Die späten 70er Jahre waren bei vielen Eisenbahnfreunden durch zwei bittere Erkenntnisse geprägt: Bei der DB war der Dampf raus, und das heute schon wieder interessante und verschiedentlich gesuchte beige-türkise Gerümpel machte sich immer mehr breit. Damals suchte mancher sein Heil bei den Privatbahnen, die hinsichtlich ihrer Anzahl und ihrer Ausprägung natürlich mit den heutigen Privatbahnen nur wenig gemein haben. Der Betriebs auf den NE-Strecken war damals – auch ohne Pv – oft total interessant, weil die Zeit schon alleine vom optischen Eindruck her stehengeblieben zu sein schien.
Alltag auf dem Bahnhof Einbeck, vormals Salzderhelden: Aus Einbeck-Mitte ist der N 8503 mit der MaK-Lok V 601 der Ilmebahn eingetroffen. Fahrgäste und Zugbegleiter steigen aus, und ein dienstbeflissener Postbeamter schiebt seinen Karren, um die Sendungen in Emofang zu nehmen. Was für ein Bild anno 1978! Auch die Hinweisschilder verdienen, dass unsere Augen länger darauf ruhen und ihre Klarheit und Verständlichkeit aufnehmen. Nix Pictogramm oder sowas – damals wurde noch gelesen. Man achte auch auf die Pufferringe an der 1955 unter der Fabrik-Nr. 500017 gebauten Lok.
Die Diesellok hat inzwischen ans andere Ende des kurzen Zuges umgesetzt, um ihn zurück von Einbeck (= Salderhelden) nach Einbeck-Mitte zu bringen. Der Packwagen verdient an diesem wunderbaren Zug sicher besondere Beachtung. Der Postbeamte mit der Karre warten offenbar noch auf einen DB-Zug, um auch von diesem die Sendungen in Empfang zu nehmen. Wohltuend auch der historische DB-Keks über dem Zug.
Absolur sauber und aufgeräumt wirkt der Bahnhof Einbeck. Kein Müll, geinze vergammelten Gleisreste, keine zugewucherten Anlagen und erst recht keinerlei Graffity – ein Genuß schlicht und ergreifend!
Der hier soeben erst von deiner Gratulations-Kur genesene H.R. spielte seinerzeit den Motor, der den auch dem Bergischen den notwendigen Antrieb verschaffte, um die ein oder andere Bahn zu besuchen. Mitte August 1978 standen u.a. die TWE, die Hersfelder Kreisbahn, die Ilmebahn, die Verkehrsbetriebe Vorwohle – Emmerthal und die WLE auf dem Programm für eine ausladende Rundfahrt – natürlich mit der noch neuen Kastenente, die auf einsamen Feldwegen und hinter heimeligen Hecken ein angenehmes und vor allem preiswertes Schlafquartier bildet. Aus hygienisch-medizinischer Sicht muss man aus heutiger Sicht einräumen, dass wir uns an H.R. Wahlspruch „Man muss auch mal Schwein sein können“ orientierten. Als Wasserspender diente ein unförmiges Plaste-Teil, genannt „Schweine-Sack“...
Wenig später brummt die V 601 mit dem N 8504 von Einbeck nach Einbeck Mitte über die Ilmebrücke. Der Zuge hat einen Reiseweg von gerade mal 3,5 Kilometer und besteht für diese Riesenentdernung aus absolut souveränem Wagenmaterial. Zugegeben, der Di schränkt die Höchstgeschwindigkeit etwas ein, aber der Gediegenheit der Garnitur tut er keinen Abbruch.
