, nicht wahr? Und wie man die Loks bekohlte, kann man rechts im Bild auch noch erahnen...
Zum Lokschuppen mussten wir aber trotzdem noch gehen, denn drinnen standen noch zwei weitere 940er: 940.041 (Reggiane 1922) und 940.038 (Reggiane 1922), eine mit, eine ohne Schneepflug, waren dort zu entdecken (
Bild 7):
Der Tag neigte sich, und wir mussten weiter. In Verona Porta Vescovo (hoffentlich habe ich das richtig geschrieben), im Ausbesserungswerk, wurde ein amerikanisches Kriegsüberbleibsel der Gruppe 736, die 736.047, als Heizlok vorgehalten. Sie entstammte dem USATC, war dort unter der Nummer 2738 eingereiht und wurde von Baldwin 1943 hergestellt. Im Jahre 1948 verblieben insgesamt 243 Lokomotiven bei der FS (1'Dh2-2'2'T24,6, Vmax 70km/h, 1250PS, 122,3t Dienstgewicht), von denen 1979 noch immerhin 7 Lokomotiven bei der FS existierten (
Bild 8):
Als eines der letzten Bilder vom 28.9.1976 entstand im Bahnhof Verona das erste Bild einer "Signorina", wie die Loks der Gruppe 625 genannt wurden. 625.028, von Ansaldo 1911 gebaut, musste bereits mit sehr langer Verschlusszeit belichtet werden. Das Bild wollte ich Euch dennoch nicht vorenthalten (
Bild 9):
Die Gruppe 625, eine 1'Ch2-3T12 Schlepptenderlok, (Vmax 80km/h, 800PS, Dienstgewicht 85,8t) wurde in den Jahren 1910 bis 1922 von den Lokfabriken Saronno (der italienische Ableger der MF Esslingen), Ansaldo, OM und sogar Schwartzkopff (Filiale in Venedig) in insgesamt 188 Exemplaren hergestellt. Besonders auffallend und für uns Eisenbahnfreunde ungewöhnlich waren die Innenzylinder, die das Erscheinungsbild der Lokomotiven stark beeinflussten.
Der folgende Morgen (29.9.1976) startete bei mäßigem Wetter in Treviso. Im Deposito verschob bei unserer Ankunft 740.187 (OM Napoli 1915) ihre kalte Schwesterlok 740.406 (Reggiane 1921) (
Bild 10):
Und wieder eine neue Baureihe: Lok 880.002 (Breda 1636/16) verschiebt im Deposito einen Kesselwagen. Die Gruppe 880 umfasste nach meinen Unterlagen 60 Maschinen (1'Ch2t, Vmax 75km/h, 500PS, Dienstgewicht 51,7t,
Bild 11), weitere 17 wurden aus der Gruppe 875 in den Jahren 1931 bis 1933 umgebaut und erhielten die Betriebsnummern 880.101 – 217:
Dass das Acqua nicht potabile war, sondern mit Chemie "aufbereitet", konnte man sich eigentlich denken. Und wie lange mag die Lok mit ihren abgefahrenen Radreifen wohl noch im Einsatz gewesen sein?
Noch eine weitere 880er wurde im Verschiebedienst angetroffen: Lok 880.054 rangiert erst einige E-Wagen und entzieht sich danach rückwärts im Eilmarsch den Fotografen (
Bilder 12 und 13):
Vermutlich war auch der abgefahrene Zustand der Treibräder 880.022 (Breda 1922) zum Verhängnis geworden. Hier steht sie abgestellt im Deposito Treviso (
Bild 14) und bietet einen traurigen Anblick:
Trotz des traurigen Anblicks wünsche ich Euch noch einen schönen Abend. Teil 2 folgt in Kürze.
Martin W.
Eintrag editiert (07.02.06 19:41)
Edit: Bilder überarbeitet
Edit2: Schreibfehler
Edit3: USATC-Loknummer der 736.047 sowie FS-Stückzahl der Gruppe 736 berichtigt
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 2020:02:16:16:20:30.