Genau jetzt vor 31 Jahren startete ich zu einer mehrtätigen Studienreise an die Erzbergbahn in der österreichischen Steiermark. Nun ist eine Studienreise naturgemäß keine Fototour, bei der die Motive sorgfältig aussucht werden können. Aber auch so vermitteln die damals entstandenen Bilder einen guten Eindruck vom harten Winterbetrieb mit Zahnrad-Dampfloks in einer grandiosen Umgebung. Und so oft war die Erzbergbahn ja auch noch nicht Thema im HiFo.
Ein paar Worte zur Vorgeschichte: Zu jedem Maschinenbaustudium gehört eine große Studienarbeit, die meist gegen Ende der Studienzeit im Fach der Vertiefungsrichtung angefertigt wird - in meinem Fall die Schienenfahrzeugtechnik. An der TU Hannover war es üblich, dass man als Student selbst einen Themenvorschlag unterbreitete - und damit fingen die Probleme schon an. Bis mir schließlich eine Idee kam, zu der ich mich heute noch beglückwünsche: Nach einigem Hin und Her konnte ich zwei weitere Kommilitonen meines Jahrgangs dazu bringen, zusammen mit mir ein Themenbündel zu bearbeiten, das die österreichische Erzbergbahn zum Inhalt hatte:
- Umstellung der Erzbergbahn auf Reibungsbetrieb und Konzeption einer Diesellokomotive (mein Thema)
- Entwurf einer elektrischen Lokomotive für einen Reibungsbetrieb und Konzeption der Energieversorgungsanlagen
- Optimierung der Betriebsabläufe bei reinem Reibungsbetrieb
Nachdem die Themen in trocken Tüchern, d.h. anerkannt und genehmigt waren, wurde die nächste Stufe des Vorhabens in Angriff genommen: Eine Studienreise (gesponsert von der Uni) an den Ort des Geschehens. Und da sowohl die Mitschreiber als auch der betreuende Assistent mehr oder minder mit dem Eisenbahnvirus infiziert waren, gelang auch dieses.
In Vorbereitung auf die Reise und natürlich auch für die Studienarbeit wurde zunächst intensiv die einschlägige Literatur gesichtet und Unterlagen und sonstige Informationen eingeholt. Aus diesem Material zeige ich eine
Übersichtskarte, die das Abbaugebiet am Erzberg und Umgebung zeigt. Die Erzbergbahn führt südlich um den Erzberg herum. Der Umschlag auf die Bahn erfolgt in den Verladestellen Eisenerz und Erzberg. Die in Erzberg verladenen Züge wurden grundsätzlich alle auf direktem Weg über den Berg und die Passstation Präbichl zum Stahlwerk nach Leoben-Donawitz geführt.
Aus der "Vorschrift zum Betrieb der Nebenbahn Vordernberg – Eisenerz (Zahnradbahn)" stammt das
Höhenprofil der Strecke. Auch wenn die maßgebliche Steigung auch in den Zahnstangenabschnitten generell knapp unter 70‰ liegt, auf der Südrampe zwischen Glaslbremse und Präbichl beträgt die maximale Steigung 73,7 ‰. Das ist deutlich mehr als der Grenzwert von 70 ‰, bis zu dem heute üblicherweise im Reibungsbetrieb gefahren wird.
Interessant für mich waren auch die technischen Unterlagen über die Diesel-Zahnradlok der ÖBB Baureihe 2085 (urspr. als 2097 vorgesehen), Werksbezeichnung
LDH1100, die mir freundlicherweise von der SGP überlassen wurden. So richtig bewährt hat sich die Maschine nicht – schlecht für ÖBB und den Hersteller, gut für die Eisenbahnfreunde, denn sonst hätte es sicher keinen Dampfbetrieb mehr bis weit in die siebziger Jahre hinein gegeben. Da ich die Lok (um es vorweg zu nehmen) leider nicht vor die Linse gekriegt habe, hier ein Ausschnitt aus der Übersichtszeichnung der Maschine.
Am 26.01.75 ging es dann endlich los. Drei Studenten und ein Assistent besteigen in Hannover Hbf den D 499 "Beograd Express", Abfahrt 18:43 Uhr, durchgehend bis Leoben/Steiermark. Ob wir den Liegewagen benutzten oder es uns einfach nur in der 1.Klasse bequem machten (Fahrkarten wurden von DB bzw. ÖBB kostenlos gestellt), weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall war es eine sehr kurze Nacht, da wir passend zum Auftakt unserer Studienfahrt noch etwas zu feiern hatten.