Einbeck-Mitte ist erreicht, der Personenverkehr ruht jetzt erst mal eine Weile und Lok V 601 macht sich nach ein wenig Rangierarbeit auf den Weg zu einer wohlverdienten Brotzeit im Bw der Ilmebahn. Bei den Eisenbahner-Kollegen südlich des Weißwurst-Äquators gehörte zu einer zünftigen Brotzeit bekanntlich auch „a’ ordentliche Maß’n“. Dem berühmten einheimischen Urbock (aus eigener Erfahrung durchaus unseligen Angedenkens angesichts verschiedentlichen entstandener, rathausartiger Kopfzustände) werden die Personale in Einbeck sicher nicht zugesprochen haben, dafür ging bei der Ilmebahn alles zu seriös zu.
Am Depot der Ilmebahn , das nordwestlich des Stadtkerns liegt, übernimmt V 601 erst einmal allfällig Rangierarbeiten. Im Hintergrund sonnt sich ein Büssing-Omnibus, und auch die zweite Lok der Ilmebahn ist im Gewühl zu erkennen. Bahnmeisters Opel Kadett parkt sauber geputzt neben den Gleisen.
Eine – wie ich finde – nicht übel bebilderte Episode dieser Reise möchte ich hier wiedergeben, nachdem Privatbahnen offenbar auf Interesse stoßen; anders ist der Beifall für den Beitrag über die Hohenlimburger Kleinbahn wohl kaum zu deuten. Jetzt also mal eine normalspurige, die von Einbeck über Juliusmühle, Markoldendorf und Eilensen durch das namensgebende Ilmetal nach Dassel führte. 13,3 Kilometer mit nur geringen Steigungen, dafür aber in einer schönen Landschaft, waren hier zu bewältigen. In Einbeck selbst bestand Anschluss an die kurze DB-Stichstrecke von Salzderhelden, die zum Zeitpunkt unseres Besuches von der Ilmebahn im Personenverkehr mitbedient wurde.
Nun nähert sich auch V 65.02, die jüngere der beiden Ilmbahn-Maschinen, die 1962 ebenfalls bei MaK gebaut wurde (F.-Nr. 600415). Offenbar zweigt in einer ganz engen Kurve noch ein Werksanschluss ab (ganz rechts).
Leider etwas im Gegenlich präsentiert sich V 65.02 von vorne. Mit ihrem nach vorne und hinten überstehenden Führerhausdach wirkt sie etwas moderner als ihre Schwesterlok. Unterscheiden kann man die Maschine auch anhand der anders geformten Rangierergriffstangen.
Auch bei dieser Maschinenfallen die Pufferringe auf, die offenbar bei der Ilmebahn seinerzeit noch in Mode waren.
Zwei vierfachgekuppelte MaK-Dieselloks mit den Bezeichnungen V 601 und V 65.02 nannte die kleine Bahn damals ihr Eigen. Diese beiden im klassischen Rotton gehaltenen, sehr gepflegten Maschinen bewältigten den Güterverkehr zwischen Einbeck und Dassel sowie den Personenverkehr auf der DB Streck Salzderhelden – Einbeck. Auf dem Weg nach Dassel hatte die Strecke abschnittsweise fast schon den Charakter einer Straßenbahn, lag sie doch in unmittelbaren Nachbarschaft der Landstraße, allerdings - aus optischen Gründen muss man sagen leider – durchweg durch eine Leitplanke von dieser getrennt.
Hier stehen beide Maschinen noch einmal nebeneinander, links im Streckengleis in Richtung Dassel die jüngere V 65,02 und recht die V 601.
Wenig später fährt Lok V 65.02 vom Depot zurück zum Bahnhof Einbeck-Mitte, um dort den Güterzug nach Dassel zu übernehmen. Dabei muss sie eine komplizierte Straßenkreuzung nordöstlich des Stadtzentrums überqueren.
Wenig später sehen wir den Zug mit V 65.02 in Juliusmühle. In der Ortsdurchfahrt fehlt die Leitplanke, so dass sich ein besonders schönes Motiv ohne Störungen ergibt. Damals war man froh, dass einem kein Auto ins Bild fuhr. Heute würde man sich vielleicht über einen alten Magirus-Frontlenker oder Mercedes-Kurzhauber im Hintergrund freuen...