27.01.1975
Schon die Fahrt von Leoben nach Vordernberg mit einer 1245 und Spantenwagen war ein Erlebnis für sich (leider fotografisch nicht festgehalten). Wann war ich das letzte Mal mit Zweiachsern im Regelbetrieb gefahren? Nach der Ankunft kurz ins Hotel, Anmelden, Frischmachen und auf zum ersten Programmpunkt: Besichtigung des Erzabbaus am steirischen Erzberg. Dazu mussten wir natürlich erst einmal mit dem Zug über den Berg nach Eisenerz fahren. Im Bahnhof Vordernberg steht P4105 bereit, bespannt mit
97.217, die für die Bergfahrt vorschriftsgerecht am talseitigen Ende des Zuges eingereiht ist. Wie auch einige andere Aufnahmen der Tour ist das Bild leider ziemlich verfärbt (schon von Anfang an), was auch mit den mittlerweile angeeigneten Kenntnissen der elektronischen Bildbearbeitung nicht ganz wett zu machen ist.
Auf der Bergstrecke ein erster Eindruck von der herrlichen Hochgebirgslandschaft, die uns mit Sonnenschein empfängt. Bei der Bergfahrt mit schiebender Lok war die Zugspitze durch den Zugführer besetzt, der dort lediglich über ein Notbremsventil verfügte und sich ansonsten per Hand- und Pfeif-Zeichen mit dem Lokpersonal verständigte. Nach dem Blick auf das Reichensteinmassiv zu urteilen, dürfte sich der Zug unterhalb der Betriebsstelle Gaslbremse befinden und damit knapp die Hälfte der
Südrampe bezwungen haben.
Beim Blick am Zug entlang zurück ins Tal kommt unsere
97.217 ins Bild, die sich mit diesem leichten Personenzug auch bei der Bergfahrt nicht allzu sehr anstrengen muss. Eine prächtige Dampffahne gibt es bei dem kalten Winterwetter aber trotzdem..
Im Bahnhof Präbichl ist der Scheitelpunkt der Strecke erreicht. Ab hier geht’s bergab und
97.217 setzt sich jetzt an die Spitze des Zuges, um entsprechend der Steilstreckenvorschrift talseits im Zugverband zu stehen. 97.217 gehört übrigens zu den mit Giesl-Ejektor ausgerüsteten Maschinen. Auffällig und auch ohne Ausschnittsvergrößerung zu sehen: Der Schornstein ist bereits total durchgerostet; ein Zeichen dafür, dass die Loks am Ende ihrer Nutzungszeit angelangt sind.
Im Bahnhof Erzberg passieren wir den mit
197.301 bespannten Erzzug Bzg 79932. Genau genommen ist sie die Schiebelok, die den (Halb-) Zug gleich zusammen mit 97.205 an der Zugspitze den Berg hinauf nach Präbichl bringen wird. Im Hintergrund sind die terrassenförmigen Abbausohlen des Erzbergbaus zu erkennen.
In den Talkessel des Städtchens Eisenerz scheint die Wintersonne selbst am frühen Nachmittag bereits nicht mehr. So muss Ellok-Oldtimer
1080.01 vom Bw Selzthal, der an diesem Tag den Rangierdienst im Bf. Eisenerz versieht, eben bei suboptimaler Beleuchtung aufgenommen werden.
Bei der anschließenden und hochinteressanten Besichtigung des Tagebaubetriebs habe ich leider keine Aufnahmen gemacht. Zu dunkel? Fotografieren verboten? Filmsparen? – ich weiß es nicht mehr. Ich zeige hier deshalb stellvertretend 2 Bilder aus dem umfangreichen Informationsmaterial der VÖEST Alpine, welches wir damals erhielten.
Das erste zeigt eine Gesamtansicht des Abbaugebiets am steirischen
Erzberg. Seit Anfang des 13. Jahrhunderts wird hier Eisenerz abgebaut, und zwar sowohl im Tagebau (überwiegend) als auch bergmännisch. Ein Ende ist vorerst auch nicht in Sicht, handelt es sich doch um das mächtigste Spateisenvorkommen in Europa.
Höchst eindrucksvoll war die Fahrt auf eine Abbausohle. Auch wenn das gar nichts mit Eisenbahn zu tun hat: Ein Bild der eingesetzten
Maschinerie möchte ich hier sozusagen off topic doch zeigen. Nach der Sprengung wird das lose Gestein mit Elektro-Baggern in riesige Muldenkipper verladen, zu einer Brechanlage gefahren, dort zerkleinert und anschließend das Erz durch Röstung oder Auswaschung separiert.
Mit dem letzten Zug wurde kurz nach 18:00 Uhr und bereits bei Dunkelheit die Rückfahrt nach Vordernberg angetreten.
Damit beende ich den ersten Teil meines Beitrags. Bis jetzt gab’s ja noch nicht allzuviel vom Dampfbetrieb am Erzberg zu sehen. Das wird in der nächsten Folge anders, denn am nächsten Tag stand eine Güterzug-Mitfahrt über die Zahnradstrecke zur Verladestelle Erzberg auf dem Programm. Da ging’s dann winterdampfmäßig richtig zur Sache. Bis dahin bitte ich um ein paar Tage Geduld.
Schönen Tag noch,
Ulrich B.
Nachtrag: weiter zum
nächsten Teil
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2021:01:07:13:57:52.