Unser Besuch zwischen Salzderhelden und Dassel fand am 17. August 1978 statt, ein Tag, an dem es das Wetter nur phasenweise gut mit uns meinte. Wir konnten einen von Salzderhelden nach Einbeck fahrenden Nahverkehrszug, anschließend einen Güterzug von Einbeck nach Dassel und zurück sowie anschließend zwei weitere Nahverkehrszüge ablichten. Aus heutiger sicht fällt auf, dass die Zahl der Bilder sehr überschaubar geblieben ist. Diafilme waren damals kostenträchtige Anschaffungen, und da geizte man regelrecht mit jedem Bild und jedem Motiv. Aus heutiger Sicht ist diese Art von Geiz natürlich absolut ungeil. Im Zeitalter der Digi-Knipsen ist mancher Auslöser quasi permanent gedrückt. Das konnte sich damals ein Student nicht leisten, denn „Schponsoring bay Daddy“ war damals auch noch nicht wirklich erfunden... Um das Hobby finanzieren zu können, waren schweißtreibende Tage und Nächte in finsteren Fabrikhallen vonnöten und man war sogar bereit, in einer Bremsbelag-Bude zu schuften, in der das Asbest aus Italien in der Mühle geschrotet und anschließend mit der Schaufel in die Mischmaschine gewuchtet wurde – zu all den anderen staubförmigen Zutaten, die nach längerem Braten bei hohen Temperaturen (ab 40°C Raumtemperatur spendierte das Unternehmen eine Flasche Mineralwasser pro Schicht und Person) dann eben zu Bremsbelägen wurden. Seine Arbeitsklamotten musste man in hermetisch verschlossenen Plastiksacken zum Waschen nach Hause transportieren und sofort waschen, sonst stank die ganze Wohnung infernalisch nach Bremsbelägen. Wie durchdringend der Gestank war, den man selbst durch Gewohnheit nicht mehr richtig wahrnahm, zeigt die Tatsache, dass es einem immer wieder an der Kasse im Supermarkt passierte, dass die Verkäuferin plötzlich nervös Registrierkasse und Transportband zu prüfen begann. Warum? Es roch infernalisch nach Verbranntem. Beruhigt waren die Damen dann erst, wenn man sie aufklärte, dass die Geldbörse diesen Geruch verströmte, wenn man sie mit in den Betrieb genommen hatte (was ja zum Erstehen kleiner Erfischungen aus der Kantine, die über die evtl. gespendete Flasche Freiwasser hinausgingen, durchaus nützlich war).
Rangieraufgaben sind im Bahnhof Markoldendorf zu übernehmen, wo alle Weichen natürlich vom Rangierer von Hand gestellt werden müssen. Der Himmel zeigt sich nicht gerade von einer besonders erfreulichen Seite, läßt dem Lorenz aber immerhin eine Lücke, um die Szenerie mit dem Fachwerk-Bauernhof im Hintergrund in ein angenehmes Licht zu tauchen. Was gäbe man darum, soetwas noch einmal erleben zu können!?
Auch in Markoldendorf fallen die absolut aufgeräumten und sauberen Bahnanlagen auf – da fehlen einem fast die Worte, so sehr hat man sich schon an all den Rotz gewöhnt im Umfeld heutiger Stations.
Hinter Markoldendorf kreuzt die Strecke die Landstraße. Man traut fast seinen Augen nicht: Es gibt nicht einmal eine Halbschranke. Autofahrer heutiger Prägung würde das ja geradezu herausfordern, das Blinklicht zu ignorieren („war doch kaputt, hatte’n Wackelkontakt eijjj“). Der Fahrer des Mercedes-Lkw der LP-Reihe (von den Freaks wegen der Kabinenform oft auch „Toastscheibe“ genannt) hält sich jedenfalls an die Regeln.
Zurück zum Foto-Hobby. Was ich mit diesem Ausflug in die Arbeitswelt zum Ausdruck bringen wollte, war lediglich, dass man schon einiges auf sich genommen hat, um die Kohle für Filme, Sprit und so weiter aufzubringen. Allerdings ist man heute doch auch durchweg zufrieden mit dem, was man mit diesem Geld alles hat unternehmen und auf den Film bannen können. Sicher, es hätte viel mehr sein dürfen. Aber was ich habe, ist allemal besser als nichts. Und ich finde, die Ilmebahnfotos kann man immerhin vorzeigen.
Zwei rote Triebfahrzeuge im Endbahnhof Dassel: Lok V 65.02 vor dem ehemaligen Lokschuppen, die Kastenente („Döhschwooh“) auf der gepflasterten Ladestraße am Güterschuppen. So ein Foto macht man nicht alle Tage!
Obwohl der Personenverkehr in Dassel schon lange der Vergangenheit angehört, ist auch hier alles sauber und tiptop in Ordnung. Nach dem Rangieren steht die Lok noch eine Weile im Bahnhof, ehe sie sich mit einem Waggon wieder auf den Rückweg nach Einbeck macht.
In der Ortsdurchfahrt von Eilensen kommt das Gespann an dieser prächtigen Gaststätte vorbei. Im Vordergrund sind noch die Reste der Bahnsteige des dortigen Haltepunktes zu sehen.
Leider hat es mich nur einmal an die Ilme verschlagen. Spätere Besuche in dieser Gegend widmeten sich ausschließlich anderen Objekten, die Bahn wurde dabei nur noch sondezugmäßig tangiert. So muss ich gestehen, dass ich fast nichts über den Weiterbestand der Bahn und ihrer Strecke weiß. Dass es das Unternehmen noch gibt und dass es – wie bei Privatbahnen heutiger Prägung durchaus üblich – Güterverkehr in größerem Umfang auf DB-Strecken ausübt, ist schon klar. In Holzminden sind mir mal zwei grüne Ilmebahnloks begegnet, wenn ich mich richtig entsinne eine Ost- und eine West-V100. Die Bahnstrecke nach Dassel ist meines Wissens zumindest zum größten Teil abgebaut. Ob es die Werkstat in Einbeck in dieser Form noch gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich bin sicher, dass die Leser hier einiges ergänzen können zu dieser Bahnstrecke, die ich als sehr schön in Erinnerung gehalten habe.
Juliusmühle wird durchfahren. Im Vorderungrund ein Anschlussgleis, dass angesichts seines Zustands darauf schließen läßt, dass es noch gebraucht wird.
Am Nachmittag übernimmt Lok V 65.02 den Reisezugverkehr zwischen Einbeck-Mitte und Einbeck. Wir sehen sie hier mit dem N 8521 in Richtung Einbeck (Salzderhelden) auf der Ilmebrücke.
Als Rückleistung fährt sie N 8518 in Richtung Einbeck-Mitten, diesmal auf den Vorflutbrücken der Leine. Im Hintergrund verläuft die Nord-Süd-Strecke, über der als helles Band die Bundesstraße 3 zu erkennen ist.
Eine Fortsetzung meinerseits wird es von diesem Beitrag nicht geben – mehr existiert bei mir nicht. Aber ich hoffe, dass die Privatbahn- und Diesellok-Freaks auch mit diesen wenigen Aufnahmen auf ihre Kosten kommen werden. Übrigens: Eine Absprache mit dem Einsteller (Nord-Süd) des Ilmebahn-Artikels vom heutigen Tag (!) gab es nicht. Zufälle gibts...
Es grüßt
Der Bergische!
Eintrag editiert (06.01.06 09:31)
Jeder Dritte, der nach Bildmaterial zu diesem Beitrags fragt, wird erschossen. Zwei waren schon da...